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Der Gruyere
Der Gruyere
"Nein!", schrie Anders Friden, als die Verkäuferin ihn zum dritten Mal fragte, ob er nicht lieber den Gruyere-Käse nehmen wolle, da der Emmentaler ausverkauft sei. "Ich sagte klar und deutlich: EMMENTALER! Zum letzten Mal! Machen Sie mich nicht wütend!", schrie Anders. Die Verkäuferin bekam es langsam mit der Angst zu tun. Sie hatte das Gefühl, als sei ihr Kunde geistig etwas gestört und wolle nicht begreifen, dass es keinen Emmentaler mehr gab. In diesem geistigen Zustand könnte er bestimmt ausrasten und den ganzen Laden kurz und klein schlagen. "Herr Friden, es tut mir leid. Wir sind nun mal eine sehr kleine Käserei in einem kleinen Dorf, und wenn Sie um drei Uhr nachmittags kommen, sind halt die meisten Käsesorten schon weg.", sagte die Verkäuferin schon ganz verängstigt. "Aber wir finden bestimmt eine Lösung. Ich kann Ihnen wirklich wärmstens den Gruyere empfehlen, der im Geschmack sehr, wirklich sehr dem Emmentaler ähnelt. Man wollte ihn nach seiner Erfindung sogar Emmentaler 2 nennen, doch dann.., ähm, entschied man sich für den Namen Gruyere, nach seinem Entdecker Hans Gruyere." Natürlich war beiden klar, dass sie log, doch die Verkäuferin musste einen Ausweg finden.
Nach dem Ereignis vor 4 Jahren, als der als jähzornig und seelisch sehr instabil bekannte Anders Friden eine Kioskverkäuferin im Dorf erschlug und den Kiosk verwüstete, da sie seinen Lieblingskaugummi, den Airwaves, nicht hatten, sondern nur die Stimorol, hatte das ganze Dorf Angst vor ihm.
"Erzählen Sie keine Scheisse! Sie lügen mich an! Geben Sie mir jetzt sofort den Emmentaler! ABER SOFORT!", schrie Anders. Die Verkäuferin zuckte zusammen. Sie war ratlos. Wenn sie nochmals mit dem Gruyere kommen würde, würde Anders bestimmt gleich ausrasten. Da kam ihr die rettende Idee. "Ähm, oh! Sehen Sie! Da ist ja doch noch ein Stück Emmentaler! Da haben Sie aber Glück gehabt, hihi...", lächelte sie künstlich. "Ach ja..? Na gut. Geben Sie mir den.", brummte Anders. Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Die Verkäuferin hatte keine Zeit, zu planen, also rief sie einfach "Da, hinter Ihnen! Ein Vogel!". Anders drehte sich erschrocken um und liess dabei die Milch fallen, die er schon vorher eingekauft hatte. Die Verkäuferin nutzte den Moment, um das Stück Gruyere zu nehmen und in Papier einzuwickeln. Dabei warf sie alle paar Sekunden einen hektischen Blick auf Anders, der noch immer den Vogel suchte. Als sie gerade fertig war, drehte sich Anders um. "Da ist ja gar kein Vogel!" "Oh, wirklich? Hmm, dann habe ich mich wohl geirrt, hihi..", grinste die Verkäuferin. "Ja... Wo ist mein Käse?", fragte Anders. "Oh ja, ähm, der ist schon fertig. Hier, bitte schön.", sagte die Verkäuferin freundlich und überreichte Anders die Papiertüte. "Das macht dann 9 Euro." "Ja.. Moment. Hier.", murmelte Anders, während er ihr das Geld gab. Dann verliess er den Laden. "Puh..", seufzte die Verkäuferin erleichtert, und liess sich langsam hinter den Ladentisch sinken. Sie hatte es geschafft. Ohne zerstörten Laden, ohne zertrümmertes Gesicht.
Plötzlich bimmelte das Glöckchen und die Ladentür sprang auf. Der Verkäuferin blieb das Herz stehen. "Oh nein, jetzt ist es aus!", dachte sie, während ihr der Schweiss von der Stirn lief. "Wo sind Sie?", fragte eine tiefe Männerstimme. "Hallo? Frau Tuggener? Wo verstecken Sie sich?" Die Verkäuferin hörte Schritte, der Mann bewegte sich zum Ladentisch. Plötzlich knallte eine Hand auf den Tisch. Die Verkäuferin zuckte zusammen. "Hey? Was ist denn mit Ihnen los?", fragte der Polizist erschrocken. Frau Tuggener öffnete die Augen und starrte den Polizisten an. "Oh mein Gott, Herr Gemperli, Sie sind’s! Bin ich froh Sie zu sehen!", schnaufte Sie und erhob sich stöhnend. "Vorher war gerade Anders Friden hier. Er war kurz davor, auszurasten, weil wir seinen Lieblingskäse nicht mehr hatten." "Ach, der schon wieder. Am besten bleiben Sie einfach ruhig, wenn er wieder kommt. Der tut schon nichts.", erwiderte Gemperli lächelnd. "Ja, wenn Sie meinen... Und, was kann ich für Sie tun, Herr Gemperli?", fragte die Verkäuferin, deren Puls sich langsam wieder senkte. "Hmm. Also ich hätte gerne den feinen Gruyere. Haben Sie den noch?", fragte der Polizist. "Oh, tut mir leid, den habe ich gerade Anders Friden gegeben.", erwiderte sie. "Hmm, das ist jetzt dumm. Dabei hätte ich so gerne ein Stück Gruyere. Aber ok, dann geben Sie mir eben den Emmentaler!", sagte Gemperli. "Oh, den haben wir leider auch nicht mehr. Schon weg.", erklärte die Verkäuferin. "Ach, was Sie nicht sagen. Nun gut, wie wär’s dann mit..." Da wurde Herr Gemperli plötzlich von einem lauten Schrei unterbrochen, doch bevor er sich umdrehen konnte, bohrte sich plötzlich eine Eisenstange durch seine Brust. "Aaaaargh!", schrie er, und Blut spritzte der Verkäuferin ins Gesicht. Diese schrie ebenfalls, sie verstand nicht, was da vor sich ging. Sie starrte nur die Eisenstange an, die aus Gemperli’s Brust ragte und sich hin und her drehte. Gemperli’s Polizeihelm rutschte von seinem Kopf und knallte auf den Boden. Alle schrien. Die Verkäuferin, Gemperli, und auch Anders Friden, der hinter Gemperli stand und die Eisenstange hin und her drehte, wie er es in "Rambo 4 – Das endgültige Geschnetzel" gesehen hatte. Schliesslich brach der Polizist zusammen, und plötzlich war es still. Der blutüberströmte Anders schnaufte und starrte die Verkäuferin an. Diese brachte keinen Ton mehr heraus. Sie blickte geschockt auf den Polizisten am Boden, dann schaute sie Anders an. "Oh mein Gott, sie haben.., sie haben ihn umgebracht...", stammelte sie. "Ja, ganz recht. Denn niemand verkauft mir, Anders Friden, etwas anderes als EMMENTALER!", schrie er. "Denken Sie im Ernst, ich hätte nicht gemerkt dass das kein Emmentaler war? Das war ein verdammter Gruyere!" "Ja, ich.., es tut mir leid, dann habe ich ihn wohl mit dem Emmentaler verwechselt. Tut mir wirklich leid! Wirklich, Herr Friden!", stotterte Frau Tuggener. "Für Entschuldigungen ist es jetzt zu spät...", murmelte Anders, während er mit seinem Hemd das Blut von der Eisenstange wischte. "Aber, was.., sie können doch nicht.., ich meine, was haben Sie vor?", fragte Frau Tuggener, während sie langsam einige Schritte zurück ging. "Dreimal dürfen’se raten.", erwiderte Friden, während er langsam den Kopf hob und Frau Tuggener anstarrte. "Hmm.., ich weiss nicht.", sagte sie, obwohl sie ganz genau wusste, was er vorhatte. "Wollen Sie etwa die Scheiben einschlagen? Damit würden Sie mir aber ganz doll weh tun. Wenn Sie die Scheiben einschlagen würden!" Sie hoffte, ihn damit auf andere Gedanken zu bringen. "Haha.., der war gut. Nein nein, Frau Tuggener. Keine Angst, ihrem Laden passiert nichts.", sagte Friden. "Hmm.., dann wollen Sie bestimmt.., Sie wollen bestimmt, ähm.., den ganzen Käse klauen! Stimmt’s?", fragte Frau Tuggener mit zittriger Stimme. "Nein, der Käse hier schmeckt mir sowieso nicht. Es sei denn, sie hätten noch ein Stück Emmentaler. Haben Sie das per Zufall?", fragte Anders. "Dann würde ich nämlich ein Stück nehmen und wieder gehen." Er kam langsam auf sie zu. "Tut mir.., tut mir leid Herr Friden. Wir haben keinen mehr. Kein Emmentaler mehr hier.. Alles weg.", erklärte sie, während sie sich den Schweiss von der Stirn wischte. "Oh... Jammerschade. Dabei wäre das genau, was ich jetzt brauchte. Ein Stück Emmentaler zur Beruhigung. Aber tja. In dem Fall muss ich mich irgendwie anders abreagieren.", sagte er leise. "Ja, in dem Fall, haha..", lachte die Verkäuferin verzweifelt. "Sie könnten zum Beispiel raus gehen und ein wenig joggen oder so, das hilft prima gegen Aggression..." "Gute Idee Frau Tuggener. Werd‘ ich mir merken. Aber zuerst muss ich noch was anderes erledigen." Anders kam immer näher, inzwischen war er schon neben dem Ladentisch und nur noch wenige Meter von Frau Tuggener entfernt. "Oh mein Gott, Herr Friden. Bitte, tun Sie mir nichts! Bitte!", winselte Frau Tuggener, während sie schützend die Arme hob. "Doch. Ich werde sie töten. Mit dieser Eisenstange. Genau jetzt!", schrie Anders und holte aus. Er hob die schwere Stange über seinen Kopf, um kurz darauf auf Frau Tuggener einzuschlagen. Doch im selben Moment knallte es. Anders zuckte zusammen und starrte mit einem leeren Blick in die Luft. Blut floss aus seinem Mundwinkel, dann, noch immer die Eisenstange über dem Kopf, brach er zusammen. Hinter ihm lag Herr Gemperli schwerverletzt am Boden. Mit letzter Kraft hatte er noch seine Pistole aus der Halterung ziehen und laden können. Dummerweise standen Frau Tuggener und Anders in einer Linie, so dass die Kugel Anders‘ Brust durchbohrte und Frau Tuggener’s Kopf zerfetzte. Diese wurde nach hinten geworfen, wo ihr Körper in ein Glasregal krachte und zu Boden fiel, während das ganze Gestell in sich zusammenbrach. "Ach du Scheisse...", stöhnte Gemperli. Der ganze Laden war verwüstet. Überall klebte Blut und die Regalwand war völlig zerstört.
Polizist Gemperli wurde verdächtigt, zuerst Frau Tuggener und danach Anders Friden, der sich anscheinend mit einer Eisenstange gewehrt habe, erschossen zu haben. Er wurde zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt. Nach 7 Jahren im Gefängnis erhängte er sich.
Ende