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Der Mann

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10.04.2018
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Der Mann

Der Mann steht unbewegt dort. Seit Stunden.
Ohne sich von der Stelle zu rühren.
Er zuckt nicht mit der Wimper, er bewegt sich nicht.

Sein Blick ist auf etwas gerichtet, was die anderen nicht sehen können.
Dort steht er, am Bahnhof, ohne eine Regung.

Eine Frau kommt vorbei und schaut den Mann ungläubig an.
Nachdem er nicht reagiert geht sie hastig weiter.
„Was für ein seltsamer Mann...“, denkt sie.

Wenig später kommt ein junger Mann vorbei.
Dieser beachtet den Mann zunächst gar nicht und geht an ihm vorüber.
Nach kurzer Zeit starrt er den Mann an, ob dieser sich regt, doch der Mann steht still.
„Was ist das für ein komischer Kauz? Will der sich etwa umbringen?“, denkt er.

Der Mann hat eine normale Figur, nicht sonderlich groß, nicht besonders auffallend.
Ein Mann wie jeder andere auch.

Der Zug rollt in den Bahnhof ein. Menschen steigen aus und wieder ein.
Der Bahnhof füllt sich mit Menschen und wird wieder leer.
Alle Menschen sind weg, bis auf einen.

Die Haltung des Mannes hat sich in keiner Weise geändert.
Ganz ruhig und friedlich steht er da.

Einige Zeit lang kommen keine Menschen an den Bahnhof.
Irgendwann kommt ein kleines Mädchen angelaufen.
Sie schaut lachend zu ihrer Großmutter zurück,
doch als sie den Mann entdeckt, wird sie ruhig.

Die Großmutter eilt dem Mädchen nach und schiebt sie behutsam von dem Mann weg.
Doch das Mädchen findet den Mann interessant.
Sie will zu ihm, doch die Großmutter hält sie auf.
„Bleib hier, bei mir. Du sollst doch nicht mit Fremden sprechen.“
Doch das Mädchen hört sie gar nicht mehr und steht vor dem Mann.
Sie zieht ihm am Mantel.

Der Mann wendet dem Mädchen ein freundliches Gesicht zu.
Das Mädchen lächelt ihn an und läuft zurück zu ihrer Großmutter.
„Aber Oma, er ist ganz nett.“
„Mag ja sein, aber du bleibst jetzt hier.“

Die Großmutter schiebt ihre Enkelin weiter, sodass der Mann aus dem Blickfeld des Mädchens verschwindet.

Weitere Menschen tauchen auf.
Alle starren den Mann verwirrt an und wissen nicht, was sie denken sollen.

Der nächste Zug rollt ein und der Bahnhof füllt sich wieder mit Menschen.
Nachdem die Massen verschwunden sind, ist der Bahnhof menschenleer.

Der Mann ist in der Masse verschwunden und fällt nicht mehr auf.
Manche, die ihn gesehen haben, denken noch an ihn. Die meisten schlecht. Bis auf eine.

 

Hallo, Luinloth

In meiner früheren Theaterwerkstatt haben wir manchmal "unsichtbares Theater" gespielt. D.h., wir spielen Theater, und sonst weiß niemand, dass es Theater ist. Einmal hat sich eine Darstellerin mitten auf einen zentralen Platz gestellt und nach oben geguckt. Einfach nur nach oben geguckt. Da Du diese Geschichte geschrieben hast, weißt Du sicher, was passiert ist.

Manche, die ihn gesehen haben, denken noch an ihn. Die meisten schlecht. Bis auf eine.

Ich möchte AWM insofern nicht zustimmen, glaube ich doch, dass regloses Dastehen durchaus Effekte haben kann, die Du beschreibst. Aber: 1) Am Bahnhof schwierig. Da stehen viele Leute lange rum, und viele andere gehen nur schnell vorbei, merken also gar nicht, wenn jemand einfach nur rumsteht. Das einzige, was daran auffallen könnte, wäre, wenn besagter Mensch gerade im Weg herumsteht. 2) Selbst wenn der Mann auffällt, so wie unsere Darstellerin auffällt, die nach oben geschaut hat, so glaube ich kaum, dass er besondere Wut hervorrufen würde. Wundern. Manche Leute sind so pessimistisch und glauben, die Menschen würden sich nicht mehr wundern. Aber das ist Quatsch. Ich kenne viele Leute, die sich täglich wundern. Erstaunen, Verwirrung, aber keine Wut. Solange der Typ nicht im Weg herumsteht. Ich hänge viel an Bahnhöfen ab, und dort gibt es natürlich auch viele Leute, die echt gestresst sind. Aber wer ruhig und friedlich, wie Du schreibst, auf dem Gleis steht, der wird wohl von niemandem belästigt. Zumindest nicht an allen Bahnhöfen, die ich kenne.

Deshalb: Die Reaktionen auf den Mann, die finde ich sehr negativ. Warum eigentlich? Warum schreibst Du einen Text über Wut? Um das Mädchen starker zu kontrastieren? Das finde ich nicht besonders glaubwürdig. Und wenn Du übers Staunen schreiben wolltest (was ich vielleicht auch nur so interpretiere), warum schreibst Du dann über Wut?

Drei Kleinigkeiten noch:

Nachdem er nicht reagiert geht sie hastig weiter.

Komma nach "reagiert".

„Was für ein seltsamer Mann...“, denkt sie.

Leerzeichen vor den drei Punkten.

Dieser beachtet den Mann zunächst gar nicht und geht an ihm vorüber.
Nach kurzer Zeit starrt er den Mann an, ob dieser sich regt, doch der Mann steht still.
„Was ist das für ein komischer Kauz? Will der sich etwa umbringen?“, denkt er.

Das ist komisch. Um den Mann anzustarren, muss der andere Mann ja erstmal wieder zurückgehen, oder? Er ist doch jetzt schon vorbeigegangen. Er könnte höchstens einen Blick zurückwerfen.

Ansonsten gefällt mir tatsächlich, dass Du einen Aufbau wie bei Lyrik gewählt hast mit den Zeilenumbrüchen. Einige Leute machen das, aber es passt nur selten. Hier jedoch unterstreicht es Deinen Stil tatsächlich sehr gut.

Ich mag auch, dass Du diesen Aufhänger wählst. Dass eine winzige Veränderung unsere Mitmenschen tatsächlich irritieren kann. Es ist ja so, ne? ;) Aber wie gesagt, so ganz rund erscheint mir das auch noch nicht, denn ich sehe wirklich keinen Grund dafür, dass die Leute schlecht über den Mann denken sollten. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich vermute tatsächlich eher, dass dies aus einer allgemein schlechten Sicht des Autors auf seine Mitmenschen zurückzuführen ist - und sobald ich als Leserin zu solchen Schlüssen komme, ist das für Dich als Autor nicht gut. Zumal Du nichts tust, um mich von diesem Standpunkt, den ich nicht teilen kann, zu überzeugen.

Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Make it work!

Bahnhofige Grüße,
Maria

 

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