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Der Hund und der Junge
Ich führte seit einigen Jahren einen kleinen Tierladen am Ende einer langen Straße. Ich liebte meine Arbeit und war fast immer im Laden. Nur nachts war ich in meiner kleinen Wohnung. Meine Hündin Lady lebte mit mir dort. Tagsüber befand sie sich im Hinterraum des kleinen Geschäftes. An Sonntagen, wenn das Geschäft geschlossen hatte, kümmerte ich mich ausgiebigst um die Tiere. Sie waren mein Leben. Und für mich war es auch immer schwer sie zu verkaufen, und sie gehen zu lassen.
Schon immer legte ich viel Wert darauf, dass es den Tieren gut geht. Und an schlechte Besitzer wurden sie gar nicht erst verkauft. Ich achtete auch bei jedem Kauf darauf, zu fragen ob sich die Leute im Klaren sind, dass sie sich ein Tier - ein Lebewesen - kaufen würden. Oft wurde diese Frage mit einem "Ja, ja!" oder "Natürlich...!" bestätigt. Doch sicher bin ich mir erst dann, wenn ich in den Augen der Käufer diese Bestätigung sehe.
Denn ich kannte das Ende des Lieds. Sie würden die Tiere ins Tierheim geben oder Aussetzen. Und ich wollte nicht, dass so etwas den Tieren in meiner Handlung passiert.´Denn viele sahen die Tiere einfach als Gegenstände an. Und respektiert wurden sie nicht.
Nun war die Zeit gekommen, dass meine gute Hündin Lady trächtig wurde. Es war ihre erste Schwangerschaft, und ich merkte wie aufgeregt sie war. Als sie sich dann immer mehr zurückzog, merkte ich dass die Zeit gekommen war. Ich fuhr mit ihr zum Tierarzt und ließ sie noch einmal untersuchen. Und dann kamen sie. Die Welpen.
Lady war so glücklich. Sie liebte ihre Kleinen. Jeden einzelnen. Auch Taps liebte sie von ganzem Herzen. Manchmal glaubte ich, sie kümmere sich besonders um ihn. Er schien ihr Sorgenkind zu sein. Taps konnte nicht richtig gehen.
Er konnte nie mit seinen Geschwistern herumtollen. Immer störte ihn sein linkes Hinterbein. Er humpelte hinter ihnen her wenn sie rannten und er rollte sich herum wenn sie miteinander rauften. Er tat nie traurig, wollte nie bemuttert werden. Er war vielleicht nicht der stärkste, aber er hatte mit Abstand den stärksten Willen!
Wenn er irgendwo hochspringen wollte, setzte er zum Sprung an und mit einer Pfote drückte er sich in die Luft. Und wenn er es nicht schaffte, versuchte er es wieder. Und wenn er es auch gar nicht schaffen würde, Aufgeben würde er die Versuche niemals. Ich hatte aber auch Mitleid mit dem kleinen. Wer würde einen solchen Hund schon wollen...
Nun, da das Schild mit der Aufschrift "Süße Welpen zu verkaufen" draußen hing, kamen reichlich Kinder hineingestürmt um sie zu betrachten. Und Lady hatte auch wirklich süße Welpen. Jedes Kind wollte sie streicheln und mit ihnen Knuddeln. Und mehr und mehr Welpen wurden schließlich verkauft. Bis am Ende nur noch Taps übrig war... Armer, kleiner Taps. Er würde wahrscheinlich nie ein Zuhause finden.
Und genau deshalb wollte ich es aufgeben, nach einem Besitzer für ihn zu suchen. Ich wollte ihn mit zu mir nehmen und bei Lady lassen. Vielleicht wäre es auch gut für sie. Ein Welpe würde bei ihr bleiben.
Doch ich ließ Taps noch ein wenig im Laden. Ich wollte sicher gehen, dass keine Hoffnung mehr bestand. Denn eigentlich konnte ich gar keinen Welpen gebrauchen. Lady konnte mit mir in der Tierhandlung sein. Sie war ruhig und lag da, sie schaute die Käufer liebevoll an. Aber ein Welpe?
Ein Welpe im Laden war einfach zu unruhig und zu aufmüpfig. Er würde zu den Leuten rennen und sie anbellen. Oder vielleicht würde er sogar die Tiere in meinem kleinen Laden erschrecken. Vielleicht würde er auch alle Kunden vertreiben. Vielleicht würde er auch ausbüchsen. Ich hatte keine Lust ständig auf einen kleinen Hund aufzupassen und nebenbei noch das Geschäft zu leiten.
Doch dann stand plötzlich dieser kleine Junge im Laden.
Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen. Er stand einfach da und schaute mich an.
"Sind denn noch Welpen da?" fragte er schließlich. "Nein... " In dem Augenblick kam der kleine Hund vor der Theke hervorgehumpelt.
"Warum sagen Sie denn Nein?" Ich überlegte. "Weil ich glaube, dass du den Hund nicht möchtest" sagte ich schließlich. Der Junge schaute mich an und sagte mit traurigen Augen: "Aber warum denn nicht?" Dann nahm er sich den Hund genau in Augenschein. "Der ist ja so süß! Ich möchte ihn so gerne... aber ich habe kein Geld. Nur die 50ct hier. mehr nicht..." Ich starrte den Jungen an. War es möglich dass er den Welpen wirklich wollte? Hatte dieser Junge den kleinen Taps wirklich ins Herz geschlossen?
"Du kannst ihn kostenlos haben!" sagte ich. Denn ich sah die Augen des Jungen. Er meinte es ernst. Er wollte diesen Hund haben. "Nein! Niemals! Der Hund wird bezahlt werden" sagte er. Das wunderte mich und ich meinte: "Aber dieser Hund wird niemals mit dir spielen können, wird niemals rennen, spielen klettern...!"
Der Junge sagte: "Ich werde für diesen Hund bezahlen. Ich werde Ihnen irgendwann das Geld geben. Denn dieser Hund ist genauso viel Wert wie jeder andere!"
Ich entschloss mich, ihm den Hund zu geben. Der Junge war so glücklich. Er gab mir das Geld, und versprach mir den Rest ebenfalls noch zu zahlen.
Er nahm den Hund an die Leine. Dann humpelte der kleine Junge mit seinem Hund aus dem Laden...
Und seit dem wusste ich, dass es im Leben nicht darauf ankommt wer du bist, sondern dass dich jemand dafür achten, was du bist; dass er dich liebt und dich respektiert.