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Copywrite Der Geist geht

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01.01.2015
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Der Geist geht

Die Haustür glänzt wie immer. Ich rieche den Mief aus teurem Parfüm und Parkettwachs, mit dem ich aufgewachsen bin. Auf dem Klingelschild mein Name: Ivette, fett durchgestrichen. Beim letzten Mal habe ich mit Nagellackentferner den Eddingstrich entfernt, aber jetzt grinst er mir wieder höhnisch entgegen. Mein Magen zieht sich zusammen, vielleicht ist es nur der Hunger, bei mir gibt es schon seit Tagen nur Müsli und Möhren. Allmählich brauche ich einen Plan, wie es weitergeht ohne Job, ohne Jan, ohne ...
Wie verabredet, nein, wie bestellt, komme ich hier pünktlich um Viertel nach vier zum Kaffee vorbei. Ein kurzer Blick auf mein Handy, dann schiebe ich es in die Hosentasche. Meine Mutter hasst es, wenn irgendwas mehr Aufmerksamkeit bekommt als sie.

Der Blick in die Küche lässt mich erstarren. Zwei Schritte und ich schlage ihr alles aus der Hand. Die Tabletten schlittern über den schwarzen Fliesenboden. Das Wasser spritzt auf einen Haufen aus Folien, Taschentüchern und Pizzaresten.
„Was soll der Scheiß schon wieder?“ Unsanft schiebe ich meine Mutter auf einen der klebrigen Stühle. „Perfekt getimet, was?“ Ich fege die Tabletten zusammen und werfe sie in den Müll. Drehe mich einmal um mich selbst, versuche das Gefühl von zu Hause einzufangen.
Mutter legt den Kopf auf die Tischplatte. Mit einem schnellen Griff rette ich die Kaffeeschale vor dem Absturz. Ihre Geriatrie-Zeitschrift rutscht vom Tisch, mein Blick schweift durch die sonst immer spiegelblanke Küche.
Aus Augenschlitzen linst meine Mutter zu mir. „Wenn du gehst, Ivette, will ich nicht mehr.“ Sie hat ihren Kopf gedreht und beobachtet meine Versuche, das Chaos zu ordnen. Kaum schaue ich in ihre Richtung, fängt sie an zu weinen und stöhnen.
„Hör auf damit, wir wissen beide, dass es hier nicht um mich geht.“ Ich wende mich ab, sehe den Berg dreckigen Geschirrs und die offenen Sushipackungen, da kommt der widerliche Geruch her. „Wolltest du dir nicht eine Haushaltshilfe suchen?“ Wie automatisch räume ich Teller und Gläser in den Geschirrspüler.

„Lass das, du wohnst hier nicht mehr.“ Sie sitzt da, bleibt auf Abstand.
In der unteren Schublade suche ich nach meinem Lieblingstuch, das mit den Marienkäfern, und beginne, die klebrigen Ringe und Krümel zu beseitigen. Das Tuch hat mir einer von Mutters Lovern geschenkt, ich sei genauso quirlig, wie die Käfer und immer glücklich. Gedankenverloren streichle ich über eines der übergroßen rot-schwarzen Insekten.
Der Hunger siegt, ich grabble in der Keksschublade nach etwas Essbarem.
„Ich hab dich nicht rausgeworfen, hab nur gesagt, wenn du dein Studium abbrichst und mit dem Typen nach Amerika gehst, bist du raus.“
„Kanada, und er heißt Jan.“ Ich taste nach meinem Handy, hat es nicht gerade vibriert?
Meine Mutter schnaubt nur, redet seit Wochen nicht mit mir, nicht wirklich.
Mit unerwartetem Schwung zieht sie sich hoch, zeigt auf mich. „Ich habe dir alle Möglichkeiten eröffnet, für dich auf alles verzichtet, alles getan.“
„Ja, Frau Doktor! Du hast mir einen blöden französischen Vornamen verpasst. Ich hatte sogar zweisprachige Kindermädchen.“ Mir wird heiß, die Worte sträuben sich auf der Zunge, wollen unbedingt raus. „Aber du hast mich nie geliebt!“

Sie ist schneller als sonst. Mein Kopf schnellt zur Seite, ich beiße mir auf die Lippen. Schmecke Blut. Die Finger meiner Mutter brennen auf der Wange. Ich hole tief Luft, will antworten, doch sie kommt mir zuvor: „Ich wäre heute Professorin und hätte meine eigene Klinik. Ich wäre jemand.“
„Tja, dann hättest du wohl nicht schwanger werden dürfen.“
Sie lacht höhnisch. „Das sagt die Richtige. Hast dich doch selbst von irgendwem anbuffen lassen.“
Ich sinke auf den Stuhl. „Warum lass ich dich nicht einfach die Tabletten nehmen?“
Bei dem Gedanken wird mir schlecht, es blitzen Bilder auf. Wir auf dem Spielplatz, wir mit Kochmützen und Spagettis, Mutter beim Aussuchen meiner ersten High Heels. Ihre betont beiläufige Stimme lässt mich aufblicken.
„Wo ist er, dein toller Typ?", fragt meine Mutter. Ich schüttle nur den Kopf, will gehen und bleibe doch sitzen.
Die Tabletten sind vergessen, gleich kommt die Weinflasche. Und irgendwann wird sie sich das Briefpapier schnappen, wie manisch anfangen zu schreiben. Entschuldigungsbriefe schreiben kann meine Mutter, sie findet immer einen Grund, eine Ausrede, meistens bei anderen.
Am liebsten will ich lügen, ihr einfach erzählen, dass er angerufen hat, ich in den nächsten Tagen endlich auch nach Kanada fliege, alles gut wird. Aber sie merkt immer, wenn ich lüge. Ich fange an, die Bücher ins Regal zu ordnen, ganz systematisch.

Meine Füße schlurfen, als ich die Tür leise hinter mir zuziehe, in der Hosentasche alle Tabletten, die ich in der Wohnung finden konnte. Meine Mutter hat mich nur beobachtet, ohne weitere Worte. Sie versucht nicht mal etwas zu erklären, gibt keine Antwort. Dabei ist die Nacht im Krankenhaus erst drei Wochen her. Die Schwestern haben versucht, mir zu erklären, dass es ein Hilferuf sei, von meiner Mutter kam nur: „Glück gehabt!“ Aber sie hat den Anruf nicht verhindert, mich kommen lassen. Und ich durfte sie in den Arm nehmen, ganz kurz.
Ich konnte nicht anders, habe gefragt: „Soll ich zu dir ziehen?“
Von ihr kam nur: „Hast du dich von dem Kerl getrennt?“
Seitdem sitze ich alleine in der kleinen Bude, die Jan und ich zu einem gemütlichen Kuschelnest gemacht haben. Alles voll Fotos von uns, dicken Kissen und sein Geruch hängt im Raum. Ich kann ihn riechen, obwohl er seit zwei Monaten weg ist – unser Leben in Kanada vorbereiten. Seitdem habe ich nichts von ihm gehört, überhaupt nichts. Er weiß nicht mal, dass er Vater werden könnte. Ich weiß nicht mal, ob er noch lebt.

Noch ein Blick auf das Handy, dabei wollte ich es doch wegstecken. Meine Schritte werden kürzer, ich erwische mich bei kleinen Umwegen und dem Blick in Schaufenster, die mich nicht interessieren. Ich komme jeden Tag später nach Hause.
Wie ein Geist schleiche ich durch die Straßen, suche in allen Gesichtern nach einem Bekannten, in allen Geräuschen nach meinem Namen. Aber hier ist keiner, kein Jan, keine Freundin, keine Familie. Irgendwer hat in einem der letzten Gespräche zusammengefasst: ‚Du brauchst anscheinend niemanden mehr‘, und ist gegangen. Seit ich Jan kenne, gab es nur uns. Und jetzt?
Ohne dass es mir bewusst ist, bin ich in Richtung des kleinen Bistros gelaufen. Es ist dort ruhig, den Kaffee kann ich mir noch leisten. Vor zwei Tagen hat mir der süße Angestellte ein Stück Kuchen zum halben Preis gegeben. Ein interessanter Typ, irgendwas bedrückt ihn, ich kann es sehen. Und der Boss lässt mich nicht aus den Augen, aber sorry, kein Interesse.

Ich steure zielstrebig auf die Glasvitrine mit dem Kuchen zu, stütze mich kurz ab. Selbst die recht kümmerlichen Reste lassen meinen Magen hopsen. Bis mir einfällt, dass ich nur noch zwei Euro in der Hosentasche habe.
Ein Nicken für den Boss und ein kleines Lächeln für den jungen Typen hinter der Bar.
„Einen Kaffee bitte, schwarz.“ Mein Blick schweift noch einmal über die leicht angetrocknete Apfeltarte und einen etwas krümeligen Nusskuchen.
„Bring ich an den Tisch“, sagt der Boss.
Auf dem Weg zu der Fensterbank höre ich schon das harte Klacken des Kaffeesiebs und den Dampf. Ich mag seine Art, wie er hochkonzentriert die Maschine bedient, umwabert vom heimeligen Geruch frisch gemahlenen Kaffees. Ich taste in meinem Rucksack nach dem Notizblock, muss meine Gedanken dringend aufschreiben. Ja, vielleicht ist das ein Weg, ich schreibe einen Brief.
Der erste Satz steht schon auf dem Papier, bevor ich überhaupt entschieden habe, an wen ich schreiben will. Meine Mutter? Jan? Eine Freundin, eine ehemalige …?

„Geht aufs Haus.“ Der Boss stellt ein Stück Apfeltarte zum Kaffee. Mein Magen knurrt.
„Danke.“ Ein kleines Lächeln. Ich mag den Boss, aber jetzt nicht, ich schließe meine Augen und hoffe, dass er zu tun hat.
„Arbeit?“
Ich schüttle den Kopf und endlich geht er: „Entschuldigung!“, und noch irgendwas murmelnd.
Meine Gedanken kreisen wie ein Starenschwarm, zu viele, zu laut. Was will ich schreiben? Was will ich – Abschied, Hilfe, Liebe?
Vom Tresen dringt nur undeutliches Gemurmel zu mir. Fußball, das allumfassende Männerthema würde ich tippen. Aber wer weiß, vielleicht streiten sie auch über die Tagespolitik.
Den ersten Zettel zerknülle ich, lasse ihn in meinen Rucksack fallen. Ich kriege meine Gedanken nicht zu fassen, wie soll ich das auflösen, meine Mutter verstehen, Jan finden, der Einsamkeit entkommen, …
Ich zerteile meinen Kuchen wie immer in kleine Happen, fange nochmal an zu schreiben. Draußen blitzt Blaulicht auf, ich schaue, in welche Richtung es fährt.

Als die Tür klappert, blicke ich auf und merke, dass ich alleine im Bistro bin. Die beiden Männer stehen sich draußen gegenüber, der junge Typ, Paul heißt er wohl, entspannt an den Türrahmen gelehnt. Der Boss dreht ruckartig den Kopf, als ob er mich eben noch beobachtet hätte. Im Neonlicht der Reklame schwirrt Asche durch die Luft. Ein dumpfes Aufprallgeräusch schreckt mich hoch, die Scheibe gerät in Schwingungen, ich kann es spüren. Ruckartig verziehe ich die Hand, ein Strich kratzt übers Blatt. ‚Ich möchte ______‘. Draußen beugen sich die Männer über die Gehwegplatten, der Boss formt mit seinen großen Händen eine Schale und trägt etwas herein. Er legt einen toten Vogel auf eines der kleinen Silbertabletts, zarte Federn lösen sich. Mein Blick folgt einer in die Kuchenauslage schwebenden Feder, ich trete näher, angezogen von dem kleinen Leben, was jetzt so ohne ist.

Ich höre nur weit weg den Kommentar von Paul, meine Hand fährt sacht über den Schnabel, die weichen Federn an der Kehle.
„Das Genick ist gebrochen.“ Ich spüre, dass meine Augen feucht werden, blinzle es weg.
Der Boss fragt leise: „Genick gebrochen?“ Also nehme ich vorsichtig seine Hand und führe sie zu der Stelle, an der ein kleiner Knochen aus dem Federkleid ragt. Seine Finger zittern, kurz überlege ich, sie fester zu fassen, aber er zieht sie zurück und ich lasse meine Hand ins Leere fallen. Ohne Kommentar greift er zur Flasche unter dem Tresen. Der scharfe Geruch von Schnaps, den er aus einem Wasserglas kippt, lässt mich zurücktreten, meinen Rucksack umklammern.

„Und der Flattermann?“, fragt Paul. „Machen wir mit dem jetzt?“ Er blickt zwischen mir und seinem Boss hin und her. Erwartungsvoll schaut dieser mich an.
Ohne nachzudenken, mit einem tiefen Aufatmen lege ich einen Finger auf das Silbertablett und sage bestimmt: „Ich finde, wir sollten ihn beerdigen.“
Paul winkt an. „Ab in die Tonne damit.“
„Nein, das ist Leben, sowas wirft man nicht weg.“
In meinem Kopf dröhnt es, ich will das Tablett nehmen, den Vogel in Sicherheit bringen, ihm ein Heim geben, ein letztes. Ich drehe einen Fuß leicht schräg, schiebe meinen Körper zwischen Paul und den Vogel, gehe in Verteidigungshaltung. Fahre mit einer Hand über meinen Bauch.
Da wird die Stimme des Bosses klarer in meinem Kopf, ich höre bewusst seine Frage. „Wie hast du dir das vorgestellt?“ Sein: „Beerdigen … ich meine, wo willst du ihn denn beerdigen?“, klingt skeptisch.
Suchend schaue ich mich um, ignoriere das Geplänkel der beiden, irgendwas über verrückt sein und nur tot. Mein Blick fällt auf den Blumenkübel vor der Tür, eine Mischung aus üppigen Petunien und einigen verhungerten Fleißigen Lieschen. Ich zeige auf den großen Topf: „Da draußen im Blumenkübel.“
Kopfnickend greife ich mir das Tablett und gehe. Paul hält mir die Tür auf, schaut mich mit ungläubigen Augen an.

Während beide Männer mir durch die große Scheibe zuschauen, knie ich vor dem Kübel nieder. Vorsichtig, einige Petunientriebe beiseite biegend, kratze ich ein Loch in die Erde. Sie ist frisch aufgefüllt, es riecht satt und beständig nach etwas Bleibendem. Ich muss Kraft aufwenden, um durch das Wurzelgeflecht tief genug zu kommen, fasse die Kuchengabel falsch herum, um den breiten Stiel nutzen zu können. Sanft streichle ich ein letztes Mal über den jetzt kalten Körper, bette den toten Vogel in das kleine Grab und überlege, was ich noch tun könnte. Nichts, da kann man nichts mehr tun. Mit den Gabelzinken schiebe ich vorsichtig Erde in die flache Kuhle, bedecke den Körper und suche nach einem Stein oder Ähnlichem. Nein, hier ist nichts, also klopfe ich nur achtsam auf den weichen Boden. Erst beim Aufstehen merke ich, dass mir Tränen übers Gesicht laufen. Kein Schluchzen, kein Ton, nur leise fließende Tränen.
Ohne mich noch einmal umzudrehen, gehe ich, meinen Rucksack über einer Schulter, die Kuchengabel in der Hand.

 
Quellenangaben
Jimmys 'Den Geist tragen'
Zuletzt bearbeitet:

Uff- wir müssen dringend über Losauswahl und das Verhalten von sprechenden Hüten reden, aber habt vielen Dank für Eure Geduld mit mir.
Als Vorlage habe ich mir @jimmysalaryman 's Den Geist tragen ausgewählt und ja, irgendwie hat es tatsächlich Spaß gemacht, zumindest war es eine echte Herausforderung

 

Das Ganze fühlt sich wie ein mit verteilten Rollen gelesenes Drama an, einstudiert, regelmäßig aufgeführt

sagstu einmal mitten im Text,

liebe greenwitch,

und besseres kann man zu diesem copywrite zu jimmys Original gar nicht sagen, das Du um das häuslich-familiäre Kapitel erweitert hast samt Perspektivwechsel – und das ist gut so, denn das doppelte Drama zeigt auf, dass man trotz mehr oder weniger privatem Stress‘ „menschlich“ bleiben kann, die Nerven nicht verlieren muss.

Aber was ist mit Deiner Konzentration, warum dieses überstürzte Einstellen?, wobei der Titel etwas einschränkend wirkt, denn gemeinhin heißt es ja, der Geist wehe, denn er ist frei wie der Wind und der weht bekanntermaßen wie und wo er will.

Meine Mutter hasst es, wenn irgendwas mehr Aufmerksamkeit bekommt […] als sie.
(Komma weg, es folgt ein bloßer Vergleich)

„Perfekt getim[e]t, was?“
„Wenn du gehst[,] Ivette, will ich nicht mehr.“

In der unteren Schublade suche ich nach meinem Lieblingstuch, das mit den Marienkäfern, und beginne[,] die klebrigen Ringe und Krümel zu beseitigen.

Meine Mutter hat mich nur beobachtet[...]ohne weitere Wörter.

Sie versucht nicht mal[…] etwas zu erklären.
(Komma weg, weil es sonst das komplexe Prädikat „zu erklären versuchen“ zerschlägt. HIer
Die Schwestern hatten versucht mich nach der Fehlgeburt zu trösten, von meiner Mutter …
gelingt‘s mit dem „zu trösten versuchen“

Seit dem habe ich nichts von ihm gehört, überhaupt nichts.
„Seitdem“, ist m. E. die Konjunktion, vergleichbar mit der Diskussion um „so weit“ und „soweit“

„Geht aufs Haus[. / alternativ !]“ Der Boss stellt ein Stück Apfeltarte zu meinem Kaffee.
Der Boss fragt leise: „Genick gebrochen?“[...]

Ohne nachzudenken, mit einem tiefen [A]ufatmen lege ich einen Finger auf das Silbertablett und sag[...]e bestimmt: „Ich finde, wir sollten ihn beerdigen.“

In meinem Kopf dröhnt es, ich will mir das Tablett nehmen, den Vogel in Sicherheit bringen, ihm ein Heim geben, ein Letztes.
„letztes“ besser klein, ist wohl eher ein Attribut zum Heim ...

Mein Blick fällt auf den Blumenkübel vor der Tür, eine Mischung aus üppigen Petunien und einigen verhungerte[n] Fleißige[n] Lieschen.

Sie ist frisch aufgefüllt, es riecht satt und beständig, nach etwas Bleibendem.
Und weil‘s so schön ist und auch näherungsweise passt, übernehm ich die mehr oder weniger weisen Worte aus dem Januar, als Corona noch allzu weit weg erschien: „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt ...“ beginnt Walter Benjamin seine Gedanken „Über den Begriff der Geschichte“, und

Der Geist geht,​

selbst wenn er weht, ist ein wahrlich bedeutungsschwangerer und -schwerer Titel, und man könnte ihn auf den Schnaps beziehen, kommt das Wort „geist“ (auch schon in der heute unveränderten Schreibweise) im achten Jh., also mit den Anfängen des thiutisk (das tea-aitsch ist da vielleicht noch tatsächlich das uraltgesamtgermanistischen Þ, bevor es zum weichen „d“ abgeschliffen wird, und meint das lat. „spiritus“, wenn man dem Deutschen Wörterbuch [DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache] trauen darf – aber zeigt nicht Ivette, dass der Geist (vom „Atem“ übers „Denk/Erkenntnisvermögen“ und dem Unheimlichen) „weht“, wie und wo er will, als hätte es, der Geist und das Mädchen, auf den Un-/Vorfall gewartet (bei Dir ja schon in der Küchenszene).
Bei jimmy kommt zum Schluss noch die Symbolik des „unbeschriebenen“ Blattes hinzu ... Ivette verlässt den Ort des Geschehens sprach-, zumindest wortlos mit einer Gabel als Grabschaufel in der Hand.

Die Männer hätten den Vogel nicht bestattet, Ivette scheint jedes Leben gleichwertig zu sein. Und so sollte es ja auch sein.

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, moin lieber @Friedrichard ,

was bist Du doch für eine treue Seele, vielen Dank für den erlösenden Kommentar, zumindest glaube ich ihn nicht als Verriss zu lesen.

und besseres kann man zu diesem copywrite zu jimmys Original gar nicht sagen, das Du um das häuslich-familiäre Kapitel erweitert hast samt Perspektivwechsel – und das ist gut so, denn das doppelte Drama zeigt auf, dass man trotz mehr oder weniger privatem Stress‘ „menschlich“ bleiben kann, die Nerven nicht verlieren muss.
Für mich und meinen bisherigen "Anekdotenschreibstil" war das schon ein ziemlicher Schritt, also ich hab denke ich einiges dazu gelernt. Das ich nicht an Jimmys dramaturgischen Aufbau der Figuren und Bedeutungen ranreiche, war mir klar, ich habe daher versucht, mehr Schwerpunkt auf etwas Handlung zu legen. Und spannend fand ich es schon, sich zu überlegen, was bei vorhandenen Prots zu welchem Verhalten führen könnte.

Aber was ist mit Deiner Konzentration, warum dieses überstürzte Einstellen?,
Du wirst den Kopf schütteln, aber da war nix überstürzt und ganz ehrlich, für meine Verhältnisse, ist die Fehlerquote im grünen Bereich. Nicht, dass mich das stolz mache, ich ärgere mich über jeden einzelnen, aber bei Grammatik bin ich echt immer am lernen. Daher vielen Dank, das Du die Begründung meist dazu gibst, ich denke, vieles ist schon besser geworden, für mehr, sollte ich halt mehr schreiben ...

Ich habe hoffentlich alle Fehler aufgearbeitet. Nur bei diesem hier, erscheint mir der Satzklang zu fehlen, wenn ich das Komma lösche.

Meine Mutter hat mich nur beobachtet, ohne weitere Wörter.

wobei der Titel etwas einschränkend wirkt, denn gemeinhin heißt es ja, der Geist wehe,
Zugegeben, der große Wurf ist der Titel nicht unbedingt, aber mir war die Nähe zum Original wichtig. Und ich sehe Ivette wirklich nur als Geist (also sie fühlt sich so, nichts ist mehr wirklich, alles in der Schwebe, hohl, durchsichtig - doch, jetzt, wo wir drüber reden - ich finde es passt.
Es geht immer auch anders, aber solange die Autorin es für sich begründen kann ...

selbst wenn er weht, ist ein wahrlich bedeutungsschwangerer und -schwerer Titel,
wie gesagt, ich finde ihn im Zusammenhang mir der Copyidee passend, dann auch nicht bedeutungsschwanger, weil "Konter" oder Anlehnung an Jimmys Titel.

Ivette verlässt den Ort des Geschehens sprach-, zumindest wortlos mit einer Gabel als Grabschaufel in der Hand.
Ja, manchmal ist es genauso im Leben, ich hoffe ja, das sie die Wörter wiederfindet. Für mich, als "heile Welt" Schreiberin, war das ein schweres Ende, bin also fürs Erste damit zufrieden.

Hab Dank Friedel fürs Aufräumen, ich schaue mir den Infinitiv mit zu in komplexen Prädikaten nochmal an, "Soweit" hab ich versucht mir zu merken, das schaffe ich auch mit "seitdem" - ich hoffe nur, das sie mit den erneuten Regeländerungen einfach noch etwas warten ...
Wünsche Dir eine schöne Zeit, wir sehen/lesen und unter Deiner Geschichte
Beste Wünsche
witch

 

Ich habe hoffentlich alle Fehler aufgearbeitet. Nur bei diesem hier, erscheint mir der Satzklang zu fehlen, wenn ich das Komma lösche.
greenwitch schrieb:
Meine Mutter hat mich nur beobachtet, ohne weitere Wörter.

Moin greenwitch,

seitdem ich mit Theaterleuten zusammen bin, weiß ich ja, dass das Stilelment des Heinrich Kleist noch in den Manuskripten lebt. Da bedeutet die wilde Kommasetzung Regieanweisung der kurzen Atempause, aber die kannstu doch im literarischen Leben auch anregen oder erzwingen durch einen Gedankenstrich (wiewohl man sich ja grundsätzlich bei schriftlichen Äußerungen Gedanken machen sollte). Aber schlaflose Nächte brauchstu nicht wegen der Geschichte zu haben. Für meine Begriffe ist sie gut.

Ja, dann sach ich ma bis unnerm Quasimodo,

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @greenwitch ,

gleich zu Anfang: Das ist eine gute Geschichte. Die könnte auch ohne die Bistro- Szene bestehen. Aber natürlich, dadurch bekommt sie noch einmal eine weitere Dimension, ich werde später noch darauf eingehen.
Zuerst einmal habe ich einige Stellen herausgepickt, die mir wegen des Spannungaufbaus gut gefallen haben.

Da ist er wieder, dieser Mief aus teurem Parfüm und Parkettwachs mit dem ich aufgewachsen bin.

aha, das Milieu, sofort ambivalent dargestellt. Da muss man neugierig werden.

Allmählich brauche ich einen Plan, wie es weitergeht, ohne Job, ohne Jan, ohne ...

Da hat die Prota noch mehr verloren, als sie ausspricht. Ich habe eine leise Ahnung.

Meine Mutter schnaubt nur. Ich will über meinen Bauch streicheln, lasse es aber.

Ein Konflikt zwischen Tochter und Mutter, klassisches weibliches Thema. Mein Verdacht erhärtet sich.

Am liebsten will ich lügen, ihr einfach erzählen, dass er angerufen hat, ich in den nächsten Tagen endlich auch nach Kanada fliege, alles gut wird.
Ich weiß jetzt, dass sie lügt. Was ist wirklich geschehen?

Seitdem habe ich nichts von ihm gehört, überhaupt nichts. Er weiß nicht mal, dass er hätte Vater werden können. Ich weiß nicht mal, ob er noch lebt.

Jepp. Jetzt weiß ich Bescheid. Die lange Passage mit dem Krankenhaus hätte man mMn kürzen können. Die (rührselige) Geschichte mit der Mutter bräuchte ich nicht, Muttertag hin oder her. Ivette findet auch allein den Weg in ihr Kuschelnest. Es würde die Schockstarre der Prota betonen.

Dann beginnt der zweite Teil der Geschichte. Das Bistro-Personal tritt in Erscheinung. Ich habe mich gefragt, ob die Beerdigung des Vogels auch an anderer Stelle und ohne Beteiligung anderer Personen geschehen könnte. Ich glaube , ja. Das Stellvertreter-Grab gehört zur Katharsis. Früher wurden nicht nur Fehlgeburten, sondern auch Totgeburten ( = vollendete Geburten) mit dem Sondermüll entsorgt. Die Verpflichtung des GG zur Menschenwürde hat diesen Usus beendet.
Also was bringt die Bistro-Szene, abgesehen vom Mehrwert als gelungenes CW?

„Das Genick ist gebrochen.“ Ich spüre, meine Augen feucht werden, blinzle es weg.
Der Boss fragt leise: „Genick gebrochen?“ Also nehme ich vorsichtig seine Hand und führe sie zu der Stelle, an der ein kleiner Knochen aus dem Federkleid ragt. Seine Finger zittern, kurz überlege ich, sie fester zu fassen, aber er zieht sie zurück und ich lasse meine Hand ins Leere fallen. Ohne Kommentar greift er zur Flasche unter dem Tresen. Der scharfe Geruch von Schnaps, den er aus einem Wasserglas kippt, lässt mich zurücktreten, meinen Rucksack umklammern.

Einen Augenblick lang lässt die Prota die Männerwelt in ihre Trauer hinein. Und trifft auf den Boss, der gerade selbst mit Loslass-Problemen kämpft. Eine schöne Verknüpfung, die aber auch zeigt, dass Frauen und Männer unterschiedlich ticken.

In meinem Kopf dröhnt es, ich will mir das Tablett nehmen, den Vogel in Sicherheit bringen, ihm ein Heim geben, ein letztes. Einen Fuß leicht schräg gedreht, schiebe ich meinen Körper zwischen Paul und den Vogel, gehe ich in Verteidigungshaltung. Fahre mir mit einer Hand über den Bauch.

Noch ist der Abschied nicht perfekt. Es fehlen noch Handlungen und Gesten, Rituale, einen (Grab-)Stein.

Nichts, da kann man nichts mehr tun. Mit den Gabelzinken schiebe ich vorsichtig Erde in die flache Kuhle, bedecke den Körper und suche nach einem Stein oder ähnlichem. Nein, hier ist nichts, also klopfe ich nur achtsam auf den weichen Boden. Erst beim Aufstehen merke ich, das mir Tränen übers Gesicht laufen. Kein Schluchzen, keine Ton, nur leise fließende Tränen.

Tränen als erlösendes Reinigungselixier. (Auch Männer dürfen weinen. Wenn es geschieht, sind die Medien gleich dabei).

Hat mir sehr gut gefallen. Auch stilistisch finde ich dich auf einem guten Weg zu präziser, dennoch knapper Beschreibung.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Einen wunderschön sonnigen und vogeldurchzwitscherten Sonntagmorgen, liebe @wieselmaus

gleich zu Anfang: Das ist eine gute Geschichte.
sorry, ich muss es einfach zitieren - hab mich sehr darüber gefreut

Die könnte auch ohne die Bistro- Szene bestehen. Aber natürlich, dadurch bekommt sie noch einmal eine weitere Dimension,
naja, immerhin soll es ja ein Copy sein und so ganz traue ich meinen Fähigkeiten da nicht über den Weg, wenn ich mich zuweit von Jimmys Geschichte entferne

Stellen herausgepickt, die mir wegen des Spannungaufbaus gut gefallen haben.
und wo bleibt da die Kritik? Aber, heute ist Sonntag, da freue ich mich einfach mal so über diesen Kommentar.

Die lange Passage mit dem Krankenhaus hätte man mMn kürzen können. Die (rührselige) Geschichte mit der Mutter bräuchte ich nicht
guter Hinweis, ich probiere es bei Gelegenheit für mich einmal aus.

Beerdigung des Vogels auch an anderer Stelle und ohne Beteiligung anderer Personen geschehen könnte. Ich glaube , ja.
doch, da gehe ich mit. Aber dann wäre es mir zu weit weg vom Original, vielleicht bei einer der nächsten Copy-Runden.

Früher wurden nicht nur Fehlgeburten, sondern auch Totgeburten ( = vollendete Geburten) mit dem Sondermüll entsorgt.
Genau! Das war mein Ansatz, wenn er jetzt auch im Text etwas verschwindet. ich habe überlegt, was die Handlung in Jimmys Geschichte ausgelöst haben könnte, und habe mich an das Problem der fehlenden Bestattungen, die so auch fehlenden Verarbeitung und Trauermöglichkeit erinnert. Leider habe ich mich dann im Text doch etwas in den anderen Themen (Mutter, Freund und Einsamkeit) verlaufen, aber ich wollte auch etwas mehr Handlung, als Jimmy in seinem Text. Aber vielleicht würde es lohnen, diesen Kern nochmal stärker rauszuarbeiten, mit drei Seiten ist die Geschichte ja recht kurz, da ginge schon noch etwas mehr ...

Einen Augenblick lang lässt die Prota die Männerwelt in ihre Trauer hinein. Und trifft auf den Boss, der gerade selbst mit Loslass-Problemen kämpft. Eine schöne Verknüpfung, die aber auch zeigt, dass Frauen und Männer unterschiedlich ticken.
Das war der zweite Punkt, der mich interessiert hätte im Original, aber mir fiel einfach nichts sinniges ein, um diesen Konflikt herauszustellen, also außerhalb von kitschiger Beziehungskrise

Hat mir sehr gut gefallen. Auch stilistisch finde ich dich auf einem guten Weg zu präziser, dennoch knapper Beschreibung.
Sorry, auch das Zitat musste jetzt nochmal sein.
Auch wenn ich über die Zulosung wirklich gestöhnt habe, an dieser Stelle dann mal ein dickes Dankeschön an @jimmysalaryman , denn automatisch hat sein Original mir geholfen, kürzer, präziser zu schreiben, als mein bisheriges "Gesappel", natürlich immer noch mit viel Luft nach oben. Und auch @Katla s Finger drauf auf die "Nachtritt"-Stellen bleibt hoffentlich hängen, dann habe ich bei dieser Runde wieder einiges dazugelernt. Danke Dir sehr ...

Liebe Wieselmaus, herzlichen Dank für den Besuch, beim nächsten Mal darfst Du meine Geschichte gerne auseinander nehmen, diesmal genieße ich einfach den wohlwollenden Kommentar
Beste Wünsche
witch

 

Auch dir einen schönen Sonntagmorgen, liebe @greenwitch, hoffentlich noch nicht mit den Eisheiligen ... Ist ja für Garteenfeen ein wichtiges Datum und dieses Jahr sogar kalendergemäß.

Die Idee, die Geschichte eventuell abzukoppeln vom Copy und auszubauen, finde ich super. Die thematik hat mich auch schon beschäftigt in "Das Schönbergzimmer". Dieser Text ist derzeit Vorlage für das CW von @Chutney ... ich denke, die Thematik ist für ganz viele Mütter ein Thema, und auch Väter sind da leidensfähig.

Gruß wieselmaus

 

Hallo @greenwitch!

Na, herzlichen Glückwunsch zur Loswahl! Muss ein hartes Stück "Knotenlösen im Kopf" gewesen sein :-D Deine Geschichte habe ich gerne gelesen. Jimmysalarymans Geschichte habe ich noch gut in Erinnerung. Das macht es schwer, deine Erweiterung mit seiner Geschichte als eine große Einheit zu lesen. Auch in diesem Kommentar fiel mir das Addieren von Eins und Eins echt schwer.

Ivette erzählt. Sie hat einen gigantischen, lebensausfüllenden Konflikt - die enttäuschten Erwartungen ihrer Mutter. Pränatale Erwartungen werden postpubertär enttäuscht. Klassiker. Wahrscheinlich hätte Ivette den Nobelpreis in Medizin gewinnen können und die Mutter wäre immer noch angesäuert ("Robert Koch hat aber einen längeren Wikipedia-Artikel als du"). Oder sie wäre neidisch auf ihre Tochter geworden? Egal. Aber: Ein solcher Mutter-Tochter-Konflikt hat eine solche Dimension, alles, ja wirklich alles in Ivettes Umfeld kann als Schlachtfeld dienen. Sogar ihr Vorname!

Der Blick in die Küche lässt mich erstarren. Zwei Schritte und ich schlage ihr alles aus der Hand. Die Tabletten schlittern über den schwarzen Fliesenboden. Das Wasser spritzt auf einen Haufen aus Folien, Taschentüchern und Pizzaresten.

Der Alltag entgleitet der Mutter. Aber das, was den Konflikt in deiner Geschichte besonders stark macht (und weiter stärken könnte) ist weniger das Aussehen der "Mutterküche" und was genau die beiden sich gegenseitig vorwerfen. Ivette und ihre Mutter folgen einem einstudierten, automatischen Ritual der gegenseitigen Eskalation. Der Konflikt ist erlernt. Beide wissen genau, wie sie zu handeln haben. Ganz automatisch. Mutter: Ich habe dir alles gegeben. Ivette: Du hast mir einen dummen Vornamen gegeben. Spirale, Spirale, dreh' dich weiter, zum Ende gibts Entschuldigungsbriefe. Fertig. Vielleicht kann man deinen Text rhythmischer gestalten, automatischer, also das Wiederholende des Rituals stärker darstellen.

Zweiter Aspekt: Die Umstände unterwerfen sie. Die Mutter scheint ihren Alltag nicht mehr kontrollieren zu können. Den Konflikt aber auch nicht. Ivette aber auch nicht! Die Dramaturgie des Konflikts ist so stark, dass beide gar nicht anders handeln können. Sie wissen nicht, wie so etwas zu lösen ist. Ist so etwas überhaupt zu lösen? Dein erster Satz: Der Blick lässt sie erstarren, nicht die Küche selbst. Ich neige oft zur Überinterpretation, aber ob ein Blick sie erstarren lässt oder die Küche selbst ist ein Unterschied.

Vor diesem Hintergrund empfinde ich -

„Wo ist er, dein toller Typ?“ fragt meine Mutter. Ich schüttle nur den Kopf, will gehen und bleibe doch einfach sitzen. Die Tabletten sind vergessen, gleich kommt die Weinflasche. Und irgendwann greift sie zum Briefpapier. Oh, beim Entschuldigungsbriefe schreiben ist meine Mutter unschlagbar, sie findet immer einen Grund, meistens bei anderen.
Am liebsten will ich lügen, ihr einfach erzählen, dass er angerufen hat, ich in den nächsten Tagen endlich auch nach Kanada fliege, alles gut wird. Aber sie merkt immer, wenn ich lüge. Ich fange an, die Bücher ins Regal zu ordnen, ganz systematisch.

- die anderen Lebensbaustellen Ivettes gar nicht so stark, sie erzielen meiner Ansicht nach nicht mehr Wirkung. Ob es da noch einen Jan in Kanada braucht, hm, glaube nicht. Aber auch das ist deine Entscheidung :-)

Meine Füße schlurfen, als ich die Tür leise hinter mir zuziehe, in der Hosentasche alle Tabletten, die ich in der Wohnung finden konnte. Meine Mutter hat mich nur beobachtet, ohne weitere Wörter. Sie versucht nicht mal etwas zu erklären. Dabei ist die Nacht im Krankenhaus erst drei Wochen her. Die Schwestern hatten versucht mich nach der Fehlgeburt zu trösten, von meiner Mutter kam „Glück gehabt!“ Aber sie war da, war auf meinen Anruf sofort gekommen. Und hatte mich im Arm gehalten.

Puh, Psychotherapie für Ivette? Schlecht wäre es nicht. Fehlgeburt, Jan haut nach Kanada ab (nein, nicht ins Nachbardorf, gleich einen Ozean weiter), die Mutter und ihre Erwartungen, alles innerhalb von drei Wochen. Absoluter Ausnahmezustand. Hm hm, ob das nicht etwas zu viel ist? Aber - die Reaktion der Mutter auf Ivettes Fehlgeburt finde ich von dir sehr, sehr gut gelöst. Aus deinem Text traue ich der Mutter zu, eine fundierte medizinische Einschätzung geben zu können. Glück gehabt, in Anbetracht der eigenen Existenz kommen Mutter und Tochter sich doch näher. Oder habe ich das falsch verstanden?

Ich mag das Wort "entschlacken" für Texte nicht. Aber deine erste Szene spielt in der Küche der Mutter, unordentlich, chaotisch, Dämmerungsphase zur Verwahrlosung, neuropsychiatrische Erkrankung (?) Und dann gelingt es ihr, die Fehlgeburt so "sachlich" zu betrachten? Gut, mag sein. Vielleicht die Fehlgeburt zurückdatieren? In die Vergangenheit rücken? Emotional ist sie ohnehin in der Gegenwart.

Ich wurde am nächsten Morgen nach Hause geschickt, es sei alles in Ordnung, ich könne noch viele Kinder bekommen. Da es vor Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche passiert sei, gelte das Kind noch nicht, ich müsse mich um nichts kümmern.

Weist die Mutter darauf hin? Für mich ein starker Satz (juristisches Deutsch, oder?). Es gilt ein Kind: Du bist ein Mensch, weil das Gesetz es sagt, nicht, weil ich es so empfinde. Die Mutter könnte in dieser dramatischen Situation sachlich bleiben und genau dadurch die emotionale Überforderung Ivettes abschwächen. So hilft die Mutter Ivette. Eine Stärke der Mutter, zu wissen, was medizinisch/juristisch/bürokratisch Sache ist. Du präsentierst eine (über)ehrgeizige Mutter, da traue ich ihr weniger eine "warme" Hilfe im Sinne von Umarmungen, gemeinsames Heulen, Aussprache, Verständnis zu als vielmehr eine "kalte" Hilfe - ich organisiere deinen Alltag. Ich kümmere mich um das Ablesen des Stromzählers, ich rufe bei der Bank an, ich sage Termine ab. Ich. Und du verarbeitest die Fehlgeburt. Vier Wochen. Dann läuft das wieder. Hier steckt diese ganze irre, emotional aufreibende Ambivalenz zwischen Ivette und ihrer Mutter.

Falls der Mutter-Tochter-Konflikt stärker in den Vordergrund treten soll, könntest du Jan streichen und die Fehlgeburt weiter in die Vergangenheit rücken. Aber auch das nur ein Vorschlag.

Ich zeige auf den Kübel: „Da draußen im Blumenkübel.“
Kopfnickend greife ich mir das Tablett und gehe. Paul hält mir die Tür auf, schaut mich mit ungläubigen Augen an.

Sie bestimmt. Sie handelt. Ivette wird hier sehr aktiv. Aber sie hat auch die Überzeugungskraft, die Durchsetzungskraft, nach ihrem Willen den Vogel zu beerdigen. Weil es ihr wichtig ist? Vielleicht geht es um Würde, um Hoffnung, um Respekt und Wertschätzung von Leben an sich. Das wäre eine große, starke Botschaft deiner Geschichte: Trotz aller Probleme, Konflikte, es bleibt immer der Respekt vor Leben, auch ein Vogel hat eine Beerdigung verdient. Hat die Mutter nicht auch so gehandelt, als Ivettes Kind starb? Und das ohne Paulo-Coelho-Kitschtiraden! Zumindest sah ich zwischen dem Vogel und der Fehlgeburt einen Zusammenhang (war das beabsichtigt?).

Hm hm, ob die Absätze über Kuchen, über interessanten Typen Paul, über den Boss und das Schreiben eines Briefes wirklich wichtig sind? Ich bin mir da unsicher, ob das wirklich interessant ist. Du schreibst ja über "WGP", wirklich große Probleme . Nicht über Plänkelspiele am Seitenrand. Da könnte ein vorsichtiges Konzentrieren auf die Linie Küche - Fehlgeburt - Vogel mehr Wirkung entfalten. Aber ja, wie gesagt, das bleibt subjektiv.

So, das war's! :-)

Lg
kiroly

 

Hi @greenwitch

Wow, muss ich sagen. Ja, ich wünschte, Du würdest mehr schreiben, denn bei Dir habe ich momentan mit jeder neuen Geschichte den Eindruck, dass Du wirklich große Schritte gehst, Dich entwickelst. Du hast hier, so finde ich, ziemlich bewundernswert so viele Details über das Leiden der Ivette verarbeitet. Das ist ultra dicht, vor allem zu Anfang, und am Ende fühle ich wirklich mit ihr. Wie wird es weitergehen nach der Beerdigung? Kann sie Jan endlich loslassen?

Zugleich finde ich: die Szene mit der Mutter. Beim ersten Lesen ist sehr viel davon an mir vorbeigegangen. Da wird geschlagen, geräumt, geschimpft, gegessen, da passiert einfach sehr viel zwischen vielen gewichtigen Details. Ich frage mich, ob Du der Szene nicht entweder mehr Raum geben oder einige Details weglassen müsstest. Momentan habe ich das Gefühl, dass Du mich ziemlich durch die Sätze hetzt.

Tatsächlich finde ich den Einstieg, die erste Begegnung mit der Mutter, sogar unglaubwürdig. Ivette spricht zwar auch darauf an, dass das Timing wohl kein Zufall ist; ich meine, dass sie zur Verabredung kommt und die Mutter sich genau dann, wenn die Tochter wie verabredet erscheint, Tabletten reinpfeift, um danach zu sagen, dass sie ohne die Tochter "nicht mehr will". Ivette argwöhnt da zwar, dass das kein Zufall ist, dass die Mutter also die Tabletten in exakt diesem Moment nimmt, damit Ivette es mitbekommt. Außerhalb der Geschichte frage ich mich aber: Passiert so etwas tatsächlich? Ich mag es nicht so ganz glauben.

Davon ab frage ich mich, ob es die abgewrackte Mutter wirklich braucht. Ivette hat a) einen in Kanada "verschollenen" Freund, b) hängt wegen ihm so sehr in der Luft, dass sie sich nichts mehr zu essen leisten kann und anscheinend auch alle ihre Freundinnen verloren hat, c) kürzlich eine Fehlgeburt erlitten. Und dazu noch d) eine medikamentenabhängige, suizidale, vorwurfsvolle und prügelnde Mutter. Ich frage mich, ob die erste Szene und auch Ivette nicht gewinnen würden, wenn die Mutter nicht so ein Extremfall wäre. Dann könnte sie sich mehr Zeit nehmen, mit Ivette zu sprechen, und die Situation würde vielleicht an Hektik verlieren.

So viel dazu. Nun habe ich bis hierhin noch nichts zum Copywrite gesagt. Ja, ja, der Perspektivwechsel. Der ist ja sehr beliebt, und ich verstehe warum. Auch hier funktioniert das hervorragend, ich finde die Aufarbeitung sehr gelungen. Zwei Dinge habe ich an der Geschichte von @jimmysalaryman anders verstanden (aber das ist nicht schlimm). Erstens dachte ich, Paul wäre ein Kumpel vom Prot, so eine Art Stammgast, nicht seine Aushilfe. Zweitens dachte ich tatsächlich nicht, dass Ivette die Linie hinter "Ich möchte" versehentlich gemalt hat. Im Original wirkte es auf mich so, als sei der Strich absichtlich geschrieben worden. Aber das sind nur meine Lesarten; ich wollte es nur erwähnt haben. In Deiner Geschichte funktioniert es so, wie es soll, und Du darfst durchaus Abwandlungen machen. Tatsächlich finde ich Pauls Verwandlung ziemlich stark, das sind für mich zwei komplett unterschiedliche Figuren.

Hier noch der obligatorische Eimer Kleinscheiß:

Da ist er wieder, dieser Mief aus teurem Parfüm und Parkettwachs mit dem ich aufgewachsen bin.

Komma vor "mit". Und ich finde, "Da ist er wieder" ist kein besonders eleganter Einstieg. Das wirkt auf mich ein wenig umständlich. Vielleicht schaffst Du es, den Geruch anders einzubringen. Denn es ist natürlich super wuchtig, mit einem Geruch zu beginnen. Behalte das unbedingt bei!

Auf dem Klingelschild mein Name: Ivette, fett durchgestrichen.

Ein bisschen seltsam finde ich auch, dass der Vorname am Klingelschild steht.

Beim letzten Mal hatte ich mit Nagellackentferner den Eddingstrich entfernt, aber jetzt grinst er mir wieder höhnisch entgegen.

Da Du ja im Präsens schreibst, könnte die Vorvergangenheit mMn Perfekt sein. Du könntest auf das PQP verzichten. Das gleiche gilt hier:

Die Schwestern hatten versucht mich nach der Fehlgeburt zu trösten, von meiner Mutter kam „Glück gehabt!“ Aber sie war da, war auf meinen Anruf sofort gekommen. Und hatte mich im Arm gehalten.

Außerdem hier natürlichKomma vor "mich". Und ich würde auch einen Doppelpunkt vor die wörtliche Rede setzen. Insgesamt fällt mir auf, dass Du häufig ein bisschen kreativ mit der wörtlichen Rede umgehst, sie also anders als mit klassischen Inquit-Formeln in den Satz einpflegst. Persönlich bin ich von dieser Vorgehensweise überhaupt kein Fan, vor allem aber habe ich sie mir abgewöhnt, weil ich in solchen Sätzen immer unsicher mit der Zeichensetzung bin. Bei Dir finde ich das von der Zeichensetzung her auch etwas fragwürdig gelöst. Konkret geht es dabei um folgende Stellen (inklusive vorgeschlagener Korrektur):

Irgendwer hat in einem der letzten Gespräche zusammengefasst ‚Du brauchst anscheinend niemanden mehr‘ und ist gegangen.

Würde einen Doppelpunkt vor die wörtliche Rede setzen und dahinter ein Komma.

Ich schüttle den Kopf und endlich geht er „Entschuldigung!“ und noch irgendwas murmelnd.

Hier würde ich ein Komma vor die wörtliche Rede setzen (das ist ja Teil der "murmelnd"-Konstruktion).

Ruckartig verziehe ich die Hand, ein Strich kratzt übers Blatt ‚Ich möchte ______‘

Hier würde ich einfach den Satz davor mit einem Punkt schließen.

Sein „Beerdigen … ich meine, wo willst du ihn denn beerdigen?“, klingt skeptisch.

Hier entweder noch einen Doppelpunkt vor die wörtliche Rede ODER das Komma nach der wörtlichen Rede weg. Sonst hast Du so eine komische Mischform.

Insgesamt bin ich mir mit meinen Hinweisen aber unsicher. Und das ist, wie gesagt, auch der Grund, aus dem ich persönlich mir abgewöhnt habe, vom üblichen Schema der wörtlichen Rede abzuweichen. Und ich würde Dir fast raten, das auch nicht zu tun, vor allem, wenn Du Dir mit der Zeichensetzung nicht hundertprozentig sicher bist (kann ja sein, dass Du's bist).

„Wenn du gehst Ivette will ich nicht mehr.“

Komma vor und nach "Ivette".

Ich wende mich ab, sehe den Berg dreckigen Geschirrs und die offene Sushipackungen, da kommt der widerliche Geruch her.

"offenen" statt "offene".

Wie automatisch räume ich Teller und Gläsern in den Geschirrspüler.

"Gläser" statt "Gläsern".

„Ich hab dich nicht rausgeworfen, hab nur gesagt, wenn du dein Studium abbrichst und mit dem Typen nach Amerika gehst, bist du raus.“
„Kanada, und er heißt Jan.“

Kanada ist doch in Amerika, ne? :Pfeif:

Oh, beim Entschuldigungsbriefe schreiben ist meine Mutter unschlagbar, sie findet immer einen Grund, meistens bei anderen.

Würde das "Oh" weglassen. Außerdem gehen die beiden Behauptungen für mich nicht zusammen: Die Mutter ist super darin, Entschuldigungsbriefe zu schreiben, beschuldigt aber meistens andere? Ergibt das Sinn?

Ich mag seine Art, wie er hochkonzentriert die Maschine bedient, umwabbert vom heimeligen Geruch frisch gemahlenen Kaffees.

Das Wort "wabbern" existiert nicht. Es muss "umwabert" heißen. Das "a" ist lang, deshalb nur ein Konsonant.

Ich spüre, meine Augen feucht werden, blinzle es weg.

Komma weg vor "meine", außer Du machst daraus: "Ich spüre, dass meine Augen feucht werden, ..." Was ich tatsächlich schöner fände.

Erst beim Aufstehen merke ich, das mir Tränen übers Gesicht laufen.

"dass" statt "das".

Kein Schluchzen, keine Ton, nur leise fließende Tränen.

"kein Ton" statt "keine Ton".

Tja, witch, das ist wirklich herzzerreißend. Mir hat die Geschichte gut gefallen. Bevor ich diesen Kommentar begonnen habe, dachte ich eigentlich, ich hätte gar nichts zu meckern. Huppsi. Nimm Dir, was Du gebrauchen kannst, und bitte kein Stress (davon gibt's ja schon genug). Make it work!

Cheers,
Maria

 

Hej @greenwitch , um es mal vorweg zu nehmen, der Titel sprach mich nicht an und auch im Verlauf der Geschichte finde ich keinen Bezug zu Geistern. Zum Glück. :shy:
Was ich aber finde, ist ein ansprechender Mutter-Tochter-Konflikt, der für mich gerne hätte tiefer gehen können. Ich muss aber gestehen, dass ich den Vatertext nicht kenne und somit nicht weiß, wie weit du gehen wolltest.

Mein Magen zieht sich zusammen, vielleicht ist es nur der Hunger, in unserer Wohnung gibt es schon seit Tagen nur Müsli und Möhren. Allmählich brauche ich einen Plan, wie es weitergeht, ohne Job, ohne Jan,

Hier und auch immer wieder machst du es geschickt, mir beiläufig und ohne große Worte und Dramatik die Thematik näherzubringen. Es gibt also unsere Wohnung, und keinen Job, keinen Jan (dass sich beides gleicht ist amüsant). Dennoch irritiert mich das unsere, denn ich weiß nicht so ganz genau, ob die Mutterwohnung oder die Jan-Ivette-Wohnung ist, da die ja auch keine gemeinsame mehr ist, damit gemeint ist. :confused:

Irgendein medizinisches Fachbuch rutscht vom Tisch, mein Blick schweift durch die früher immer spiegelblanke Küche.

Warum ist es irgendein medizinisches Fachbuch?
... die früher immer ... klingt ein bisschen ungeschickt. Runder wäre es in meinen Ohren wenn du zwei Sätze daraus machen würdest. Ich glaube es stört mich, weil diese Ausdrucksweise Ivette widerspiegelt und ich sehe sie eher als eine gekränkte, verletzte aber starke Frau, die ja durchaus mit ihrem Schicksal umzugehen weiß und dort herauszuwachsen versucht. Ich mag, wenn ich’s mir genau überlege, überhaupt alle Stellen nicht, bei denen sie nörgelig oder oberflächlich wirkt. :shy:

In der unteren Schublade suche ich nach meinem Lieblingstuch, das mit den Marienkäfern, und beginne, die klebrigen Ringe und Krümel zu beseitigen.

Es ist wundervoll, wie du mit einem Putzlappen auf ihre positive Bindung hinweist und deswegen würde ich lieber einen Satz mehr lesen anstelle des Wortes Lieblingstuch. Ich würde die Wehmut lesen wollen, die nur durch dieses Marienkäfertuch hervorgerufen wird.

Kanada, und er heißt Jan.“

Und es sagt mehr über Mutter und Tochter aus, als man hätte mit vielen Worten sagen können. ;)

Mir wird heiß, die Worte sträuben sich auf der Zunge, wollen unbedingt raus. „Aber du hast mich nie geliebt!“

In meinem Hirn klingt es nach einem Widerspruch, denn was sich sträubt ... will nirgendwo hin. :D

Das Ganze fühlt sich wie ein mit verteilten Rollen gelesenes Drama an, einstudiert, regelmäßig aufgeführt.

Der Eindruck überkam mich auch hin und wieder und wenn ich nicht wüsste, wie schwer zu ersinnen es wäre, hätte ich mir auch überraschendere Dialoge gewünscht. Aber es ist wie es ... zwischen den beiden und so manch anderen Müttertöchtern.

Und irgendwann greift sie zum Briefpapier.

Diesen Moment finde ich absurd. Ich kann es mir schlecht vorstellen, wie sie in dieser emotionalen Situation zum Briefpapier greift. Das ist doch mehr eine ruhige und bedachte Geste.

Irgendwer hat in einem der letzten Gespräche zusammengefasst: ‚Du brauchst anscheinend niemanden mehr‘, und ist gegangen.

Ist das so? Sie hört diese eindringliche, wertende Bemerkung und erinnert sich nicht, wer sie sagte? Bizarr.

Vor zwei Tagen hat mir der süße Angestellte ein Stück Kuchen zum halben Preis gegeben. Ein interessanter Typ, irgendwas bedrückt den, ich kann es sehen. Und der Boss lässt mich nicht aus den Augen, aber sorry, kein Interesse.

Es liegt wohl wieder an meiner Sicht auf Ivette, ihrer Besonnenheit, dass mir der süße Zusatz und interessanter Typ in ihrer Situation nicht authentisch erscheinen mag.

Der erste Satz steht schon auf dem Papier, bevor ich überhaupt entschieden habe, an wen ich schreiben will. Meine Mutter? Jan? Eine Freundin, eine ehemalige …?

Das meine ich! Ivette reflektiert ernsthaft. Will nicht anklagen, sondern sich in Sicherheit bringen, zu sich selbst. Oder so ähnlich. :shy:

Ich mag den Boss, aber jetzt nicht, ich schließe meine Augen und hoffe, dass er zu tun hat.

Doch! Ivette mag den Boss und meine Ivette würde da jetzt keinen Unterschied machen.:lol:

Meine Gedanken kreisen wie ein Starenschwarm, zu viele, zu laut. Was will ich schreiben? Was will ich – Abschied, Hilfe, Liebe?

Sehr schön. Ivette ist ein kompakter und starker character.

Vom Tresen dringt nur undeutliches Gemurmel zu mir, Fußball, das allumfassende Männerthema würde ich tippen. Jedenfalls sehen die beiden nicht aus, als würden sie über die Tagespolitik streiten.

Meine Ivette würde in ihrer Stimmung nicht werten. :D

Ich zerteile meine Kuchen wie immer in kleine Happen, fange nochmal an zu schreiben.

Hier habe ich eine längere Weile überlegt, was mir dieses Handlung über einen Menschen sagt und was ich über Ivette wissen soll. Ich bin mir nicht ganz einig. Ist sie noch ein kleines Mädchen geblieben ?

Er blickt zwischen mir und seinem Boss hin und her. Erwartungsvoll schaut der Boss mich an.

zwei Bosse so schnell aufeinander ... ich weiß ja nicht.


In meinem Kopf dröhnt es, ich will mir das Tablett nehmen, den Vogel in Sicherheit bringen, ihm ein Heim geben, ein letztes.

..., ich will mir das Tablett nehmen, ... finde ich verzichtbar

bette den toten Vogel in das kleine Grab und überlege, was ich noch tun könnte. Nichts

Das Gefühl kenne ich, wenn es schwer ist, loszulassen, wenn man weiß, gleich ist auch der letzte Schritt gegangen und man will schon deshalb noch etwas tun, damit es eben nicht das letzte ist, was man tun kann. Ein Drama!

Ich mag Ivette und ihre Entwicklung. Sie wird ihren Weg gehen und wenn sie sich erst nicht mehr für ihre Mutter verantwortlich fühlt, dann gerät sie auch nicht mehr an so doofe Jans! Sag ihr das!

Ein Leseeindruck und ein ganz lieber Gruß daran,

Kanji

 
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Moin, moin ihr Lieben @kiroly , @TeddyMaria und @Kanji ,

ich sehe schon, heute ist nix mit Spaß am Kommentieren der vielen tollen Geschichten, die hier zur Zeit zu lesen sind - ich muss mich "um meinen eigenen Kram kümmern" Aber Eure wunderbaren Kommentare helfen mir sehr, daher freue ich mich auf die Beantwortung genauso. Ich schaue was ich heute schaffe, bei Sonnenschein danke ich für Eure Geduld, bei Regen gehts wohl schneller ...

Lieber @kiroly ,

mit Deinem Kommentar hast Du mir eine große Freude gemacht, ich genieße Deine Art zu kommentieren, ich würde schon sagen zu analysieren, ja sonst unter anderen Geschichten und lerne immer was dazu. Bei der eigenen klappt das hoffentlich noch viel besser ...

Na, herzlichen Glückwunsch zur Loswahl! Muss ein hartes Stück "Knotenlösen im Kopf" gewesen sein :-D
ich glaube, bei dem Fluch wäre sogar ein gestandener Seemann rot geworden, aber nützt ja nichts - der Hut hatte gesprochen

Das macht es schwer, deine Erweiterung mit seiner Geschichte als eine große Einheit zu lesen.
Es ist meine zweite Teilnahme an der Copy-Runde und ich bin keine sehr mutige Person. Also habe ich bei ersten Mal "einfach" nur das Original in die Gegenwart versetzt und die Orte geändert. Diesmal habe ich mich in eine andere Person versetzt und überlegt, was führt zu ihrem Verhalten. Beim nächsten Mal ...

Sie hat einen gigantischen, lebensausfüllenden Konflikt - die enttäuschten Erwartungen ihrer Mutter.
Danke für die Hilfe, ich bin eher in den kleinen Konflikten hängen geblieben, aber Du hast natürlich Recht. Nur als Begründung, nicht als Ausrede: meine bisherigen Geschichten laufen eher unter: liebenswerte Anekdote. Nun haben mir beim letzten Mal einige tolle Wortkrieger die Leviten gelesen mit der Hauptbotschaft: Konflikte sind toll, Konflikte sind nicht dein Feind, liebe deinen Konflikt. Sprich, schreib endlich mit Konflikten! Und ich habs beim ersten Versuch wohl etwas überzogen - sorry.

Vielleicht kann man deinen Text rhythmischer gestalten, automatischer, also das Wiederholende des Rituals stärker darstellen.
Soweit bin ich in meiner Schreibe noch nicht, das ich den Rhythmus des Textes als Ganzes sehe, also werde ich es versuchen ...

Der Blick lässt sie erstarren, nicht die Küche selbst. Ich neige oft zur Überinterpretation, aber ob ein Blick sie erstarren lässt oder die Küche selbst ist ein Unterschied.
Sehr genau hingeschaut bzw gehört. Ich gebe Dir recht, bin aber noch unsicher, was ich am Ende will. Denn eigentlich ist mein Ausgangskonflikt ein anderer.

Ob es da noch einen Jan in Kanada braucht, hm, glaube nicht. Aber auch das ist deine Entscheidung :-)
ja, hier bin ich wohl übers Ziel hinausgeschossen, wollte es glaubhaft machen und übertreibe es.

Aus deinem Text traue ich der Mutter zu, eine fundierte medizinische Einschätzung geben zu können. Glück gehabt, in Anbetracht der eigenen Existenz kommen Mutter und Tochter sich doch näher. Oder habe ich das falsch verstanden?
Ich glaube eher, ich habe die Küchenszene zu stark dargestellt. Das ist ein sich wiederholender "Streit", der Selbstmordversuch ist nicht ernst, sondern der Hilfeschrei, die beiden hatten durchaus eine kleine Basis, finden aber keine Weg aus dem jetzigen Kreislauf. Die Mutter kann nicht loslassen. Ihre Einschätzung hatte ich absolut trocken als " Glück gehabt, kein Kind am Bein" gemeint, also nichts versöhnliches.

Ich mag das Wort "entschlacken" für Texte nicht.
Das Wort st doof, aber die daraus folgernde Konzentration auf das Wichtige ist schon sinnig ...

Da es vor Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche passiert sei, gelte das Kind noch nicht, ich müsse mich um nichts kümmern
Weist die Mutter darauf hin?
Diese war mein Ausgangskonflikt. Ich habe mich gefragt, was das Mädchen in Jimmys Text dazu bringt, so zu handeln, was könnte dieses Verhalten auslösen (außer gesunder Respekt vorm Leben). Da habe ich mich beim Recherchieren an das Problem der Bestattungen bzw nicht erfolgenden Bestattungen erinnert. Nur rausgearbeitet habe ich diesen Teil dann nicht wirklich :hmm:
Weist die Mutter darauf hin? Für mich ein starker Satz (juristisches Deutsch, oder?). Es gilt ein Kind: Du bist ein Mensch, weil das Gesetz es sagt, nicht, weil ich es so empfinde.

Falls der Mutter-Tochter-Konflikt stärker in den Vordergrund treten soll, könntest du Jan streichen und die Fehlgeburt weiter in die Vergangenheit rücken. Aber auch das nur ein Vorschlag.
Ich werde auf alle Fälle eine Version ohne den Copy-Auftrag im Hinterkopf schreiben, welcher Konflikt es dann wird, schauen wir mal. Ist, wie gesagt, noch ziemliches Neuland für mich. Da war es dann aber toll Jimmys Texte als Vorlage zu haben, die sind ja absolut Konflikt geladen.

Weil es ihr wichtig ist? Vielleicht geht es um Würde, um Hoffnung, um Respekt und Wertschätzung von Leben an sich. Das wäre eine große, starke Botschaft deiner Geschichte: Trotz aller Probleme, Konflikte, es bleibt immer der Respekt vor Leben, auch ein Vogel hat eine Beerdigung verdient.
Ja, dieses wäre mein Ansatz, Danke fürs Ausbuddeln.

Du schreibst ja über "WGP", wirklich große Probleme . Nicht über Plänkelspiele am Seitenrand. Da könnte ein vorsichtiges Konzentrieren auf die Linie Küche - Fehlgeburt - Vogel mehr Wirkung entfalten.
Dann übe ich al nächsten Schritt mal das Balance halten und richtige Wichten der Konflikte.

So, das war's! :-)
Na, das war ne Menge an Denkstoff für mich. Herzlichen Dank fürs Aufdrösseln und Deine Zeit
Freue mich auf ein Wiedersehen/Lesen unter einer Deiner Geschichten
Beste Wünsche
witch

 
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Moi, liebe Witch,

hach, so eine aufgeschobene Deadline macht doch das Kommentieren gleich viel entspannter. :gelb: Ich freue mich absolut, dass deine Geschichte auf so viel Zuspruch stösst, ich sehe es nämlich wie TeddyMaria, dass du wirklich grad eine steile Lernkurve hast, und dass es extrem spannend ist, das mitzuverfolgen. Deinen Text hab ich jetzt auch ein bissl sacken lassen, und möchte nur noch mal ein paar Dinge zusammenfassen: offenbar sieht jeder hier einen anderen Hauptkonflikt. Das finde ich echt interessant. In der Form, in der deine Geschichte jetzt da steht, könntest du wahrscheinlich jeden davon ausarbeiten und andere streichen.

Ich plädiere trotzdem mal auf was. Chronologisch:
Die Küchenszene:
Expostion, Grundkonflikt, der schon lange besteht (ein Plus an Drama) und sich durch die aktuelle Situation (Mutter Suizidversuch, Schwangerschaft der Prota, abgehauener Freund, den die Mutter eh verachtet hat) zuspitzt. Finde ich gut, weil da einiges auf dem Spiel steht, und alles aber auch subtil zusammenhängt. Ich fragte mich auch: sieht die Tochter das Chaos erst, seit sie nicht mehr selbst drin wohnt, oder war die Mutter damals noch organisierter, oder hat die Tochter da sonst selbst aufgeräumt (in einer Umkehrung des Eltern-Kind-Verhältnisses)? Gut, dass es hier Angedeutetes gibt, das du nicht ganz aufklärst, da bleibt der Text spannend.

Mutter Suizidversuch:
Würde ich drinlassen, weil es nämlich zeigt, wie verloren die Prota mit all dem ist, und wie 'ungerecht' das ist. DAS ist für mich das Hauptdrama im Text, mein emotionaler Angelpunkt. Wie gesagt würde ich die Krankenhausszene so schreiben, dass die Prota zur Mutter kam, nach dem Suizidversuch, nicht so, dass die Mutter zu ihr kam nach der Fehlgeburt. Zeigte auch, wie stark die Mutter sich an erste Stelle setzt: Tochter ist schwanger, ohne Geld, alleingelassen, und die Mutter hat nix bessers zu tun, als einen Suizidversuch zu begehen (fies gesagt, ich bin sicher, eine wie die Mutter fühlt ihre Probleme wirklicht so akut). Zeigt auch, dass sie mit ihrer Mutterrolle nicht klarkommt, denn eigentlich sollte sie für die Tochter da sein, oder zumindest beide füreinander. Die Prota hat ja bereits die Mutterrolle für ihre Mutter übernommen, und die erkennt das nicht mal an, sondern setzt sie noch vor die Tür, das ist echt brutal. Und/oder zeigt, wie fertig, kaputt die Mutter selbst ist - und ob ihr Gedanke, dass es nicht gut war, ein Kind in die Welt zu setzen, womöglich stimmte.

Schwanger ja/nein:
Ja - die Fehlgeburt würd ich nun wieder streichen. Dann hättest du
1. Die Isolation der Prota mit all ihren Problemen zugespitzt, denn bald muss sie sich 'zusammenreißen' um des Kindes Willen - der Leser weiß, dass das nicht klappen kann.
2. Die (sehr wahrscheinliche) Möglichkeit, dass die Prota den Konflikt mit ihrer Mutter in die Beziehung zu ihrem Kind trägt. Klassisches Motiv von generationsübergreifenden Familienproblemen. Das wäre sicher jetzt schon ihre Angst: damit bringst du deine Prota unter Druck, das wieder ist spannend für Leser.
3. Zumindest die Mutter ist sicher froh über die Fehlgeburt (keine Loser-Gene von diesem Freund da in der Familie, puha!), aber wenn da ein Enkel käme, sieht nicht die Mutter die Aufmerksamkeit der Tochter auf einen anderen, wichtigeren Menschen abgelenkt? Damit deutest du noch einen extremen Konflikt für die Zukunft an.

Meine Mutter hasst es, wenn irgendwas mehr Aufmerksamkeit bekommt als sie.
Eben! Brrrr ...
4. Das Motiv mit der Stellvertreterbestattung eines Tieres / Gegenstandes ist halt ein total ausgelutschtes (egal, ob Leute das in der Realität machen oder nicht), und überschreitet für mich die Kitschgrenze (wovon der Text ansonsten angenehm frei ist). Wäre sie weiter schwanger, würde sie einen mehr abstrakten Konflikt versuchen zu begraben: den mit ihrer Mutter, mit dem (nicht mehr für sie greifbaren) Freund, ihr ehemals finanziell stabiles Leben, das ja auch einen großen Teil Freiheit (= Entscheidungsmöglichkeiten) ausmacht.

Freund:
Würde ich drinlassen, so wie es ist. Es verstärkt ihre Einsamkeit durch das Verlassenwerden; es zeigt durch ihre Selbstlüge, dass sie nicht mit der Realität im vollem Umfang umgehen kann; es ist brutal von ihm, aber ich dachte auch: hat sie sich schon mit den gemeinsamen Plänen was vorgemacht? War das auch schon teils Phantasie? Das macht die Prota vielschichtiger. Dann bietet der Freund eine Chance, dass sie ihrer Mutter mal die Stirn bietet (den Kanada-Satz fand ich echt super). Es zeigt aber auch, dass sie noch eine Hoffnung hat, etwas für das sie kämpft, selbst wenn diese Hoffnung eine Illusion ist (doppeltes Drama, das ist wirklich so gut gemacht!!).

Cafészene:
Fand ich sehr gut - weil es ihre emotionale Isolation, ihre nichtkommunizierbare Verzweiflung, nochmal extremer aufzeigt, nämlich an diesem Bild, in Gesellschaft anderer einsam zu sein. (Auch zugespitzt durch ihre finanzielle Situation, die auch noch bedrohlicher wäre, wenn sie schwanger wäre.) Zeigt auch, dass sich Leute um sie kümmern, aber auch, dass sie (Flirt) absolut nicht offen ist, aus ihrer Situation momentan herauszufinden, der Flirt überfordert oder nervt sie. Dennoch hat sie eine lose emotionale Verbindung zu den Männern da, das klingt schon ein bisschen wie ihr Zuhause, aber eben ohne die strings attached. Die Cafészene fand ich toll erzählt und auch ungewöhnlich für KGs, in dieser vagen Form einer Beziehung zwischen Leuten, grad eben aus Sicht einer Frau.

Das sind nochmal meine 5 Cent, weil ich es toll finden würde, wenn du dem Text nicht die Vielschichtigkeit nehmen würdest.

p.s.

Das Ganze fühlt sich wie ein mit verteilten Rollen gelesenes Drama an, einstudiert, regelmäßig aufgeführt.
Das Gefühl ist sicher realistisch, aber in einer KG kontraproduktiv. Weil zumindest ich das Gefühl habe, nicht die Prota denke das, sondern das will mir die Autorin auch nochmal vermitteln, falls ich das bis dahin nicht kapiert habe. Ich wurde durch diesen Satz auch aus dem Erleben ins Lesen und Text-Analysieren gebracht, nach dem Motto: Hm, das könnte man jetzt aber auch so sehen, dass die Szene hier künstlich wie ein Theaterstück wirkt, und das schadet der schönen, intensiven Szene da. Die hat nämlich tolle, überraschende kleine Wendungen im Detail, und viele dezente Unterthemen (der Hunger, das Handtuch da ...).

Ganz liebe Grüße,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen Du Liebe @TeddyMaria ,
was für ein schöner Kommentar!

Ja, ich wünschte, Du würdest mehr schreiben, denn bei Dir habe ich momentan mit jeder neuen Geschichte den Eindruck, dass Du wirklich große Schritte gehst, Dich entwickelst.
Das freut mich riesig, un deine Teil gebe ich gerne als Dankeschön zurück, denn Du gehörst ja auf alle Fälle auch zu den Wortkriegern, die mir gehörig Dampf gemacht haben, endlich aus der "Komfortzone" herauszukommen. Wenn es nun schon mal im Ansatz klappt - super. Und ja, es motiviert auf alle Fälle zum mehrschreiben ...

Das ist ultra dicht, vor allem zu Anfang, und am Ende fühle ich wirklich mit ihr.
Da geht aber auch einiges auf Jimmys Pluskonto, wenn du eine solche Geschichte kopierst, versuchst du glaube ich automatisch auch ein wenig den Stil mitzunehmen, natürlich im Rahmen der jeweiligen Fähigkeiten. Ich bin ja schon mal heilfroh, das hier keiner kommt und was von verhunzen sagt. Aber wenn ich endlich verstanden habe, wie ich Gefühle auslösen kann, bin ich wirklich schon eine Schritt weiter.

Ich frage mich, ob Du der Szene nicht entweder mehr Raum geben oder einige Details weglassen müsstest. Momentan habe ich das Gefühl, dass Du mich ziemlich durch die Sätze hetzt.
Ja, das lässt sich nicht bestreiten, ich habe es mit den Konflikten übertrieben. Nachdem mir von verschiedenen Seiten deutlichst gesagt wurde, das ich endlich aufhören soll, Konflikte als Feinde zu betrachten, wollte ich jetzt zuviel auf einmal. Ich werde mich bei der Überarbeitung für einen Hauptstrang entscheiden und die andere Idee findet sicherlich später mal einen Platz.

Außerhalb der Geschichte frage ich mich aber: Passiert so etwas tatsächlich? Ich mag es nicht so ganz glauben.
Tja, tut mir leid, abe rich kann es eindeutig bestätigen, auch wenns echt Scheiße ist.

Ich frage mich, ob die erste Szene und auch Ivette nicht gewinnen würden, wenn die Mutter nicht so ein Extremfall wäre. Dann könnte sie sich mehr Zeit nehmen, mit Ivette zu sprechen, und die Situation würde vielleicht an Hektik verlieren.
wie gesagt, ich werde mich für eine Hauptstrang entscheiden, wahrscheinlich die von Katla angesprochene Version, die haben wir schon mehrfach diskutiert, nur wollte ich die Deadline nicht noch mehr überziehen.

Ja, ja, der Perspektivwechsel. Der ist ja sehr beliebt, und ich verstehe warum. Auch hier funktioniert das hervorragend, ich finde die Aufarbeitung sehr gelungen.
Ich höre Dein "aber"! Verstehe ich das jetzt richtig, Du meinst, schön wäre was ganz neues, nicht der übliche Weg? Komm, gib mir mein eigenes Schrittmaß. Beim ersten Copy habe ich nur die Zeit und der Ort gewechselt, jetzt die Perspektive, nächstes Mal ...

Erstens dachte ich, Paul wäre ein Kumpel vom Prot, so eine Art Stammgast, nicht seine Aushilfe.
Grins! Ich kannte Jimmys Geschichte schon vorm Copy ganz gut, hatte mir gut gefallen. Aber beim Schreiben habe ich gemerkt, das ich die beiden Typen überhaupt nicht unterscheiden konnte, hab mir also eine Zettel gemacht, wer was tut/fühlt/sagt. Über die Rollen habe ich gar nicht nachgedacht, da spielte mir wohl meine eigene Erfahrung als Cafe-Hilfe einen Streich. Na, Jimmy wird es verzeihen (hoffe ich).

Zweitens dachte ich tatsächlich nicht, dass Ivette die Linie hinter "Ich möchte" versehentlich gemalt hat.
Ja, da gebe ich Dir Recht, aber mir passte es so besser in die Dramaturgie ...

Hier noch der obligatorische Eimer Kleinscheiß:
Uff, und dabei war Friedel schon da und ich wähnte mich auf einer halbwegs ordentlichen Basis - Mist!

Denn es ist natürlich super wuchtig, mit einem Geruch zu beginnen. Behalte das unbedingt bei!
Der Einstieg war wohl mein "Warmschreibe-Satz", ganz dicht am Original, so zur Einstimmung. Hab ich dann aus den Augen verloren. Ich schaue es mir an ...

Ein bisschen seltsam finde ich auch, dass der Vorname am Klingelschild steht.
Seltsam finde ich es auch, ich habe aber ausreichend Töpferkurse hinter mir, um zu wissen, das die Leute das oft machen - ist so ein "Kinder sind gleichberechtigt" Ding, was mich schwer irritiert, hier hat es aber geholfen, um den Ort (Elternwohnung) zu verorten.

Da Du ja im Präsens schreibst, könnte die Vorvergangenheit mMn Perfekt sein.
Beim letzten Mal habe ich mit Nagellackentferner den Eddingstrich entfernt, aber jetzt grinst er mir wieder höhnisch entgegen.
wäre das jetzt richtig? :confused: Sorry, ich nehme gerade die Abkürzung, anstatt mich mit der Grammatik zu beschäftigen ...

Bei Dir finde ich das von der Zeichensetzung her auch etwas fragwürdig gelöst. Konkret geht es dabei um folgende Stellen (inklusive vorgeschlagener Korrektur):
also das fragwürdig würde ich ja sofort unterschreiben, aber gefühlt ist es besser geworden. Und natürlich bemühe ich mich, Deinen Ratschlag umzusetzen.

Und ich würde Dir fast raten, das auch nicht zu tun, vor allem, wenn Du Dir mit der Zeichensetzung nicht hundertprozentig sicher bist (kann ja sein, dass Du's bist).
denn den Stand der Dinge kenne wir beide doch genau - :drool:

Die Mutter ist super darin, Entschuldigungsbriefe zu schreiben, beschuldigt aber meistens andere? Ergibt das Sinn?
ja? Wenn man Entschuldigungen mit Ausreden verwechselt, die Schuld liegt halt immer bei den anderen ...

Das Wort "wabbern" existiert nicht. Es muss "umwabert" heißen. Das "a" ist lang, deshalb nur ein Konsonant.
Ups! Da war des Problem :bonk:

"kein Ton" statt "keine Ton".
:rolleyes: und das nach dem wie vielten lesen - Danke!

Tja, witch, das ist wirklich herzzerreißend. Mir hat die Geschichte gut gefallen.
Ich bin noch nicht sicher, ob ich wirklich "herzzerreißend"schreiben will, aber das gut gefallen nehme ich absolut gerne entgegen.
Hab vielen, lieben Dank für Deinen Kommentar, ich freue mich auf Sonntag und hoffe, das all das Chaos uns auch irgendwann wieder einen normalen Stammtisch beschert. Ich wollte doch so gerne wieder Kaffee und Torte im Waldcafe machen ...
Noch müde Grüße nach Magdeburg
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, moin liebe @Kanji , dann will ich mal den sonnigen Morgen nutzen, um von meinen Kommentarschulden runter zu kommen. Ich kommentiere auch wirklich gerne, auch beantworten macht Spaß, ich habe nur noch keine Trick gefunden, parallel noch an der Geschichte zu arbeiten, das muss also noch etwas warten.

um es mal vorweg zu nehmen, der Titel sprach mich nicht an und auch im Verlauf der Geschichte finde ich keinen Bezug zu Geistern. Zum Glück.
Tja, dann kann ich nur empfehlen, einmal bei Jimmys Geschichte reinzuschauen. Sie ist im Gegensatz zu vielen anderen auch nicht düster oder sehr regionalbezogen ...
Auf alle Fälle war mir ein Bezug zum Original wichtig, ich bin noch nicht so weit, das ich mich beim Copy ganz weit weg traue :schiel:

ansprechender Mutter-Tochter-Konflikt, der für mich gerne hätte tiefer gehen können.
Na, das ist doch schon mal was! Genau dazu habe ich dies Copy-Runde gebraucht und anscheinend auch genutzt - ich hatte (hoffentlich) ein Problem mit Konflikten. Aber dafür gibt es ja die Wortkrieger ...

Hier und auch immer wieder machst du es geschickt, mir beiläufig und ohne große Worte und Dramatik die Thematik näherzubringen.
Das freut mich,D ankeschön!

Warum ist es irgendein medizinisches Fachbuch?
hast Recht, das geht besser

weil diese Ausdrucksweise Ivette widerspiegelt und ich sehe sie eher als eine gekränkte, verletzte aber starke Frau,
Und mir gefällt sie mehr so ...vielseitig. Auch das ist etwas, was ich hier allmählich lerne, meine Prots waren bisher meist lieb, brav und vor allem "glatt"

deswegen würde ich lieber einen Satz mehr lesen anstelle des Wortes Lieblingstuch. Ich würde die Wehmut lesen wollen, die nur durch dieses Marienkäfertuch hervorgerufen wird.
Okay, ich beichte. Mir fielen noch ganz viele solcher kleinen Ecken ein, aber ich hatte ein massives Zeitproblem und habe mich selbst gezwungen, eine dichte, möglichst kurze Geschichte zu schreiben. Irgendwie ist mir beim Aufruf zur Copy-Runde entgangen, dass wir ja nicht bereits in der Sommerruhe sind, sondern mitten im Frühling. Also ein wenig Ausbau wird es definitiv geben.

In meinem Hirn klingt es nach einem Widerspruch, denn was sich sträubt ... will nirgendwo hin. :D
Sie will nicht betteln, es nicht einfordern, aber ehrlich sein will sie auch - ja, ein Widerspruch, der es ihr schwer macht

Der Eindruck überkam mich auch hin und wieder und wenn ich nicht wüsste, wie schwer zu ersinnen es wäre, hätte ich mir auch überraschendere Dialoge gewünscht. Aber es ist wie es ... zwischen den beiden und so manch anderen Müttertöchtern.
Ich behaupte jetzt mal, das ich größere Schwächen, als die Dialoge habe (besser geht immer). In diesem Falle sollte es wirklich so ein Klischeemäßiger Ablauf sein, sagen wir mal, das sollte der Leser als "üblichen "Ablauf hinnehmen, immer das Gleiche, was es in meine Augen auch so schlimm macht.

Ich kann es mir schlecht vorstellen, wie sie in dieser emotionalen Situation zum Briefpapier greift. Das ist doch mehr eine ruhige und bedachte Geste.
stimmt, rafft es zusammen, schmeißt es auf den Tisch, irgendwas emotionaleres ...

Ist das so? Sie hört diese eindringliche, wertende Bemerkung und erinnert sich nicht, wer sie sagte? Bizarr.
Ich hatte gedacht, das es von mehreren kam, ist aber schlecht formuliert. Kommt auf den Zettel ...

Es liegt wohl wieder an meiner Sicht auf Ivette, ihrer Besonnenheit, dass mir der süße Zusatz und interessanter Typ in ihrer Situation nicht authentisch erscheinen mag.
He, die ist Anfang zwanzig, haben wir da diese Schiene nicht alle ganz automatisch dabei gehabt?
Aber mir ging es um die Beziehung der Drei, bei Jimmy ist da eine unterschwellige Bindung und ich habe versucht, diese zu erhalten.

Doch! Ivette mag den Boss und meine Ivette würde da jetzt keinen Unterschied machen.:lol:
Grüß Deine Ivette von mir, sie soll bitte vorsichtig sein, Männer sind verletzlich ...

Hier habe ich eine längere Weile überlegt, was mir dieses Handlung über einen Menschen sagt und was ich über Ivette wissen soll. Ich bin mir nicht ganz einig. Ist sie noch ein kleines Mädchen geblieben ?
nein, sie hat eine niedliche Gewohnheit, unbewusstes Festhalten an Angewohnheiten und ich mochte das Detail im Original

zwei Bosse so schnell aufeinander ... ich weiß ja nicht.
Ja, da geht noch was ...

..., ich will mir das Tablett nehmen, ... finde ich verzichtbar
stimmt

Ich mag Ivette und ihre Entwicklung. Sie wird ihren Weg gehen und wenn sie sich erst nicht mehr für ihre Mutter verantwortlich fühlt, dann gerät sie auch nicht mehr an so doofe Jans! Sag ihr das!
Ich richte es aus. Ja, ich sehe hier auch eine junge Frau, die ihren Weg geht. Aber diese Umwege gehören halt im Leben dazu, wenn wir das alles meistern, sind wir irgendwann stolz auf uns und das strahlen wir dann aus - für mich entsteht daraus die "Schönheit" eines Menschen.

Liebe Kanji, ich habe mich sehr über Deinen Kommentar gefreut, da waren viele Stellen, die mich dazu gebracht haben, mein Schreiben nochmal zu überdenken und zu begründen.
Liebe Grüße
in den Norden
witch

 

Moin, moin @Katla
Hallo in den Norden! Ich muss mich mal dringend für ein paar Minuten vor der Buchhaltung drücken, auch dafür sind die Wortkrieger total toll :D

hach, so eine aufgeschobene Deadline macht doch das Kommentieren gleich viel entspannter.
ja, kann ich nachvollziehen. Obwohl ich ja gestehen muss, das ich meist den Druck eines Termins brauche, aber das lerne ich auch noch. Denn andersrum heißt rechtzeitig fertig nun mal mehr Zeit fürs Überarbeiten ...

ich sehe es nämlich wie TeddyMaria, dass du wirklich grad eine steile Lernkurve hast, und dass es extrem spannend ist, das mitzuverfolgen.
Dankeschön, aber nun reicht es mit der Motivation, sonst liegt die Latte fürs nächste Mal gleich so hoch .

offenbar sieht jeder hier einen anderen Hauptkonflikt
Ja, lustig und vor allem spannend. Aber das haben wir ja auch schon diskutiert. Ich werde in der Überarbeitung auf alle Fälle mehrer Versionen ausprobieren. Und fürs nächste Mal ein bisschen mehr zwischen einem richtig fetten Hauptkonflikt und netten, kleinen Nebenkonflikten unterscheiden, so ist es mir ein wenig zu "tragisch"

Die Küchenszene:
Expostion, Grundkonflikt, der schon lange besteht (ein Plus an Drama) und sich durch die aktuelle Situation (Mutter Suizidversuch, Schwangerschaft der Prota, abgehauener Freund, den die Mutter eh verachtet hat) zuspitzt. Finde ich gut, weil da einiges auf dem Spiel steht, und alles aber auch subtil zusammenhängt.
Ja, ich denke, da gehe ich voll mit, mal schauen, ob ich es auch so deutlich raus bekomme

Mutter Suizidversuch:
Würde ich drinlassen, weil es nämlich zeigt, wie verloren die Prota mit all dem ist, und wie 'ungerecht' das ist. DAS ist für mich das Hauptdrama im Text, mein emotionaler Angelpunkt. Wie gesagt würde ich die Krankenhausszene so schreiben, dass die Prota zur Mutter kam, nach dem Suizidversuch,
mir ist der Suizidversuch eigentlich zu viel, ich will mal schauen, ob ich ihn noch weiter "runtergespielt" bekomme, mir geht es ja um Ivette, also ihr Alleinesein, ja, auch das sie die Verantwortung übernimmt, sich nach der Mutter sehnt, der Suizid soll es nur zeigen, ein Stückchen verdeutlichen, aber nicht der Hauptemotionspunkt sein

Schwanger ja/nein:
die Fehlgeburt würd ich nun wieder streichen.
Jo, das sehe ich im Moment auch so und wie gesagt, ich will es nicht übertreiben ...

Das Motiv mit der Stellvertreterbestattung eines Tieres / Gegenstandes ist halt ein total ausgelutschtes (egal, ob Leute das in der Realität machen oder nicht), und überschreitet für mich die Kitschgrenze (wovon der Text ansonsten angenehm frei ist).
Danke für die Blumen - also das Kitschfrei!. Mittlerweile finde ich die Beerdigung als emotionales Abschiedsding für all die täglichen Dinge um Längen besser, als meine Ausgangsidee - stellvertretend für das Baby. Aber irgendwo musste ich erstmal reingrätschen in Jimmys Cafe-Szene. War ein bisschen eng gedacht von mir ...

Freund:
Würde ich drinlassen, so wie es ist. Es verstärkt ihre Einsamkeit durch das Verlassenwerden;
Ja, ich hätte auch gerne ein bisschen Aussicht für die Zukunft und die sehe ich nicht bei der Mutter. Aber egal, ob Ivette ihren Jan wiederkriegt oder sich endlich "freischwimmt" - sie wächst an der Situation

Cafészene:
Fand ich sehr gut - weil es ihre emotionale Isolation, ihre nichtkommunizierbare Verzweiflung, nochmal extremer aufzeigt, nämlich an diesem Bild, in Gesellschaft anderer einsam zu sein.
Ja, das zeigt sich in Jimmys Originaltext sehr gut, in der Szene habe ich ja nicht wirklich viel geleistet, halt die Seiten gewechselt

Die Cafészene fand ich toll erzählt und auch ungewöhnlich für KGs, in dieser vagen Form einer Beziehung zwischen Leuten, grad eben aus Sicht einer Frau.
wie gesagt, Du lobst Jimmys Text, aber das geht für mich in Ordnung. Ich bin ja froh, ihn nicht verhunzt zu haben.
Und mit meinem Anteil bin ich wirklich zufrieden!

Das Ganze fühlt sich wie ein mit verteilten Rollen gelesenes Drama an, einstudiert, regelmäßig aufgeführt.
das könnte man jetzt aber auch so sehen, dass die Szene hier künstlich wie ein Theaterstück wirkt, und das schadet der schönen, intensiven Szene da.
Nagut! Ich sehe es ja sogar selbst, vertraue aber meinem Text nicht genug, das der Leser das auch so sieht. Fliegt, aber wie gesagt, die Bearbeitung braucht noch ein wenig ...

Die hat nämlich tolle, überraschende kleine Wendungen im Detail, und viele dezente Unterthemen (der Hunger, das Handtuch da ...).
Darüber freue ich mich am meisten. Das Verstehen, das ich mehr Konflikt, Fallhöhe brauche und diese mir auch eindeutig vorher überlegen muss, haben mir nämlich ein wenig Spaß beim Schreiben genommen. Ich liebe es, einfach drauflos zu schreiben und dann machen die Typen schon was - okay, bisher dann nett Anekdote. Aber diese Kleinigkeiten entstehen ja auch einfach beim Schreiben, ohne jegliche Planung und an denen kann ich mich auch erfreuen. Ich liebe diesen kreativen Prozess im Unterbewusstsein, also wenn man wirklich etwas ausdrückt, ohne als Autorin daran herumkonstruiert zu haben. - Buh, ist das verständlich?

Herzlichen Dank für Deine Hilfe, schauen wir mal, ob die Überarbeitung ordentlich wird und es auch bis zur nächsten Geschichte reicht ...
Beste Grüße in den nördlicheren Norden
witch

 

Liebe @greenwitch,

da will ich mich erstmal revanchieren, denn ich laufe schon seit ein paar Tagen mit deinem Text im Kopf herum. Ich finde auch, dass du in der Auseinandersetzung mit Jimmys Text deine Fähigkeiten erweitert hast. Du hast etwas gewagt und das bringt an manchen Stellen ganz neue Farben in deinem Schreiben hervor, an anderen funktioniert es für mich noch nicht so.
Was du sonst oft in deinen Texten hast, ist ein gewisses pädagogisches Anliegen, ob es um Handybenutzung oder einen Hasen geht, der einem motzigen Gärtner "Manieren" beibringt. Ich finde, das hat seinen Charme, aber hier habe ich den Eindruck, du machst etwas Neues und das finde ich spannend.
Du hast die Vorgeschichte des Mädchens in Jimmys Geschichte geschrieben und damit aus einer Figur, die mir eher wie entrückt, unabhängig und in sich ruhend erschien, eine Frau gemacht, die innerlich zerrissen und voller Probleme in dieser Kneipe aufschlägt, also fast diametral entgegengesetzt ist. Nun geht es beim Copy ja nicht unbedingt darum, dass du eine Figur beschreibst, wo jeder sagt, ja, genau so war die bestimmt gemeint. Sondern, dass dich die Geschichte zu etwas eigenem inspiriert und das hat sie getan.

Da ist er wieder, dieser Mief aus teurem Parfüm und Parkettwachs, mit dem ich aufgewachsen bin. Auf dem Klingelschild mein Name: Ivette, fett durchgestrichen. Beim letzten Mal habe ich mit Nagellackentferner den Eddingstrich entfernt, aber jetzt grinst er mir wieder höhnisch entgegen.
Ich habe zuerst nicht verstanden, warum sie unbedingt will, dass ihr Name da steht, obwohl sie ausgezogen ist, bzw. hier habe ich noch gedacht, sie wohnt da noch. Im Nachhinein kennzeichnet es natürlich gut diese Beziehung, die Rache der Mutter, die Anhänglichkeit der Tochter. Parfüm und Parkettwachs ist toll und der Name Ivette auch.

Mein Magen zieht sich zusammen, vielleicht ist es nur der Hunger, in unserer Wohnung gibt es schon seit Tagen nur Müsli und Möhren. Allmählich brauche ich einen Plan, wie es weitergeht, ohne Job, ohne Jan, ohne ...
Für mich wäre es hier klarer, wenn es hieße: "bei mir ...".

Wie verabredet, nein, wie bestellt, komme ich hier pünktlich um Viertel nach vier zum Kaffee vorbei. Ein kurzer Blick auf mein Handy, dann schiebe ich es in die Hosentasche. Meine Mutter hasst es, wenn irgendwas mehr Aufmerksamkeit bekommt als sie.
Das gefällt mir gut.

Der Blick in die Küche lässt mich erstarren. Zwei Schritte und ich schlage ihr alles aus der Hand. Die Tabletten schlittern über den schwarzen Fliesenboden. Das Wasser spritzt auf einen Haufen aus Folien, Taschentüchern und Pizzaresten.
Wow, sofort Drama, 100%.


Wie automatisch räume ich Teller und Gläser in den Geschirrspüler. In der unteren Schublade suche ich nach meinem Lieblingstuch, das mit den Marienkäfern, und beginne, die klebrigen Ringe und Krümel zu beseitigen.
Schön.

„Lass das, du wohnst hier nicht mehr.“
Der Hunger siegt, ich grabble in der Keksschublade nach etwas Essbarem.
„Ich hab dich nicht rausgeworfen, hab nur gesagt, wenn du dein Studium abbrichst und mit dem Typen nach Amerika gehst, bist du raus.“
Dass sie wirklich hungernd da ankommt, dass sie so zerrüttet ist, weist schon auf eine extrem labile Person hin.

Meine Mutter schnaubt nur. Ich will über meinen Bauch streicheln, lasse es aber.
Das finde ich zu plakativ. Da spüre ich zu sehr die Information.

Mit unerwartetem Schwung zieht sie sich hoch, zeigt auf mich. „Ich habe dir alle Möglichkeiten eröffnet, für dich auf alles verzichtet, alles getan.“
„Ja, Frau Doktor! Du hast mir einen blöden französischen Vornamen verpasst. Ich hatte sogar zweisprachige Kindermädchen.“ Mir wird heiß, die Worte sträuben sich auf der Zunge, wollen unbedingt raus. „Aber du hast mich nie geliebt!“
Sie ist schneller als sonst. Mein Kopf schnellt zur Seite, ich beiße mir auf die Lippen. Schmecke Blut. Die Finger meiner Mutter brennen auf der Wange. Ich hole tief Luft, will antworten, doch sie ist schneller: „Ich wäre heute Professorin und hätte meine eigene Klinik. Ich wäre jemand.“
Und das ist mir zu sehr Holzhammer plus Information für die Leser. Dass sie zweisprachige Kindermädchen hatte, weiß die Mutter ja und dieses "Du hast mich nie geliebt." ist zu sehr "tell" finde ich. Warum sollte die Mutter sie daraufhin schlagen? Das ist schon extrem brutal auf so eine Aussage und lässt kaum noch eine Ambivalenz im Charakter der Mutter zu. Diese ganzen Themen, auch dass die Mutter das Gefühl hat, sich für die Tochter geopfert zu haben, bräuchten für mein Gefühl viel mehr Raum, das müsste unterschwelliger laufen, finde ich. Für mich wäre dieser ganze Abschnitt entbehrlich.


Ich schüttle nur den Kopf, will gehen und bleibe doch einfach sitzen. Die Tabletten sind vergessen, gleich kommt die Weinflasche. Und irgendwann greift sie zum Briefpapier. Beim Entschuldigungsbriefe schreiben ist meine Mutter unschlagbar, sie findet immer einen Grund, meistens bei anderen.
Das wirkt momentan noch so, als ob sie aus dem Konflikt heraus zum Briefpapier greift, noch während die Tochter da ist.

Dabei ist die Nacht im Krankenhaus erst drei Wochen her. Die Schwestern haben versucht, mich nach der Fehlgeburt zu trösten, von meiner Mutter kam: „Glück gehabt!“ Aber sie war da, war auf meinen Anruf sofort gekommen. Und hatte mich im Arm gehalten.
Das begreife ich emotional gar nicht. Das geht mir zu schnell von dieser harten Aussage zu dem im Arm halten. Da müsste es doch vorher schon für mich irgendeine Andeutung im Verhalten der Mutter geben, dass sie nicht nur der Horror ist. Von der Frau, die du anfangs schilderst, hätte ich mich in so einer Situation als letztes im Arm halten lassen wollen. Andererseits, puh, das ist schon wirklich ein krasser Konflikt, den du da am Wickel hast, die Tochter voller Hass und immer noch bedürftig nach der Liebe der Mutter, die Mutter, die alle Register zieht, die Tochter verantwortlich macht, für ihre verpfuschte Karriere und sie dafür verpflichten will, sich umgekehrt aufzuopfern.

Wie ein Geist schleiche ich durch die Straßen, suche in allen Gesichtern nach einem Bekannten, in allen Geräuschen nach meinem Namen.
Jan hätte sie befreien sollen von diesem Mutterdrachen und ist einfach abgehauen. Interessant auch, dass sie sich komplett an ihn gehängt hat und jetzt keine Freunde mehr hat. Ich glaube, das Thema Kind, Fehlgeburt, schwanger könnte ich am ehesten entbehren, wenn du reduzieren willst. Hier würde der missglückte Versuch, sich von der Mutter zu lösen, schon genug Stoff hergeben.

Vor zwei Tagen hat mir der süße Angestellte ein Stück Kuchen zum halben Preis gegeben. Ein interessanter Typ, irgendwas bedrückt den, ich kann es sehen. Und der Boss lässt mich nicht aus den Augen, aber sorry, kein Interesse.
Du machst aus Boss und Kunde, Boss und Angestellten, wenn ich das richtig verstehe.

Ja, vielleicht ist das ein Weg, ich schreibe einen Brief.
Das Briefeschreiben hat sie von der Mutter.

Der erste Satz steht schon auf dem Papier, bevor ich überhaupt entschieden habe, an wen ich schreiben will. Meine Mutter? Jan? Eine Freundin, eine ehemalige …?
Den ersten Zettel zerknülle ich, lasse ihn in meinen Rucksack fallen. Ich kriege meine Gedanken nicht zu fassen, wie soll ich das auflösen, meine Mutter verstehen, Jan finden, der Einsamkeit entkommen, …
Eigentlich weiß sie gar nicht wer sie ist und was sie will. Sie konnte sich bei dieser Mutter nicht wirklich entfalten.

Als die Tür klappert, blicke ich von meinem Blatt auf und merke, dass ich alleine im Bistro bin. Die beiden Männer stehen sich draußen gegenüber, der junge Typ, Paul heißt er wohl, entspannt an den Türrahmen gelehnt. Der Boss dreht ruckartig den Kopf, als ob er mich eben noch beobachtet hätte. Im Neonlicht der Reklame schwirrt Asche durch die Luft. Ein dumpfes Aufprallgeräusch schreckt mich auf, die Scheibe gerät in Schwingungen, ich kann es spüren. Ruckartig verziehe ich die Hand, ein Strich kratzt übers Blatt. ‚Ich möchte ______‘.
Das fand ich erst etwas schwach, das "ich möchte ..." aber eigentlich passt das zu ihr, hier abzubrechen.


Draußen beugen sich die Männer über die Gehwegplatten, der Boss formt mit seinen großen Händen eine Schale und trägt etwas herein. Er legt einen toten Vogel auf eines der kleinen Silbertabletts, zarte Federn lösen sich. Mein Blick folgt einer in die Kuchenauslage schwebenden Feder, ich trete näher, angezogen von dem kleinen Leben, was jetzt so ohne ist.
Schön. Ich finde überhaupt, an der Stelle wo du in Jimmys Szene einsteigst, beruhigt sich dein Schreiben irgendwie, wird behutsamer, genauer.

Seine Finger zittern, kurz überlege ich, sie fester zu fassen, aber er zieht sie zurück und ich lasse meine Hand ins Leere fallen. Ohne Kommentar greift er zur Flasche unter dem Tresen. Der scharfe Geruch von Schnaps, den er aus einem Wasserglas kippt, lässt mich zurücktreten, meinen Rucksack umklammern.
Auch toll.

Die beiden Männer stehen sich draußen gegenüber, der junge Typ, Paul heißt er wohl, entspannt an den Türrahmen gelehnt.
Nee, das ist ein bisschen zu einfach. Woher weiß sie, dass er Paul heißt?

Einen Fuß leicht schräg gedreht, schiebe ich meinen Körper zwischen Paul und den Vogel, gehe ich in Verteidigungshaltung.
"Ich" weg? Mit dem Fuß, das finde ich schön.

Mein Blick fällt auf den Blumenkübel vor der Tür, eine Mischung aus üppigen Petunien und einigen verhungerten Fleißigen Lieschen.
Das gibt deiner verstörten Ivette einen Hauch greenwitch. ;) Macht sie ein bisschen lebenstüchtiger.

Während beide Männer mir durch die große Scheibe zuschauen, knie ich vor dem Kübel nieder. Vorsichtig, einige Petunientriebe beiseite biegend, kratze ich ein Loch in die Erde. Sie ist frisch aufgefüllt, es riecht satt und beständig, nach etwas Bleibendem. Ich muss Kraft aufwenden, um durch das Wurzelgeflecht tief genug zu kommen, fasse die Kuchengabel falsch herum, um den breiten Stiel nutzen zu können. Sanft streichle ich ein letztes Mal über den jetzt kalten Körper, bette den toten Vogel in das kleine Grab und überlege, was ich noch tun könnte. Nichts, da kann man nichts mehr tun. Mit den Gabelzinken schiebe ich vorsichtig Erde in die flache Kuhle, bedecke den Körper und suche nach einem Stein oder ähnlichem. Nein, hier ist nichts, also klopfe ich nur achtsam auf den weichen Boden. Erst beim Aufstehen merke ich, dass mir Tränen übers Gesicht laufen. Kein Schluchzen, kein Ton, nur leise fließende Tränen.
Ohne mich noch einmal umzudrehen, gehe ich, meinen Rucksack über einer Schulter, die Kuchengabel in der Hand.
Diese Szene mag ich sehr, das ist wunderschön geschrieben. Da merkt man auch, wie sehr du dich mit solchen Handlungen auskennst, riecht förmlich die Erde. Bezogen auf die ganze Geschichte würde ich sagen, sie spürt zum ersten Mal, was sie will, folgt einem Impuls, der sich richtig anfühlt und trauert um einen Tod, was auch etwas davon hat, eine Trennung, ein Ende zu akzeptieren.

Es hat Spaß gemacht, mich mit deiner Geschichte zu befassen. Auch wenn ich viel zu kritisieren hatte, steckt Kraft und Zündstoff in dem Thema. Und aus deinen Reaktionen auf die Kommentare vermute ich, dass du gerade schon ein Gefühl für die Richtung entwickelst, in die du mit dem Text gehen willst. Ich bin gespannt!
Bis Sonntag, falls es klappt. Ich freu mich dich wiederzusehen, liebe greenwitch.:)

Herzliche Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen liebe @Chutney ,

oh wie schön, bevor ich mich jetzt ans Überarbeiten mache noch ein hilfreicher Kommentar - Dankeschön!

da will ich mich erstmal revanchieren, denn ich laufe schon seit ein paar Tagen mit deinem Text im Kopf herum.
Aber revanchieren musst Du Dich nicht, schön fand ich, das Du den Text schon im Kopf hattest, das er nicht wie sonst meine "Anekdoten" nur nett war.

Ich finde auch, dass du in der Auseinandersetzung mit Jimmys Text deine Fähigkeiten erweitert hast. Du hast etwas gewagt und das bringt an manchen Stellen ganz neue Farben in deinem Schreiben hervor, an anderen funktioniert es für mich noch nicht so.
Super, wenn Du auch eine Veränderung siehst, mal schauen, ob ich die verfestigt kriege. Und Ja, noch hakts da an einigen Stellen, eindeutig zuviel gewollt und verzettelt.

Was du sonst oft in deinen Texten hast, ist ein gewisses pädagogisches Anliegen
Ups! Definitiv ohne Absicht, wer will den "belehrend" rüberkommen. Da muss ich also dringend aufpassen ...

du machst etwas Neues und das finde ich spannend.
Ja, so hatte ich es mir gedacht ...

damit aus einer Figur, die mir eher wie entrückt, unabhängig und in sich ruhend erschien, eine Frau gemacht, die innerlich zerrissen und voller Probleme in dieser Kneipe aufschlägt, also fast diametral entgegengesetzt ist.
Wahrnehmungssache!? Hier wäre jetzt natürlich interessant, wie Jimmy die Figur angedacht hatte. Ich habe sie habe sie eher nicht als in sich ruhend wahrgenommen, dieses sich fünf Tage lang in eine Cafe "flüchten", "Kontakt suchen, ohne ihn zu einzufordern, ... Vielleichtbin ich jetzt aber auch in "meiner Ivette" gefangen, denn mein Ausgangspunkt nach der Entscheidung für diese Geschichte war, was bringt die junge Frau dazu, so zu handeln. Man könnte das natürlich auch ganz ruhig angehen - Ihr Respekt vor dem Leben im Allgemeinen! Aber ich hatte eindringlich zu hören bekommen, ich soll mehr Konflikt in die Geschichten lassen, die Fallhöhe steigern, eine wirkliche Entwicklung zulassen - okay, damit habe ich jetzt überzogen, aber ich schaue mal, was sich drehen lässt. Für mich, als Lernprozess war es auf alle Fälle eine gute Erfahrung.

Ich habe zuerst nicht verstanden, warum sie unbedingt will, dass ihr Name da steht, obwohl sie ausgezogen ist, bzw. hier habe ich noch gedacht, sie wohnt da noch. Im Nachhinein kennzeichnet es natürlich gut diese Beziehung
Prima, wenn es so dann doch aufgeht, mal schauen, ob ich das unterschwellig besser hinbekomme, aber noch fällt mir so ganz am Anfang nichts ein.

Für mich wäre es hier klarer, wenn es hieße: "bei mir ...".
ja, das stimmt wohl

Wow, sofort Drama, 100%.
naja, eher 150%, aber fürs erste lasse ich das wohl so (wegen der Fallhöhe?)

Dass sie wirklich hungernd da ankommt, dass sie so zerrüttet ist, weist schon auf eine extrem labile Person hin.
Siehste, auch Ansichtssache. ich nehme das als eher selbstbewusst war, Essen ist nicht so wichtig, ich hab andere Probleme. Und praktisch gesehen war kein Essen da (kein Geld), aber es ist ihr nicht als vordergründiges Problem bewusst, sie nimmt es nur wahr.

Meine Mutter schnaubt nur. Ich will über meinen Bauch streicheln, lasse es aber.
Das finde ich zu plakativ. Da spüre ich zu sehr die Information.
Ja, da die Schwangerschaft bzw. Fehlgeburt wohl rausfällt, klärt sich das, aber Du hast mich natürlich erwischt, das war platt gemacht. Aber mir fiel nicht besseres ein ...

Diese ganzen Themen, auch dass die Mutter das Gefühl hat, sich für die Tochter geopfert zu haben, bräuchten für mein Gefühl viel mehr Raum, das müsste unterschwelliger laufen, finde ich. Für mich wäre dieser ganze Abschnitt entbehrlich.
Erwischt! Ich wollte neben dem Konflikt-Ding auch einmal kurz und kompakt schreiben. Habe darüber leider übersehen, das sowas Entwicklung/Platz braucht - zuviel auf einmal ist die Begründung(Ausrede). Aber ich versuche da noch nachzuarbeiten, um mehr Ruhe hinein zu bekommen.

Das wirkt momentan noch so, als ob sie aus dem Konflikt heraus zum Briefpapier greift, noch während die Tochter da ist.
Ja, da gab es schon eine Hinweis drauf, stimmt, das Verb greift passt hier nicht.

Das begreife ich emotional gar nicht. Das geht mir zu schnell von dieser harten Aussage zu dem im Arm halten. Da müsste es doch vorher schon für mich irgendeine Andeutung im Verhalten der Mutter geben, dass sie nicht nur der Horror ist. Von der Frau, die du anfangs schilderst, hätte ich mich in so einer Situation als letztes im Arm halten lassen wollen. Andererseits, puh, das ist schon wirklich ein krasser Konflikt, den du da am Wickel hast, die Tochter voller Hass und immer noch bedürftig nach der Liebe der Mutter, die Mutter, die alle Register zieht, die Tochter verantwortlich macht, für ihre verpfuschte Karriere und sie dafür verpflichten will, sich umgekehrt aufzuopfern.
Das es eine Rückblende ist wird anscheinend von dem schnellen Folgen der nächsten Situation überrollt, wirkt also emotional zu wechselhaft. Schlecht, also wieder zuviel drin. Aber ich lichte aus, versprochen.

Ich glaube, das Thema Kind, Fehlgeburt, schwanger könnte ich am ehesten entbehren, wenn du reduzieren willst. Hier würde der missglückte Versuch, sich von der Mutter zu lösen, schon genug Stoff hergeben.
Ja, mittlerweile sehe ich es ein. Katla hatte schon versucht, mich da vorsichtig drauf hinzuweisen, aber da war die Geschichte noch zu frisch, zu wenig Abstand, um entscheiden zu können.

Du machst aus Boss und Kunde, Boss und Angestellten, wenn ich das richtig verstehe.
Grins! Da stand mir wohl mein eigenes Leben im Weg, bei der Wahrnehmung. Ich habe auch in Jimmys Geschichte die beiden in dieser Konstellation gelesen. Schaue ich mir nochmal an, aber ich finde, meine Version geht auch in Ordnung, oder?

Ja, vielleicht ist das ein Weg, ich schreibe einen Brief.
Das Briefeschreiben hat sie von der Mutter.
;), ah, so geht das mit dem Doppelzitat - da beiße ich mir seit Wochen die Zähne dran aus ...

Den ersten Zettel zerknülle ich, lasse ihn in meinen Rucksack fallen. Ich kriege meine Gedanken nicht zu fassen, wie soll ich das auflösen, meine Mutter verstehen, Jan finden, der Einsamkeit entkommen, …
Eigentlich weiß sie gar nicht wer sie ist und was sie will. Sie konnte sich bei dieser Mutter nicht wirklich entfalten.
ja, da ist es, was ich zeigen wollte

Als die Tür klappert, ... ich kann es spüren. Ruckartig verziehe ich die Hand, ein Strich kratzt übers Blatt. ‚Ich möchte ______‘.
Das fand ich erst etwas schwach, das "ich möchte ..." aber eigentlich passt das zu ihr, hier abzubrechen.
Ich habe lange überlegt, was Ivette schreibt, aber ich bin immer wieder da angekommen - sie weiß, dass sie etwas ändern muss/will - aber weiter ist sie halt noch nicht, es ist ja auch alles verdammt viel und sie ist noch sehr jung, lassen wir ihr zeit

Draußen beugen sich die Männer über die Gehwegplatten, der Boss formt mit seinen großen Händen eine Schale und trägt etwas herein. Er legt einen toten Vogel auf eines der kleinen Silbertabletts, zarte Federn lösen sich. Mein Blick folgt einer in die Kuchenauslage schwebenden Feder, ich trete näher, angezogen von dem kleinen Leben, was jetzt so ohne ist.
Schön. Ich finde überhaupt, an der Stelle wo du in Jimmys Szene einsteigst, beruhigt sich dein Schreiben irgendwie, wird behutsamer, genauer.
Dankeschön! Ich hoffe, das bezieht sich nicht auf die reinweg übernommenen Stellen, aber ich habe mich sehr bemüht, nicht einfach zu übernehmen. Vielleicht ist es eine gute Übung, mal eine Geschichte in einem völlig anderen Stil als Ausgangspunkt zu nehmen und weiter zu schreiben, einfach um verschiedene Schreibstile zu versuchen. Ich will ja nicht wie Jimmy schreiben, wer will schon abschreiben, aber um aus meinem "zu-viel-herum-gelabert-Ton" heraus zu finden , scheint es ja etwas zu bringen.

Die beiden Männer stehen sich draußen gegenüber, der junge Typ, Paul heißt er wohl, entspannt an den Türrahmen gelehnt.
Nee, das ist ein bisschen zu einfach. Woher weiß sie, dass er Paul heißt?
ach komm schon, die sitzt seit fünf Tagen immer wieder in diesem kleinen Raum, unter anderem immer wieder mit den zwei Männern. Klar fängt sie da die Namen auf. Die Kerle unterhalten sich doch, sind vertraut miteinander

Einen Fuß leicht schräg gedreht, schiebe ich meinen Körper zwischen Paul und den Vogel, gehe ich in Verteidigungshaltung.
"Ich" weg? Mit dem Fuß, das finde ich schön.
Fein, ich hatte Bange, die Verteidigungshaltung sei zu viel, aber das "ich" kann weg, stimmt

Mein Blick fällt auf den Blumenkübel vor der Tür, eine Mischung aus üppigen Petunien und einigen verhungerten Fleißigen Lieschen.
Das gibt deiner verstörten Ivette einen Hauch greenwitch. ;) Macht sie ein bisschen lebenstüchtiger.
nett! Aber ich sehe schon, ich muss Ivette dringend noch was resolutes, feine machen lassen, sie soll nicht als die totale verstörte Null rüberkommen, die packt das, ist nur gerade alles zuviel

Während beide Männer mir durch die große Scheibe zuschauen, knie ich vor dem Kübel nieder. Vorsichtig, einige Petunientriebe beiseite biegend, ...
Ohne mich noch einmal umzudrehen, gehe ich, meinen Rucksack über einer Schulter, die Kuchengabel in der Hand.
Diese Szene mag ich sehr, das ist wunderschön geschrieben. Da merkt man auch, wie sehr du dich mit solchen Handlungen auskennst, riecht förmlich die Erde. Bezogen auf die ganze Geschichte würde ich sagen, sie spürt zum ersten Mal, was sie will, folgt einem Impuls, der sich richtig anfühlt und trauert um einen Tod, was auch etwas davon hat, eine Trennung, ein Ende zu akzeptieren.
oh, wie schön! "Wunderschön geschrieben" bringt mich natürlich zum lächeln, das habe ich noch nicht allzu oft gehört. Und genauso hatte ich mir die Szene gedacht, das sie es fühlt, das sie für sich eine Grenze übertritt, es schafft. So hatte ich die junge Frau in Jimmys Text gelesen.

Auch wenn ich viel zu kritisieren hatte, steckt Kraft und Zündstoff in dem Thema. Und aus deinen Reaktionen auf die Kommentare vermute ich, dass du gerade schon ein Gefühl für die Richtung entwickelst, in die du mit dem Text gehen willst. Ich bin gespannt!
Also ich finde nicht, das Du soviel kritisiert hast, bzw. es waren die Stellen, die ja auch von den anderen Wortkriegern bereits bemängelt wurden. Ich schaue mal, was mich das Wochenende machen lässt, jetzt lockt erstmal die Sonne zur Arbeit,
Vielen Dank für Deine Hilfe, ich bin gerade sehr motiviert ...
Beste Wünsche
witch

 

Ob das gut war? Ich fürchte jetzt eine Verschlimmbesserung, vielleicht kann ja mal einer sagen, wenn ich die Geschichte lieber noch etwas liegen lassen sollte ...
Und dabei will ich doch so gerne an etwas neue ran, hab soviele Ideen bekommen (nur keine Zeit dazu ...)
Danke für Eure Hilfe

 

Liebe @greenwitch,

jetzt will ich schon seit Tagen deine Copy kommentieren, aber ist ja vielleicht auch gut, dass mein Schweinehund so groß war, so bekommste gleich ein Feedback zur Überarbeitung.
Nachdem ich den Originaltext gelesen hab, hatte ich in den Komm geschrieben, dass ich mir jetzt gern Gedanken um das Mädel mache, wer sie ist, wie sie wohl lebt und dann musste ich schmunzeln, dass genau das dein Copy-Ansatz war. Schätze, ich hätte den selben Ansatz gewählt. Allerdings wäre es eine komplett andere Geschichte geworden, weil ich sie ganz anders wahrgenommen hab, insofern war es aber gleich viel interessanter gewesen, deine Version zu lesen. Und habe ich Dir noch unter dein letztes CW geschrieben, gib deinen Figuren mal was zum »Tragen« mit, etwas, woran sie sich abarbeiten können, haste hier ja aus den vollen geschöpft. Und ja, auch in reihe mich ein, da passiert gerade was mit deinem Schreiben, und es ist spannend und schön zugleich, das mit anzuschauen. Und das liegt sicher nicht nur an der Vorlage, denn die Probleme vor denen deine Prot. steht haste ja alle selbst zusammengetragen. Sie war ja praktisch noch eine weiße Fläche bei jimmy.

So nun fange ich aber mit Lesen an.

Aus Augenschlitzen linst meine Mutter zu mir. „Wenn du gehst, Ivette, will ich nicht mehr.“
Aber sie hat doch ihren Namen vom Klingelsschild geext ... ? Und jetzt das. Das ist ja ein hübscher Widerspruch, mal schauen, was mit der Mutter so los ist.
Bisschen OT: Ich sollte ursprünglich auch mal den Namen Ivette bekommen. Aber kurz vor meiner Geburt kam im Osten eine Intimwaschlotion mit eben diesem Namen raus, weshalb meine Mutter sich kurz umentschied. Ich finds schade, ich wäre viel lieber eine Ivette.

„Lass das, du wohnst hier nicht mehr.“ Sie sitzt da, bleibt auf Abstand.
Ja, das finde ich wirklich hübsch, diese zwitchende Mutter. Ihr Schmerz, den sie scheinbar mit Wut zu überspielen sucht.

In der unteren Schublade suche ich nach meinem Lieblingstuch, das mit den Marienkäfern, ...
Nice.

Mir wird heiß, die Worte sträuben sich auf der Zunge, wollen unbedingt raus. „Aber du hast mich nie geliebt!“
Harte Worte, schwere Vorwürfe.

„Ich wäre heute Professorin und hätte meine eigene Klinik. Ich wäre jemand.“
Na gut, die beiden nehmen sich nichts. Da hat jede der anderen das Leben vergeigt. Jedenfalls in ihren Wahrnehmungen.

Sie lacht höhnisch. „Das sagt die Richtige. Hast dich doch selbst von irgendwem anbuffen lassen.“
Und die nächste Büchse der Pandora öffnet sich ...

Die Tabletten sind vergessen, gleich kommt die Weinflasche.
Und auch die Mutter bekommt einen weiteren Schatten dazu. Hast aber auch keine Abteilung im Konfliktladen ausgelassen, was. :)

Entschuldigungsbriefe schreiben kann meine Mutter, sie findet immer einen Grund, eine Ausrede, meistens bei anderen.
Das mag ich so gern.

Am liebsten will ich lügen, ihr einfach erzählen, dass er angerufen hat, ich in den nächsten Tagen endlich auch nach Kanada fliege, alles gut wird. Aber sie merkt immer, wenn ich lüge.
Muss ganz ehrlich sagen, das hätte mir gereicht. Studium geschmissen, wegen Auswanderung und dann sitzt sie da und er will sie nicht mehr. Ich hätte gar keine Schwangerschaft mehr gebraucht.

Ich fange an, die Bücher ins Regal zu ordnen, ganz systematisch.
Wie so jetzt Bücher. Ist sie mit der Küche schon fertig. Bleib doch mal bei einem Bild.

Die Schwestern haben versucht, mir zu erklären, dass es ein Hilferuf sei, von meiner Mutter kam nur: „Glück gehabt!“ Aber sie hat den Anruf nicht verhindert, mich kommen lassen. Und ich durfte sie in den Arm nehmen, ganz kurz.
Das ist auch ein sehr schöner Moment, der viel über die Beziehung der beiden aussagt.

Tja, da ist voll: Vorwurf der Mutter, ihr leben der Tochter geopfert zu haben und nun macht sie nix draus. Die Tochter, die ihr Studium für 'nen Typen abbricht, der sie jetzt sitzen lässt. Die kaputte Beziehung der beiden Frauen, die aber auch nicht ohne einander können. Der Selbstmordversuch, Alkohol ...
Das wird alles irgendwie nur erwähnt, das Leben der beiden sieht aus wie die Küche. Aber du dringst an keiner Stelle tiefer ein. Ich habe jetzt deine Einkaufsliste und muss mir das Menü dazu selbst zusammenreimen und kochen. Ich mein, Schwangerschaft und Alkoholsucht kannste schon mal einfach streichen, die machen mit dem Text nix, die geben dem keine weitere Tiefe, werfen kein neues Licht auf die Figuren, wenn sie nur so im Nebensatz erwähnt werden, aber nicht zum Zuge kommen. Und wenn sie zum Zuge kommen sollen, brauchst Du für all die Probleme weit mehr als einen Absatz, um sie auch zu bearbeiten. Auch der Selbstmordversuch der Mutter erschließt sich mir nicht wirklich, also die Motivation dahinter. Zu wenige Zeilen. Und ich finde diesen Konflikt: Du hast mir mein Leben versaut und jetzt versaust du dir auch das eigene, den finde ich schon sehr stark und für sich ausreichend. Darüber hätte ich gern mehr gelesen. Diese Beziehung, wo die beiden nicht mit und nicht ohne können, schöne Erinnerungen wechseln sich mit schlechten, ist ja eine Art Hass-Liebe schon fast - super Thema! Finde ich jedenfalls, aber das hat was mit Vorlieben zu tun.

Ja, vielleicht ist das ein Weg, ich schreibe einen Brief.
Hehe, so ist das mit den Töchtern ihrer Mütter. Aber das will man ja nie wahrhaben.

Ja, und dann kommt die Szene, in der Du an jimmys Vorlage andockst. Die ist für mich jetzt weder Fisch noch Fleisch. Sie ergibt sich nicht zwingend aus deinem Ansatz, sondern sie steht da, weil es eben ein CW ist. Ich mein, das Bild, den Vogel zu beerdigen, steht schon irgendwie stellvertretend für ihre Situation, aber das kommt mir zu wenig raus. Sie kommt da an, mit ihrem ganzen Reise-Last-Gepäck, und wenn jetzt vorher wirklich nur der Mutter-Tochter-Konflikt im Fokus gewesen wäre und sie jetzt selbst ihren ersten Entschuldigungsbrief an ihre Mutter begonnen hätte, die Vogelsache sie aber wieder auf sich selbst zurückgeworfen hätte, dann hätte man so etwas wie eine Entwicklung der Prot., nur ganz kurz, um dann doch wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, dann wären die Szenen viel mehr miteinander verbunden.
Hört man ja oft, dass alleinerziehende Mütter viel opfern, damit es den Kindern mal besser geht. Einher geht damit auch, dass sie ihre Lebensentwürfe, ihre Wünsche und Träume (die sie selbst nicht leben konnten) auf die Kinder übertragen und die dann stellvertretend ihr Leben leben sollen, weil es auch der einzig wahre und richtige Weg in ihren Augen ist. Aber die Kinder haben eben eigene Pläne, eigene Wünsche und gegen die Liebe ist eh kein Kraut gewachsen. Und wenn die Kinder dann feststellen, dass sie nun doch selbst nur das Leben der Mutter führen, und zwar 1:1, obwohl sie es ihnen ja verübeln (Du hättest nicht für mich ...), dann ist das schon ein feiner Twist. Das alles schimmert für mich in deinem Text durch, aber eben nur so an der Oberfläche. Ich finde das Thema und die Idee richtig, richtig gut, weiß aber gar nicht, ob das tatsächlich für dich auch das zentrale Thema war/ist.
Je länger ich an diesem Komm schreibe, vielleicht ist aber doch schön, mit dem nächsten Kind ... Das hat doch was, je länger ich drüber nachdenke. Und dann könnte die Vogelszene letztendlich auch für den Beschluss einer eventuellen Abtreibung stehen, um eben nicht in diesen Kreislauf zu geraten. Boah, wenn man das subtil in die Szene bekäme, dann könnte der Text richtig was. Ich glaub, ich schreibe hier schon fast selbst die Geschichte, also meine Version. Ich sollte unbedingt aufhören, dir das überhelfen zu wollen :aua:.

Fazit: All das aufgesagte Leid am Anfang brauchts für mich nicht. Lieber weniger und dafür mehr Tiefe. Und ich hätte mir eine innigere Verbindung zwischen den beiden Teilen gewünscht. Aber das sind Wünsche oder Anregungen oder was für deinen Papierkorb. Auf jeden Fall haste hier schon mal eine schöne Grundlage geschaffen und wenn deine Prot. jetzt nicht nur von außen häßliche Dinge erlebt, sondern auch in sich drin ein bisschen nicht perfekt ist (sie wird ja im Text fast nur als Opfer ihrer Umstände dargestellt) ... ach, dann ... Man wird von Dir lesen, da bin ich mir immer noch sicher. Nach diesem Text nur einmal wieder mehr.

Liebe Grüße, Fliege

 

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