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Der perfekte Moment

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03.12.2002
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Der perfekte Moment

...und die Zeit steht still.
Mutter Erde hat mir ein Bett bereitet. Ich spüre das grüne Gras unter mir und sehe die Wolken am Himmel. Triviale Nässe, die in meinen Augen die herrlichsten Bilder malt. Die Sonne steht dahinter und lässt ihre warmen Strahlen herab, die sich wie Wasser an meinen Körper schmiegen. Links neben mir steht ein Vogel im Gras, eine Amsel, die ihre großen Augen über die Wiese schweifen lässt und mich dabei nie aus ihrem Blick lässt. Ihr Gefieder ist schwarz und glatt, so als hätte sich all die Schönheit der Natur in diesem einen Lebewesen manifestiert. Zu meiner rechten fließt ein Bach, aus dessen seichten Wasser sich ein Fisch emporhebt. Tropfen fallen von seinem schuppigen, glänzenden Körper herab und sein Mund steht weit offen, so als versuche er die klare Sommerluft in sich hineinzusaugen.
Auf meinem Knie sitzt eine Ameise, deren Fühler in diesem zeitlosen Augenblick nicht vibrieren, nichts wahrnehmen, aber vom Leben durchströmt sind. Ihr Chitinpanzer funkelt, wie die tiefblauen Augen meiner Freundin, die ihren Kopf auf meine Schulter gelegt hat. Ihr langes blondes Haar fällt mir und ihr selbst ins Gesicht und es verströmt diesen Duft, irgendwo zwischen Frau und Paradies.
Ich betrachte ihren Körper, schön wie der des Vogels, glänzend wie der des Fisches und stark wie der der Ameise, liegt er da, in meinen Armen. Ihre zarte Haut streichelt die meine; wärmer als die Sonne; glatter als das Gras. Mir ist bewusst, dass ich sie liebe und das sie dieses Gefühl erwidert. Wir sind zu zweit, aber doch nur eins.
Wohliges Empfinden strömt aus meinem Herzen. Eine Quelle des Glücks, wie ich sie nie zuvor gefunden habe. Die Zukunft spielt keine Rolle; die Vergangenheit ist vorüber. Alles was zählt ist das hier und jetzt und in einer Wolke erkenne ich ein freundliches Gesicht, dass auf mich; auf uns herunterlacht und ich höre schon ihre zierliche Stimme, wie sie mir ins Ohr haucht, dass sie mich liebt.
...und die Zeit schreitet fort.
Wind weht durch ihr Haar. Die Amsel steigt in den Himmel empor und der Fisch landet platschend im Wasser. Ich drehe meinem Kopf zu ihr herüber, sehe im Augenwinkel, wie die kleine Ameise ihren Weg über mein Bein fortsetzt und warte auf ihre Worte, die mir alles im Leben bedeuten.

 

Oh ja, romantisch ist das auf jeden Fall. Vielleicht sogar etwas kitschig, aber das ist wohl Geschmackssache. Ohne ein bisschen Kitsch wäre die Welt ein düsterer, scharfkantiger Felsen.
Ein bisschen kurz auch. Na ja.

Liebe Grüsse
Arry

 

Hallo Morti,
mir gefällt die Geschichte sehr sehr gut. Es passiert so gut wie gar nichts, aber du hast den Moment eingefangen, und schilderst ihn sehr eindrucksvoll. Großes, dickes Lob!
Herzliche Grüße! Marion

 

hello morti,

Du scheust in dieser fast handlungsfreien Momentaufnahme nicht die Grenze zum Kitsch - aber hier sehe ich das positiv, weil wirklich schön zu lesen.
Besonders gelungen: '...es verströmt diesen Duft, irgendwo zwischen Frau und Paradies...'
Fehlt noch, dass Cat Stevens im Hintergrund 'Morning Has Broken' trällert...

'...dass ich sie liebe und das sie dieses Gefühl...

'Alles was zählt KOMMA ist das hier und jetzt...'

Viele Grüsse vom gox

 

Hi Morti,

also mir gefällt deine kleine Kurzgeschichte wirklich gut.
Was mich auch sehr beeindruckt hat, ist deine Art Dinge zu beschreiben. So präzise und genau, man kann sich genau in die Situation hineinversetzen.
Außerdem hast du ja nur einen kurzen Moment geschildert, aber dennoch so viel herausholen können. Respekt :thumbsup:

Das mit dem Hang zum Überkitsch stimmt schon, aber da halte ich mal lieber meinen Mund, denn ich schreibe manchmal genauso. :schiel:

Liebe Grüße
Suava

 

Ui, da kommt diese alte Geschichte nochmal zu neuen Ehren...

@gox
Dank Dir! Freut mich, dass dir meine kleine Momentaufnahme gefallen hat. Aber ich hätte wahrscheinlich etwas anderes als Cat Stevens gewählt ;)
Das gute Auge, welches du an anderer Stelle erwähnt hast, habe ich nicht wirklich. Bei mir selber scheint es ganz und gar zu versagen...und zum Thema Kitsch: siehe unten...

@Suava
Auch Dir gilt mein Dank. Komisch, dass der perfekte Moment nun noch Aufmerksamkeit erhält...ja, ja, die Kitschgrenze habe ich auch schon an anderer Stelle nicht umschreiten können, aber bei diesem kurzen Augenblick ging es leider gar nicht anders. Daher freut es mich natürlich, dass die Geschichte trotz dieses Mankos gefällt. Ziel war es einfach ein herrliches Bild mit Wörter förmlich zu malen. Und ich glaub, es ist mir auch gelungen.

Liebe Grüße an euch beide...
morti

 

Oh, und Danke natürlich auch an Marion und Arya.
*schäm* ich glaube, ich hatte damals gar nicht geantwortet :Pfeif:

 

Hallo morti,


feine Geschichte, die natürlich von etwas handelt: Vom Warten auf ... ja, auf was eigentlich? Etwa auf das "Ich liebe dich" ihrerseits? Also, wünschen würde ich es dem – wiedermal unbenannten :rolleyes: – Protagonisten ja.
Die Geschichte hat mir, entgegen meiner Vorredner, allerdings weniger gut gefallen. Zu einem gewissen Maß ist Kitsch vielleicht zu verschmerzen, aber wenn er bis tief in die Verklärung reicht, ist es aus mit Toleranz ;). Ja ich weiß, das Glücksgefühl mag, wenn es nur stark genug ist, die Dogmen der Vernunft wie Seifenblasen platzen lassen, schön und gut. Aber das reime ich mir nur dazu, um die Geschichte für mich in deinem Sinne, denke ich, zu korrigieren. So drin steht es aber nicht, der Protagonist wirkt auf mich noch immer vernünftig, nicht in einem Glückstaumel befindlich.

Links neben mir steht ein Vogel im Gras, eine Amsel, die ihre großen Augen über die Wiese schweifen lässt und mich dabei nie aus ihrem Blick lässt.
1. Den Blick schweifen lassen können meines Wissens nur größere Säugetiere. Kleinere Tiere und Vögel bewegen ihn eigentlich nur ruckartig.
2. Außerdem ist es mir unerklärlich, wie die Amsel gleichzeitig den Protagonisten im Blick behalten, aber diesen dennoch schweif... ändern kann. Oder verwechselt er die Amsel mit einem Chamäleon?

Zu meiner rechten fließt ein Bach, aus dessen seichten Wasser sich ein Fisch emporhebt. Tropfen fallen von seinem schuppigen, glänzenden Körper herab und sein Mund steht weit offen, so als versuche er die klare Sommerluft in sich hineinzusaugen.
Du weißt schon, dass Fische an gasförmigem Sauerstoff ersticken? Irgendwie ist das so, als würde ich einem hinabstürzenden Bergsteiger hinterherrufen: "Schau, der kann ja fliegen!" :dozey:
Jaja ich weiß, ist bloß ein Augenblick, aber auch Augenblicke sehe ich nicht gern so unmotiviert verfälscht.

Auf meinem Knie sitzt eine Ameise, deren Fühler in diesem zeitlosen Augenblick nicht vibrieren, nichts wahrnehmen, aber vom Leben durchströmt sind.
Aha, soso. Woher weiß der Protagonist das? Warum unterstellt er der Ameise, dass sie mit ihrem wichtigsten Sinnesorgan nichts wahrnimmt in dem Augenblick, wo er so heillos verknallt ist? Also meine Ameise würde sich da, glaube ich, eher einen runterholen :D. Das wäre zwar auch nicht logischer, aber menschlicher.

Ihre zarte Haut streichelt die meine
Irgendwie mach ich mir da nen Knoten ins Hirn bei der Personifizierung der Haut. (Liegt es an ihrer Eigenschaft als Haut, oder an dieser späten Stunde? :hmm: ) Ergo unpassend.

Wir sind zu zweit, aber doch nur eins.
Wieso "nur"? Wie wäre es mit: »Wir sind zu zweit; doch eins.«

Wohliges Empfinden strömt aus meinem Herzen.
Bist du sicher, dass das wohlige Empfinden nicht hineinströmt?

Alles was zählt ist das Hier und Jetzt und in einer Wolke erkenne ich ein freundliches Gesicht, dass auf mich, auf uns herunterlacht und
Semikolon ist da leidlich fehl am Platz in seiner Aufgabe, vollkommen verschiedene Gedanken in einem Satz gegenüberzustellen.


Naja, FLoH.

 

Hallo Sue!
Danke, danke, obwohl ich mich Juli nichts in Verbindung gebracht haben möchte ;)
Freut mich aber, dass die die kg gefallen hat!

Einen ganz lieben Gruß von mir zu Dir...
morti


Und Hallo floh,

auch danke Dir, wenn du auch nicht so gutes sagen konntest, wie deine Vorgänger. Auch das wird von mir erwünscht.
An dieser Stelle betone ich nochmal, dass es kitschig werden sollte! aber egal, nun zu Deinen Anmerkungen:
1. Der schweifende Blick - jepp, seh ich voll und ganz ein. Das ist ein anatomischer Fehler ;)

2. Der fliegende Fisch - nun ja, er befindet sich ja nur kurz an der Luft, ganz, ganz kurz, ansonsten hast du natürlich auch hier recht

3. Die annormale Ameise - Du hast ne onanierende Ameise? Unglaublich :huldig: die will ich kennenlernen. Na gut, sagen wir einfach, die Ameise findet keine Pheromonspuren, ihres Staates, da sie sich auf dem Bein des Prots befindet. Somit erhält sie in diesem Augenblick nur unbekannte Informationen, nimmt also in gewisser Hinsicht nichts wahr, da diese Infos für sie völlig ohne Bedeutung sind :Pfeif:

4. Die streichelnde Haut - Haut als solche wird handelsüblich unterschätzt...mehr will ich dazu nicht sagen... :dozey:

5. Das Nur - in Bezug auf Zwei ist die Verwendung des Wortes nur in meinen Augen durchaus legitim...

6. Das ausströmende Herz - Es ist so voll von Wärme, dass ein Konzentrationsüberhang entsteht. Diffusion von Gefühlen...

7. Das Semikolon - ok, es sah an dieser Stelle einfach gut aus...


Sooo, ich denke mal ich hab mich da hervorragend rausgeredet und den unlogischen Kitsch damit gesellschaftsfähig gemacht :cool: oder auch nicht, denn irgendwie hattest du schon überall recht....Haare spalten macht doch Spaß...

Einen lieben Gruß auch an Dich und danke dir für die Anregungen. Ich versuch mich bald nochmal an einer romantischen Geschichte und dann bleibt die rosarote Brille außen vor *promise*...
morti

 

Hallo aTM,

die Geschichte ist schon etwas älter und ich glaube ich würde mittlerweile nichts mehr in dieser Art schreiben, aber trotzdem freut es mich, dass die kg (auch wenn es eigentlich gar keine ist) gefallen hat.
Die S Sache wird ausgebügelt! Danke dafür und...
Danke für den Kommentar und die Kritik! :)

Einen lieben Gruß...
morti

 

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