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Der Hase ohne Namen (überarbeitet)

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28.10.2004
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Der Hase ohne Namen (überarbeitet)

Der Hase ohne Namen

Der Hase vor mir sieht mich aus seinen kleinen dunklen Stoffaugen an. Seine Löffel sind hoch aufgerichtet. Er lächelt wie ein freundlicher Buddah und breitet seine dünnen Ärmchen weit aus. Sein Bauch, sein Kopf dreckig weiß, sein Rücken hellbraun gefärbt. Ich habe viele Stunden mit ihm verbracht, ihm eine Menge erzählt, aber gemocht habe ich ihn niemals wirklich. Das Einzige, was ihn auch heute noch attraktiv für stille Stunden zu zweit macht, ist, dass sie ganz vernarrt in ihn ist. Jedes mal, wenn sie ihn sah, nahm sie ihn mit einem verzückten, liebenden Ausdruck auf dem Gesicht in die Hand, drückte ihn und spielte kurze Ansätze eines Puppenspiels. Danach hielt sie ihn nur noch in der Hand, er war einfach bei ihr. Ich habe nie verstanden, was sie an ihm fand. Was hat dieser Hase, was ich nicht habe? Stundenlang rede ich mit ihm darüber. Aber der hält dicht.
Sie hat ihm nie einen Namen gegeben, obwohl sie es liebte, Namen zu geben. Sie denkt sich Fantasienamen aus, Namen mit Charakter, Namen, die mit einem Wort das Wesen einer Sache absolut perfekt einfangen. Sie ist achtzehn. Ein Fremder würde sie in einem solchen Moment für kindisch halten. Für mich gibt es nichts, was ich ihr nicht verzeihen könnte. Sie ist mein Seelenzwilling. Ich habe auch zu früh zu viel verstanden.
Ihm hat sie nie einen Namen gegeben. Ich kann es auch nicht. Ich kann ihn nicht benennen. Ich kann das alles nicht benennen.
Es sind 182 Schritte von mir zu ihrer Tür. Das weiß ich, seit wir neun Jahre alt waren. Von dem Moment, wenn ich mein Bein über meine Fußmatte bewege, bis zu dem, da ich an ihre rauchvergläserte Tür klopfe, sind es 182. Heute traue ich mich. Ich gehe die 182 Schritte zu ihrer Wohnung. Jeden einzelnen zählend.

Die schwere Holztür des alten Mietshauses ist nie abgeschlossen. Das Treppenhaus hat sich verändert, seit ich fort gegangen bin. Es wurde renoviert. Ich habe nie erwartet, dass alles so sein würde wie immer, wenn ich zurückkehre. Ein halbes Jahr ist für die meisten Menschen nicht viel Zeit. Aber sie reicht, um zu erfahren, wie schnell Selbstverständlichkeiten zu Staub zerfallen können. Die Fremde ist wie Gas, das langsam aus einem Leck austritt. Man wird ihrer erst gewahr, wenn es schon fast zu spät ist. Zu lange habe ich nicht gesehen, was zwischen den Zeilen ihrer Briefe stand.
Wenn ich mich zurück erinnere, kommt mir die Fremde wie ein sehr langer Prozess vor, von dem ich weder Anfang noch Ende bestimmen kann. In Wirklichkeit aber ging es so schnell, dass mein Herz, mein Verstand den Veränderungen nicht mehr folgen konnten. Ich habe gewusst, dass die Menschen zu Hause sich verändern würden, während ich im Westen von Irland Ruinen erkunde und neue Freundschaften schließe; jede andere Annahme wäre naiv gewesen. Irgendwie fiel sie aus meiner Vorstellung von Veränderung heraus. Nach solchen Gesten, Blicken, Worten, die allesamt Versprechen gewesen waren, kam mir nie in den Sinn, dass sie etwas vor mir verheimlichte. Ich sollte mich betrogen fühlen.

Unsicher klopfe ich an ihre Tür. Keine Antwort. Die Stille ist wie ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte zu viel Hoffnung, sie heute zu sehen.
Doch ich kenne sie. Ich gebe nicht auf, darf es nicht. Ich weiß, dass sie einen ganz tiefen Schlaf hat. Dass sie manchmal den Tag mit Schlaf füllt, in dem sie spricht. Dass ihr Gesicht sich weich und heiß und ihre Hände sich kalt anfühlen. Ich habe so viele lange Nächte mit ihr verbracht. Ich weiß auch, dass sie manchmal einfach nicht die Türe aufmacht, manchmal alleine sein will. Ich bin nicht irgendwer. Ich klopfe noch einmal, warte. Hinter dem trüben Glas zeichnet sich eine dunkle Gestalt ab.


Wenn ich ehrlich bin, haben wir uns gegenseitig etwas verheimlicht. Wir verschwiegen voreinander unser vergrabenes Bewusstsein, dass nichts sicher ist und auch nie war. Das Wissen über unsere eigene Einsamkeit schlich nebelartig zwischen uns und ließ uns noch misstrauischer, noch erstarrter werden. Dabei hatten wir Oberflächlichkeit immer verabscheut. Jetzt war sie da, wie die ersten Symptome einer langsam vorangeschrittenen Krankheit. Lügen schmerzen irgendwann zu sehr. Dass sie tatsächlich krank war, dass sie Hilfe brauchte, sagte sie mir lange nicht.

Als ich aus Irland zurückkam, spürte ich, was ich lange nicht hatte wahrnehmen wollen. Die Angst, ihre tiefste Empfindung, ist wie der Mond, der ihre Anwesenheit von mir fortzieht. Kein Fels kann die Ebbe davon abhalten, das Wasser in die Ozeane hinfort zu spülen. Lange habe ich geglaubt, die Flut sei endgültig. Ist es das Schicksal, die Zeit, die Menschlichkeit, die sich so grausam an mir rächt?
Ich will einfach da sein. Wie der Hase. Bei ihr sein. Stetig entfernt sie sich von mir, weil sie nicht glauben kann, dass mein Angebot an keine der Gezeiten gebunden ist. Sie glaubt sich selbst nicht einmal, daher schätze ich, bin ich verloren. Kein Beweis ist gültig, kein Beweis übersteht ihr Urteil. Für meinen Wunsch nach Nähe, nach etwas Fassbarem von ihr, gibt es für sie keine Begründung. Vielleicht sind meine Gefühle wirklich lächerlich. Ich habe die Ahnung, dass ich es nie erfahren werde.

„Wer ist da?“, fragt eine männliche Stimme, lustlos, aber bemüht, höflich zu klingen. Ihr Freund, der jeden Tag mit ihr zusammen sein darf und ihr trotzdem niemals nahe ist. Er hat zu viel Herz und zu wenig Verstand. Er würde alles für sie tun. Genau wie ich. Aber er kennt sie nicht, wie ich sie kenne. Ich bin auf der falschen Seite der Tür.
„Ich“, antworte ich. Wir kennen uns seit zwei Jahre, da kann man ruhig „Ich“ sagen.
„Wer?“, fragt er noch einmal nach, als wäre ich irgendwer. Idiot. Ich kenne seine Freundin seit neun Jahren. Wir kennen uns seit Ewigkeiten.
„Sarah“, kommt meine Antwort vorwurfsvoll.
Er schließt nicht auf. Ich sage Sarah und er schließt nicht auf! Er behandelt mich wie eine Fremde.

Unser stetig anwachsende Tumor an Verschwiegenem machte mich und sie krank und ich beschloss die Oberfläche aufzubrechen. Ihre Wellen schlugen über mir zusammen. Danach entzog sie sich mir. Sie ließ nicht zu, dass ich ihr folgte.
Liebe ist ein Geschenk, es entzieht sich meiner Kontrolle, was sie damit tun wird. Dies wahrhaftig zu erfahren stößt tief in meinem Inneren auf Widerstand.

„Was is?“
„Ist sie da?“
Sie ist da. Ich weiß es.
Er zögert. Dreht sich um und geht weg.

Ich schmecke das Salzwasser immer noch. Es ist ein Satz von ihr. Eine Bitte. Eine groteske, eine schmerzlich ehrliche Bitte. Sie bat mich, ihre Ablehnung zu ignorieren.
Denn sie ist nicht echt, schrieb sie.

Als er wieder kommt, nuschelt er durch die Tür:
„Die schläft.“
Die Tür ist verschlossen. Ich weiß, dass er lügt. Und ich weiß, dass sie ihm aufgetragen hat, es zu tun. Sie will allein sein. Sie entgleitet mir. Sie rinnt durch meine Finger wie Licht. Für sie bin ich der Fels in der Brandung. Eine… Schwester. Vielleicht ist dieses Wort vergleichbar mit dem, was sie für mich fühlt.

Ich fühle. Ich empfinde viel, wenn ich bei ihr bin. Ein emotionales Vakuum, wenn sie nicht bei mir ist. Sie entzieht sich mir immer mehr. Vielleicht fühle ich einfach zu viel. Vielleicht sind meine Gefühle nicht erlaubt.
Ich muss die 182 Schritte wieder nach Hause gehen. Dort sitzt er. Der Hase ohne Namen. Mit ihm kann ich reden. Der redet nicht durch Glas mit mir. Der ist einfach da.
Ich kann ihm keinen Namen geben.
Ich kann dem allen keinen Namen geben.
Liebe wäre eine Beleidigung.
Ich bin machtlos.
Kein Fels, nur noch ein Kieselstein am Meer bin ich. Müde. Erschöpft. Geschliffen von Ebbe und Flut.
Gleichzeitig spüre ich, dass es nicht enden wird, dass es nicht enden kann.
Morgen werde ich die 182 Schritte wieder gehen.

 

Hallo Anna-Fee,

dieser Text ist längst nicht so überformuliert. Auch hier begrenzt du dich auf das Selbstmitleid deiner Protagonistin, die ihre Liebe verfolgt, sie tyrannisiert und sich wundert, dass diese sich ihr entzieht. Wie Maggie ging es mir auch so, dass ich gern mehr über die Entwicklung gelesen hätte, Wann hat sich die Frau in ihre Freundin verliebt? ie haben sie sich einander genähert? Wann gab es den Bruch in der Freundschaft? So ist es mir für eine Geschichte etwas zu wenig, auch wenn mir dieser Text schon besser gefällt als der andere.

Im Grunde genommen habe ich ihn niemals wirklich gemocht. Das Einzige, was ihn attraktiv für stille Stunden zu zweit macht ist, dass sie ganz vernarrt in ihn ist. Jedes mal wenn sie ihn sah
Sprung im Tempus
Nein eigentlich ist sie so viel Älter.
älter
„Wer ist da?“, fragt eine halb unfreundlich, halb höffliche Stimme
höffliche

Lieben Gruß, sim

 

Der Hase ohne Namen

Hi Anna Fee,

auch diese Geschichte hast du in schöne Worte gekleidet.
Doch lässt sie mich etwas ratlos zurück.

Da ist eine junge Frau, die ihre Freundin aus Kindertagen liebt. Mehr liebt, als die Freundin zurückgeben kann.
Deine prot leidet darunter, kann nicht verstehen, dass ein Entzug stattfindet.
Liegt es daran, dass die Freundin ihr eigenes Leben mit ihrem Freund führen möchte?
Ist deine Prot lästig geworden, weil sie zuviel erwartet und den Freund nicht akzeptieren kann?
Ja, so wird es sein. Denn sie war schon früher eifersüchtig auf den Hasen.
Okay, dass wäre dann geklärt, denk ich mal so. :cool:

Warum schläft die Freundin so viel? Ich habe den Eindruck bekommen, dass sie krank ist. (heißes Gesicht, kalte Hände)


Kleine Fehler:

Dabei ist zu achtzehn,
... sie achtzehn

halb höffliche Stimme
... höflich

Ich bin doch nicht irgendwer. Ich bin keine Fremde

sage Sarah und er schließt nicht auf! Ich bin doch keine Fremde.
Einmal -keine Fremde- zuviel.

Arme Sarah, sie muß lernen ohne ihre Freundin zu leben.
Sie ist der Kieselstein am Meer.
Und dabei gibt es so viele dort. :)

liebe Grüße, coleratio

 

Zur Erklärung:
Die Prot. ist seit ihren Kindheitstagen mit "ihr" befreundet. Sie emfindet mehr für sie, als diese beantwortet....bla..bla.. so viel ist klar. Das Problem, welches ich zugegeben einfach zu kurz und unverständlich abgehandelt habe, ist, dass ihr Freundin sehr allein und krank ist. Sie lebt zwar mit jemandem zusammen, aber sie liebt ihn nicht. Die Prot. könnte ihr helfen, aber sie wird immer wieder abgewiesen. Das macht "schleift sie ab", sie ist der Kieselstein. Das kommt nicht klar rüber, ich werde es überarbeiten. Vielen Dank auch für die Rechtschreibtprüfung.
See ya.
Fee

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen!

Ok. Ok. Ich weiß, es hat ne ganze Weile gedauert, aber ich habe diese kG letztendlich doch noch überarbeitet. Ihr wolltet mehr Geschichte, mehr Infos. ich hoffe, die habe ich euch durch die ergänzten Passagen gegeben. Sie sind durch Absätze gekennzeichnet. Jetzt weiß ich nur noch nicht, ob irgendwer diese KG noch verstehen kann. Ich habe das Gefühl, sie ist zu abstrakt, zu unverständlich. Vielleicht könnt ihr mir helfen, und sagen, was verständlich ist und wo es noch nicht so klick macht? Ist die KG durch die neuen Passagen eher schlechter oder ein wenig besser geworden?
Ach ja, ich weiß schon. Rechtschreib- und Tempusfehler mal wieder. Legt schon los. Macht mich fertig.


lieb grüßt Fee

P.S.: Special Thanks to lukas-iskariot, gnoebel und coleratio!

 

Hi Anna-Fee,

doch, ich finde deine KG ist jetzt verständlicher als vorher.
Vor allem, dass mit dem Kieselstein, im Vergleich zum Felsen, ist jetzt deutlich.

Eine Geschichte um Freundschaft und Liebe, in andeutende Worte gepackt.
Gefällt mir wirklich gut. :)

lieben Gruß, coleratio

 

hallo Anna-Fee

musste ja noch mal was von dir lesen. hat mir gut gefallen. du kannst die Gefühle gut rüberbringen und jeder kann sich hiermit identifizieren.
aber es handelt sich bei dem Prot schon um einen Jungen, oder irre ich mich?
weil: als der er der Tür steht, sagt er auf die Frage wer da sei: "Sarah" oder meint er das Mädchen das da wohnt? aber dann steht da wieder "er bahandelt mich wie EINE FREMDE"
oder ist es zwei Freundinnen, und die eine ist traurich, weil die andere einen Freund hat. aber es wird ja von liebe gesprochen. lesben? glaub ich auch nicht. das hättest du andern gemacht.

Sie rinnt durch meine Finger wie Licht. Für sie bin ich der Fels in der Brandung.
Der erste Satz ist wunderschön. der zweite ist aus einer Werbung.

besten Gruß

 

Hallo Aris!

aber es handelt sich bei dem Prot schon um einen Jungen, oder irre ich mich?
weil: als der er der Tür steht, sagt er auf die Frage wer da sei: "Sarah" oder meint er das Mädchen das da wohnt? aber dann steht da wieder "er bahandelt mich wie EINE FREMDE"

Es handelt sich um ein Mädchen. Sarah ist doch ein Mädchenname, oder? Ein ziemlich alter sogar...

oder ist es zwei Freundinnen, und die eine ist traurich, weil die andere einen Freund hat. aber es wird ja von liebe gesprochen. lesben? glaub ich auch nicht. das hättest du andern gemacht.

Ja, es handelt sich um zwei Freundinnen. Mit dem Begriff "Lesben" ist es aber nicht ausreichend beschrieben. Empfindungstechnisch ist es der Balanceakt zwischen inniger Freundschaft und den Anfängen von Liebe. Allles ein wenig verkappt. Un vor allem einseitig. Die Prot bedauert weniger, dass ihre Freundin einen Freund hat, als dass er unfähig ist und ihr nicht die Möglichketi gegeben wird, besser für ihre Freundin zu sorgen.

Der erste Satz ist wunderschön. der zweite ist aus einer Werbung.

ERST war es ein Sprichwort, DANN hat die Werbung es missbraucht! Aber mal ehrlich, ich habe diesen Satz später dazugenommen, so abgeklatscht er klingt, weil viele Leser ohne ihn das Kieselstein-Gleichnis nicht verstanden hätten /haben.

Danke dir.

Fee

 

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