Der Tag an dem ich Gott überfuhr
Der Tag an dem ich Gott überfuhr
Es war wieder mal typisch. Natürlich musste ich gerade an dem Tag, als ich meinen neuen Peugeot 206 bekam, jemanden überfahren.
So wie es das Schicksal wollte, musste dieser jemand unbedingt Gott sein.
Ich machte es natürlich nicht absichtlich. Zuviel Drinks und Müdigkeit liessen meine Reflexe erschwächen und als ich eine halbe Sekunde nicht aufpasste, hatte ich schon den Allmächtigen unter den Rädern. Ich stieg aus und betrachtete das Blut Gottes, welches Jesus vor langer Zeit mal als Wein verkaufte, putzte die schlimmsten Flecken mit dem Ärmel ab und schritt dann zur Leiche. Obwohl ich schon beim Aufprall gewusste hatte, wen ich da überfahren hatte, hatte ich noch kleine Hoffnungen mich geirrt zu haben.
Doch der Anblick der verkrümmten Gestalt am Boden zerstörte diese Hoffnungen sofort. Gott sah aus als wäre er aus einem Bilderbuch kopiert. Ein gigantischer Heiligenschein umgab seinen Kopf, nicht so einen Heiligenschein wie es heute jeder zweite hat, einen richtigen Heiligenschein. An seinem Kinn kräuselte ein meterlanger weisser Bart, ein weisses Tuch umschlang seine Hüften und er trug die edelsten Sandalen, die ich je gesehen habe.
Kein Zweifel, das war Gott.
Doch ich konnte den heiligen Körper dieser wichtigen Person doch nicht einfach hier herum liegen lassen. So packte ich seine Schultern und hievte mit aller Kraft den Allmächtigen hoch und sperrte ihn in den Kofferraum. Das war wirklich anstrengend. Gott hatte seit der Erschaffung des Paradieses nicht mehr viel zu tun gehabt, und hatte deshalb massiv zugenommen.
„Spreche ich hier mit der Polizei?“
„Ja, zufälligerweise haben sie uns angerufen“, antwortete mir die gelangweilte Stimme eines Polizisten. Es war Ein Uhr nachts. Die anderen Polizisten schliefen bereits, der am Telefon war der einzige, der um die Uhrzeit noch wach sein durfte.
„Nun, was haben sie uns zu sagen?“
„Ich muss ihnen ein schreckliches Verbrechen gestehen.“
„Haben sie den Kühlschrank offen gelassen?“
„Nein! Ich habe Gott überfahren!“
Als der Polizist anfing zu lachen, wusste ich nicht ob er mich verspottete oder ob er einfach schon lange nicht mehr gelacht hatte.
„Sie haben Gott überfahren? Oh nein! Was haben sie mit der Leiche getan? Etwa in den Kofferraum geladen und in der Garage parkiert?“
„Haargenau. Ich hatte noch keine Zeit die Leiche auszupacken und hoffe nur, dass sie nicht anfängt zu stinken“.
Bevor der Polizist auflegte, hörte ich noch einmal sein spöttisches Lachen.
Angeekelt von der Hilfsbereitschaft der Polizei ging ich ins Bett und stellte den Wecker um am morgen früh genug aufzustehen um die Leiche im Wald zu verbuddeln.
Der erste Ziegelstein flog so ungefähr um fünf durchs Fenster. Natürlich wachte ich sofort auf, begab mich zum Fenster und bewunderte das, zudem Menschen fähig sein konnten.
Vor meinem Haus stand ein wütender Mob. Hunderte Dorfbewohner hatten sich hier versammelt, alle mit Mistgabeln und Fackeln bewaffnet.
Doch das war hier auf dem Lande nichts besonderes. Doch was war das?
Als Anführer der wütenden Menschenmenge stand da der katholische Pfarrer unserer Gemeinde. In der einen Hand hielt er ein Holzkreuz, in der anderen traditionell eine Fackel.
Da diese religiösen Mobs um einiges spannender waren, als die Standardmobs, schaute ich ihnen noch eine Weile zu und fragte mich, weshalb die so aufgebracht waren. Die Antwort kam sofort. Die nächsten paar Ziegelsteine flogen durch die Fenster, ein paar Leute schleppten Leitern heran und die mutigsten unter ihnen stiegen über die Leitern in mein Haus. Ehe ich mich versah, standen schon der Pfarrer und weitere Dorfbewohner vor mir.
„Stimmt das, was uns ein Beamter der Polizei gesagt hat?“, fragte der Pfarrer.
Ich wusste natürlich sofort was er meinte.
„Ja, ich habe Gott überfahren. Doch er war bestimmt krankenversichert. Seine Familie wird durch seinen Tod sehr reich werden.“
Der Pfarrer schrak auf als hätte jemand den Namen des Teufels gesagt.
Er kniete nieder und betete ein paar Minuten lang, während wir übrigen schweigend zusahen.
Dann wandte er sich wieder zu mir.
„Heide! Führe uns zu dem Körper Gottes. Vielleicht ist es noch nicht zu spät“.
So begleitete ich die Schar in meine Garage. Der Pfarrer baute sich vor dem Kofferraum auf und sprach: „ So, Heide. Wir werden sehen, ob du wirklich gesündigt hast“.
Er öffnete den Kofferraum. Der Anblick Gottes liess die ersten Frauen weinend nieder fallen.
Der Pfarrer brach in Schweiss aus.
„Oh Gott! Der sieht wirklich aus wie Gott. Doch wir sollten nicht voreilig sein. Wir werden das tun, was die Polizei tut, um Leichen zu erkennen. Du da. Schau ob auf seinen Unterhosen sein Name steht.“
Ein weinender Dorfbewohner erhob sich, schob das Kleid Gottes zur Seite und warf einen traurigen Blick auf die Unterwäsche des Herrn. Sein Blick änderte sich sofort von Traurigkeit zu Fröhlichkeit.
„Oh Pfarrer! Da steht nicht Gott. Da steht Calvin Klein! Er hat nur Calvin Klein überfahren!“
Die Hand des Pfarrers schlug gegen die Stiern, als Zeichen für die Dummheit dieses Mannes.
„Calvin Klein? Das ist eine Marke! Eine Marke so teuer, dass nur Gott sie tragen kann!“
Die erhellten Gesichter der Menschen verdunkelten sich sofort wieder.
Alle Augen waren böse funkelnd auf mich gerichtet. Es war an der Zeit, mich aus diesem Schlamassel zu bringen.
„Es tut mir wirklich leid, was hier passiert ist. Aber ihr müsst doch Verständnis damit haben, dass es nur ein Unfall war!“
Das Zücken der Heugabeln sagte mir, dass ich etwas falsches gesagt hatte.
„Packt den Heiden!“, schrie der Pfarrer aus voller Kehle.
Bevor ich reagieren konnte, lag ich gefesselt auf dem Boden. Der wütende Mob nahm mich in die Höhe, wie die Fans ihren Star. Sie trugen mich zur Kirche und vergassen natürlich nicht beim rausgehen mein Haus noch anzuzünden.
In dem riesigen Gewölbe der Kirche, banden mich die Leute vorerst mit Seilen an das Kreuz.
Die Menschen sassen auf die Kirchenbänke, während der Pfarrer nach vorne ging, wo ich gefesselt am Kreuz hing.
„Du ekliger Heide!“, flüsterte er mir angewidert ins Ohr, „Du hast unseren Herrschen getötet! Wegen dir kommen wir alle in die Hölle! Gott wird alle Menschen aus Rache töten.“
Ich konnte meine Zunge nicht halten: „Wie soll sich Gott rächen? Der liegt doch tot in meinem Kofferraum!“.
Der Pfarrer bekam einen Schwächeanfall, die Dorfbewohner sangen hysterisch „Verbrennt den Heiden!“.
Als der Pfarrer sich erholte hatte, richtete er sich zu seinem Publikum.
„Meine lieben Anhänger. Diesem Mann haben zu verdanken, dass wir alle sterben werden
Nun frage ich euch? Soll er es auch?“
Als Antwort hielten viele Leute ein Feuerzeug in die Luft.
„Gut! Er soll brennen!“, er riss seinen Pfarrerkragen heraus, zündete ihn an und begann damit meine Füsse zu rösten. Die Leute erhoben sich, wackelten bedrohlich auf mich zu.
Sie waren nur noch wenige Meter von mir entfernt, als sie zurück wichen. Der Grund war ein helles Licht. Die Türe der Kirche ging auf. Licht strömte herein, darin eine Gestalt, von welcher das Licht zu kommen schien.
„Stellt die Scheinwerfer ab!“, rief die Gestalt.
Das Licht ging aus und alle in der Kirche konnten den Papst Rudolf Ratzinger, auch genannt Benedikt de 16. erkennen.
„Was ist hier den los? Verbrennt ihr gerade jemanden?“
Der Pfarrer löschte schnell seinen Kragen, steckte ihn sich wieder an und schritt zum Papst.
„Oh Vertretter Gottes! Dieser Mann hat unseren Gott getötet!“
Die überraschte Miene des Papstes, welche alle erwartet hatten, fiel aus. Stattdessen antwortete er: „Ihr meint mir ist das noch nicht klar? Ich weiss es schon seit Stunden. Als ich heute Gott nach wichtigen Antworten gebeten hatte, gab er mir keine Antwort obwohl es sehr dringend war. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden ob ich nun die rote oder die grüne Kravatte anziehen sollte.“
Mein Blick wanderte auf die Brust des Papstes.
„Aber Herr. Sie haben weder die rote noch die grüne Krawatte an. Ihre ist blau!“
Durch diesen Kommentar erntete ich den bösen Blick Ratzingers.
Er lief nach vorne und stand böse schauend vor mir.
„Oh du schrecklicher Heide! Es geht dich nichts an was für eine Krawatte ich anhabe. In der Hölle wirst du eh keine tragen können!“
Ich verfluchte diesen Satz. Meine einzige Hoffnung bestand vorhin noch in der Güte des Papstes. Doch wie es aussah, war auch der sehr wütend.
Natürlich wollte ich dafür Beweise.
„Aber Herr Papst. Sie wollen mir doch nichts antun. Sie sind die Stimme einer friedlichen Religion“.
Der Papst lache neckisch auf.
„Wir sind nicht friedlich, wir sind christlich“.
Er rammte mir den Ellbogen in die Rippen. Es tat zwar weh, doch war es irgendwie ein tolles Gefühl, wenn einem der Papst eine Rippe brach.
Doch dieser war mit dem einzelnen Schlag noch nicht zufrieden.
Er spuckte mir ins Gesicht: „Warum konntest du nicht einen der Heidengötter überfahren?
Buddha zum Beispiel. Aber du musst natürlich gerade unseren Gott töten, obwohl es so viele andere gibt. Weißt du überhaupt was du uns angerichtet hast? In ein paar Wochen wird die Fortsetzung der Bibel auf den Markt kommen. Doch wegen dir werden wir wohl kein einziges Exemplar verkaufen. Das ist der Grund für deinen Tod!“
Meine Hoffnung zerbrach am Boden. Ich würde sterben, dass war klar.
Ein paar Kinder trugen riesige Nägel und einen Hammer herbei.
Ratzinger nahm ihnen den Hammer ab, stellte den ersten Nagel auf meinen rechten Arm und schlug zu. Es waren unglaubliche Schmerzen, als ich am Kreuz angenagelt wurde.
Die Leute, deren Leben ich zerstörte hatte, verschwammen vor meinen Augen.
Als letztes hörte ich den Papst sagen: „So, jetzt gehen wir zuerst mal einen Kaffe trinken“, dann starb ich.
Mario E.