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Der Seiltänzer

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01.05.2007
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Der Seiltänzer

Ich stehe auf dem kleinen Podest, an dem das Seil auf meiner Seite befestigt ist, und setze langsam meinen rechten Fuß auf diesen dünnen, mich vor dem Absturz bewahrenden Faden. Das Seil ist über einem tiefen Abgrund gespannt, so tief, dass der Boden des Abgrundes auch von ebener Erde nicht mehr zu sehen ist. Doch ich wollte das Seil noch etwas erhöhen und ließ es an diese Podeste knüpfen. Dem Publikum hätte ein Seiltanz über den Abgrund allein sicherlich gereicht, doch ich wollte meinen persönlichen Rekord aufstellen und die Distanz zum harten, steinigen, todbringenden Boden noch vergrößern und so mein Kunststück gefährlicher gestalten.
Ein wenig unsicher bin ich schon beim Betreten des Seils, immerhin weiß ich nicht, wer es auf der anderen Seite des Abgrundes befestigt hat und ob es überhaupt sicher befestigt ist. Ich kann auch unmöglich bis zur anderen Seite hinüberblicken, um so die Stabilität der Konstruktion wenigstens aus der Ferne zu prüfen. Zu groß ist der Abgrund, zu weit der Weg bis zur gegenüberliegenden Seite und zu grau ist die Witterung heute, um in die Ferne blicken zu können. Es scheint mir auch so, als würde ich das erhoffte Podest erst kurz vor dem Ziele überhaupt erblicken können.
Ich stehe nun mit beiden Füßen auf dem Seil und habe mich schon ein beträchtliches Stück vorgewagt, doch habe ich nicht einmal die Hälfte meines Weges bewältigt. Da mir der Orientierungspunkt nach vorn fehlt, schaue ich verunsichert in die Tiefe, doch sehe den Boden natürlich nicht. Ist es der Nebel im Abgrund der die Sicht versperrt oder ist das Seil zu hoch gespannt, so dass es auch mit den besten Augen nicht möglich wäre den Boden zu erblicken? Ich weiß es nicht und richte meinen Blick, um dem Schwindelgefühl zu entgehen, nach oben.
Die Sterne funkeln zwischen der Wolkendecke hindurch und der Mond strahlt sein kühles Licht auf den kleinen, mutigen Seiltänzer. Sie sind schön diese Sterne, doch noch immer sehr weit entfernt, obwohl das Seil schon sehr hoch gespannt ist.

 

Hallo dort, hoch oben auf dem Seil
und willkommen auf Kg.de

Einen gewaltigen nick hast du dir da ausgesucht. Mutig ;)

Dein Text lässte eine Menge Interpretationsmöglichkeiten zu. Das finde ich positiv. Weniger Punkte bekommst du jedoch für die sprachliche Umsetzung. Die Sprache ist mir noch nicht glatt genug geschliffen. Staksige Sätze, die sich ungelenk aneinanderreihen.

Mir ist sofort der Song "Akrobat" von Heinz Rudolf Kunze eingefallen. Da geht es auch um einen Seiltänzer. Sinngemäß steht da der "Griff nach Seilen und Trapezen" für den "Griff nach den Sternen", was ich in deinem Text wiederzufinden glaube.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Nietzsche,

mich stört ein bisschen die Beliebigkeit der Metapher, weiol man von Höhenflug bis Abgrund und Absturzmöglichkeit im Leben alles darein interpretieren kann, auch wenn der Text in den Zeilen eben nur eine Überquerung hergibt, die mitten im Weg mit dem Blick auf die Sterne endet.
Zum zweiten fehlt mir die Unstimmigkeit der Metapher, denn kein Seiltänzer würde jemals ein Seil betreten, von dem er nicht wüsste, wer es befestigt hat. Man mag das Leben als Seil mit ungewissem Ausgang betrachten, aber eine Stuntnummer eignet sich dafür nicht als Vergleich, denn zumindest findet dort immer Risikominimierung statt, in dem alle Wägbarkeiten kontrolliert werden. Wenn es nur eine Geschichte über einen Seiltänzer sein soll, wäre dieses Detail leider genau so falsch.
Vielleicht bin ich aber auch auf einer ganz falschen Fährte ...

Lieben Gruß und herzlich willkommen hier

sim

 

Hallo Nietzsche,

die Metapher mit dem Seiltanz finde ich ganz schön.
Allerdings finde ich die Umsetzung nicht gut. Es ist im Prinzip noch gar keine Geschichte. Ich finde es wirkt eher wie ein "erstes" Gefühl, was du in Form dieser Metapher aufgenommen hast bzw. was du in die Form der Metapher umgewandelt hast. Was natürlich super und bestimmt eine kostbare Fähigkeit zum Geschichtenschreiben ist. Aber technisch muß da noch sehr viel kommen. Viel mehr mit Andeutungen schreiben, ins Geschehen hineingehen, es erleben lassen.

Schöne Grüße
Prangenberg

 

Hallo Nietzsche,
eigentlich hat mir deine KG gefallen, eigentlich, denn es fehlt etwas Inhalt, der Schluss kommt so plötzlich, unerwartet. So, dass ich etwas enttäuscht bin.
Deshalb warte ich auf deine nächste KG.
liebe grüße Weltflucht

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Leute,

ich danke euch für eure schnelle und konstruktive Kritik.

Ich möchte es mir natürlich nicht nehmen lassen, euch zu antworten:

@weltenläufer

Hallo weltenläufer,

über meinen Nick habe ich ehrlich gesagt gar nicht großartig nachgedacht, da ich ihn schon häufig in den Weiten des Internets verwendet habe und er meistens frei war.

Mit den staksigen Sätzen gebe ich dir teilweise recht, obwohl es nicht immer "rund" klingen sollte.

Den Song von Heinz Rudolf Kunze kenne ich leider gar nicht, aber er scheint schon ein wenig zum Thema zu passen.

@sim

Hallo sim,

wie weltenläufer ganz richtig bemerkt hat, ist die Fülle an Interpretationsmöglichkeiten gewollt.

Auch dass ein Seiltänzer niemals ein Seil betreten würde, von dem er nicht genau weiss, dass es sicher befestigt ist, ist mir natürlich bewusst. Ein Seiltänzer würde das Seil aber wahrscheinlich auch nicht im Freien bei trübem Wetter betreten wollen. Genau darum geht es aber auch in der Geschichte. Der seiltänzer hat sich zuviel zugetraut und will es sich selbst und den "Zuschauern", welche absichtlich nicht weiter erwähnt werden, beweisen und zwar auf diese surreale Art und Weise. Surreal weil die Geschichte so natürlich niemals wirklich geschehen könnte. Als ich sie schrieb, sah ich sie eher als einen Traum an. Der Seiltänzer träumt von einem unsicheren Gang über mögliche Abgründe seines Lebens, wobei er zuerst annahm, dass diese Abgründe mit Leichtigkeit zu nehmen wären. Zu allem Überfluss weiss er nicht einmal genau, wo dieses Seil hinführt und ob das Ziel, dass er nur verschwommen in der Ferne vor sich sieht, die erhoffte Sicherheit bietet.

@prangenberg

Hallo Prangenberg,

ich gebe dir recht. Es ist keine echte "Geschichte", sondern eher ein Gefühl. Ins Detail und somit ins Geschehen wollte ich nicht gehen, da mir daran lag, dass diese kleine Metapher trotz der "Ich-Form" aus der Distanz betrachtet wird.

An der Technik muss ich ansonsten wahrscheinlich wirklich noch feilen.

@lea victoria

Hallo lea,

eine interessante These, an die ich selbst (glaube mir bitte) noch gar nicht gedacht habe, trotz meines Nicks. Ich kenne den Zarathustra natürlich, auch wenn es schon etwas länger her ist, dass ich ihn gelesen habe. Möglich dass ich mich durch ihn tatsächlich unbewusst inspirieren lassen habe.
Dies war jedoch keine Absicht.

@Weltflucht

Hallo Weltflucht,

danke für deine Kritik, die ich schon fast als Lob ansehe. ;)

Wenig Inhalt, richtig. Genau darauf kam es mir an. Es ist völlig irrelevant, warum der Seiltänzer dort oben steht, es kommt nur darauf an, dass er es tut.

Auch der plötzliche, unerwartete Schluss war voll beabsichtigt, da ich offene Enden mag und ich gehofft hatte, dass er so zum Grübeln anregt


Vielen Dank euch allen für eure Eindrücke.

p.s. Gar nicht so leicht hier mit kleinen Geschichtchen zu bestehen. ;)

 

Tach Nietzsche,

tja, eine kurze Geschichte das ist war (was nicht bedeutet, das sie schlecht ist), doch irgendwie fehlt mir etwas. Im Gegensatz zu den anderen, sehe ich keinen "soooo" hintergründigen Sinn in der Geschichte. Gut, man könnte natürlich etwas hineininterpretieren, muss man wohl auch, um die Geschichte gut zu finden. Ich will nicht streng oder so klingen, aber mir hat die Geschichte leider nicht so gut gefallen, obwohl ichs nicht sonderlich besser kann, hehe.
Aber ist wohl Geschmackssache, achso, einen kleinen Verbesserungsvorschlag habe ich, natürlich auf freiwilliger Basis:

nach vorn fehlt schaue ich verunsichert nach unten,
vielleicht würde sich etwas wie "nach vorn fehlt schaue ich verunsichert in die Tiefe", besser lesen, da du das "nach" nicht zweimal in kürzester Zeit verwendet hast, aber nur meine Meinung.

kleinen mutigen Seiltänzer
Ich will jetzt keinen Fehler finden, wo es keinen gibt, doch kann es sein, das zwischen "kleinen" und "mutigen" ein Komma kommt?...
Möglicherweise irre ich mich...aber mir kommt es so vor, das in dem Text das eine oder andere Komma fehlt...aber wie gesagt, bin da kein Profi, (außerdem mache ich genaue so viele Kommafehler...tja ja).

Also Nietzsche, hört sich ja alles schlecht an was ich geschrieben habe, doch das soll jetzt nicht gemein klingen, ist eben meine Meinung und ich denke das du dir mit etwas mehr Mühe, eine Geschichte ausdenken kannst, die auch mir gefällt, so anspruchsvoll bin ich ja nicht.

Trotzdem dir weiterhin viel Spaß beim Schreiben und ich hoffe mehr von dir Lesen zu können.

Es grüßt herzlich,

Jekyll and Hide

 

Hallo J & H,

du hast recht, "verunsichert in die Tiefe" klingt echt besser und jepp, das Komma hab ich auch vergessen.

Schade, dass dir meine Geschichte nicht gefällt, aber mir war schon fast klar, dass sie nicht jedermanns Sache ist.

Vielleicht gefallen ja meine anderen (es werden noch welche folgen! *droh*).

Bis denn

Nietzsche

 

Hallo Nietzsche,

mir kommt Dein Text unentschieden vor. Einerseits surreal, symbolisch - da mag ich ihn inkl. dem starken Satz zum Ende. Weil er mich damit einläd, auszuschweifen und mir selber einen Reim auf den Abgrund, die Sterne, den Faden oder das Seil und den ganzen Rest zu machen.
Doch dann hast Du auch einen starken, erlesbaren Hang zum Naturalismus in diesen kurzen Text gepackt, der Seiltänzer mit seinen Beweggründen wird plötzlich konkret, die Umgebung klar beschrieben und das Surreale verliert seine Sur. Das finde ich in einem eindeutigen Text, einer klaren Geschichte notwendig, bei diesem Exponat hat es mich leider immer wieder aus den Bildern geholt.
In einer rein symbolischen Geschichte braucht auch keine Logik sein, keine mehrheitsfähige zumindest, doch da Du immer wieder den Link in das Reale bringst, fällt mir schon auf, daß Du im Sinne der Präzision und Logik unsauber schreibst, z.B. :

Doch ich wollte das Seil noch etwas erhöhen und ließ es an diese Podeste knüpfen.
immerhin weiß ich nicht, wer es auf der anderen Seite des Abgrundes befestigt hat und ob es überhaupt sicher befestigt ist. Ich kann auch unmöglich bis zur anderen Seite hinüberblicken
entweder weiss er um die andere Seite des Seiles, daß dort ein Podest steht und es dran befestigt ist, oder eben nicht, doch Du bedienst beide Varianten.
Es scheint mir auch so, als würde ich das erhoffte Podest erst kurz vor dem Ziele überhaupt erblicken können.
wieso scheint es ihm nur so, wenn er im Satz vorher auf die graue Umgebung und die nicht abschätzbare Weite der Perspektive hinweist ?
Da mir der Orientierungspunkt nach vorn fehlt, schaue ich verunsichert in die Tiefe, doch sehe den Boden natürlich nicht. Ist es der Nebel im Abgrund der die Sicht versperrt oder ist das Seil zu hoch gespannt, so dass es auch mit den besten Augen nicht möglich wäre den Boden zu erblicken?
wieso stellt er sich diese Frage, wenn Du am Anfang das Bild aufbaust, daß auch vom Boden aus kein Grund und Abgrund zu erkennen, zu sehen wäre ?
Ich weiß es nicht und richte meinen Blick, um dem Schwindelgefühl zu entgehen, nach oben.
Da Du immer wieder ins Reale abdriftest glaube ich Deinem Prot hier nicht den Schwindel, er scheint ja eine gewisse Routine mit Seiltänzen zu haben, also wird er keinen Schwindel kennen. Sonst wäre er tot. Oder kein Seiltänzer mehr, der - nur für das eigene Ego und nicht für die Zuschauer - das Seil höher spannen lässt.

Mir hätte es reduzierter, konsequenter gefallen, so machst Du einen ungünstigen Spagat aus Realismus und Symbolismus, wobei keiner Richtung damit ein Gefallen angetan wird. Für das eine zu logiklöchrig, für das andere zu wenig frei in der Bebilderung und zu geerdet.

Grüße,
C. Seltsem

 

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