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Der Tod der Eldaner

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08.02.2016
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Der Tod der Eldaner

I​
Ideirz erwachte, als sein Wecker einen Impuls an den Empfänger sandte und über seinem Bett die Nachrichten von PBN erschienen. Er setzte sich langsam auf, während der Bildschirm die Zimmerdecke entlang und schließlich ein Stück weit die Wand herunter glitt, immer einen rechten Winkel zu seiner Blickrichtung haltend. Verschlafen rieb er sich die Augen.

Molly Kleinhans, die Nachrichtensprecherin, drückte eine Hand auf das rechte Ohr, damit die aktuellen Informationen, die auf ihr Implantat übertragen wurden, nicht durch Geräusche aus dem Studio gestört würden ...

„... Gerade erreicht uns die Nachricht, dass die beiden Toten eindeutig identifiziert wurden: Es handelt sich, wie uns die Friedens-Polizei eben bestätigte, tatsächlich um Toktangnar und Amnadanirasun. Es besteht kein Zweifel mehr, bei den Leichen, die vor zwei Stunden in einem Krater in einem Außenbezirk von Lod gefunden wurden, handelt es sich um die Eldaner. Mein Damen und Herren verzeihen Sie das Pathos, aber die Vereiner der Menschheit sind tot.“

Ideirz wechselte den Kanal, doch die Bilder änderten sich nicht. Auf jedem Sender wurden Aufnahmen von einem klaffenden Loch mitten in einer Straße gezeigt. Einsatzkräfte standen darin und blickten ratlos um sich. Am Rande der Grube hatten sich Menschen versammelt. Einige starrten nach unten, andere weinten und manche hielten sich gegenseitig, um sich zu trösten.

Er wechselte wieder zu PBN und Molly Kleinhans Bericht: „Noch kann sich von den Ermittlern der Friedens-Polizei niemand erklären, was hier geschehen ist, aber es wird soeben die Umgebung untersucht und mögliche Zeugen befragt. Ich bin jetzt mit Sadir Fadil, unserem Reporter vor Ort verbunden ... Sadir, weiß man schon Neues über die Ereignisse, die zu dieser Katastrophe geführt haben?“

- Nein, Molly, wir wissen hier noch nichts. Aber die FP-Ermittler haben vor wenigen Minuten Gruppen gebildet, die die umliegenden Felder nach Spuren absuchen.
- Weiß man etwas über den Krater, wie er zustande kam?
- Man geht hier von einer Explosion aus, aber niemand weiß noch, wodurch diese verursacht wurde, allerdings gibt es noch viele Unklarheiten, denn die Körper der Eldaner scheinen verbrannt zu sein, sie lagen, einander umarmend, am Grund des Kraters. Man würde vermuten, dass, wenn sie im Zentrum einer Explosion gewesen wären, wohl zerrissen und weggeschleudert worden wären. Aber wir wissen nun mal auch nicht viel über die Beschaffenheit der Körper der Eldaner und es könnte sein...ah, ich sehe gerade, dass die Ermittler von der Zeugenbefragung bei einer der Ladestationen in der Nähe zurückkehren. Man hatte uns gebeten, hier zu warten und uns versichert, dass man uns informieren werde. Ich werde versuchen mit einem der FP-Kommissare zu sprechen...Verzeihen Sie, Herr Kommissar! Gibt es schon neue Erkenntnisse? Gibt es Spuren?
- Haben Sie bitte Verständnis, ich muss erst mit dem General über die weitere Medieninformationspolitik sprechen, verzeihen Sie, wir werden zu einem späteren Zeitpunkt eine Erklärung abgeben.
- Aber laut Informationsgesetz müssen Sie...
- Verzeihen Sie, es könnte sein, dass das Gesetz hier..., dass es hier..., es besteht der Verdacht, dass es hier ein Verbrechen gegeben hat.
- Ein Verbrechen!?
- Ja, entschuldigen Sie uns jetzt, es wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Erklärung geben.
- Verehrte Zuseherinnen, sie sehen mich ein wenig verstört, seit nun fast 50 Jahren, seit die Eldaner ihre Vermittlungsreisen begonnen hatten, hat es kein Verbrechen mehr in so einer Dimension gegeben, ebenso wenig eine derart restriktive Informationspolitik von Seiten der Behörden. Ich werde versuchen, weitere Informationen zu bekommen, aber vorerst gebe ich zurück ins Studio, Molly?
- Danke Sadir. Meine Damen und Herren, falls Sie sich gerade erst eingeschaltet haben: Die Welt ist geschockt und trauert um die Eldaner, deren Leichen heute Morgen am Grund eines mysteriösen Kraters gefunden wurden. Die Polizei hält sich noch bedeckt, was ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse anbelangt und es gibt Gerüchte über ein Verbrechen. Wie ich soeben erfahre, hat der FP-General Kenji Ōgawa für elf Uhr dreißig, also in genau zwei Stunden, eine Pressekonferenz anberaumt, wo er eine Erklärung abzugeben gedenkt.

Ideirz stieg aus dem Bett und mit einer gelangweilten Handbewegung fixierte er den Bildschirm an der Wand. Er hatte nichts zu tun, als zu warten. Er ging in die Küche, füllte sich ein Glas Wasser an und ging zurück in sein Schlafzimmer. Dort setzte er sich an das Fußende seines Bettes und blickte in den Fernsehmonitor. Es begann gerade eine Reportage über das Wirken der Eldaner, die offensichtlich für ein Jubiläum schon vorbereitet gewesen war und die Zeit bis zur Pressekonferenz General Ōgawas überbrücken sollte.

„Vor 50 Jahren begann die Geschichte, die das Antlitz unserer Welt veränderte. 50 Jahre ist es nun her, dass diejenigen, die sich Eldaner nennen, in unsere aller Leben traten. Es war bei der UN-Generalversammlung am 9.5.2009, als die Regierungschefs der Mitgliederstaaten heftig über eine Resolution stritten, die die Haltung der UNO im Japan-Korea-China-Konflikt klären sollte. Mitten in der Konferenz traten plötzlich zwei Gestalten aus dem Schatten. Sie waren eher klein, 1,70 m, und ihre Silhouetten glichen denjenigen von Menschen, einem männlichen und einem weiblichen. Doch als sie gut erkennbar im Licht standen, sah man ihre Andersartigkeit. Ihre Körper, einschließlich ihrer Hände und Füße, waren zwar von eng anliegenden grauen Overalls bedeckt, aber ihre Köpfe und Gesichter konnte man sehen. Sie hatten menschähnliche Züge, aber ihre Haut war grau und schimmerte wie ein Ölfilm je nach dem Lichteinfallswinkel in verschiedenen Farben; ihre Augen waren klein, rund und schwarz, kein Haar war auf ihren Häuptern. Die Versammlung reagierte geschockt auf ihr erscheinen, aber bevor jemand reagieren konnte, stand eine neben dem chinesischen Regierungschef Hu und eine neben seinem japanischen Gegenüber Abe. Sie berührten deren Wangen mit einer Hand und neigten ihre Köpfe zu deren Ohren, als würden sie ihnen etwas flüsternd sagen. Der Saal war in Aufruhr, die übrigen Regierungschefs schrien wild durcheinander und Sicherheitskräfte stürmten in den Saal. Nur Hu und Abe verhielten sich ruhig und begannen nach kurzer Zeit zu nicken, als würden sie etwas einsehen, etwas hören, dem sie zustimmten. Hu stand als erster auf und Abe folgte ihm und richtete das Wort an die Versammelten: „Es gibt Dinge, die wir bisher nicht bedacht haben, die aber eigentlich immer vor uns gelegen haben. Wir müssen Positionen anerkennen, die bisher nicht die unseren waren, in der Hoffnung, dass auch diejenigen, die diese Positionen vertreten, ihren Standpunkt überdenken. China wird ab sofort seine Truppen aus Korea zurückziehen und auf jegliche Vergeltungsmaßnahme verzichten.“ Dann ergriff Abe das Wort: „Auch Japan sieht sich größeren Interessen verpflichtet und wird auf weitere Maßnahmen der Selbstverteidigung verzichten mit der Aussicht auf strukturelle Änderungen, die zukünftig eine Verteidigung jeglicher Art überflüssig machen werden.“ Während die Politiker noch sprachen, waren die beiden Wesen zu den anderen Versammlungsmitgliedern geeilt. Ruhig, aber zügig hatten sie alle Teilnehmer der 194 Delegationen berührt und ihnen etwas zugeflüstert. Jeder der mit ihnen in Kontakt kam, hatte sie offensichtlich verstanden und half ihnen, die Übrigen zu erreichen. Dann begannen angeregte Diskussionen in kleinen Gruppen, doch alle schienen sich einig zu sein. Nach Kurzem trat man an die Wesen heran und forderte sie auf, am Rednerpult das Wort zu ergreifen und zur Welt zu sprechen, indem man den Fernsehstationen mit ihren Kameras Zutritt zum Saal gewährte. Dann sprachen sie. Niemand wusste in welcher Sprache, aber jeder verstand sie: ‚Wir sind Elda, wir kommen nicht von außen, wir kommen aus eurer Mitte. Wir sind, wie alles, das ihr seht, geschaffen aus einer starken Überzeugung, einer Überzeugung, die in euch allen sein muss, ob es euch bewusst ist oder nicht. Ihr seid eine Gemeinschaft und gleichzeitig Gefangene einer Vorstellungskraft. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ein Konflikt zu lösen ist, deshalb besteht er. Ihr glaubt, es kann keine Welt ohne den Konflikt geben, deshalb besteht er. Aber ihr könnt euch eine abstrakte Lösung vorstellen, eine Lösung, und nur eine solche Lösung, die aus dem sonst Vorstellbaren herausgehoben ist. Dieser Glaube ist mit der Zeit zu einer Überzeugung geworden. Ihr habt uns geschaffen.‘ Hier fanden die großen Veränderungen ihren Ausgangspunkt, von da an begannen die Eldaner ...“ der Bildschirm wurde schwarz, das Zimmer war dunkel und still. Es gab keinen Strom mehr.

Als die Tür zu Ideirz Wohnung aufgesprengt wurde, stand er bereits neben dem Türrahmen und wartete, bis der erste Polizist das Zimmer betreten hatte. Keiner dieser Friedenspolizisten hatte Einsatzerfahrung. Er trat dem ersten von hinten in die Kniekehle und entriss ihm die Waffe – so schnell, dass keiner reagieren konnte, bevor Ideirz das Feuer eröffnete. Er schoss kniend durch die Tür und die vorderste Reihe der Einsatzkräfte ging zu Boden. Die übrigen Polizisten suchten Deckung und erwiderten das Feuer. Im Inneren der Wohnung klirrte Glas von geborstenen Fensterscheiben. Gas breitete sich aus. Polizisten stiegen durch die Fenster und nahmen ihn ins Visier. Ideirz arbeitete mit der kühlen Präzision eines Chirurgen, der, auch wenn wellenartig austretendes Blut die Sicht erschwerte, ein Organ nach dem anderen versagte und der Kampf aussichtslos schien, Klammern setzte und sein Skalpell in ruhigen ökonomischen Bewegungen führte. Von allen Seiten hagelte es Projektile. Ideirz wurde mehrmals getroffen und verlor das Bewusstsein.

Er erwachte im Halbdunkel eines nächtlichen Krankenhauszimmers. Sein Bett, das einzige im Raum, stand nahe an einem Fenster, durch das er auf die Straße hinunter sehen konnte. Ein heller Lichtschein kam von dort herein und blendete ihn. Nach und nach gewöhnte er sich aber an das Licht und er konnte sehen, woher es kam. Vor dem Gebäude standen tausende Menschen mit Kerzen in den Händen. Ideirz ließ seinen Kopf zurück auf das Kissen sinken und lächelte.

II​
Oberkommissarin für Spezielle Angelegenheiten Ada Holdon bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Viele hatten Botschaften auf Papierblätter, Pappkartons und Transparente geschrieben. Alle sagten in unterschiedlichen Worten das, was sie skandierten, als Holdon das Krankenhaus betrat: „Gerechtigkeit den Elda!“ Sie war über die große Zahl der Demonstranten überrascht, seit 40 Jahren hatte es keine richtigen Demonstrationen mehr gegeben. Was als Mahnwache begonnen hatte, war in den letzten zwei Tagen zu zunehmend emotionalen Protestkundgebung gewachsen. Früher oder später würden mehr Polizisten abgestellt werden müssen, um die Menge im Zaum zu halten. Holdon fragte sich, ob sie genügend Leute dafür hätten, vor allem solche, die einer derartigen Situation gewachsen wären.

Neben der Türe zum Krankenzimmer saßen zwei Wachmänner, auf einem Schild an der Wand stand der Name Ideirz Kroner. Als sie eintrat blendeten sie die Strahlen der tief stehenden Sonne, die direkt vor dem Fenster zu hängen schien. Erst langsam konnte sie Umrisse im Zimmer erkennen. Ideirz saß aufrecht im Bett und hatte sein Gesicht zur Sonne gewandt.

„Herr Kroner, ich bin Oberkommissarin Ada Holdon von der Friedenspolizei Arkangrad. Ich bin hier, um sie zu den Ereignissen am 1.5. dieses Jahres zu befragen“, sagte Holdon. Ideirz rührte sich nicht. Sie ging zur anderen Seite des Zimmers und stellte sich ans Fenster. Die Menschenmenge vor dem Krankenhaus war weiter angewachsen. Sie drehte sich um lehnte sich ans Fensterbrett, sodass sie auf den Patienten im Krankenbett schaute. Sein Kopf war kahl geschoren, er war groß und offensichtlich muskulös. Sein Alter hätte sie nicht schätzen können, wenn sie nicht aus den spärlichen Informationen aus ihren Unterlagen gewusst hätte, dass er 49 war. Seine Augen waren zunächst geschlossen, doch sobald Holdon vor ihm stand öffnete er sie. Iris und Pupille waren so dunkel, dass sie nicht unterscheidbar waren.

„Die Kameras haben uns eigentlich ein ganz eindeutiges Bild geliefert“, begann Holdon, „wir hatten zuerst gedacht, dass Sie vorsorglich beschädigt worden waren, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass sie erst nach der Explosion ausfielen. Alles davor ist klar zu erkennen. Man sieht, wie Sie um 23:55 Uhr auf der Perstraße im Loder Vorort Mühlen die Eldaner treffen, wie Amnadanirasun sie an der Wange berührt und zu ihnen spricht, wie Sie sie mit einem Schlag zu Boden strecken, wie sich Toktangnar zwischen Sie und der am Boden Liegenden kniet und die Hände hebt, wie Sie ihn mit einem Fußtritt ins Gesicht ebenfalls niederstrecken, wie Sie sich über die beiden beugen, etwas an ihnen machen, wie sie danach die Perstraße Richtung Wertbezirk weggehen und schließlich um exakt 00:00 Uhr etwas genau an der Stelle, wo die Eldaner liegen detoniert. Die Explosion reißt einen gewaltigen Krater in die Straße, darum herum gibt es keine Beschädigung, keine Steine, die weggeschleudert wurden, nicht einmal Sand. Was für ein Art Bombe war das?“ – „Diese technische Frage erscheint Ihnen am wichtigsten?“, fragte Ideirz. „Ich habe eigentlich nur zwei Fragen an Sie“, entgegnete Holdon. „Warum und wie? Welche Sie davon zuerst beantworten, ist mir egal.“ – „Das Wie würden Sie nicht verstehen. Noch nicht, vielleicht später, wenn ich Ihnen mehr erzählt habe. Sobald Sie es aber verstehen und wenn Sie mir glauben, kann ich eine ähnliche Detonation auch hier, in diesem Zimmer erzeugen“, sagte Ideirz. Holdon hatte das Gefühl, bereits in eine Falle gelaufen zu sein. Sollte sie wegen der angedeuteten Bombe Alarm schlagen? Aber es war unmöglich, dass er eine Bombe hierher mitgebracht hatte. Man hatte ihm bei der Einlieferung alles abgenommen und selbst seinen Körper auf mögliche versteckte Waffen und Modifikationen untersucht. „Bleiben wir dann zunächst bei einfacheren Dingen“, sagte sie schließlich, „wie sind Sie nach Mühlen gekommen? Haben Sie ein Taxi genommen?“ Ideirz lächelte. Seine Arme ruhten auf seinen Oberschenkeln, seine Gesichtszüge waren entspannt. „Die Eldaner haben mich dorthin gebracht.“ – „Wie haben sie das gemacht?“, fragte Holdon. „Was wissen Sie über die Eldaner?“, entgegnete Ideirz mit einer Frage. Holdon wusste, dass sie das Gespräch lenken sollte und dass sie im Begriff war die Führung zu verlieren. Sie ließ sich darauf ein. „Nicht viel. Schließlich hat auch die Wissenschaft in 50 Jahren noch kaum Erkenntnisse über sie gewonnen. Sie sind menschenähnliche Wesen, die Vorgeben so etwas wie eine Emanation des Wunsches der gesamten Menschheit zu sein. Erklären kann das niemand und sie selbst haben sich dazu nur einmal sehr vage geäußert. Also im Grunde wissen wir nichts, außer dem, was wir bei ihrem Auftreten sehen. Sie habe aber ihr gesamtes Wirken in den Dienst der Menschheit gestellt“. – „Wir kennen ihre Motive und Ziele nicht,“ sagte Ideirz, „seit 50 Jahren wissen die Menschen nicht, wie und warum die Eldaner getan haben, was sie getan haben. Warum glauben Sie dann, dass Sie meine Methoden und Motive verstehen werden können?“ Holdon zögerte einen Moment, dann sagte sie: „Wollen Sie mir weis machen, dass Sie ein Eldander sind?“ – „Nein, natürlich nicht, ich bin etwas anderes. Wissen Sie, dass die Eldaner Angst hatten?“, fragte Ideirz. „Wovor?“, fragte Holdon zurück. Ideirz lächelte wieder. Er erhob sich vom Bett und trat ans Fenster. Er schaute auf die Straße, wo sich noch immer die große Schar der Demonstranten befand. Sie waren ruhig geworden, doch als sie Ideirz am Fenster sahen, kam Bewegung in die Menge. Arme wurden erhoben und Finger zeigten auf ihn. Gemurmel verbreitete sich, wurde zu vereinzelten Rufen und schwoll zu einem wilden Geschrei an. Ideirz hob die Hand, als ob er die Menge grüßte. Daraufhin versuchten einige die Sperre vor dem Krankenhaus zu überwinden und die Polizisten hatten große Mühe, die Menschen zurückzuhalten. Holdon sah, dass es neue Aufschriften auf den Plakaten und Transparenten gab. „Kein Hausarrest für Mörder!“ las sie dort oder „Strafe gemäß dem Verbrechen. Jetzt!“ Ideirz setzte sich wieder auf sein Bett und sagte: „Verzeihen Sie bitte, aber ich bin noch sehr geschwächt von meinen Verletzungen und brauche jetzt Ruhe.“ Er legte sich hin und während Holdon etwas unsicher stehen blieb, drückte er den Rufknopf. Der Lärm auf der Straße wurde lauter und aggressiver, zerbrechendes Glas klirrte. Wenig später erschien eine Krankenschwester im Zimmer und sagte: „Frau Oberkommissarin, ich denke es reicht für heute, der Patient braucht noch viel Ruhe.“ Holdon nickte. „Ich komme morgen wieder,“ sagte sie und verließ das Zimmer.

Als Holdon den Eingangsbereich des Krankenhauses erreichte, bot sich ihr ein Bild, wie sie es nur aus Geschichtsbüchern und historischen Serien kannte. Ärzte und Krankenschwestern versorgten verwundete Polizisten. Die Demonstranten hatten die Glasscheiben des Haupteingangs zerschlagen und der Durchgang war mit Bänken und Tischen aus dem Wartebereich verbarrikadiert. Ein Krankenbett diente als Schleuse. Man schob es zur Seite, um verletzte Sicherheitskräfte hereinzubringen und diejenigen, die wieder stehen konnten, zurück in das Getümmel zu schicken. Ein wütender Mob rannte gegen die Barrikade an, angefeuert von der Masse der Demonstranten. Die Polizisten versuchten die vorderste Reihe der Angreifer davon abzuhalten, die Barriere einzureißen.

Holdon ging zu einer der verletzten Polizistinnen. „Wer hat das Kommando hier?“ fragte sie. Die Polizistin hob schwerfällig den Kopf. Eines ihrer Augen war verbunden, das andere stark geschwollen, ihre Lippen blutig. Sie sah Holdon an und sagte: „Ich weiß es nicht mehr.“ Holdon ließ nicht locker: „Wo ist der Rest eurer Einheit? Warum ist noch keine Verstärkung da? Habt ihr keine Wasserwerfer angefordert?“ Mühsam antwortete die Polizistin: „Wir mussten uns aufteilen. Die anderen stehen an Fenstern und anderen Eingängen. Wasserwerfer habe wir schon lange angefordert, aber die waren nicht einsatzbereit. Ich weiß nicht, wann Verstärkung kommt, ich habe mein Funkgerät verloren.“ Holdon nahm ihr Telefon und versuchte den FP-General Ōgawa selbst zu erreichen, aber sie kam nicht durch. Dann versuchte sie es im Regionalhauptquartier. Sie erreichte Polizeidirektor Malden. „Was wollen Sie?“, schrie dieser heiser. Holdon berichtete von der Situation und erfuhr, dass nicht genügend Polizisten im Dienst zur Verfügung standen und dass sie daran arbeiteten, Einsatzkräfte aus anderen Regionen und aus dem Urlaub zu holen. Die Wasserwerfer sollten aber jeden Moment eintreffen. Holdon schlug vor einen, Helikopter bereit zu halten, um notfalls den Verdächtigen an einen anderen, öffentlich nicht bekannten Ort bringen zu können. Malden schnaubte verächtlich. „Wir haben hier schon lange keine eigenen Helikopter mehr und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich einen, der in Reichweite steht, herbekommen könnte. Aber Sie könnten vielleicht einen bekommen, fragen Sie doch Ihren General.“ Dann war die Verbindung unterbrochen. Holdon hörte Sirenen. Sie stieg auf die Barrikade und sah durch einen Spalt, was draußen passierte. Drei Einsatzwägen mit Wasserwerfern fuhren auf dem Vorplatz des Krankenhauses in Position. Sie rief den Polizisten, die draußen standen, zu, hinter die Barrikade zu kommen und die Barrikade so gut es ging zu verstärken. Dann schoss das Wasser mit zwanzig Bar in die Menge und die Menschen stoben auseinander.

Nach etwa einer Stunde beruhigte sich die Lage. Verstärkung traf ein und es gelang, den Bereich unmittelbar vor dem Krankenhaus zu räumen. Sperren wurden aufgestellt und eine Pufferzone errichtet. Einsatzfahrzeuge hielten einen Zugang zur Sperrzone offen. Erst spät nachts konnte Holdon, das Krankenhaus verlassen.

Als sie in ihr Hotelzimmer kam, ließ sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen, schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Dann aktivierte sie an dem Bildschirm über sich eine Verbindung in die Ostregion. Nach kurzem Warten erschien das Gesicht eines Mädchens im Teenageralter vor dem Hintergrund eines hellen, großen Wohnzimmers. Es saß an einem Tisch und hatte Kekse und Milch vor sich.

"Hallo Mama! Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe in den Nachrichten gesehen, dass dort bei dir die Hölle los ist. Wir haben uns Sorgen gemacht."
"Hallo meine Süße, ja, es war eine Zeitlang ziemlich schlimm, aber die Lage hat sich dann recht schnell wieder beruhigt. Jetzt ist alles unter Kontrolle und mir geht es gut."
"Ok, das ist gut, aber sei vorsichtig, ja? Ardan ist mit seinen Kumpels zum Strand gegangen. Ich gehe jetzt auch. Soll ich Papa holen?"
"Ja, bitte. Mach’s gut und viel Spaß."

Das Mädchen verschwand vom Bildschirm und kurze Zeit später erschien ein etwa 50-jähriger, unrasierter Mann mit etwas verschlafener Miene, aber sichtlich erfreut lächelnd.

"Hey, ich hab schon gehört, dass alles gut ist. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht, ich war die halbe Nacht auf und hab‘ Nachrichten geschaut."
"Ja, es ist alles okay bei mir, aber so etwas wie heute habe ich noch nicht gesehen. Alles ist seltsam: die wütenden Menschen, mit so einer Aggression, ich hatte nicht gedacht, dass es so etwas gibt. Und der Verdächtige ist sehr rätselhaft. Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwas Sinnvolles von ihm erfahren kann. Seit einer Ewigkeit hat niemand bei uns so ein Verhör geführt, überhaupt eine richtige Vernehmung."
"Spricht er? Ich meine, ist er bereit, etwas zu erzählen oder blockt er alles ab?"
"Ich glaube, er würde schon sprechen, ich müsste ihn nur in die richtige Richtung lenken. Aber er schwafelt eher, sagt nichts Konkretes."
"Lass ihn reden, hab Geduld, je mehr er redet, desto mehr verrät er am Ende vielleicht auch, gewollt oder ungewollt."
"Ja, das habe ich vor, aber ich bin noch nicht ganz sicher, ob er gefährlich ist ..."
"Natürlich ist er gefährlich! Du hast doch erzählt, was er mit diesem Einsatzkommando gemacht hat. Du bist doch nicht alleine mit ihm und er ist ausreichend gesichert, ja?"
"Ja, ja, ich bin nicht in Gefahr bei ihm, alles ist gut gesichert. Ich muss jetzt ein wenig schlafen, bei uns ist es schon sehr spät und ich muss morgen wieder früh ins Krankenhaus. Ich melde mich dann wieder. Ich wünsch‘ dir einen schönen Tag, bis dann!"
"Mach’s gut und pass auf dich auf!"

III​
Als Holdon am nächsten Morgen wieder auf dem Vorplatz des Krankenhauses eintraf, war die Lage weiterhin ruhig, doch das Bild hatte sich im Vergleich zum Vortag völlig verändert. Am Rande der Pufferzone, die nun um das gesamte Gebäude gebildet wurde, standen die Wasserwerfer sowie Truppentransportbusse. Ein Korridor durch die Menge der Demonstranten war von den gleichen Bussen gesäumt. Auf dem geräumten Platz standen in großer Zahl schwerbewaffnete Einsatzkräfte. Die Demonstranten waren über Nacht noch einmal mehr geworden. Der gesamte Stadtteil schien von Menschen geflutet zu sein. Doch noch war es ruhig, viele saßen auf dem Boden, aßen Snacks und tranken aus Thermoskannen oder Pappbechern.

Holdon bahnte sich ihren Ausweis vor sich haltend einen Weg durch die Sicherheitskontrollen in das Krankenhaus. Als sie Ideirz Zimmer betrat, war dieser nicht in seinem Bett. Die Tür zum Badezimmer stand einen Spalt offen und sie sah ihn nackt in der Dusche stehen. Er wurde von einer Krankenschwester behutsam um seine Wunden herum mit einem Lappen gewaschen. Wieder wunderte sie sich über sein Alter. Er war dünn und muskulös wie ein Leichtathlet. Er stand mit dem Rücken zur Tür, während sie ihn betrachtete. „Frau Oberkommissarin“, sprach er sie plötzlich an, „verzeihen Sie bitte, ich werde gleich bei Ihnen sein.“ Sie zuckte, als hätte sie ein Wecker aus dem Schlaf gerissen und sagte: „Das macht nichts, ich warte.“ Sie ging ans Fenster und blickte düster auf die Szene vor dem Krankenhaus. Die Demonstranten erhoben sich langsam wieder und die ersten Plakate wurden hochgehalten.

Ideirz kam in ein Krankenhaushemd gekleidet aus dem Badezimmer und stieg in sein Bett, ohne weitere Hilfe zu benötigen. An seinen Bewegungen konnte man keine Verletzungen erkennen. Die Schwester verabschiedete sich und sie waren allein. „Was wissen Sie über das Volk der Argura?“, begann Ideirz das Gespräch. „Die Argura? Sie meinen den Stamm der Ureinwohner des Nordkontinents?“, fragte Holdon. Ideirz antwortete: „Nun, ‚Ureinwohner des Nordkontinents‘ trifft es nicht ganz, obwohl sie recht haben, dass sie dort gelebt haben, lange bevor ein menschlicher Fuß diesen Boden berührt hat. Aber nicht nur auf dem Nordkontinent. Sie waren auf der ganzen Erde verteilt und hatten eine fortschrittliche Zivilisation, als es noch keine Menschen gab ...“ – „... doch Mutter Aras vertrieb sie vom Antlitz der Erde und schenkte das Land ihren Kindern, den Menschen“, unterbrach ihn Holdon salbungsvoll, „worauf wollen Sie hinaus mit diesen Mythen, die nicht einmal den Zeuginnen der Mutter wert schienen, sie in die Bibel aufzunehmen.“ Ideirz lächelte. „Ach die Bibel. Aber Sie kennen die Geschichten. Das ist gut. Als die Zivilisation der Argura in Kriegen unterging, zogen sie sich in die Natur zurück. Sie folgten dem Vorbild der Tiere, die sie als Spitze der Evolution sahen, da sie meinten, sie hätten allen unnötigen Ballast abgeworfen und die Essenz des Lebens gefunden. Dann beobachteten sie fasziniert die Entwicklung des Menschen. Es kam zu Konfrontationen – Sie kennen bestimmt die Geschichte vom ‚Betrug des Arguraners‘ – und sie entschieden sich, sich unter die Menschen zu mischen.

Wir alle tragen einen Bruchteil von ihnen in uns. Sie müssen wissen, dass ‚Argura‘ ‚Schöpfer‘ bedeutet. Sie waren einst körperlose Wesen die Sterne, Welten und Galaxien erschaffen haben, aber nur auf der Erde verbanden sie alle Urstoffe, alles, aus dem sie selbst bestanden, mit nur einer Regel: dem Zufall. Die Entwicklung reizte sie so sehr, dass sie alle anderen Welten vernachlässigten, und schließlich gerieten sie untereinander in einen Streit, wie es mit unserer Welt weitergehen sollte. Sollte man in die Entwicklung eingreifen, sie mit mehr Regeln lenken – viele meinten, als Schöpfer sei das das Wesen ihres Daseins – oder sollten sie einfach weiter beobachten. Ihr kollektives Wesen zerfiel in diesem Streit und nur ein Teil von ihnen konnte sich in körperlicher Form auf diese Welt retten. Ihre Fähigkeiten waren stark geschwächt, sie hatten keinen direkten Zugriff mehr auf die Elemente, mit denen sie früher frei hantieren konnten. Nur unter großen Mühen und in Zusammenarbeit konnten sie die Elemente, aus denen alles auf dieser Welt gemacht ist, noch beeinflussen.

Der Mensch aber machte ihnen Angst. Er war wild, irrational, gewalttätig, unkontrollierbar, aber auch zunehmend kreativ und geschickt ...“ – „Und die Eldaner waren ein Danaergeschenk der Arguraner und Sie haben die Menschheit gerettet“ unterbrach ihn Holdon, „und wenn Sie nicht gestorben sind ...“ Holdon seufzte. Das Gespräch schien ihr, reine Zeitverschwendung zu sein. Sie ärgerte sich, dass ihr dieser Auftrag übertragen wurde. Schließlich sagte sie: „Ich denke, ich habe vorerst genug gehört. Ich werde sie verlegen lassen, an einen öffentlich nicht bekannten Ort, dort warten Sie auf Ihren Prozess. Ich spreche dort wieder mit Ihnen. Eigentlich ist es egal, in welchen Anklagepunkten Sie letztendlich verurteilt werden. Mit den Videoaufzeichnungen und den getöteten Polizisten werden Sie den Hausarrest nie wieder verlassen.“ – „Gut“, antwortete Ideirz, „ich freue mich darauf. Hausarrest klingt sehr gemütlich oder glauben Sie, dass man für mich vielleicht wieder ein Gefängnis öffnen würde? Wie dem auch sei, ich werde nie einen Gerichtssaal betreten. Dafür entwickeln sich die Dinge zu schnell. Und besser als erwartet. Leben Sie wohl, Frau Oberkommissarin. Sie werden in Zukunft wieder mehr zu tun haben und vielleicht lernen Sie mit mehr Erfahrung auch noch die Kunst des Verhörs.“ Ideirz lächelte, lehnte sich in seinem Bett zurück und schloss die Augen. Holdon zögerte einen Moment auf ihrem Weg aus dem Zimmer und betrachtete ihn. Zweifel schlichen sich in ihre Gedanken, so sehr sie auch versuchte, sie abzuschütteln. Seit dem Auftreten der Eldaner, schien nichts mehr unmöglich, nichts zu absurd, um einfach abgetan zu werden. Auch an Ideirz war vieles wunderlich, sein mysteriöses agieren in den Videos, sein viel zu rascher Heilungsprozess ... konnte es sein ...“ Ideirz öffnete die Lider und sah Holdon in die Augen. Sie hatte ein Gefühl, als begänne der Raum schwankend zu rotieren. Er lächelte weiterhin und sagte: „Sie missverstehen übrigens. Ich bin die List, das Opfer und der Erlöser.“ Holdon musste sich an die Wand stützen, alles drehte sich vor ihren Augen, ihre Knie wurden schwach und sie stürzte zu Boden. Ideirz breitete die Arme aus, als wolle er sie umarmen. Da krachte es vor dem Krankenhaus zum ersten Mal. Beim zweiten Mal barsten die Fenster des Zimmers und gewaltiges Getöse und Gebrüll drang von draußen herein. Dann krachte es zum dritten Mal.

IV​
... Molly Kleinhans mit den Details:

- Gestern kam es zu Ausschreitungen und Ausbrüchen von Gewalt in vielen Metropolen der Welt. In der Region Nordeuropa wurde sogar das Regionalparlament von einer aufgebrachten Menge gestürmt und ... Ich höre gerade, dass es neue Ereignisse vor dem Krankenhaus „Der Heiligen Mutter“ gibt, wo der Elda-Attentäter untergebracht ist. Wir schalten live zu Sadir Fadil. Hallo Sadir, wie ist die Lage bei euch?
- Hier sind alle Dämme gebrochen. Vor wenigen Augenblicken gab es hier drei Explosionen, die die Polizeiabsperrung vor dem Krankenhaus zerstört haben. Dabei wurden offensichtlich zahlreiche Polizisten getötet wurden. Der Vorplatz zum Krankenhaus sieht wie ein Schlachtfeld aus. Bereits nach der ersten Explosion sind hier die Demonstranten in die Pufferzone gestürmt und haben die Polizei angegriffen. Niemand hat mit so etwas gerechnet, es traf die Beamten völlig unvorbereitet, die eigentlich eine Beruhigung der Lage seit gestern Abend gesehen hatten. Wie wir mittlerweile sehen können, erfolgten die Detonationen bei den Wasserwerfern, die dadurch unbrauchbar geworden sind. Durch die Lücken in der Absperrung dringen auch jetzt noch wütende Menschen ein, die Polizisten wurden völlig überrannt. Wir können selbst nicht ins Krankenhaus, die Leute reagieren auf uns Medien sehr aggressiv. Wir befinden uns hier neben dem Haupteingang zum Krankenhaus. Wir können auch nicht mit Sicherheit sagen, was das Ziel des Mobs ist, der das Gebäude gestürmt hat, aber wir müssen annehmen, dass es um eine Art Lynchjustiz geht und ... Meine Damen und Herren, die Szenen sind grauenhaft, ich habe ... ich kann ... das Krankenhauspersonal wird hier offensichtlich aus den Fenstern geworfen ... und Achtung! ... Ein Wurfgeschoß hat gerade unsere Kamera getroffen, ich denke sie sehen kein Bild mehr. Kann man mich noch hören?
- Ja, Sadil, das Bild ist ausgefallen aber wir können dich hören.
- Ich berichte weiter. Soeben sind einige aus dem Gebäude wieder herausgekommen, einen Moment, ich höre ... Sie sagen, ‚sie bringen sie heraus‘ und ich sehe gerade eine Gruppe herauskommen, ... eine Gruppe der Aufrührer kommt soeben aus dem Krankenhaus, sie tragen etwas, es sind Menschen ..., es sind Leichen von Polizisten, auch eine Frau in Zivilkleidung, sie rufen etwas, ich verstehe es nicht genau ... ‚Polizisten‘, ‚Verräter‘, ‚Mörder‘ – genau kann ich es nicht sagen, jetzt kommt noch eine Gruppe heraus, einer trägt etwas vor sich, ich versuche näher zu kommen, um zu sehen ... bei der Mutter! Es ist ein Kopf, ich werde weggedrängt, die Menge jubelt euphorisch, es hat sich ein kleiner Kreis vor dem Eingang gebildet, wo einer der Anführer steht und der johlenden Menge den Kopf des mutmaßlichen Elda-Mörders entgegenhält. Meine Damen und Herren wir erleben hier das blanke Grauen in historischer Dimension. Ich sehe hier keine Menschen mehr, nur noch Bestien.

 

Hallo @Douki,
nun habe ich Deine Geschichte doch gelesen und, nachdem ich über den Anfang gekommen war, sogar sehr gern. Ich hatte es nämlich schon einmal versucht, aber alles klang so technisch am Anfang, dann noch so schwierige Namen, das fand ich zu anstrengend und hatte gleich wieder abgebrochen...
Erst einmal ganz allgemein: Es ist spannend geschrieben und die Idee, das Chaos, all unsere menschlichen Widersprüche zu erklären, ist vielleicht ganz interessant. Du merkst, ich bin mir nicht ganz sicher, wie sehr mir die Idee gefällt. Zuerst war ich sehr angetan, als ich über das Auftauchen der Eldaner las, woraus sie entstanden sind und vor allem von ihrem Wirken. Das wäre ja mal etwas, eine Rettung...
Unwillkürlich habe ich mich gefragt, ob es wirklich irgendetwas Ungewöhnliches in einer UN-Mitglieder-Versammung am 9.5. 2009 gegeben hat. Aber 2009 fand sie in Libyen statt, habe ich gegoogelt, und auch nicht am 9.5. und ob das Thema der Korea-Konflikt war, habe ich nicht finden können. Also hast Du Dir da etwas ausgedacht, was ja okay ist, aber doch irgendwie zur wirklichen Geschichte passen sollte, wenn es in der Vergangenheit oder Gegenwart spielt, oder? Später dann, als Ideirz seine Existenz und die der Argura beschrieb, da fand ich alles etwas sehr versponnen...
Jetzt ein wenig Textarbeit:
Im Text nennst Du sie immer Eldaner, in der Überschrift Elda. Das müsstest Du angleichen. Eldaner gefällt mir persönlich besser. In der Überschrift klingt es wie ein Frauenname.

Er wechselte wieder zu PBN und Molly Kleinhans Bericht: „Noch kann sich von den Ermittlern der Friedens-Polizei niemand erklären, was hier geschehen ist, aber es wird soeben die Umgebung untersucht und mögliche Zeugen werden befragt.
Klingt holprig, besser: "... aber die Umgebung wird soeben untersucht und mögliche Zeugen befragt."
Man geht hier von einer Explosion aus, aber niemand weiß noch, wodurch diese verursacht wurde, allerdings gibt es hier noch ebenso viele Unklarheiten, denn die Körper der Eldaner schienen verbrannt zu sein, sie lagen, einander umarmend, am Grund des Kraters.
- Schön, dass es noch andere außer mir gibt, die dazu neigen, zu häufig hier zu verwenden.?
Du könntest beide ersatzlos streichen, auch das ebenso macht für mich keinen Sinn.
- aber noch weiß niemand klingt besser.
- Ich würde scheinen schreiben, denn die Untersuchung läuft ja gerade.

Sehr gelungen finde ich, wie Du die Arbeit der Reporter gestaltest. Das klingt alles sehr überzeugend und man ist ganz dabei. Auch, wie der Leser über die Fernsehsendung, die Ideirz sieht, etwas über die Hintergründe der Ereignisse und letztlich über die Welt Deiner Geschichte erfährt, ist clever gelöst.

50 Jahre ist es nun her, dass diejenigen, die sich Eldaner nennen in unsere aller Leben traten.
Komma hinter nennen.
Es war bei der UN-Generalversammlung am 9.5.2009 als die Regierungschefs der Mitgliederstaaten heftig über eine Resolution stritten, die die Haltung der UNO im Japan-Korea-China-Konflikt klären sollte.
Komma hinter 2009.
Mitten in der Konferenz traten plötzlich zwei menschenähnliche Gestalten aus dem Schatten, eine neben dem chinesischen Regierungschef Hu und eine neben seinem japanischen Gegenüber Abe.
Was meinst Du mit "menschenähnlich"? Darunter kann man sich nichts vorstellen. Hier müsstest Du beschreiben.
„Es gibt Dinge, die wir bisher nicht bedacht haben, die aber eigentlich immer vor uns gelegen sind.
"Es gibt Dinge, die wir bisher nicht bedacht, die aber eigentlich immer vor uns gelegen haben."
„Auch Japan sieht sich größeren Interessen verpflichtet und wird auf weitere Maßnahmen der Selbstverteidigung verzichten mit der Aussicht auf strukturelle Änderungen, die zukünftig eine Verteidigung jeglicher Art überflüssig machen werden.“
Komma hinter verzichten.
Während die beiden sprachen, waren die zwei Wesen zu den anderen Versammlungsmitgliedern geeilt, ruhig, aber zügig hatten sie alle Teilnehmer der 194 Delegationen berührt und scheinbar etwas Vertrauliches gesagt.
Wesen klingt merkwürdig. Vielleicht ergibt sich eine bessere Bezeichnung, wenn Du sie vorher beschrieben hast. Außerdem klingt zwei und und scheinbar etwas Vertrauliches gesagt nicht gut. Vorschlag: "Während die Politiker noch sprachen, waren die beiden ... zu den anderen Versammlungsmitgliedern geeilt. Ruhig, aber zügig hatten sie alle Teilnehmer der 194 Delegationen berührt und ihnen etwas zugeflüstert."
Jeder der mit ihnen in Kontakt kam, hatte sie offensichtlich verstanden und half ihnen die Übrigen zu erreichen.
Komma hinter ihnen.
Auch war man sich über den Klang ihrer Stimmen nicht einig, jeder Zuhörer schien, sie anders wahrgenommen zu haben: ‚Wir sind Elda, wir kommen nicht von außen, wir kommen aus eurer Mitte. Wir sind, wie alles, das ihr seht, geschaffen aus einer starken Überzeugung, einer Überzeugung, die in euch allen sein muss, ob es euch bewusst ist oder nicht. Ihr seid eine Gemeinschaft und gleichzeitig Gefangene einer Vorstellungskraft.
- Was soll das bedeuten, dass man sich über den Klang der Stimmen nicht einig war? Weshalb war man sich nicht einig, was war das Besondere an diesen Stimmen?
- Hier hast Du wieder Elda verwendet, anderswo Eldaner.
- Was soll das bedeuten: Wir sind, wie alles was ihr seht, aus einer starken Überzeugung geschaffen? Klingt sehr merkwürdig, überzeugt mich nicht. Das hieße, auch die Menschen, die Pflanzen, die Tiere, alle Materie wäre aus einer starken Überzeugung erschaffen. Aus wessen Überzeugung? Wenn, dass müsste das schon Gottes Überzeugung sein, aber nicht die der Menschen, die sich selbst und die ganze Welt geschaffen haben könnte. Was die Existenz der Eldaner angeht, da könnte ich es mir schon eher vorstellen, also auch da nur Fantasy-mäßig, aber da könnte es Sinn machen.
- Auch der letzte Satz ist nicht verständlich. Was meinst Du damit?
Ihr glaubt es kann keine Welt ohne den Konflikt geben, deshalb besteht er. Aber ihr könnt euch eine abstrakte Lösung vorstellen, eine Lösung, und nur eine solche Lösung, die aus dem sonst Vorstellbaren herausgehoben ist. Dieser Glaube ist mit der Zeit zu einer Überzeugung geworden. Ihr habt uns geschaffen.‘
Hier wird versucht zu erklären, wie der starke, wenn auch nur abstrakte Wunsch der Menschheit (abstrakt, weil sie nicht bereit ist, auch ihr Verhalten danach auszurichten) nach einer Lösung sich sozusagen in den Eldanern materialisiert. Habe ich das richtig verstanden? Es ist aber noch nicht klar genug formuliert.
vor dem Fenster zu hängen schien. Erst langsam konnte sie Umrisse im Zimmer erkennen. Ideirz saß aufrecht im Bett und hatte sein Gesicht zur Sonne gewandt. „Herr Kroner, ich bin Oberkommissarin Ada Holdon von der Friedenspolizei Arkangrad.
Der Übersichtlichkeit wegen solltest Du wörtliche Rede immer am Zeilenanfang beginnen lassen, es sei denn die gleiche Person spricht nach einem erklärenden Einschub weiter.
„Wollen Sie mir weiß machen, dass Sie ein Eldander sind?“
weis machen, nicht weiß wie der Schnee. Hier steht mal wieder Eldaner. Die Demonstranten vorher forderten "Gerechtigkeit den Elda".
Hier habe ich das Bild eines nicht-menschlichen Gesichtes vor mir. Sollten dies auch die Menschen in Deiner Geschichte so empfinden, glaube ich nicht, dass sie diesen Gefangenen in einem normalen Krankenhauszimmer gehegt und gepflegt hätten. Er wäre irgendwo in einem Hochsicherheitstrakt festgesetzt worden, oder?
Seine Augen waren zunächst geschlossen, doch sobald Holdon vor ihm stand öffnete er sie. Sie schienen nur aus großen schwarzen Pupillen zu bestehen.

wie Sie ihn mit einem Fußtritt ins Gesicht ebenfalls zu Boden schicken
zu Boden schicken ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, der für mich nicht zum sonstigen Wortschatz der Sprechenden passt.
- Hallo Mama! Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe in den Nachrichten gesehen, dass dort bei dir die Hölle los ist. Wir haben uns Sorgen gemacht.
- Hallo meine Süße, ja, es war kurz etwas unangenehm, aber die Lage hat sich wieder beruhigt. Mir geht es gut.
- Ok. Ardan ist mit seinen Kumpels zum Strand gegangen. Ich gehe jetzt auch. Soll ich Papa holen?
- Ja, bitte. Mach’s gut und viel Spaß. Das Mädchen verschwand vom Bildschirm und kurze Zeit später erschien ein etwa 50-jähriger, unrasierter Mann mit etwas verschlafener Miene, aber sichtlich erfreut lächelnd. - Hey, ich hab schon gehört, dass alles gut ist. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht, ich war die halbe Nacht auf und hab‘ Nachrichten geschaut.
- Ja, es ist alles ok bei mir, aber so etwas wie heute habe ich noch nicht gesehen.
- Für wörtliche Rede müsstest Du die normalen Anführungsstriche verwenden.
- Die Antwort der Mutter "es war kurz etwas unangenehm, aber die Lage hat sich wieder beruhigt" finde ich unstimmig zu den vorausgegangenen Ereignissen, auch wenn sie ihr Kind damit beruhigen will. Sie wirkt hier kaum berührt, dabei müsste sie fix und fertig sein...
doch Mutter Aras vertrieb sie vom Antlitz der Erde und schenkte das Land ihren Kindern, den Menschen“, unterbrach ihn Holdon salbungsvoll, „worauf wollen Sie hinaus mit diesen Mythen, die nicht einmal den Zeuginnen der Mutter wert schienen, sie in die Bibel aufzunehmen.“
Wer soll Mutter Aras sein?
Als die Zivilisation der Argura in Kriegen unterging, zogen sie sich in die Natur zurück. Sie folgten dem Vorbild der Tiere, die sie als Spitze der Evolution sahen, da sie meinten, sie hätten allen unnötigen Ballast abgeworfen und die Essenz des Lebens gefunden. Dann beobachteten sie fasziniert die Entwicklung des Menschen. Es kam zu Konfrontationen – Sie kennen bestimmt die Geschichte vom ‚Betrug des Arguraners‘ – und sie entschieden sich, sich unter die Menschen zu mischen. Wir alle tragen einen Bruchteil von ihnen in uns. Sie müssen wissen, dass ‚Argura‘ ‚Schöpfer‘ bedeutet. Sie waren einst körperlose Wesen die Sterne, Welten und Galaxien erschaffen haben, aber nur auf der Erde verbanden sie alle Elemente, alles aus denen sie selbst bestanden, mit nur einer Regel: dem Zufall.
Es ist einfach unverständlich, was Du damit meinst, ab: Sie folgten dem Vorbild der Tiere...
Die Entwicklung reizte sie so sehr, dass sie alle anderen Welten vernachlässigten, und schließlich gerieten sie untereinander in einen Streit, wie es mit unserer Welt weitergehen sollte. Sollte man in die Entwicklung eingreifen, sie mit mehr Regeln lenken – viele meinten, als Schöpfer sei das das Wesen ihres Daseins – oder sollten sie einfach weiter beobachten. Ihr kollektives Wesen zerfiel in diesem Streit und nur ein Teil von ihnen konnte sich in körperlicher Form auf diese Welt retten. Ihre Fähigkeiten waren stark geschwächt, sie hatten keinen direkten Zugriff mehr auf die Elementarteilchen, mit denen sie früher frei hantieren konnten. Nur unter großen Mühen und in Zusammenarbeit konnten sie die Elemente, aus denen alles auf dieser Welt gemacht ist, noch beeinflussen.
Dieser Abschnitt behandelt in veränderter Form die Frage der Theodizee, die Antwortversuche der Menschen auf die Frage, wie das Leiden in der Welt mit der Annahme zu verbinden ist, dass Gott sowohl allmächtig als auch gut sein kann. Wäre er gut, wenn er den Menschen keinen freien Willen geschenkt hätte? Ist er zwar gut, aber nicht allmächtig, kann also nicht eingreifen?
Das mit den Elementarteilchen ist irgendwie komisch, finde ich...
„Und die Eldaner waren ein Danaergeschenk der Arguraner und Sie haben die Menschheit gerettet“ unterbrach ihn Holdon, „und wenn Sie nicht gestorben sind ...“ Holdon seufzte. Das Gespräch schien ihr, reine Zeitverschwendung zu sein.
Das ist auch völlig unverständlich. Das Danaergeschenk war das Trojanische Pferd. Wieso, also ich kapiere da nichts. Auch verstehe ich nicht, wieso sie diese Fragen dann plötzlich gar nicht mehr interessieren. Hier wird ihr doch gerade erklärt, was da passiert ist (Auch wenn ich es nicht verstehe, sollte sie in der Geschichte es doch verstehen, da sie ja in dieser Welt lebt.)

Das Ende ist, dass die Menschheit wieder in Grausamkeit versinkt, nachdem sie vorher von den Eldandern, also dem in ihnen manifestierten Wunsch der Menschheit nach Rettung auf einen konstruktiven Weg geführt worden waren. Warum aber? Was ist die Botschaft oder Aussage?

Bin gespannt auf Deine Antworten.
Viele Grüße und noch ein schönes Himmelfahrtswochenende!
Palawan

 

Moin @Douki,

Sturm auf das Kapitol, die Geschichte assoziiert dies sehr stark in mir. Beim Lesen überkam mich oft das Gefühl, dass Teile, bzgl. wie du die Geschichte verstehst, fehlen.

Die Eldaner, Arguraner, Ideirz und Holdon sind nur grobe einfache Gerüste um die Aussage der Geschichte einen Rahmen zu geben. Bei mir hat es leider nicht funktioniert. Die Eldaner - irgendwie schnell Weltfrieden herstellen um nachher die Bestie zu zeigen. Die Arguaner - eine Pseudophilosophische Whateverkonstruktion. Ideirz, wird man nicht schlau draus, Mr. whoever, und dann noch die Holdon, die ein bisschen Charakter hervorbringt, aber halt nur als unfähige Dumme zu sehen ist.

Was die Aussage der Geschichte ist bzw. was bezweckt werden sollte ist mir auch nicht klar und es reizt mich auch nicht zu sehr, darüber lange nachzudenken. Sprich, den Leser verlierst du in der Geschichte. Gibt auch viele langatmige Stellen. Eigentlich schade, denn man sieht schon, dass Du dir Gedanken dazu gemacht hast.

Schade ist auch, dass die Gesellschaft und Technik in der Geschichte sich während den letzten 50 Jahren nicht weiterentwickelt hat. Dies ist immer so ein Widerspruch, wenn man etwas in der Zukunft mit heutiger Technik schreibt. Bevor falsche Gedanken aufkommen, ich rede nicht davon, dass nun Technik beschrieben werden soll. Und zur Gesellschaft, interessanter wäre es gewesen (meiner subjektiven Meinung nach), wenn halt die Eldaner erfolgt gehabt hätten und die Menschheit sich gewandelt hat. So kommt es mir vor, als hätten die Eldaner einfach allen eine Drogenkonsum gegeben um ihren Willen zu beeinflussen.

Beste Grüße
Kroko

 

Hallo @Palawan. Vorerst nur mal kurz vielen Dank für die fantastische, ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Text. Ich werde alles durchgehen, was du mir geschrieben hast und versuchen, auf alle Fragen zu antworten. Ich komme nur wahrscheinlich erst morgen oder übermorgen dazu.

Hi @Kroko, auch dir vielen Dank, dass du dich durch die Geschichte gearbeitet hast, obwohl sie dir nicht gefällt. Dein Feedback streicht aber sicher einige wichtige Dinge heraus (Figurenentwicklung, langatmige Stellen, Worldbuilding), an denen ich vorhabe zu arbeiten.

 

Hallo @Palawan, endlich komme ich dazu, mich mit Deinen Kommentaren, Anmerkungen und Fragen zu beschäftigen. Nochmals vielen Dank für die Mühen.

Zuerst ist wichtig, dass ich den Text mit dem Tag „Fantasy“ versehen habe, und ursprünglich wollte ich „Science-Fiction“ weglassen. Damit einher geht einiges an Worldbuilding, von dem so wenig wie möglich erklärt werden soll. Nur das, was für das Verständnis der Geschichte unbedingt notwendig ist, soll vorkommen und im Idealfall nur angedeutet werden. Ich finde es immer spannender, wenn Hintergründe nur angedeutet und nie vollständig erklärt werden. Selbstentworfene Mythologien und Vorgeschichten sind meist ein wenig banal (vielleicht auch „etwas sehr versponnen“), wenn sie vollständig offengelegt sind. Da Du einiges als völlig unverständlich bezeichnet hast, ist mir das nicht immer gelungen – was ein wichtiges Feedback für mich ist.

Die Geschichte spielt nicht in unserer Welt, sondern in einer, die der unseren nur sehr ähnlich ist. Vieles ist gleich, aber es gibt entscheidende Unterschiede. Deshalb kann eine UN-Mitglieder-Versammlung am 9.5.2009 stattfinden. Der dort besprochene Konflikt beschränkt sich nicht mehr auf Drohgebärden, sondern ist bereits eine kriegerische Auseinandersetzung („China wird ab sofort seine Truppen aus Korea zurückziehen …“ ist da ein Hinweis).

Ein wichtiger Unterschied sind auch die Religionen. Die dominante Religion ist der „Araismus“ mit der obersten Gottheit „Mutter Aras“, dessen heilige Schrift „Bibel“ genannt wird, deren Teile von den „Zeuginnen der Mutter“ verfasst wurde.

Die Arguraner sind eine Volksgruppe, die aber eine mythologische Vorgeschichte hat, in der es Berührungspunkte mit apokryphen Mythen des Araismus gibt („… Mythen, die nicht einmal den Zeuginnen der Mutter wert schienen, sie in die Bibel aufzunehmen.“). Und wie wir aus Ideirz Andeutungen wissen, gibt es die Arguaner immer noch und sie versuchen Einfluss auf das Weltgeschehen zu nehmen.

Wie in der Geschichte erklärt, waren die Arguraner so etwas wie Götter, hatten ihre göttliche Macht aber nur im Kollektiv und in Harmonie. Als das Kollektiv im Streit auseinanderbrach, landeten sie getrennt und in körperlicher (im Großen und Ganzen menschlicher) Form auf der „Erde“ (ihrem einstigen Lieblingsprojekt) – andere von ihnen sind auch auf anderen Planenten gelandet, weshalb das Kollektiv nicht mehr so einfach vollständig werden kann. Zunächst setzen sie ihren Konflikt fort, schließen sich in unterschiedliche Gruppen zusammen, errichten fortschrittliche Zivilisationen und führen Kriege untereinander, bis sie am Höhepunkt der Kämpfe ihre technisch-zivilisatorischen Errungenschaften fast völlig zerstören und sich beinahe gegenseitig auslöschen. Da kommen sie langsam zur Vernunft, akzeptieren, dass sie auf diesem Planeten für immer festsitzen, und verstehen, dass sie zum Leben eigentlich wenig brauchen. Sie beobachten Tiere und beginnen zu vermuten, dass diese höhere Wesen als sie selbst seien, weil alles, was die Arguraner bisher angetrieben hatte, zu Katastrophen geführt hat. Tiere beschränken sich auf das Wesentliche: Nahrung und Fortpflanzung. Die Arguraner beschließen es ihnen nachzumachen (sie unterstellen Tieren auch, dass sie genauso viel verstehen und fühlen wie sie selbst, aber absichtlich nicht mehr nach Höherem streben, weil sie die Sinnlosigkeit verstanden haben).

Mit diesem Rückzug der Arguraner kommt erst der Mensch auf. Die Arguraner halten sich so lange und so gut es geht vor den Menschen verborgen, aber als die Menschen eine gewisse Zivlisationsstufe erreichen und sich über die ganze Welt ausbreiten, entdecken sie die Arguraner als ein einfaches Naturvolk und behandeln sie so. Die Arguraner geben meistens nach, weichen dem Konflikt aus, passen sich an und leben als Minderheit mit und unter den Menschen – bis zu den Ereignissen in der Geschichte.

Zum Danaergeschenk: Holdon interpretiert Ideirz‘ Erklärungen so, dass die Eldaner ein „Trojanisches Pferd“ der Arguraner sind, das den Menschen, nachdem sie es einmal akzeptiert haben, den freien Willen raubt, sie schwach und kontrollierbar macht. In Wirklichkeit fürchten die Arguraner aber die kollektive Leistung der Menschen, die die Eldaner tatsächlich selbst hervorgebracht haben. Sie fürchten, dass sie einen Fehler gemacht haben, und den Menschen die Entwicklung großer Macht ermöglicht haben, wovon die Eldaner ein erstes Anzeichen sind. Diese Entwicklung wollen sie stoppen. Dafür schicken sie Ideirz, halb Mensch, halb Arguraner, der sich für die Arguraner opfert („Ich bin die List …“). Ideirz hat Erfolg, sogar unerwartet schnell, weil es den Menschen schwerfällt, gewaltfrei und nicht von Leidenschaft getrieben zu handeln, wenn sie ihre Sache für Gerecht halten.

Die Eldaner sprechen absichtlich etwas rätselhaft – die Menschen haben nie vollständig verstanden, was sie gesagt haben. Sie interpretieren ihre Aussagen aber genauso wie Du.

Für Holdon ist Ideirz‘ Erzählung wie ein Märchen. Er ist für sie ein fanatischer Spinner, der ihr esoterischen Schmus erzählt. Wobei sie am Ende doch ein wenig zu zweifeln beginnt.

Ich habe vor, immer wieder mal Geschichten in dieser Welt spielen zu lassen. Hoffentlich kann ich die nächsten schon etwas spannender und verständlicher machen.

Ich hoffe, ich konnte deine Fragen beantworten. Deine Verbesserungsvorschläge habe ich eingearbeitet und Fehler ausgebessert.

Danke nochmals und beste Grüße,

Douki

 

Hallo @Douki,
danke für Deine ausführliche Rückmeldung. Ich habe mir die Geschichte nochmal durchgelesen, weil ich wissen wollte, wie sie jetzt auf mich wirkt. Ja, man kann an den veränderten Stellen ein wenig mehr verstehen von Deiner erfundenen Welt.
Aber ich bin keine Fantasy-Fan und ich habe die Geschichte wohl auch nur gelesen, weil mich die Bezeichnung Science Fiction gereizt hat. Für mich muss alles irgendwie Sinn ergeben und den finde ich in dieser Geschichte nicht so richtig. Sorry.
Was ich auch wirklich nach wie vor nicht gut finde: Wenn Du eine Welt konstruierst, die nicht die Erde sein soll, sondern der unseren nur ein wenig ähnlich, dann solltest Du das auch deutlich machen. Dann sollten alle Namen erfunden sein, Ländernamen eingeschlossen. Konflikte, die Du erwähnst oder beschreibst, sollten nicht die sein, die wir hier auf unserer Welt haben. Ebenso sollte das heilige Buch einer dort beheimateten Religion nicht Bibel heißen. Deine Geschichte verliert dadurch an Überzeugungskraft und ärgert einen auch. Man vergleicht ja sonst die Wirklichkeit mit Deiner Geschichte und denkt ständig: Nein, das ist ja nun Quatsch usw.
Ja, ich stimme Dir zu, dass Du in der Geschichte nicht die ganze erfundene Welt erklären solltest. Vielleicht ist jetzt sogar zu viel Erklärung drin im zweiten Gespräch zwischen Ideirz und Holdon. Sie muss aber um einiges größer komponiert sein, als in der Geschichte beschrieben, damit alles in ihr schlüssig ist.
Die größte Frage aber, die Du Dir vielleicht nochmal stellen solltest ist die: Welche Aussage soll Deine Geschichte haben? Eine Geschichte ohne Aussage ist langweilig, da kann die erdachte Welt so fantastisch sein, wie sie will... Außerdem würde ich dir für eine Kurzgeschichte auch zu einer nicht ganz so komplizierten Welt raten. Diese ganzen Mythen usw. Es klingt alles sehr verworren. Sicher in einem Roman könnte man so eine Welt stärker ausgestalten. Aber eine Kurzgeschichte muss in kurzer Zeit erfassbar sein und: eine Aussage haben.

Viele Grüße,
Palawan

 

Hi @Palawan, ich denke, eine Erkenntnis, die ich aus der Arbeit an dieser Geschichte ziehe, ist, dass Fantasy-Kurzgeschichten ganz anders gemacht sein müssen. Man kann auf ein bekanntes Bildrepertoire zurückgreifen, wo man dann nicht mehr so viel erklären muss (Elfen, Trolle usw.). Wenn man das nicht will, muss man die Welt und die Regeln irgendwie in pointierten Situationen vorstellen, die spannend zu lesen sind, und nicht in langen Beschreibungen. Solche Situationen zu entwerfen, ist mir offensichtlich nicht gelungen. Einerseits habe ich das Gefühl, dass die Vorstellung der Welt in den anfänglichen Fernsehsendungen nicht so schlecht funktioniert hat, dass aber die große Schwäche vor allem der zweite Dialog zwischen Holdon und Ideirz ist. Es kann natürlich auch sein, dass in dem Dialog einfach die Schwächen des ganzen Gerüsts hervortreten, ich glaube aber, es würde eine besser konstruierte Geschichte schon tragen. Außerdem, so wie ich das angelegt habe, gibt es entweder zu wenig Information und alles ergibt keinen Sinn oder zu viel und es wird überladen, verworren, letztlich langweilig.
Danke jedenfalls nochmals.
Beste Grüße,
Douki

 

Hi, @Douki,
Naja, im zweiten Dialog wird eben die ganze Geschichte mit den Araguanern erklärt und die finde ich zu kompliziert. Es ist natürlich schwierig, eine ganz eigene Welt zu erfinden, aber wenn Du es konsequent machst, hast Du dort auch mehr Freiheiten. Wenn Du auf eine schon bestehende Welt zurückgreifst, muss sich Deine Geschichte dort einfügen. Dann geht es z.B. eben nicht, dass irgendwas Bibel heißt, was man nicht mit der Bibel des Christentums verwechselt. Oder wenn der gewalttätige Ideirz sich Erlöser nennt, empfindet das ein Christ als Blasphemie und sehr geschmacklos. Würdest Du es Koran nennen und Deine Leser wären ein Moslime, würde es unter Umständen noch unangenehmer für Dich. Jedenfalls würde sich für Deine Geschichte keiner mehr interessieren. Das Gleiche würde passieren, wenn Du Tolkins Welt verwenden, hier aber die Elfen klein und mit lrokesen-Haarschnitt aussehend erwähnen würdest. Das heißt aber nicht, dass Du einer schon bestehenden Welt nicht etwas bisher Unbekanntes hinzufügen kannst. Ich selbst hatte auch lange vor, einen Science fiction zu schreiben, in dem Überlebende eines von seinen Bewohnern zerstörten Planeten entscheidend helfen, unsere Welt zu retten. Dann wollte ich einen Klima-Roman schreiben. Für beide Projekte hatte ich gute Ideen. Letztlich bin ich allerdings in beiden Fällen über die dazu nötige immense Recherchearbeit davon abgekommen. Für eine Kurzgeschichte muss es ja nicht ganz so viel Recherche sein. In Deinem Fall würde ich z.B. das erste Auftauchen der Elda in eine nahe Zukunft setzen, die Religion könntest Du einfach weglassen. Die Geschichte funktioniert auch ohne sie. Auch die Mythologie, dass sie ursprünglich Götter waren usw. Mir gefiele die Idee besser, dass sie als hier auf der Erde eben diese von Dir beschriebene durchgemacht haben und nun im Einklang mit der Natur leben. Entwicklung Die Person Ideirz sollte in seiner Intention verstehbarer sein. Vielleicht sollte deutlicher werden, dass die Araguaner Angst um die Welt haben, weil sie den Menschen nicht trauen. Vielleicht bräuchte man sogar die Eldaner gar nicht... Denn auch wenn den Menschen aus guten Gründen schlecht zu trauen ist, hätte sich das mit dem Erscheinen der Eldaner ja entscheidend geändert. Es ist deshalb nicht schlüssig, warum die Araguaner vor hoch entwickelten friedlichen Menschen Angst haben sollte. Und die Eldaner können keine List im Schilde führen, weil sie ja aus den friedlichen Visionen der Menschen entstanden sind. Aber vielleicht ist das auch irgendwie zu komisch, oder?
Naja, Du siehst, es reizt mich doch, immer nochmal darüber nachzudenken.
Aber nun muss ich mich mal meiner eigenen Geschichte zuwenden. Die kannst Du Dir ja auch gern mal anschauen. Würde mich jedenfalls freuen.
Grüße,
Palawan
Was auch sein kann ist, dass der Stoff Deiner Geschichte einfach nicht für eine Kurzgeschichte geeignet ist.

 

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