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Der Kiffer
Ich wollte nie kiffen. Nicht etwa, weil meine Eltern mich deswegen genervt hätten, ich habe es selber beschlossen, weil ich schon immer viel gelesen habe, und was man über das Kiffen so lesen kann, ist nicht gerade berauschend.
Wir stehen im Park und ich denke an das T-Shirt, <6 Jahre habe ich nicht geraucht, getrunken und gefickt – dann wurde ich eingeschult>. In jedem Witz steckt auch ein Fünkchen Wahrheit.
„Was ist jetzt ...?“ Marco hält mir den Joint vor die Nase, die anderen glotzen mich an.
Das sich in diesem Park nie Lehrer zeigen, halte ich für ein Gerücht, sage aber nichts.
„Zieh, oder las es, wir haben nur noch 10 Minuten“ sagt Marcel. Ihn kann ich nicht leiden ... und Marco eigentlich auch nicht.
Bin ich wirklich ein Milchbubi? Ein Muttersöhnchen? Nein, bestimmt nicht.
Noch einen kurzen Augenblick zögere ich, jetzt wird auch Marco sichtlich ungeduldig, sicher wird er gleich sagen „Scheiße, du bringst es einfach nicht!“
Ich ziehe am Joint, mein Hals kratzt und ich gebe mir Mühe, nicht zu husten. Marcel grinst:
„Mehr, sonst spürst du nichts“.
Nachdem ich fünf mal gezogen habe, muss ich doch fürchterlich husten und die anderen lachen.
Ein bisschen schwindelig ist mir schon, doch bevor ich sagen kann, dass ich genug habe, dreht Marco den Joint, steckt ihn in den Mund um und bläst mir den Drogenrauch direkt in den Kehle.
Irgendwer sagt, dass die nächste Stunde in 2 Minuten anfängt und wir laufen zurück. Auf dem Weg ins Klassenzimmer denke ich daran, dass die anderen Jungs mich jetzt vielleicht auf ihre Partys einladen werden. Ob ich da dann auch kiffen muss. Hoffentlich finde ich da dann endlich eine Freundin, wer, ist mir eigentlich ziemlich egal, aber eine Freundin, das wäre schon was. Dass die Lehrerin rein gekommen ist, habe ich gar nicht bemerkt.
Sie bewegt sich hektisch finde ich...
„Der Zweite Weltkrieg“ sagt Frau Gabriel, „ist unser neues Thema.“
Ich muss kichern, aber zum Glück so leise, dass es niemand mitkriegt.
Frau Gabriel beginnt, Arbeitsblätter auszuteilen. Während sie das tut redet sie, wie ein Wasserfall.
„...was wir in der Geschichte als die größte Katastrophe der Menschheit...“ sagt sie.
Aber ich kann ihr nicht richtig zuhören und mir ist noch immer etwas schwindelig.
Frau Gabriel legt das Arbeitsblatt auf meinem Tisch als sie an mir vorbei kommt, darauf sind müde Soldaten zu sehen, brennende Häuser und Leichen.
Ganz viele Leichen.
Ich muss laut lachen. So laut, das Frau Gabriel zusammenzuckt. Ich will aufhören, aber es geht nicht, ich halte mir die Hand vor den Mund, aber bin immer noch durch das ganze Klassenzimmer zu hören.
Alle starren mich an, manche überrascht, manche entsetzt, Marco und Marcel grinsen.
„Wa...Was ist los, Simon?“ Frau Gabriel steht vor mir. Ich kann nicht aufhören zu lachen.
Ihr Gesicht verfinstert sich. Sie wird wütend.
„Simon!“ sagt sie und sieht dabei so aggressiv aus, dass ich erneut laut loslache.
Frau Gabriel hält mir einen Vortrag darüber, dass es eine Schande und ein großes Unrecht ist, bei einem solchen Thema zu lachen, um mich kurz darauf aus dem Unterricht zu schmeißen.
Es wird noch ein langer Tag werden, später werde ich auf der Schultoilette kotzen und zu Hause werden mir meine Eltern sagen, dass Frau Gabriel angerufen hat.
Ich wollte nie kiffen.