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Der Spaziergang

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30.07.2008
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Der Spaziergang

„Ich bitte sie, Danny! Ich bin nur ein halbwegs erfolgreicher Psychologe, der verzweifelt versucht sich selbst zu therapieren! Wie soll ich denn die Welt verbessern?“, sagte Abe zu seinem besten Freund, bei einem ihrer Spaziergänge.
Die Angewohnheit, sich zum spazieren gehen zu treffen, war sicher nicht die verbreitetste Methode sich zu verabreden, doch Abe und Danny waren Männer der alten Schule.
Und mit Sicherheit konnten sie sich auf diese Art und Weise von ihren Problemen erleichtern, auch wenn sie nur darüber sprachen. Man könnte sagen, sie teilten das, was sie beschäftigte, und das war die Essenz ihrer ewig währenden Freundschaft.
„Na ja, eigentlich kann doch jeder etwas zur Verbesserung der Welt beitragen, oder etwa nicht?“
„Theoretisch gesehen schon. Praktisch gesehen ist das ein Wunschdenken, dass die Menschen mit sich herumtragen, um nicht das Gefühl zu haben, sie seien all dem wahllos ausgesetzt.“
„Dein Pessimismus ist zum verzweifeln, Abe.“
„Danke.“
Die beiden Herren hatten nun den kleinen See nahe Trenchtown fast einmal umrundet.
„Mensch, ich brauch’ ne Pause!“, sagte Danny.
Sein Knie machte in letzter Zeit immer häufiger Beschwerden, und wenn er es nicht bald über sich bringen würde, den Orthopäden aufzusuchen, würde er in absehbarer Zeit einen Gehstock benutzen müssen.
„Wir können uns ja kurz dorthin setzen“, sagte Abe und zeigte auf eine Bank, von der aus man einen wunderschönen Blick auf den See hatte.
Weit waren sie nicht weg von Trenchtown, denn sie konnten die Kirchenglocken 16.00 schlagen hören, doch hier schien es, als seien sie in einer eigenen Welt.
Eine Art Paralleluniversum, in dem man seine Gedanken mit jemandem teilen konnte, der sie wirklich verstand.
Stöhnend setzte Danny sich auf die Parkband am See und hielt sich mit beiden Händen das schlimme Knie, als ob es etwas helfen würde.
„Ja, jetzt sieh mich nicht so an. Ich weiß, ich sollte nicht immer die Termine absagen.“
„Danny, wenn wir diese Sache mit dem Spazierengehen fortsetzen wollen, dann musst du etwas machen.“
„Ich weiß doch. Aber die wollen mir eine Spritze geben! Abe, wenn ich etwas mehr hasse als meine Ex-Frau, dann sind das die gottverdammt langen Spritzen beim Orthopäden!“
„Ja, ich verstehe. Aber gut, ich würde dich auch im Rollstuhl schieben.“
„Natürlich würdest du das…“, antwortete Danny und knuffte Abe so fest in die Schulter, wie er es von einem alten Knaben wie ihm nicht erwartet hätte.
„Zurück zum Thema. Wo waren wir denn stehen geblieben?“
„Ich glaube bei der Verbesserung der Welt, oder nicht?“, antwortete Abe und blickte auf den See hinaus. Er hatte eigentlich keine große Lust weiter über dieses Thema zu sprechen. Immerhin betrübte ihn sogar sein eigener Pessimismus, wenn es um die Verbesserung der Welt ging.
„Jeder kann etwas tun, Abe. Absolut jeder.“
„Ja, sicher. Und wie sieht dieses Tun in der Praxis aus? Sollen wir die grauen Panther wählen? Werden die die Welt verbessern?“
„Nein, du verstehst das falsch. Es geht dabei nicht um Wahlen oder Politik. Viel wichtiger ist, dass es darum nicht geht, verstehst du, was ich sagen will?“
„Dann geht es also darum, das System zu stürzen. Und wir zwei machen das!“.
Abe machte eine stolze Geste, wie auf dem berühmten Porträt von Napoleon, mit der Hand im Mantel.
Er starrte eine Weile steif in den Himmel, und tatsächlich konnte er diese Führer-Mimik gut parodieren.
Danny lachte.
„Nein, du Vollidiot! Es geht auch nicht darum das System zu stürzen. Hast du denn gar nichts in der Schule gelernt?“
„Ich bin Psychologe, Danny. Ich war nie in der Schule. Und wenn ich mal da war, war ich in allen Fächern so schlecht, dass man mich eigentlich als nicht anwesend ansehen könnte.“
„Weißt du, das ist immer wieder das Interessante bei weltlichen Menschen. Ständig bewegen sich ihre Gedanken in einem ganz bestimmten Feld. Dieses Feld haben sie sich meistens nicht mal selber ausgesucht, sondern der Lauf ihres Lebens hat ihnen dieses Feld gegeben. Du erinnerst mich gerade an die Kartoffeln, die ich heute Mittag gegessen habe. Die haben auch nicht über den Tellerrand geschaut. Und als sie es hätten tun können, waren sie sowieso so gut wie verspeist.“
„Beängstigend, wie du mich mit deinem Mittagessen vergleichst, Danny. Ich hoffe du hast keinen Ketchup dabei, bevor du mich auch noch verschlingst.“
„Keine Angst, das war nur eine Metapher mein Freund.“
„Da bin ich aber beruhigt“, sagte Abe.
Und dann starrten sie beide auf den See.
Ruhig und gelassen lag er da.
Er war ein Teil des Ganzen, genauso wie die Enten die darin schwammen, die Bäume die ihn verdeckten oder die Sonne die täglich ihre Runden über ihm drehte.
„Ein Teil des Ganzen, Abe.“
„Was?“, sagte Abe schockiert, denn genau das hatte er gerade gedacht.
„Denk dir doch mal etwas weg. Etwas an diesem See. Etwas das wir hier vor uns sehen. Es wäre nicht mehr komplett. Das Gesamtbild würde nicht mehr passen.“
„Wie darf ich das denn jetzt verstehen?“, fragte Abe nach.
„Na ja, es ist wie ein riesengroßes Puzzle. Die ganze Welt ist ein riesengroßes Puzzle mit unzählbar vielen winzig kleinen Teilen, die alle in ihrer Eigenschaft ganz besonders und einzigartig sind. So auch bei den Menschen, denn auch wir sind, was wir leider oft zu vergessen scheinen, ein Teil dieser Welt.“
„Ja, ich verstehe schon.“
„Und jedes dieser Teile hat einen Einfluss auf das Gesamtkunstwerk, auf das sensible Megapuzzle, das du dir am Ende an die Wand nageln kannst.“
Abe sagte nichts und lauschte nur den Ausführungen seines alten Freundes.
„Ich meine, es sind manchmal nicht die Dinge, von denen wir glauben, sie würden etwas verändern, die es auch wirklich tun. Wir vergessen, dass Alles was wir tun eine Auswirkung auf das Gesamtbild hat. Das ist das Wesentliche. Wenn du das begreifst, dann kannst du dir so vieles erleichtern. Sei es das morgendliche Hallo zur Nachbarin, sei es ein weiterer austherapierter Patient, der sich in der Waschküche erhängt, oder die totale Revolution. Alles ist von Bedeutung, Abe.“
„Ja, ich verstehe“, sagte Abe und schaute nachdenklich auf seine Armbanduhr.
„Oh, verdammt. Schon so spät. Entschuldigung, aber ich habe um sechs noch einen Termin mit einem meiner Patienten.“
„Ja, sicher. Geh nur.“
„Ich danke dir, Danny. Ich wünschte, du könntest mal mit meiner Ex-Frau sprechen. Vielleicht lässt sie mir dann doch meinen Sohn.“
„Aber du weißt, dass das nicht geht, Abe.“
„Natürlich“, sagte er und eine Träne kullerte über seine Wange.
Ein seltsamer Anblick war es schon, wenn ein erwachsener Mann sich das Weinen verkneifen musste.
„Ich wünsche dir alles erdenklich Gute“, sagte Danny.
„Danke, ich dir auch. Wir sehen uns wieder, ich werde kommen. Lass es dir gut gehen da oben.“
„Ja, dann bis nächstes Mal.“
Abe wendete sich ab und ging zügig Richtung Trenchtown zurück.
„Alles ist von Bedeutung, mein Junge! Vergiss das nicht!“.
Noch ein letztes Mal drehte Abe sich um und schaute zu Danny zurück. Er musste immer weinen, wenn er wieder ging, doch die Gewissheit, er würde auch nächstes Mal wieder dort sein, tröstete ihn.
Danny verschwamm, wie Nebel der vom Wind verweht wird.
Auf dem Weg zurück in die Stadt, hatte Abe stets die gleichen Gedanken.
Danny war ein alter Freund von ihm, und vor vier Jahren war er in diesem See gestorben.
Ein entlaufener Hund hatte ihm beim Angeln ins Knie gebissen, und ließ einfach nicht los, bis Danny schließlich in den See stürzte. Es war kalt und keine Menschen waren unterwegs, und niemand konnte ihn retten, als er mit dem Kopf auf einen Stein dicht unter der Wasseroberfläche aufschlug. Er verlor das Bewusstsein und ertrank.
Das was Abe allerdings am meisten beschäftigte, war die Frage, ob er sich Dannys Anwesenheit nur einbildete, oder ob er tatsächlich mit seinem toten Freund sprach. Doch andererseits war auch das belanglos, denn er war froh, dass er es konnte, auch wenn es nicht real war. Es gab ihm Trost und Kraft in einer Welt, in der man so viel wie möglich davon brauchte.


30.07.08

Stefan

 

Hallo Stefan,

inhaltlich finde ich gute Ansätze in deiner story, die ein interessantes und wichtiges Thema aufgreift: was können wir selbst beitragen zu einer zumindest "guten Welt"? Allerdings machst du es vielleicht etwas zuu spannend und wartest zulange damit zu erklären, wie Danny das meint - dafür legst du dann das thema direkt zu den akten, nachdem danny einmal erklärt hat, was er unter "im kleinen" versteht.. hier kannst du noch die gewichte verschieben.

Stilistisch kann man sicher an dem Text noch arbeiten. Es vermittelt den Eindruck von "frei Schnauze geschrieben - und wenig überarbeitet". Etwas weniger Slang, etwas mehr Textarbeit, Füllwörter nur gezielt setzen, um insgesamt auch stilistisch zu überzeugen, würden dem Text sicher gut tun.

Fazit: Keine Klasse story - aber eine weitere Bearbeitung sicher wert.

grüße, streicher

 

hey, danke für die kritik!

hast auch ziemlich recht, ist frei schnauze geschrieben ;)

lg stefan

 

Hallo Stefan,

ich empfinde deine Geschichte als unfertig. Zwar hast du sie zu Ende geschrieben, aber sie wirkt inhaltlich und auch stilistisch eher noch wie ein Entwurf.
Dabei finde ich sowohl die Idee, darüber zu schreiben, wie man die Welt verbessern könnte, als auch die Idee dies Gespräch mit einem Jenseitigen führen zu lassen gut.
Allerdings plätschert das Gespräch so dahin, was auch daran liegt, dass die Charaktere sich sprachlich nicht unterscheiden und beide auf die gleiche Weise inkonsequent sind. Mal bemühst du dich um den "alten Schlag", den du auch als Charakteristikum angibst, dann reden die beiden wieder wie Jugendliche. In den Details findest du einige Hinweise, aber nicht alle Stellen, in denen es so ist.
Inhaltlich löst du mir die Jenseitigkeit von Danny zu direkt auf. Meines Erachtens dürftest du das gern etwas in der Schwebe lassen. Auch die Schilderung des Unfalltods muss gar nicht sein. Erst recht nicht die Frage Abes, ob er sich seine Gespräche vielleicht nur einbildet. Das sind für mich alles Punkte, die deiner guten Idee schaden. Wichtiger wäre mE ein bisschen Schilderung über die Verbindung der beiden vor dem Tod, wie sind sie da miteinander umgegangen?
Details:

Ich bitte sie, Danny!
Anrede Sie groß
Die Angewohnheit, sich zum spazieren gehen zu treffen
zum Spazieren gehen
Praktisch gesehen ist das ein Wunschdenken, dass die Menschen mit sich herumtragen
Wunschdenken, dass
„Dein Pessimismus ist zum verzweifeln, Abe.“
Verzweifeln
„Mensch, ich brauch’ ne Pause!“, sagte Danny
Passt nicht in die bisherige Sprachmelodie der wörtlichen Rede
und wenn er es nicht bald über sich bringen würde, den Orthopäden aufzusuchen, würde er in absehbarer Zeit einen Gehstock benutzen müssen.
wenn schon alte Schule, dann vielleicht auch bei der Verwendung des Konjunktivs: und wenn er es nicht bald über sich brächte, ..., müsste er ... aufsuchen.
„Nein, du Vollidiot!
auch das passt nicht zum Tonfall der beiden
Ein entlaufener Hund hatte ihm beim Angeln ins Knie gebissen, und ließ einfach nicht los, bis Danny schließlich in den See stürzte.
so hat der entlaufene Hund geangelt, nicht Danny.

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Stefan,

erstmal ein paar Formalien, die mir beim ersten Lesen aufgefallen sind und die dafür sprechen, den Text wirklich nochmal durchzugehen:

Ich bitte sie, Danny!
Höfliche Anrede immer großgeschrieben. Allerdings duzen sich die beiden ab da.

Die Angewohnheit, sich zum spazieren gehen zu treffen,
Spazierengehen

Praktisch gesehen ist das ein Wunschdenken, dass die Menschen mit sich herumtragen, um nicht das Gefühl zu haben, sie seien all dem wahllos ausgesetzt.“
nur ein s

Er war ein Teil des Ganzen, genauso wie die Enten[Komma] die darin schwammen, die Bäume[Komma] die ihn verdeckten oder die Sonne]Komma] die täglich ihre Runden über ihm drehte.

Wir vergessen, dass Alles[Komma] was wir tun[Komma] eine Auswirkung auf das Gesamtbild hat.
schreibt man alles neuerdings groß?

Sein Knie machte in letzter Zeit immer häufiger Beschwerden, und wenn er es nicht bald über sich bringen würde, den Orthopäden aufzusuchen, würde er in absehbarer Zeit einen Gehstock benutzen müssen.

Ich weiß doch. Aber die wollen mir eine Spritze geben! Abe, wenn ich etwas mehr hasse als meine Ex-Frau, dann sind das die gottverdammt langen Spritzen beim Orthopäden!
Das sind so Sachen, die ich gar nicht leiden kann: Den Leser für dumm verkaufen. Eine Pointe auf falschen Informationen aufbauen. Wo geht denn Danny zum Orthopäden, im Himmel oder im See?


Weißt du, das ist immer wieder das Interessante bei weltlichen Menschen.
Weltliche Menschen! Da dachte ich, er sei Priester. Oder was gibt es sonst für Menschen, außer weltliche und die, die sich der Welt geistlich entziehen? Klar soll das ein Hinweis sein, dass der tot ist, trotzdem ist die Formulierung hier seltsam.

Ehrlich gesagt kann ich mit dieser Geschichte nicht viel anfangen. Dass ein Mann mit seinem toten Freund spricht ist rührend. Das Gespräch selbst besteht allerdings aus ein paar Urweisheiten, die jeder kennt - 'Man ist Teil des Ganzen', 'Ändere dich, dann änderst du die Welt' usw. - und ein paar schönen Bildern dazu (Kartoffeln, Enten ...). Warum sich Abe überhaupt verändern soll, wird nicht erzählt. Oder weil er ein Pessimist ist? Dann würde ich fragen müssen, warum ist er einer?
Naja, das scheint mir eine Geschichte mit guten Absichten zu sein und nicht mehr.
Der gesellschaftliche Punkt fehlt übrigens, weil von Gesellschaft nur geprochen wird, aber in der Geschichte spielt sie keine Rolle. (Die Thematik geht schon mehr in Richtung Philosophisches, wobei die enthaltenen Weisheiten wiederum alte, verstaubte Hüte sind.) Der Text würde also in einer anderen Rubrik besser aufgehoben sein. Überleg dir eine (Philosophisches, Seltsam, Sonstige) und teile mit, wo du die Geschichte denn haben möchtest und ich verschieb sie dahin.

Gruß
Kasimir

PS: Habe beim Schreiben sim übersehen - sorry sim :) - also findest du manche Punkte doppelt.

 

also, thx nochmal für die kritiken...

ähm...also philosophisch wäre vielleicht nich ganz richtig..
sonstige vielleicht am passendsten.

 

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