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Der große Trimboli

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01.09.2005
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Der große Trimboli

Holger spürte Kraft. Nach seinen ruhelosen Nächten voller Unterbrechungen des Schlafes und wachem Herumrollen fühlte er sich für gewöhnlich, als habe er mit einer Grippe einen Marathon gelaufen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und stellte begeistert fest, dass sie sich anfühlten, als könnte er eine Runde gegen einen Klitschkow bestehen. Es waren richtige Fäuste, und auch in den Blutgefäßen seiner Beine schien kein Zement zu trocknen.
„Ja!“, entfuhr es ihm in der Lautstärke, die man sich nach einigen Jahren Single-Dasein in den eigenen einsamen vier Wänden angewöhnt. Ja. Er hatte durchgeschlafen. Fast neun Stunden, sagte der Wecker.
Holger schlug die Decke zurück und schlurfte in Unterhose und Schlappen zum Fernseher, auf dem noch die Hülle der DVD lag. „Der große Trimboli“, las er laut. Vom Cover glotzte ihn ein Typ in schwarzweiß an, der aussah wie Graf Zahl aus der Sesamstraße. Mit Schnurrbart. Holger kicherte. „Was für’n Scheiß. Der große Trimboli. Und es klappt. Das glaubt mir doch keiner.“
Nicht, dass er je vorgehabt hätte, jemandem zu erzählen, zu welchen Verzweiflungstaten ihn seine Schlafstörungen getrieben hatten, nachdem regelmäßiger Sport, warme Milch mit Honig und multiple Masturbation versagt hatten. Er hoffte nur, dass seine Vermieterin beim Garten umgraben nicht den uringetränkten Socken finden würde, den er in einer Vollmondnacht der Erde übergeben hatte. Zugegebenermaßen nicht ganz nüchtern.
Nein, Holger würde niemandem auf die Nase binden, wie ihm von einem mittelmäßig begabten Hypnotiseur, Alfred Neumann – der kam ohne expliziten Hinweis auf seine Größe aus – die DVD vom großen Trimboli angedreht worden war. Neumann hatte offensichtlich versucht, die Beschneidung seines Honorars zu verhindern, die Holger aufgrund der absolut erfolglosen Behandlung angedroht hatte.
„Diese DVD enthält Bilder vom großen Trimboli, der in den dreißiger Jahren einen ausgezeichneten Ruf in Berliner Varieté-Theatern genoss“, hatte Neumann erklärt. „Die Aufnahmen galten lange als verschollen. In den späten Neunziger Jahren entdeckte man sie in einem Moskauer Archiv. Ich weiß nicht, wer sich die Arbeit gemacht hat, dieses Material ins digitale Zeitalter zu retten, aber ich würde sagen, die gesamte Menschheit ist ihm zu großem Dank verpflichtet.“
„Ja, sicher“, hatte Holger gesagt, dabei abweisend Luft durch die Nase gestoßen und die Arme vor der Brust verschränkt.
Neumann hatte die offensichtliche Ablehnung ignoriert. „Trimboli ist darauf in Großaufnahme gefilmt, so dass man sich selbst damit hypnotisieren kann. Er war begeistert vom neuen Medium Film und sah darin eine Möglichkeit, über den Tod hinaus aktiv zu sein … Er sah darin einen Weg in die Unsterblichkeit.“
„Aha.“
„Trimboli heilte Erkältungen in Hypnose-Sitzungen. Menschen mit Sehfehlern hatten ihr Schielen verloren, wenn er sie mit einem Schnipsen wieder erweckte. Stotterer-“
„Hören Sie, das ist bestimmt interessant, wenn man-“
„Und Schalflose.“
Holger hatte misstrauisch die Augenlider zusammengekniffen.
„Schlaflose heilte er auch“, hatte Neumann geflüstert und vorsichtig mit dem Kopf genickt.
„Ist das wahr?“, hatte Holger gefragt, zynisch, interessiert, unentschlossen, bereit, nach zwei Monaten ohne Durchschlafen jeden noch so dürren Strohhalm zu ergreifen.
„Das ist wahr, ja“, hatte Neumann gesagt. „Probieren Sie’s. Was haben Sie zu verlieren?“
„Sie haben mir jetzt schon fast vierhundert Euro mit Ihrem Mumpitz aus der Tasche gezogen.“
Neumann hatte beschämt zu Boden gesehen. „Nehmen Sie.“ Er hatte ihm die DVD hingehalten. „Nehmen Sie sie, probieren sie es aus. Wenn es nicht klappt, kriegen Sie alles wieder. Wenn doch behalte ich zwei, nein, sagen wir, hundertfünfzig Euro.“
Holger hatte die DVD-Hülle genommen und sie betrachtet, als hätte Neuman es nicht geschafft, seine Neugierde zu wecken. Ein Versuch, den Preis weiter zu drücken. Neumann war mit einer Betriebsanleitung fortgefahren:
„Die Sitzungen sind in Kapitel unterteilt. Sie tragen Titel wie „Über die Trauer“. Sie lassen Rückschlüsse auf ihren Inhalt zu. Das für Sie interessante heißt-“
„Hallo Wach?“
„Contra die Insomnie. Aber …“
„Was aber?“
„Sehen Sie sich nur die für Sie relevante Sitzung an. Trimboli war ein unausstehlicher Exzentriker. Trinker, Casanova, Choleriker, Antisemit, Raufbold. Ein begnadeter Hypnotiseur, aber wie so viele Künstler von außergewöhnlichem Talent als Mensch eher ... ein Arschloch. Er war dafür bekannt, sich gelegentlich Späße mit Hypnotisierten zu gönnen, die an Grausamkeit grenzten. Auf der DVD ist auch eine Sitzung enthalten, die Sie glauben lässt, ein Schwein im Schlachthof zu sein.“
Holger stieß ein spöttisches Zischen durch die Zähne. „Wie heißt das? Kotelett?“
„Festschmaus.“
„Na klasse. Und hat das schon mal jemand ausprobiert?“
Neuman öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen. Holger hatte das Gefühl, die Temperatur im Raum sei gerade um ein paar Grad gefallen. „Sie verarschen mich doch?“
Neumann schüttelte den Kopf, als müsste er ein Bild darin loswerden. „Hundertfünfzig Euro?“, fragte er.
„Wenn ich heute Nacht nicht schlafe wie ein Baby, gibt’s keinen Cent.“

Wie ein Baby. Wie ein Stein! Holger trank ein Glas Orangensaft in einem Zug und schaltete die Kaffeemaschine ein. Heute Morgen würde er Kaffee für den Genuss trinken, nicht, um es bei wenigstens halbvollem Bewusstsein durch den Tag zu schaffen. Dass er sich nur noch daran erinnern konnte, die Scheibe in den Player gelegt zu haben, machte ihm keine Sorgen. Wahrscheinlich war das so bei guter Hypnose.
Wie die wachen Lebensgeister so um ihn spukten, kam ihm die Kleine wieder in den Sinn, die er vorgestern im Max kennengelernt hatte. Holger nahm seine Jeans vom Bürostuhl in seinem Arbeitszimmer und durchwühlte die Taschen nach dem Flyer, auf den er die Telefonnummer und die Wegbeschreibung gekritzelt hatte. Das Mädchen war echt der Hammer gewesen. Feste Formen, die an den richtigen Stellen die Nähte ihrer Kleidung zu sprengen schienen wollen. Lange, braune Haare. Holger spürte seinen tapferen Liebessoldaten Meldung erstatten, ausgeruht und ungestüm, weil seine Dienste als Schlaf förderndes Mittel einmal nicht gebraucht und überstrapaziert worden waren.
Das zerknitterte Papier kündigte in leuchtendem Grün DJ Eissturm an. Irgendwann demnächst in einem Laden, den Holger nicht kannte. Darunter stand Isabel – 0521 / 5568430.
Isabel. Gott, war ich voll, dachte Holger. Er hätte schwören können, sie hatte Christina geheißen. Isabel. Na ja, Hauptsache, sie sah noch aus wie Christina. Da es zwar früh am Morgen, aber dafür Samstag war, beschloss Holger, die Telefonnummer auszuprobieren. Ein Tag war vergangen, wie es sein sollte, damit es nicht aussieht, als hätte man sonst keine Angebote. Er wählte Isabels Nummer, entschlossen, seinen zurück gewonnenen Schlaf und seine Ausgeruhtheit mit einem Date zu feiern.
„Hallo?“
„Hallo? Äh … Isabel? Hier ist Holger. Aus dem Max. Vorgestern. Weißt du noch?“
„Ja klar, hi!“
Holger atmete erleichtert auf und hielt dabei den Hörer von sich. Christina hieß jetzt Isabel, aber darüber hinaus schien die Welt in Ordnung zu sein. Namen waren eh nie seine Stärke-
„Aber wer ist Max?“
Unwillkürlich musste Holger schlucken-
„Nicht der Max, das Max. Wo wir uns kennen gelernt haben.“
„Du gibst der Tanzstube einen englischen Namen?“
„Nein, ich vermute, den hat ihm der Besitzer gegeben.“
Isabel lachte. „Das bezweifle ich. Aber wenn du es so nennen möchtest, bitte.“
Holger sah aus dem Fenster. Die Straße, die Bahn, der Buchladen gegenüber, es war alles, wie es sein sollte. Kein Ufo am Himmel, keine menschlichen Batteriebäume wie in Matrix. Natürlich nicht. Das Max. Alle möglichen Leute gaben dem Laden alle möglichen Namen. Schlaganfall, Drogenberatung, Schwitzhütte. Inspiriert waren die Täufer nicht selten von Substanzen, die das Unterbewusstsein auf eine Achterbahnfahrt durch den vorderen Teil des Hirnstamms schicken. Und vielleicht war Isabel auch einfach nur neu in der Stadt. Irgendwie hatte sie ja schon wie eine Erstsemesterin ausgesehen.
„Wollen wir uns dann mal treffen?“, fragte Holger.
„Klar! Wie du zu mir kommst, hab ich dir ja aufgeschrieben, oder?“
„Das war die Linie 1 Richtung Uni und Degendorfer Platz raus, stimmt’s?“
„A.“
„Bitte?“
„Linie A, aber sonst stimmt’s, ja.“
„Also in meinem Teil der Stadt haben die Straßenbahnlinien Nummern.“
„Da fährst du wohl immer mit einer Konkurrenzgesellschaft.“
„Quatsch, es gibt nur eine Bahn, und die läuft über die Stadt.“ Holger konnte sich nicht erinnern, schon einmal so patzig mit einer potentiellen Verabredung gesprochen zu haben. Er nahm den Flyer und las Isabels Wegbeschreibung. Und ja, da prangte ein dickes A.
„Hast du ’n Kater?“, fragte Isabel. „Vorgestern wirktest du irgendwie etwas lebensfroher.“
Holger schloss die Augen, kniff die Lider fest zusammen und öffnete sie wieder. Auf dem Flyer stand immer noch Linie A.
„Tut mir leid, mir ist irgendwie komisch heut Morgen.“
„Wir müssen uns ja nicht heute treffen, aber du hast mich angerufen.“
„Nein, das ist okay. Ich muss nicht kotzen oder so, mir ist nur irgendwie … Hör mal, wenn wir zusammen Kaffee trinken, geht’s mir bestimmt gleich besser.“ Am anderen Ende der Leitung glaubte Holger, ihr Lächeln zu hören und hoffte, dass es nüchtern und bei Tageslicht genauso schön sein würde wie im Nebel des Max.
„Das wollte ich auch gerade sagen. Kommst du dann gleich vorbei, heute Abend bin ich schon mit zwei Freundinnen verabredet.
„Ja, klar, cool“, sagte Holger. Wenige Minuten später stieg er in die Linie A Richtung Uni.

Wow, war Holgers erster Gedanke. Sie haben sich ein paar neue Wagons geleistet. Es roch nicht nach jener stadtbahntypischen Melange aus Pisse und Weinbrand. Auch die Sitze waren noch nicht von Jugendlichen mit Butterflymessern ausgedärmt worden, so dass ihr Schaumstoff-Innenleben durch die Lederbezüge quoll wie die Füllung einer Pastete. Der Boden sah aus, als wäre er gerade erst gewischt worden. Vielleicht hatte dieses Linie A-Ding mit einer Art Relaunch der öffentlichen Verkehrsmittel zu tun. Nötig war es längst gewesen. Und er hatte es verpasst, weil er nie einen Blick in die Lokalpresse warf. Ja, so musste es sein. Holger lehnte sich zufrieden zurück und freute sich auf Isabels Brüste.
Sein Blick fiel auf eine Edding-Schmiererei auf der Rückbank der Sitzreihe vor ihm. Linie A, gerade erst aus dem Boden gestampft, war bereits jetzt den ersten – höchstwahrscheinlich jugendlichen – Filzstift-Attentätern zum Opfer gefallen. Weitere würden folgen. Ich glaube euch KAIN Wort stand da. Das A war das Anarchie-Zeichen, wie die Punks es sich an ihre Klamotten nähen. Darunter war ein durchgestrichenes Hakenkreuz gemalt.
„Vandalen“, sagte der Typ im beigefarbenen Anzug auf der Sitzbank neben ihm. „Haben sie vergessen, zu vergasen.“
„Hm“, meinte Holger und sah genervt aus dem Fenster. Sympathien für ganz rechts waren keine Seltenheit in dem Stadtteil, in dem der Typ eingestiegen war. Aus soziologischer Perspektive interessant war nur die Tatsache, dass er gerade – an einem Samstag – auf dem Weg zur Arbeit zu sein schien und zwar schlechten, aber nicht nach Bier von gestern Abend stinkenden Atem hatte.
Ein grünes Taxi hielt an der Ampel. Taxen gab es heute nicht selten in den verschiedensten Farben. Meist versuchten Kleinstunternehmer, ihrer Flotte einen unverwechselbaren Anstrich zu verleihen. Ein zweites grünes Taxi hielt auf der Rechtsabbiegerspur eins weiter, ein drittes sah Holger in eine Seitenstraße abbiegen. Was seinen Puls steigen ließ, war nicht die Menge der grünen Taxen. Es war mehr die Tatsache, dass er nicht ein einziges gelbes sah.
In der Bahn hing alle drei Sitzreihen ein Bildschirm von der Decke. Unter den neuesten Nachrichten war eine Meldung, dass die geänderte Verfassung der USA William Clinton nun voraussichtlich eine dritte Amtszeit bescheren würde.
„Was?“ Holger sprang von seinem Sitz auf. Zwei Jungen weiter vorn, neben ihm und seinem etwas ruppigen Nachbarn die einzigen Fahrgäste der Straßenbahn, drehten sich mit belustigten Gesichtern um.
„Ja, bald gehört Amerika den Kommunisten“, sagte der Typ im beigefarbenen Anzug. „Kein Wunder, dass sie nur noch für Filme zu gebrauchen sind. Und die werden auch jedes Jahr schlechter.“
Auf der digitalen Haltestellen-Anzeige blinkte der Name der nächsten Station. Mit offenem Mund sank Holger in seinen Sitz zurück. Die Linie 1 hätte als nächstes an der Graf von Stauffenberg-Straße gehalten.
Nächster Stopp der Linie A war die Hermann Göring-Allee.

 

Hey proof,

Nach seinen ruhelosen Nächten voller Unterbrechungen des Schlafes und wachem Herumrollen fühlte er sich für gewöhnlich, als habe er mit einer Grippe einen Marathon gelaufen.
Das würde ich auf jeden Fall zerschlagen:
Nach unzähligen Nächten, in denen er unruhig im Bett herumgerollt war, fühlte er sich oft so, als habe er einen Marathon gelaufen – mit einer schweren Grippe.

Es waren richtige Fäuste, und auch in den Blutgefäßen seiner Beine schien kein Zement zu trocknen.
Ich steh auf dem Schlauch, aber ich verstehe den Vergleich nicht. Kein Zement zu trocknen? Hä? Meine Blutgefäße fühlen sich auch nicht so an, als würde da Zement trocken. Ich hoffe mal, deine auch. Also … hä?


nachdem regelmäßiger Sport, warme Milch mit Honig und multiple Masturbation versagt hatten.
, nachdem

Alfred Neumann
Ach … das ist dann immer gleich so albern. Figuren einfach so zu benennen, sind so lahme Gags irgendwie. Da hab ich ne Abneigung dagegen.

kein begnadetes menschliches Wesen
Nee, das passt nicht. Begnadet ist er schon und ein menschliches Wesen auch, er ist nur nicht darin begnadet ein Humanist zu sein, sozusagen, also ein anständiger, moralischer Mensch, das solltest du irgendwie anders formulieren.

Holger trank ein Glas Orangensaft in einem Zug und schaltete die Kaffeemaschine ein.
Cool! Ich hab das in den Nachwehen von Echoes auch mal recherchiert mit dem Orangensaft.

Holger nahm seine Jeans vom Bürostuhl in seinem Arbeitszimmer
Hier, zwei Possesivpronomen in einem Satz sind meist zu viel. Weiß der Geier, aber ich stolpere da immer. Die Jeans/ im Arbeitszimmer

Da es zwar früh am Morgen aber dafür Samstag war
, aber

Der Boden sah aus als wäre er gerade erst gewischt worden.
, als

Ja, coole Geschichte. Besser gesagt eine gute Geschichte (die erste Hälfte) und eine noch bessere 2. Hälfte, die du aber auch Gott weiß wo hättest dranklatschen könne und dann noch ein bisschen ausschmücken könntest.
Aber … jetzt so wahnsinnig zusammenhängend sind die beiden Hälften wirklich nicht. Der Hypnotiseur hat eine Möglichkeit gefunden, „unsterblich“ zu werden in irgendeiner Form und sich da seinen Spaß zu machen, also … „konsequent“ hätte man es so machen können: Der Hypnotiseur lebt noch und zwar in den Visionen, die er den Leuten einpflanzt (und so ungefähr ist es das ja, oder? Dreißiger Jahre, Berlin … so ne Art Gründgens).
Oder man hätte einfach anfangen können mit: Jemand wacht auf und merkt langsam, dass er in einem Deutschland ist, in dem die Nazis gewonnen haben. Und Scheiß auf den Grund dafür und das Vorspiel.
Aber so die mangelnde Schnittstelle zwischen den beiden Hälften der Geschichten trübt ein wenig die Geschichte.Und was halt noch ist … die Geschichte hört halt grad dann auf, wenn man richtig drin ist. Wenn sie anfängt, richtig loszugehen. Nen Typ, der nicht schlafen konnte, sich dann von einem 70jahre alten Video hat hypnotisieren lassen und in einem modernen Nazi-Deutschland aufwacht. Zack, und jetzt gib ihm, aber bei dir ist die Geschichte dann schon vorbei. Du hast grad die Figuren positioniert, das Szenario geschaffen und könntest nun richtig einsteigen, aber das war’s dann auch schon.

Trotzdem abgefahrene Idee, flockig erzählt, cooler Protagonist, hat Spaß gemacht
Quinn

 

Hallo Proof,
deine Geschichten lesen sich immer so flott weg.
Hier hast du meiner Meinung nach viele tolle Ideen und Ansaetze, die aber alle zusammen eine etwas wilde Mischung ergeben.
Das soll heissen, es sind fast fuer mich zwei verschiedene Geschichten, die in der Mitte zusammengeflickt wurden. Als es mit dem Hypnotisieren losging und der grusligen Andeutung der "gelehentlichen grausamen Spaesse mit den Hypnotisierten" - da erwartete ich fast etwas wie: er fuehlt sich als Schwein, benimmt sich auch so und kommt da nicht mehr raus - weil hynpnotisiert. Sicher hast du mit Absicht diese falsche Faehrte gelegt. Als dann aber letztendlich die Neu - Nazi -Zeit wie eine Art paralleles Universum auftauchte, hatt ich fast das Gefuehl , das passt doch gar nicht hier rein. Jeder Teil an sich wuerde eine tolle Geschichte abgeben, der erste Teil eine gute Horrorstory, der zweite Teil ja fast etwas Science Fiction-maessiges.
Die Idee, dass es ein modernes Nazideutschland gibt, ist zwar durchaus echter Horror, will mir aber nicht so recht zum Anfang der Geschichte passen. Mach doch was aus der Idee, meines Wissens nach gibt es nur einen, der das gedanklich durchgespielt hat, in "Vaterland".
Viele liebe Gruesse,
sammamish

 
Zuletzt bearbeitet:

Morgens,

Quinn:

Verbesserungen akzeptiert (werden demnächst gemacht, aber nicht mehr heute Abend :dozey: ), bis auf:

Ich steh auf dem Schlauch, aber ich verstehe den Vergleich nicht.

Schwere Glieder nach durchgemachten Nächten.

Ach … das ist dann immer gleich so albern.

Zugegeben, "beliebig" wäre bei dem Namen wohl noch geschmeichelt. Aber albern?

zwei Possesivpronomen in einem Satz sind meist zu viel.

Kann mir nicht helfen, aber ich find da überhaupt nichts schlimm dran.

Du hast grad die Figuren positioniert, das Szenario geschaffen und könntest nun richtig einsteigen, aber das war’s dann auch schon.

Na ja ... das kannst du ja nun wirklich jeder Pointen Geschichte vorhalten.

Danke für deine Kritik!

sammamish:

Das soll heissen, es sind fast fuer mich zwei verschiedene Geschichten

Kann ich nichts zu sagen. Auch wenn du schon die zweite bist. Hatte die Geschichte so in einem Guss im Kopf.

er fuehlt sich als Schwein

Nee, also, das würde ja schon fast wie eine Parodie auf die Vorhersehbarkeit von Genreliteratur wirken.

meines Wissens nach gibt es nur einen, der das gedanklich durchgespielt hat, in "Vaterland".

Das ist schon ein witziger Zufall. Vorgestern hätte ich dir noch gesagt, dass dieser Film mit Rutger Hauer eine meiner Inspirationsquellen bei "Trimboli" war (die andere war eine Folge Twilight Zone, in der der Ich-Erzähler am Schluss bei einem Blick in den Spiegel merkt, dass er Adolf Hitler ist). Mutmaßend, dass es vorher mal ein Roman war. Und gestern war ich das erste Mal seit Ewigkeiten mal wieder im Second Hand-Buchladen meines Vertrauens, mein Blick fällt auf "Pompeji" von Robert Harris, ich denke "mmh, historischen Roman hab ich mir noch nie reingetan", nehme das Teil mit, und was steht da bei den bisherigen Veröffentlichungen des Schlawiners?

Na, was steht denn da wohl? :naughty:

Vielen Dank auch dir für deine Zeit!

Hei-

whoops, da wär mir aber fast ein geschmackloses kleines Witzchen rausgerutscht.

Nazis raus,

JC

 

Hallo Proof,

Feste Formen, die an den richtigen Stellen die Nähte ihrer Kleidung zu sprengen schienen wollen.
Wenn sich im Deutschen am Ende die Verben des Satzes zusammen ballen, geht das meistens böse aus. "sprengen zu wollen schienen" dürfte korrekt sein.

Holger sah aus dem Fenster. Die Straße, die Bahn, der Buchladen gegenüber, es war alles, wie es sein sollte. Kein Ufo am Himmel, keine menschlichen Batteriebäume wie in Matrix.
Für derartige Mutmaßungen ist mir bis hierhin noch nicht genug Abgefahrenes passiert. Den Namen einer Disco kann man ja wohl mal vergessen.

Ja, mir geht's ähnlich wie meinen Vorrednern: Die beiden Teile der Geschichte scheinen irgendwie nicht so recht zusammen zu passen.
Und die Pointe am Ende funktioniert für mich als solche nicht - durch die zahlreichen Andeutungen hat der Leser schon einige Chancen gehabt, zu erraten, worauf das Ganze hinaus läuft. Da ist eine Hermann-Göring-Allee einfach nicht schockierend genug. Es wird zwar klar, was los ist, aber es wird nicht deutlich, was das bedeutet. Das hätte dann im folgenden Hauptteil der Geschichte behandelt werden können.
Bisher scheint sich dieses Parallel-Universum nämlich nur durch gesittetere Verhältnisse in den U-Bahnen auszuzeichnen.

Ach, noch eine Kleinigkeit:

DJ Eissturm
Nicht doch eher "Plattenunterhalter Eissturm"? :lol:


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul,

Nicht doch eher "Plattenunterhalter Eissturm"

Ist mir letztens auch schon durch den Kopf gegangen.

Für derartige Mutmaßungen ist mir bis hierhin noch nicht genug Abgefahrenes passiert.

Ja, die Merkwürdigkeiten könnte man in der Tat noch etwas auswalzen, aber

Da ist eine Hermann-Göring-Allee einfach nicht schockierend genug. Es wird zwar klar, was los ist, aber es wird nicht deutlich, was das bedeutet.

Wenn man in Geschichte ganz, ganz derbe gepennt hat, ja.

Bisher scheint sich dieses Parallel-Universum nämlich nur durch gesittetere Verhältnisse in den U-Bahnen auszuzeichnen.

Was erwartest du? An den Straßenlaternen Erhängte, mit einem Schild um den Hals, auf dem "Verräter" steht? Nach außen hin geht es in Diktaturen für gewöhnlich relativ gesittet zu - zumal wenn sie seit Jahrzehnten fest im Sattel sitzen. Ich könnte mir vorstellen, Hinweise wie die U-Bahn-Schmiererei (Auch wenn ich mir den Einfall mit dem KAIN unbedingt merken muss) ganz rauszulassen, um der Pointe mehr Gewicht zu verleihen. Aber eine Geschichte zu erzählen, die dieses Alternativ-Universum nur als Hintergrundkulisse benutzt, geht einfach gegen die Intention, die ich hierbei hatte.

Danke für deine Kritik!

Grüße
JC

 

Iche nochmal,

Wenn man in Geschichte ganz, ganz derbe gepennt hat, ja.
Da habe ich mich etwas unklar ausgedrückt. Mit dem "was es bedeutet" meinte ich, dass man (oder ich) als Leser bei der Geschichte keinen wirklichen Horror empfinden kann, weil das Schreckliche deines Parallel-Universums nicht einmal angedeutet wird.
Natürlich werden da nach all den Jahren keine "Volksverräter" durch die Straßen getrieben oder Synagogen abgefackelt. Und dennoch: Wenn alle Abweichungen von unserer Welt in saubereren U-Bahnabteilen und der Nicht-Verwendung von Anglizisem liegen, wäre die Geschichte gar nicht erzählenswert.
Mit dem Mann in der U-Bahn gehst du ja einen Schritt in die richtige Richtung, aber das war's dann halt auch schon.
Natürlich musst du uns kein soziales Profil der Gesellschaft des tausendjährigen Reiches im Jahre 2008 entwerfen - aber so wie's jetzt ist, fehlt mir schlicht das Erschreckende.

 

Tag, Proof.
Wie immer eine sehr routinierte, flüssig zu lesende Geschichte von dir. Wirklich gelungen finde ich sie dennoch nicht, was vor allem an zwei Punkten liegt:
1.) Die Geschichte zerfällt, wie bereits angemerkt wurde, in zwei Hälften. Schon klar, dass das einer dieser "Späße" ist, die sich der Hypnotiseur mitunter gönnte (die Frage, wie das mittels eines Filmes möglich sein sollte, spare ich mir - ich akzeptiere es im Kontext des Genres einfach), aber mir fehlt da ein verbindendes Glied zwischen erster und zweiter Hälfte.
2.) Ich bin kein Verächter von Humor in Horrorgeschichten. Aber ganz ehrlich: Da sind mir in Hälfte 1 zu viele Kalauer drin, um die Story noch halbwegs ernst nehmen zu können. Und damit meine ich nicht einmal "Alfred Neumann", was ja eher ein Insider-Joke ist, den die meisten vermutlich gar nicht kapieren werden, sondern zB das hier:

Auf der DVD ist auch eine Sitzung enthalten, die Sie glauben lässt, ein Schwein im Schlachthof zu sein.“
Holger stieß ein spöttisches Zischen durch die Zähne. „Wie heißt das? Kotelett?“
„Festschmaus.“

Gleich The Mighty Quinn habe ich auch so meine Probleme mit einigen Formulierungen, wie:

Es waren richtige Fäuste, und auch in den Blutgefäßen seiner Beine schien kein Zement zu trocknen.

:confused:

In Hälfte 2 der Story sind auch einige Merkwürdigkeiten zu finden:

„Ja klar, hi!“

"Hi"? In einem Nazi-Deutschland?
Paradoxerweise weist du wenige Zeilen später auf diese ... Merkwürdigkeit hin:

„Du gibst der Tanzstube einen englischen Namen?“

Holger sah aus dem Fenster. Die Straße, die Bahn, der Buchladen gegenüber, es war alles, wie es sein sollte. Kein Ufo am Himmel, keine menschlichen Batteriebäume wie in Matrix

Äh ... wie kommt der jetzt auf diese abstrusen Überlegungen?

Alle möglichen Leute gaben dem Laden alle möglichen Namen. Schlaganfall, Drogenberatung, Schwitzhütte. Inspiriert waren die Täufer nicht selten von Substanzen, die das Unterbewusstsein auf eine Achterbahnfahrt durch den vorderen Teil des Hirnstamms schicken

Kapiere ich auch nicht. Wir sprechen hier doch von einem ganz normalen Lokal, oder? Wer gibt dem Laden unter Drogeneinfluss einen Namen wie "Schwitzhütte"?

Was seinen Puls steigen ließ, war nicht die Menge der grünen Taxen. Es war mehr die Tatsache, dass er nicht ein einziges gelbes sah.

Schon klar: Du versuchst ein "langsames Verstehen" des Protagonisten, was da abläuft. Aber warum lässt das seinen Puls steigen? Okay: Wenn alle Polizeiwagen plötzlich in einem Pink-Ton gespritzt wären, würde ich mich auch stark wundern. Nur würde das meinen Puls kaum steigen lassen, sondern ich würde das als sehr merkwürdig ablegen.
Ich mache nur ungern konkrete Vorschläge zum Abändern eines Textes, aber an dieser Stelle hielte ich es für angebracht, die Besorgnis des Protagonisten von etwas anderem hochschnellen zu lassen. Zum Beispiel, dass die Straßenschilder in Fraktur-Schrift angeschrieben sind, oder ähnliches.

Unter den neuesten Nachrichten war eine Meldung, dass die geänderte Verfassung der USA William Clinton nun voraussichtlich eine dritte Amtszeit bescheren würde.
„Was?“ Holger sprang von seinem Sitz auf.

Und diese Reaktion, entschuldige, ist noch weitaus abstruser. Der springt vom Sitz hoch, weil ein ausländischer Präsident eine verlängerte Amtszeit erhält? Kann es sein, dass der Typ hypernervös ist? Fällt der in Ohnmacht, wenn die SPD in Bayern ihre Stimmenanzahl verdoppelt?

Um aber auch was Positives zu sagen: Der Schluss ist wirklich gut.

Die Linie 1 hätte als nächstes an der Graf von Stauffenberg-Straße gehalten.
Nächster Stopp der Linie A war die Hermann Göring-Allee.

Statt den Holzhammer herauszukramen - auf den Straßen marschierende SS-Truppen oder so was in der Art - eine sehr subtile, dennoch klare Pointe.

Wobei ich den Absatz sogar noch besser finde:

Darunter war ein durchgestrichenes Hakenkreuz gemalt.
„Vandalen“, sagte der Typ im beigefarbenen Anzug auf der Sitzbank neben ihm. „Haben sie vergessen, zu vergasen.“

So etwas finde ich beeindruckend: Ein Satz, eine Geste, ein Ereignis, das beim ersten Mal lesen nicht weiter auffällt, beim wiederholten Lesen jedoch einen ganz anderen Blickwinkel bietet.

Fazit: Dein Text erinnert mich an diese Twilight-Zone-Folge, in der ein am. Rassist eine Kneipe verlässt, in der er gerade wieder gegen alle möglichen Leute gehetzt hat, und sich plötzlich in Nazi-Deutschland wiederfindet und von SS-Leuten gejagt wird. Ob er erschossen oder verhaftet und deportiert wird, weiß ich nicht mehr.
Jedenfalls hat auch deine Geschichte einen gewissen Reiz, der vor allem dadurch entsteht, dass man bis zum Schluss nicht weiß, was vor sich geht. Dadurch wirkt die Pointe umso stärker.
Im Gegensatz dazu kann ich mit der ersten, "normalen" Hälfte nicht viel anfangen und denke sogar, dass es gar nicht nötig ist, einen Grund für die plötzliche Alternativwelt anzugeben.

 

N'Abend,

Aiman Abdulla:

weil das Schreckliche deines Parallel-Universums nicht einmal angedeutet wird

Hallo? Die HERRMANN GÖRING-ALLEE? Irgendwie glaube ich, dir sind nicht genug abgehackte Köpfe drin ...

Wenn alle Abweichungen von unserer Welt in saubereren U-Bahnabteilen und der Nicht-Verwendung von Anglizisem liegen

Wer sagt denn, dass das so ist? Wir begleiten Holger ja nur durch einige wenige Stunden seines Tages.

Rainer:

Die Geschichte zerfällt, wie bereits angemerkt wurde, in zwei Hälften.

Auch wenn mir diese These Quinns mittlerweile etwas zu unkritisch akzeptiert zu werden scheint: Na und?

die Frage, wie das mittels eines Filmes möglich sein sollte, spare ich mir

Es ist eine Horrorgeschichte, kein Motor. Erinnert mich ein bisschen an einen Freund, der The Ring blöd fand, weil's doch total behämmert sei, dass ein Zombie-Geister-Kind für seinen Rachefeldzug extra ein Video dreht.

Und damit meine ich nicht einmal "Alfred Neumann", was ja eher ein Insider-Joke ist

Jetzt werd ich aber langsam neugierig ... was genau hat der Name Alfred Neumann an sich? Ich bin nämlich Outsider. Und welche Kalauer meinst du? Im Ernst jetzt?

Gleich The Mighty Quinn habe ich auch so meine Probleme mit einigen Formulierungen

Mmh, das mit dem Zement werde ich vielleicht irgendwie deutlicher als Metapher markieren.

"Hi"? In einem Nazi-Deutschland?

Warum nicht? Die USA gibt es ja scheinbar auch noch. Warum soll da in den Jahren nach der heißen Kriegsphase nicht ein gewisser kultureller Austausch stattgefunden haben? Aber gut, es gibt einen DJ, doch der Laden darf nicht mehr Max heißen, das ist nicht konsequent gedacht, das stimmt.

Äh ... wie kommt der jetzt auf diese abstrusen Überlegungen?

Etwas scheint in seiner Welt ganz gehörig nicht zu stimmen. Den Teil mit den nicht Nazi-bezogenen Merkwürdigkeiten sollte ich bei einer Überholung der Geschichte wohl etwas ausdehenen.

Kapiere ich auch nicht. Wir sprechen hier doch von einem ganz normalen Lokal, oder?

Dachte mehr an einen House/Goa/Techno etc. -Schuppen. Deshalb DJ Eissturm.

Nur würde das meinen Puls kaum steigen lassen,

Doch, würde es. Und die Fraktur-Schrift würde zu deutlich in Richtung Pointe weisen. Ähnlich wie die Kritzelei in der U-Bahn.

Der springt vom Sitz hoch, weil ein ausländischer Präsident eine verlängerte Amtszeit erhält?

Wenn Supermächte ihre Verfassungen ändern und Präsidenten plötzlich über Nacht andere geworden zu sein scheinen, ist das eine durchaus angebrachte Reaktion, ja.

und denke sogar, dass es gar nicht nötig ist, einen Grund für die plötzliche Alternativwelt anzugeben

Hab ich mich nicht getraut. :shy:


Vielen Dank für deine ausführliche Kritik!

Grüße
JC

 

@ Proof

Auch wenn mir diese These Quinns mittlerweile etwas zu unkritisch akzeptiert zu werden scheint: Na und?

Du willst mir jetzt hoffentlich nicht unterstellen, ich sei zu doof fürs eigenständige Denken und würde nur nachplappern?

Es ist eine Horrorgeschichte, kein Motor. Erinnert mich ein bisschen an einen Freund, der The Ring blöd fand, weil's doch total behämmert sei, dass ein Zombie-Geister-Kind für seinen Rachefeldzug extra ein Video dreht

Eben - und deshalb schrieb ich auch ich: "akzeptiere es im Kontext des Genres einfach".

Jetzt werd ich aber langsam neugierig ... was genau hat der Name Alfred Neumann an sich? Ich bin nämlich Outsider. Und welche Kalauer meinst du? Im Ernst jetzt?

Den Link bez. Alfred Neumann hat Quinn bereits gepostet. Ich hatte angenommen, es wäre ein Witz deinerseits.
Bezüglich Kalauer: Ein Beispiel habe ich doch zitiert.

Auf der DVD ist auch eine Sitzung enthalten, die Sie glauben lässt, ein Schwein im Schlachthof zu sein.“
Holger stieß ein spöttisches Zischen durch die Zähne. „Wie heißt das? Kotelett?“
„Festschmaus.“

Zitat:
"Hi"? In einem Nazi-Deutschland?

Warum nicht? Die USA gibt es ja scheinbar auch noch. Warum soll da in den Jahren nach der heißen Kriegsphase nicht ein gewisser kultureller Austausch stattgefunden haben? Aber gut, es gibt einen DJ, doch der Laden darf nicht mehr Max heißen, das ist nicht konsequent gedacht, das stimmt.


Eben. Ich denke, da könntest du bereits auf die Pointe entschiedener hinarbeiten.

Wenn Supermächte ihre Verfassungen ändern und Präsidenten plötzlich über Nacht andere geworden zu sein scheinen, ist das eine durchaus angebrachte Reaktion, ja.

Lass mich darauf noch eingehen: Als Reaktion auf eine einzige Meldung erscheint es mir völlig übertrieben. Da wurde ich einige weitere Hinweise einflechten: Vielleicht unverständliche Gespräche der anderen Passagiere, eine Zeitung auf dem Nachbarsitz, die merkwürdige Schlagzeilen verkündet, etc. Ich denke du verstehst, was ich meine.

Und um es noch einmal klarzustellen: Das ist nur meine ganz persönliche Sichtweise - nicht die von Quinn oder ein allgemeiner Tenor der hochoffiziellen Literaturwissenschaft. Dir muss deine Geschichte gefallen, nicht mir oder wem auch immer! Kritik - abseits formaler Unzulänglichkeiten - soll ja vor allem dazu dienen, dem Autor andere Sichtweisen aufzuzeigen, ihm mitzuteilen, wie sie von Leser X oder Y verstanden und interpretiert wird.
Kritik heißt nicht, dass man es allen Lesern recht machen und seine eigene Schreibe verleugnen soll.

 

Hallo mal wieder Proof,

Nachdem ich nun immer noch nicht so recht weiß, ob meine Aussagen sich einfach immer wieder zur Hälfte auf dem langen sprachlichen Wege zwischen Sender und Empfänger verlieren oder ob du schlicht eine ganz andere Meinung hast, versuche ich mich noch einmal zu erklären.
Also, zuletzt schriebst du:

Hallo? Die HERRMANN GÖRING-ALLEE? Irgendwie glaube ich, dir sind nicht genug abgehackte Köpfe drin ...
Und damit hast du den Kern der Sache eigentlich getroffen. Mir fehlen die abgehackten Köpfe - nicht tatsächlich in Form abgehackter Köpfe, aber mir fehlt das, was an dieser Zukunftsvision wirklich schlimm ist.
Da kannst du jetzt natürlich sagen: "Hallo? Das Dritte Reich hat den Krieg gewonnen! Was daran schlimm ist?!"
Selbstverständlich weiß jeder ungefähr, was da an Schrecklichkeiten impliziert wird. Aber das Wissen reicht eben bei einer Horror-Geschichte, meines Erachtens nach, nicht aus. Sonst hätten die meisten Geschichten ungefähr diese Form:
"Axtmörder tötet ein Dutzend dämlicher Ami-Teenager. Sehr blutig!" (Hey, das wäre was für das Acht-Wörter-Geschichten-Thema! :D)
Der Leser muss das Grauen auch spüren können. Und zum Spüren fehlt mir was in der Geschichte: Saubere U-Bahnen, ein politisch unkorrekter Kerl, den es heute so auch geben könnte, undemokratische Entwicklung in den USA, die es heute so auch gibt, fehlende Anglizismen, Kinder wär' das schön!, und eine Straße, die nach einem bekloppten drogenabhängigen Möchtegern-Luftwaffenchef/"Reichsmarschall"/etc.,etc... benannt ist, sind für mich an sich nichts Schreckliches.
Die Straßen, durch die der Protagonist geht, die Leute, die er trifft, das muss doch alles irgendwie verändert sein, sich anders anfühlen.
Ja, mir fehlt der wirkliche Knall-Effekt. Trimboli, der alte Sadist, hätte bestimmt ärgere Späße getrieben.
Hinzu kommt noch, dass die Geschichte in einem Dilemma steckt: Da diese Parallel-Welt nur schlaglichtartig beleuchtet wird, habe ich eigentlich gar keinen richtigen Eindruck davon, wie sie wirklich ausschaut. Wer weiß schon, wie die Geschichte bei dir gelaufen ist, wenn du es nicht verrätst? Es gibt doch tausend Möglichkeiten.
Wer kam nach Hitler? Göring? Himmler?
Oder gab es vielleicht einen Bürgerkrieg zwischen Hitlers Paladinen?
Hat der preußische Schwertadel es noch einmal mit einem Putsch versucht, nachdem die Bedrohung Deutschlands von außen abgewendet war?
Gab es vielleicht eine (teilweise) Demokratisierung? Eine Aufarbeitung der Vergangenheit gar?
Wie haben die Nazis Deutschland, beziehungsweise die Stadt des Protagonisten noch verändert, nach ihrem Sieg? Sieht man gigantische Kuppelbauten hinter den Häuserdächern aufragen?
Fragen, Fragen, Fragen...
Ich weiß gar nicht, in welcher Welt ich da gelandet bin. Da bräuchte es viel mehr Details. Aber das ist schon wieder ein anderes Problem.


Gruß,
Aiman

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach, Alfred E. Neumann!

Mad ist nie so mein Ding gewesen (auch wenn ich als Fan von Superheldencomics Sergio Aragones zerstört DC und ... Marvel zu Hause habe ... einfach köstlich, die Dinger), ich habe in meinem ganzen Leben vielleicht vier oder fünf Hefte gelesen und das ist lange her. Offensichtlich spukte dieser Name irgendwo in meinem Unterbewusstsein rum und kam ganz plötzlich an die Oberfläche, als ich mal akut einen Namen brauchte.


Rainer:

Du willst mir jetzt hoffentlich nicht unterstellen, ich sei zu doof fürs eigenständige Denken und würde nur nachplappern?

Nicht böse sein, aber ein bisschen sticheln wollte ich schon. :D

Bezüglich Kalauer:

Ich finde das eher zynisch und wollte damit Trimbolis' Boshaftigkeit akzentuieren. So wie Jedem das Seine über dem Eingang von Dachau. Kalauer ist ja wohl eher so "Ich hätte gern Ketchup. / Ja, haben Sie denn 'ne Tüte dabei?"

Da wurde ich einige weitere Hinweise einflechten:

Okay, aber umgekehrt könnte man auch argumentieren: Gerade weil die Merkwürdigkeiten sich bis dato in Maßen hielten, haut ihn das Bill Clinton-Ding dann so aus dem Sitz.

Abdul:

Aber das Wissen reicht eben bei einer Horror-Geschichte, meines Erachtens nach, nicht aus.

Ja, vielleicht ist das das Problem. Seltsam war mir zu soft, SF definitiv unpassend. Die Rubrik "Geschichten, die gedacht sind, nicht direkt mit Ekel oder Schrecklichem zu schocken, deren Intention aber dennoch ist, in ihren Rezipienten sanftes bis starkes Unwohlsein - im Volksmund häufig mit 'Grusel' tituliert - zu erzeugen" gibt es hier ja leider nicht. Das prangere ich an.

Fragen, Fragen, Fragen...

Und auch allesamt interessant, aber in der Menge wohl eher in einem Roman als in einer Kurzgeschichte richtig aufgehoben.

undemokratische Entwicklung in den USA

Mein Gedanke war eher "Linksruck", Clintons Visionen im US-Kontext bedenkend (Krankenversicherungspflicht etc.).


Grüße
JC

 

Hallo Proof,

interessante Geschichte, die einige Fragen aufwirft und offen lässt - sehr elegant! Ich habe mich bis zuletzt (bitte vorstellen, wie Hitler diese Worte mit Pathos in die ergriffene Menge schreit :p ) gefragt, worin denn nun das gruselige und schreckliche in der Geschichte bestehen könnte. Das nicht auszuführen, sondern nur anzudeuten hat schon was.

Beste Grüße vom

Berg

 

Hallo Proof,

die Geschichte wäre mir beinah entgangen, und das wäre verdammt schade gewesen. Ich finde sie nämlich richtig gut! Der letzte Satz ist genial - und meiner Meinung nach absolut ausreichend, um Horror zu erzeugen, ohne dass es in Richtung "abgehackter Köpfe" geht :p
Zu den "zwei Hälften": Ich gebe den anderen Kritikern da insofern recht, als dass du zwei Ideen verarbeitet hast, von denen jede allein für eine gute Geschichte ausgereicht hätte. Die Videos des Hypnotiseurs und das Paralelluniversum, in dem Nazideutschland bis heute fortbesteht, das könnten beides eigenständige Geschichten sein (und die Idee mit dieser Art von Paralleluniversum wäre es eigentlich auch wert, sie mal ganz unabhängig von irgendwelchen Begründungen, wieso jemand dort landet, zu verfolgen). Aber ich finde, dass du diese beiden Ideen in der Geschichte sehr gelungen miteinander verknüpft hast, und hatte nicht den Eindruck, sie würde in zwei Teile zerfallen.

Grüße von Perdita

 

Hallo, ihr alten Knalltüten.

Berg:

Das nicht auszuführen, sondern nur anzudeuten hat schon was.

Wäre ich einer von den Egomanen, die hier manchmal so posten, würde ich dich zum Erkennen meines Genies beglückwünschen. So freue ich mich einfach, dass meine Erzählabsicht nicht an jedem vorbeigegangen ist.

Perdita:

Ich finde sie nämlich richtig gut!

Ausgezeichnet.

und die Idee mit dieser Art von Paralleluniversum wäre es eigentlich auch wert, sie mal ganz unabhängig von irgendwelchen Begründungen, wieso jemand dort landet, zu verfolgen

Wer Fatherland kennt, würde wohl "Plagiat!" schreien. Obwohl natürlich denkbar wäre, dass die Nazis den Krieg gewinnen und die Welt danach völlig anders aussieht, als in Harris' Roman. Der wie gesagt für mich der Film mit Rutger Hauer ist. :D

ich finde, dass du diese beiden Ideen in der Geschichte sehr gelungen miteinander verknüpft hast, und hatte nicht den Eindruck, sie würde in zwei Teile zerfallen.
:bounce:

Vielen Dank für eure Kritiken!

Greetz
JC

 

Tach Proof,

meine Meinung zu deiner Geschichte hat Abdul Alhazred so trefflich formuliert, dass ich mir die meiste Tipperei sparen kann. Die Grundidee deiner Geschichte gefällt mir gut, aber da ist eindeutig zuwenig Fleisch am Gerippe. Gut, du wirst einwenden, dass es eine Pointengeschichte ist, und genau das ist der Grund, warum ich mit Pointengeschichten meist nichts anfangen kann: der gesamte Handlungsverlauf ordnet sich dem letzten Satz unter. Verrätst du zu viel (beispielsweise, wie von Abdul vorgeschlagen, die Architektur), ist die schöne Pointe in Gefahr. Für meinen Geschmack bleibt dadurch häufig die gesamte Geschichte auf der Strecke.

Also gut, es läuft auf eine Pointe hinaus. Sie gefällt mir in ihrer Beiläufigkeit, sie hätte durchaus sitzen können. Tut sie aber nicht. Warum? Angesichts der Pointe, die du lieferst, ist mir der Erzählstil zu fluffig; insbesondere der gute alte Graf Zahl aus der Sesamstraße (mit Schnurrbart) und Alfred Neumann verhageln mir den Gruseleffekt am Ende. Nichts gegen eine bunte Schauermär, im Gegenteil, wunderbar, aber in diesem Kontext hätte eine ernsthaftere Herangehensweise der Pointe wohl mehr Würze verliehen.

und auch in den Blutgefäßen seiner Beine schien kein Zement zu trocknen.
Zement? In den Blutgefäßen?

Nicht, dass er je vorgehabt hätte, jemandem zu erzählen, zu welchen Verzweiflungstaten ihn seine Schlafstörungen getrieben hatten, nachdem regelmäßiger Sport, warme Milch mit Honig und multiple Masturbation versagt hatten.
Multiple Masturbation beim Zubettgehen. Kein Wunder, dass er die Klitschkos aus dem Ring prügeln könnte ... bei den Armen.

„Ist das wahr?“, hatte Holger gefragt, zynisch, interessiert, unentschlossen, bereit, nach zwei Monaten ohne Durchschlafen jeden noch so dürren Strohhalm zu ergreifen.
Ist er unentschlossen oder greift er nach jedem Strohhalm?

Holger spürte seinen tapferen Liebessoldaten Meldung erstatten, ausgeruht und ungestüm, weil seine Dienste als Schlaf förderndes Mittel einmal nicht gebraucht und überstrapaziert worden waren.
Angesichts der Pointe würde ich den kleinen Gefreiten unehrenhaft aus der Geschichte entlassen. Ehrlich, das passt überhaupt nicht zusammen.

Zusammengefasst mein Eindruck: gute Grundidee mit einer Pointe, die einer ernsthafteren Vorbereitung bedarf

Some

 
Zuletzt bearbeitet:

Zerrfuß,

entschuldige die späte Rückmeldung. Zu viel Shit musste getightet werden, yeeeaaaaah. :drool:

Graf Zahl und Alfred Neumann, ja. Zu letzterem ist alles gesagt. Das mit dem Sesamstraßen-Vampir liegt glaube ich daran, dass ich das als Kind gar nicht so witzig fand. Dieses Intro mit dem Schloss hat mir den Pöter seinerzeit wahrlich auf Grundeis gehen lassen.

Und über Pointengeschichten denkt halt jeder anders. Da unterscheiden sie sich von allen anderen Dingen im Leben, bei denen die Menschen ja für gewöhnlich eine Meinung teilen.

Zement? In den Blutgefäßen?

Eine hochgradig unbeliebte Metapher, fürwahr. Ich finde die eigentlich gar nicht schlecht. Ich warte auf den Rezensenten, der schreibt: "Zement in den Blutgefäßen? Jaaaaaa, wie GEIL!!!! JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!"

Ist er unentschlossen oder greift er nach jedem Strohhalm?

:sconf:

Angesichts der Pointe würde ich den kleinen Gefreiten unehrenhaft aus der Geschichte entlassen. Ehrlich, das passt überhaupt nicht zusammen.

Niemals. Das Gerede über Schwänze macht die Geschichte zu einem echten Proof.

Über die ernsthaftere Vorbereitug will ich nachdenken. :read:


Grüße und Danke für deine Kritik,
JC, da man, da story, da legend, da war doch noch was ... :xmas:

 

Hi Proof. Ich find Deine Geschichte auch gut, weil sie sich gut liest, ich ein paarmal Lachen mußte und die Länge nicht zur Qual wird, wie bei anderen^^. Eine typische Kurzgeschichte eben, würde ich sagen. Heiter, flüssig und trotz eindeutiger Schlusspointe bleibt vieles offen und der Phantasie des Lesers überlassen.
Aber genau diese Leichtigkeit ist auch das Manko Deiner Geschichte. Meiner Meinung nach hast Du zu viele gute Ideen in eine zu lockere und stark verkürzte Handlung verbaut! Ich nehme die Geschichte nicht ernst als Leser, also auch nicht ernst im Sinne einer lustigen Erzählung und die groben Schnitzer, die die anderen bereits beanstandet haben müßen raus.

 

Hallo Felix,

danke für deinen Kommentar! Ich bin halt 'ne heitere Natur ...

Grüße
Pruhf

 

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