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Der Ratschlag
Man sagt, dass nichts die Welt so erleuchtet, wie das Lächeln eines Neugeborenen. Daran mag es liegen, dass meine Welt immer etwas heller ist, als die anderer Menschen.
Ich arbeite auf einer Säuglingsstation.
Als ich zu Beginn meiner Ausbildung die vielen Babys in den Armen hielt, habe ich mich immer gefragt, was ich ihnen mit auf den Weg geben würde, wenn ich ihre Mutter wäre. Heute, da ich kinderlos bin, habe ich mir angewöhnt, jedem meiner Schützlinge einen für ihn einzigartigen Rat mitzugeben.
Die Mütter, die oft selbst noch Kinder sind, werden nicht immer gute Ratschläge parat haben. Bei manchen von ihnen weiß ich, dass sie keine Mütter sein sollten. Bei diesen Kindern gebe ich mir besonders viel Mühe, mit meinem Rat. Manchmal lege ich sogar kleine Zettelchen unter ihre Kopfkissen.
Gestern ging Sarah, mein kleiner Liebling, mit ihrer Mama nach Hause. Ich habe lange still da gestanden und gelächelt. Unsere Lernschwester kam herein, legte eine Hand auf meine Schulter und wollte wissen, wie ich es schaffe, immer so zufrieden auszusehen, wenn Kinder unsere Station verlassen. Selbst bei Kindern wie Sarah. Wir alle hier wissen, dass sie unheilbar krank ist und wahrscheinlich keine zehn Jahre alt werden wird.
Wir alle hier haben ein bisschen um sie geweint.
„Weißt du“, begann ich leise, „ich gebe jedem Kind einen Rat, der ihm das Leben leichter macht. Dann weiß ich, dass ich sie guten Gewissens ziehen lassen kann.“ Ich lächelte.
„Was hast du Sarah gesagt?“ fragte sie.
„Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.“