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Der Teddy
Der Teddy
Sara war schön, mit ihren blonden Locken, den himmelblauen Augen, dem schlanken Körper und dem prallen Busen. An Selbstbewusstsein mangelte es ihr keineswegs, sie wusste, dass sie attraktiv war. Und das nutze sie aus. Sie war ihrem Freund nie treu gewesen. Natürlich wusste er nichts davon, auch wenn ihn manchmal Zweifel plagten. Er war hoffnungslos in sie verliebt, vergötterte sie und wäre für sie über Leichen gegangen. Mit ihren 18 Jahren wusste sie, wie man Männer um den kleinen Finger wickelte.
Sie lag in Jens' Armen und döste vor sich hin, als er etwas zu ihr sagte. Müde hob sie den Kopf. „Was?“
'Er ist wirklich nicht schön mit all seinen Pickeln. Ich habe jemand Besseres als ihn verdient', dachte sie, als er ihr ins Gesicht blickte.
„Ich sagte, dass ich dich liebe.“
Sie lächelte ihn an, aber innerlich blieb sie kalt. 'Das einzig Gute an ihm ist der Sex'. „Ich dich auch,“ erwiderte sie und drückte ihm schnell einen Kuss auf die Lippen.
'Halt einfach den Mund'.
Gerade, als sie ihren Kopf wieder auf seine Brust legen wollte, erhob er sich aus dem Bett und ging, so nackt wie er zur Welt gekommen war, zu seinem Schrank. Er öffnete die Schranktür, beugte sich runter und holte etwas raus.
„Ich habe hier etwas für dich.“ Er wandte sich zu ihr um, wobei sie sah, dass er einen alten Teddy in der Hand hielt. Das Kuscheltier war stark abgenutzt, das eine Auge hing nur noch an einem Faden. Sein braunes Fell starrte vor Schmutz. Er war in etwa so groß wie die Lavalampe, die die einzige Lichtquelle in diesem Zimmer war. „Der ist noch aus meinen Kindertagen und er bedeutet mir viel, fast genauso viel wie du. Und weil ich will, dass meine zwei wichtigsten Dinge im Leben beisammen sind, möchte ich ihn dir schenken!“, erklärte er ihr. „Er wird immer wissen, ob du mich liebst oder nicht!“
Sie nahm den schäbigen, kleinen Bär entgegen und versuchte so viel Freude wie möglich vorzutäuschen. „Oh, das ist ja total süß von dir! Das freut mich total, danke mein Schatz!“
Er strahlte sie an und sie lächelte zurück. Während sie dachte, dass das echt kindisch sei, wurde sie von ihm hoch gezogen und in den Arm genommen.
„Ich habe nicht vor, dich jemals an einen anderen Kerl abzugeben. Du bedeutest mir so wahnsinnig viel!“ Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und küsste sie zärtlich. „Ich möchte dich später heiraten.“
Müde kam sie am gleichen Abend nach Hause, schmiss das Geschenk, das Jens ihr gemacht hatte, in die nächste Ecke und ließ sich aufs Bett fallen.
„So was kindisches habe ich selten erlebt!“, sagte sie zu sich selbst und schloss die Augen.
Sie war kurz vorm Einschlafen, als ein Poltern im Flur sie aufschrecken lies. Sie hob kurz den Kopf, drehte sich dann aber auf den Bauch und wollte weiterschlafen. Wahrscheinlich war einfach nur etwas umgekippt. Sie war allein im Haus, ihre Eltern waren verreist, da blieb keine andere Möglichkeit.
Sie versuchte weiter zu schlafen und war auch wieder kurz vor dem Eindösen, als sie Wasserrauschen wahrnahm. Anfänglich dachte sie, es wäre nur Teil ihres Traumes, doch als sie die Augen öffnete und in die Dunkelheit blickte, erkannte sie, dass sie das Wasserrauschen immer noch hören konnte.
Merkwürdig. Sie war doch gar nicht im Bad gewesen.
Sie schaltete ihre Nachttischlampe ein, stand auf und ging zum Badezimmer. Sie suchte nach dem Lichtschalter fürs Bad, tastete die Wand nach ihm ab, fand ihn schließlich und betätigte ihn. Dann öffnete sie die Tür. Eine Hitzewelle schlug ihr entgegen. Die Dusche war voll aufgedreht.
Sie machte die paar Schritte bis zur Dusche, um sie abzustellen, doch sie nahm zuvor im Augenwinkel etwas wahr, das ihr merkwürdig erschien und sie genauer betrachten musste. Sie drehte sich zum Spiegel um, der eigentlich hätte komplett beschlagen sein müssen, aber er war stellenweiße gar nicht beschlagen, sodass sie sich darin sehen konnte. Einen Moment später erkannte sie, dass jemand diese Stellen sauber gewischt hatte und dass diese Stellen einen Satz ergaben: Du hast ihn betrogen.
Ihr Herz machte einen Satz, Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Sie war nicht allein! Und derjenige, der hier im Haus war, wusste von ihrem kleinen Geheimnis!
`Ich muss die Polizei rufen!´, kam ihr der Gedanke, worauf sie sich sogleich der Tür zudrehte. Die Dusche war jetzt egal, sollte sie doch laufen bis die Welt unterging!
Sie ging zurück in den Flur und schritt zum Telefon. Sie nahm den Hörer ab, hielt ihn sich ans Ohr und wählte die 110. Es dauerte einige Sekunden, bis sie erkannte, dass die Leitung tot war. „Hallo?“, flüsterte sie vergebens in den Hörer, so als hoffe sie, damit daran etwas ändern zu können. „Hallo?“ So stand sie einen langen Moment da, unfähig, den Hörer beiseite zu legen, starr vor Angst.
Sie musste hier raus!
Dann löste sich die Starre von ihr und sie warf den Hörer beiseite, rannte zur Tür, griff zur Türklinge und …
Abgeschlossen!
Das gab es doch nicht! Sie konnte sich glasklar daran erinnern, das sie die Tür nicht abgeschlossen hatte!
Mit Entsetzen erkannte sie dann auch noch, dass der Schlüssel nicht mehr am Brett hing. Da war es um ihre Beherrschung geschehen. Sie trommelte mit Fäusten gegen die Tür und rief um Hilfe.
„Hilfe! Hilf mir doch einer! Ich bin hier mit einem Verrückten eingeschlossen! Bitte! Hilfe! Hilfe!“
Aber vergebens. Niemand schien sie zu hören. Sie trommelte gegen die Tür, bis ihre Hände wund waren und ihre Stimme heiser. Aber keiner kam, um ihr zu helfen. Sie hatte keine Chance zu entkommen. Das Fenster konnte sie nicht, als Fluchtmöglichkeit, in Betracht ziehen, da sie im sechsten Stock wohnte.
Schließlich hörte sie auf und brach hoffnungslos in Tränen aus. So stand sie eine ganze Weile da, bis ein leises Schaben hinter ihr erklang. Voll Grauen und Entsetzen wandte sie sich um und das was sie sah, erfüllte sie mit noch mehr Angst, aber vor allem Unbegreiflichkeit.
Dort in ihrer Zimmertür stand der Teddybär, den ihr Freund ihr heute Mittag geschenkt hatte. In der einen Pfote hielt er ein Tranchiermesser - welches größer war als er selbst - in der anderen Tatze hatte er den Hausschlüssel. Er funkelte sie böse an. Sein Maul schien ein grausiges Grinsen zu zieren.
'er ist doch bloß aus Stoff, ein lächerliches Kuscheltier…!'[/I]Sie versuchte einen Schritt zurück zu machen, merkte dabei aber,dass sie bereits an der Tür lehnte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, konnte nicht begreifen was vor sich ging.
Das Tier machte zwar kleine Schritte, kam aber rasch näher und hatte den Abstand zwischen sich und Sara stark reduziert. Doch sie konnte einfach nur da stehen und dieses Ding anstarren. Dann, als er die Pfote mit dem Messer hob, löste sich ihre Starre und das Erste, was ihr in den Sinn kam, war, es in die Küche zu rennen, um sich ein Messer zur Verteidigung zu holen.
Sie stolperte panisch in die Küche, dachte dass dies Alles nur ein böser Traum sein konnte. Sie erreichte einer der Schubladen, zog eine auf, wühlte gerade darin herum und griff nach einem scharfen Messer, als sie einen brennenden Schmerz im Rücken spürte. Der Schmerz zog sich den Rücken entlang, aber am schlimmsten war er an der rechten Schulter. Er raubte ihr alle Luft, sie konnte fühlen, wie sich ihre Lunge mit Blut füllte. Sie stürze vornüber, schlug sich am Küchenschrank den Kopf auf und blieb dann auf dem Boden liegen. Sie keuchte, rang nach Luft, hustete Blut, wusste nicht was passiert war, bis sie den Teddybär in der Tür stehen sah. Jetzt hatte er kein Tranchiermesser mehr in der Tatze. Und da wusste sie, dass er es auf sie geworfen und getroffen hatte. Sie versuchte zu schreien, doch als Ergebnis floss ein Schwall Blut aus ihrem Mund und sie musste von neuem husten.
Vergebens versuchte sie von ihm weg zu kriechen, doch er war schneller als sie und stand wenige Augenblicke später über ihr. Sie krampfte ihre Hände kurz zu Fäusten, versuchte nach ihm zu boxen, verfehlte ihn aber. Er hielt immer noch den Schlüssel in der Klaue und bevor sie wusste was geschah, stach er ihr damit in die Kehle. Sie gab einen kurzen, röchelnden Laut von sich, sah noch wie ihr Blut den Boden besudelte, dann war sie tot …
Als Saras Eltern einen Abend später nach Hause kamen, fanden sie ihre Tochter tot auf dem Küchenboden. In ihrem Rücken steckte ein Tranchiermesser, später – bei der Autopsie – stellte man jedoch fest, dass sie einen Schlüsselbund tief in der Kehle stecken hatte und daran gestorben war.
Auf dem Boden stand folgende Nachricht: Du hattest ihn betrogen. Jetzt hast du dafür gezahlt. Sie war mit dem Blut des Mädchens geschrieben worden. Neben der Botschaft lag der Bär …