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Der Sonntag

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06.12.2004
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Der Sonntag

Die Lichter in den Häusern wurden von ihren Bewohnern langsam aber bestimmend ausgeknipst. Die Stadt legte sich schlafen und ich saß auf dem höchsten Punkt der Umgebung, um all das zu beobachten. Es war seltsam, das Gefühl zu haben, als einzigster auf der ganzen Welt noch wach zu sein und alle schlimmen Gedanken zu spüren.
Stille umschloss die ganze Landschaft; ab und zu hörte man ein Rascheln aus dem weiten Wald. Ich saß auf einer Anhöhe, auf der ein kleiner Tempel aufgebaut war. Hier war an schönen Tagen ein Treffpunkt für viele Jugendliche, doch heute war kein schöner Tag und ich konnte sicher sein, dass mir niemand begegnen würde. Meine Augen blickten allerdings nicht auf den Tempel oder den dunklen Wald, nein, sie waren direkt auf die Stadt gerichtet. Die Straßenlaternen bildeten einen Pfad durch die Dunkelheit der kleinen und großen Häuser. Manchmal meinte ich, dass man ein Herz oder einen Stern als Gebilde der Laternen am Boden erkennen konnte, aber diese Vorstellungen waren zu diesem Zeitpunkt so absurd, dass ich mich gar nicht darum kümmern konnte. Es war so still. Diese Stille war einzigartig. Oftmals wollte ich einfach, dass alles um mich herum still und leise ist, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Diese Situation erschien mir als einzige Rettung, nach so vielen Qualen und Unsicherheiten in meinem Leben. Doch jetzt hatte ich diese Ruhe vor den Anderen, die Ruhe vor mir selbst blieb mir aber verwehrt. Ich versuchte meinen Kopf von all meinen Gedanken zu befreien, schloss die Augen und konzentrierte mich auf das Nichts, was mich umschloss. Doch ich konnte nur feststellen, dass gerade dieses Nichts mich nicht loslassen wollte. Es band mich an sich, wie als ob eine große Metallkette um meine Füße gespannt wäre, ich stand einfach nur da und konnte nicht entfliehen. Ich schaffte es schließlich unter große Anstrengung aufzustehen, drehte mich und blickte nun doch auf den Tempel. Auf den Wald. Auf den Weg, den ich hier her gekommen war. Auf alles, was durch Leben geschaffen wurde. Leben. Ist Leben Ruhe? Wie sollte ich Ruhe haben, wenn alles um mich herum, von Unruhe umgeben war? Ruhe ist nicht nur ein Zustand, in dem man nichts hören muss. Nein Ruhe ist Ruhe vor den Gedanken, die man sich macht. Man muss sich nicht mit ihnen auseinander setzten, man kann einfach nur daliegen und an Nichts denken. Aber hier war es dann schon wieder, dieses Nichts. Gerade darüber machte ich mir doch Gedanken, dass mein Leben aus diesem Nichts zu bestehen schien.
Ich wurde verrückt. Mein Kopf schmerzte mehr, als er es vor meiner Suche nach Ruhe getan hatte. Ich begriff die Welt nicht mehr. Wollte ich mir nicht eigentlich etwas Gutes damit tun, wenn ich vor meinen bösen Gedanken fliehen wollte? Ich glaubte langsam daran, dass Gott mich dazu verdammt hat, immer und immer nur dieses tiefe Gefühl von Einsamkeit in mir zu haben. Verzweiflung und tiefe Sehnsucht nach Freiheit kamen in mir auf. Freiheit.
Ich stand nun nicht mehr auf dem Boden, sondern auf einem steinernen Altar, der direkt vor dem Platz des Tempels stand. Was machte solch ein Gebilde hier? Für was wurde es gebaut? Meine Gedanken ließen mich nicht los. Ich dachte immer wieder nach, wollte mir immer wieder bewusst machen, dass ich mir doch keine Sorgen zu machen brauche. Die Welt. Die Dinge. Die Sorgen. Es schien mir gar, als ob ohne meine Fürsorgen keine Welt existieren würde. Aber da, genau zu diesem Zeitpunkt durchbrach mich wieder mein Wunsch, diese Gedanken zu verbannen. Nur warum? Wieso konnte ich mich nicht damit zufrieden geben, dass ich einfach fürsorglich bin, ich einfach Dinge im Leben anderer unterstützen will. Drei Uhr, an einem stürmischen Sonntag, kann das wahr sein? Alle schlafen? Niemand spürt mehr die Gedanken, die ihn quälen, da er in seinen Träumen in weite Fernen flüchtet und dort vielleicht am Strand von Hawaii einen leckeren Cocktail schlürft?
Ich stieg von dem Altar und lief den Weg, den ich gekommen war, in Richtung Stadt. Es war bezaubernd, dass die Gassen leer waren, ich meinte, ich könnte den Kampf gegen meine Gedanken gewinnen. Doch da sah ich ein Auto, aus weiter Ferne. Es hatte grelle Scheinwerfer, ich war geblendet. Ich taumelte und schloss meine Augen. Ich sah mich wieder auf dem Altar stehend. Ich war einfach nur noch geblendet von der Freiheit, auf einmal die Möglichkeit zu haben, von einem Ort an dem ich mich befand, zu einem anderen zu schweben, an das Nichts denkend Ich war einfach nur glücklich, in diesem Moment nur an mich denken zu müssen, an mein Leben, als an das Nichts.
Wollte ich das nicht die ganze Zeit? Ja, natürlich. Doch als ich den Schmerz spürte, als das Auto mich erfasste, war ich wie zurück geholt auf den Boden. Ich wusste auf einmal, dass ich es niemals gewollt habe. Ich hätte mehr für mich sein müssen, ich hätte früher fliegen sollen, weg vor meinen Ängsten und vor meiner eingeschränkten Freiheit der Gedanken. So hätte ich früher begriffen, dass Ruhe nichts mit dem Nichts zu tun hat. Denn jetzt war Nichts. Nun war ich wirklich nichts. Und es war zu spät. Leider...

 

Es war mir beim Lesen ohnehin klar, dass ihn das Auto erfasst hatte.
Du solltest es vielleicht weglassen, dann interpretiert man mehr und freut sich über den Fortschritt...
Mehr konnte ich aber leider nicht interpretieren...
Du hast alles explizit geschrieben, was eigentlich Schade ist...
Außerdem sagt deine Geschichte nichts aus, sie erzählt nur etwas, was für nichts anderes stehen soll als sich selbst...
Der Mann ist unzufrieden mit seinem Leben, er denkt nach...
Das alleine kann keine Kurzgeschichte ausmachen...
Diese Erkenntnis, dass man kein Nichts zur Ruhe braucht reicht meiner Meinung nach auch nicht.
Ich würde mir mehr Story und mehr Tiefe wünschen...

 

Hallo Hancock!
Ich verstehe zwar nicht, warum eine Geschichte nichts aussagen kann, wenn sie die Gefühle und Gedanken des Autors explizit erzählt, aber trotzdem danke für deine Kritik. Gerade beim Ende, wie du erwähnt hast, war ich mich unschlüssig, wie ich es gestalten sollte. Ich denke gerne nochmal darüber nach.
Grüße, Dome

 

Hallo Dome,

ich fand deine Geschichte nicht schlecht, aber ich empfand es teilweise auch als ein zu viel - du hast alles zu genau erklärt. Der Leser liest es und macht sich keinerlei Gedanken. Mittlerweile sind die Ansprüche von Lesern soweit gewachsen, dass sie nicht alles auf dem Tablett serviert bekommen wollen, sondern auch selbst darüber nachdenken. Es gibt hier auf der Site einige Geschichten über die ich noch sehr lange nachgegrübelt habe - das würde mir bei deiner nicht passieren und so verschwindet sie schnell im Nichts.

LG
Bella

 

Hallo Bella!
Danke dir für deine Kritik. Okay, ich kann gut verstehen was du meinst. Bei meiner nächsten Geschichte versuche ich ein wenig mehr zum Grübeln zu lassen. Aber ich konnte (was keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung sein soll) diese Geschichte gar nicht anders schreiben, da genau alle meine Gefühle dem Leser klar werden sollten. Vielleicht ist sie einfach zu persönlich, oder man muss mich kennen, um es zu verstehen, was ich meine.
Trotzdem danke :)
Dome

 

Hallo Dome,

meine Vorredner haben ja schon recht, das dieses Werk keine wirklich spannende und interpretationsfreudige Geschichte darstellt, doch ich möchte anmerken, das wenn man die Gefühle des Prot nachvollziehen kann, die Geschichte wirklich berührt.

Vielen Dank für das Aussprechen des Ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse im eigenen Kopf.

Gruß
Nighty

 

Hallo nightboat!
Vielen Dank, freut mich auch eine etwas bessere Kritik zu bekommen.
Gruß,
Dome

 
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Hallo, Dome!

Aus einem Überschuss an Zeit und einem Überdruss an Schiller und seinesgleichen habe ich beschlossen, etwas andere Literatur zu lesen. Da kam mir eine Geschichte von dir, die ich schon vor langer Zeit ausgedruckt habe, ganz gelegen - du bist mein Kamerad, und deshalb sollte ich deine Sachen ohnehin wieder einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ich möchte dich wieder darauf hinweisen, dass ich dich nicht beleidigen will - ich möchte dir helfen, bessere Sachen zu schreiben (was nicht heißt, dass diese Sache jetzt sehr schlecht ist), und wäre selbst auch für kritische Kritik viel dankbarer als für Lob - für Lob hat man die Familie. Ich möchte irgendwann sagen können, ich sei ein Mitbürger und guter Bekannter eines großen Schriftstellers der Moderne - dafür musst du aber noch üben, wobei dir meine Hinweise vielleicht helfen, aufdass deine Geschichten in Zukunft besser sind. Vergiss aber nicht, die sind subjektiv, und da ich nicht der oben erwähnte Schiller bin, werden diese deine Geschichte nicht unbedingt objektiv verbessern - nur in meinen Augen eben.

Diese Situation erschien mir als einzige Rettung, nach so vielen Qualen und Unsicherheiten in meinem Leben.
Das ist schlecht. Was soll man damit anfangen, mit der grundlosen Traurigkeit? Soll das dem Leser Identifikationsmöglichkeiten offen lassen? Nein, mein bester, so geht das nicht. Wenn das Seelenleben das Thema der Geschichte ist, ist jede Verallgemeinerung des besagten Seelenlebens fehl am Platze. Wenn einer sagt, dass er sich einfach nur nicht wohl fühlt, heißt es, daß dieser nicht darüber sprechen will. Warum dann schreiben?
Doch jetzt hatte ich diese Ruhe vor den Anderen, die Ruhe vor mir selbst blieb mir aber verwehrt.
Streiche 'Doch', oder setze es direkt nach dem Komma, und streiche statt dessen 'aber'.
Es band mich an sich, wie als ob...
Streiche 'wie'. 'Als ob' genügt, denn es ist doch selbst ein Vergleich.
... , ich stand einfach nur da und konnte nicht entfliehen.
Punkt statt Komma.
Ich schaffte es schließlich unter große Anstrengung aufzustehen
Unter großer Anstrengung.
Wie sollte ich Ruhe haben, wenn alles um mich herum, von Unruhe umgeben war?
Nach 'herum' kein Komma.
Nein Ruhe ist Ruhe vor den Gedanken
Ein Komma nach 'Nein'
Ich wurde verrückt. Mein Kopf schmerzte mehr, als er es vor meiner Suche nach Ruhe getan hatte. Ich begriff die Welt nicht mehr.
Diese Stelle ließ mich lachen - welche Pathetik, wegen eines kleinen Paradoxes.
Für was wurde es gebaut?
Die Sprache ist voller schönster Fragewörter, unter welchen die nach dem Sinn eine eigene Nische einnehmen - wozu, wofür, warum, weshalb, aus welchem Grund, für welchen Zweck - du musstest dich aber des hässlichen 'für was' bedienen.
Wieso konnte ich mich nicht damit zufrieden geben, dass ich einfach fürsorglich bin, ich einfach Dinge im Leben anderer unterstützen will.
Manche Leute leiden an Gewissensbissen. Nicht aber dein Prot. Ach, warum ist er nur so gütig, so menschlich, so fürsorglich? Warum gibt er sich damit nicht zufrieden? Dein Text ist schwer zu lesen - ich aber bin der wirklich Fürsorgliche.
Drei Uhr, an einem stürmischen Sonntag, kann das wahr sein?
Dieser Satz, wie auch der mit dem leckeren Cocktail ist eine erheiternde Insel in der salzigen Wasserwüste deines Textes.
Es war bezaubernd, dass die Gassen leer waren, ich meinte, ich könnte den Kampf gegen meine Gedanken gewinnen.
Punkt zwischen 'waren' und 'ich'. Ab hier wird deine Geschichte sehr lustig.
Ich hätte mehr für mich sein müssen
Wieder das selbe. Ach, ich bin zu gut für diese Welt!... Das macht deinen Prot. unsympatisch, deine Geschichte hingegen wird heiter, dadurch.

Würdest du den ersten Teil überarbeiten, damit es nicht so langweilig ist, wäre es eine wunderbare Parodie. "Ich denk' zu viel" - welch schräge Idee, der Kampf gegen die Gedanken! Ein Egoist meint ja immer, er sei zu selbstlos, ein Geizkragen denkt, dass er zu viel ausgibt, und nur einem minderbemittelten Hitzkopf, einem leeren Menschen, scheint es, er habe zu viele Gedanken und müsse dagegen ankämpfen. Das Problem des sokratischen Wissens um seine eigene Unwissenheit, was heute nur zu sehr fehlt, den modernen Menschen, wolltest du ausarbeiten, stimmt's? Oder interpretiere ich wieder zu viel rein, in deine Zeilen?

Auf jeden Fall Gruß,
A.

 

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