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Der Weinverkäufer, seine Katze und das Programm

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10.10.2006
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Der Weinverkäufer, seine Katze und das Programm

Ich bin kurz davor, von mir selbst in der dritten Person zu denken. Dann hätte alles mehr Klasse. Er öffnet die Tür, stellt die Plastiktüten in den Flur und verbarrikadiert den Türspalt mit seinem Fuß, um zu verhindern, dass die fette Katze rausschlüpft. Obwohl er nicht damit rechnet, dass die Katze überhaupt raus will. Es ist mehr ein Spiel zwischen ihm und seiner Katze. Eins, das er gewinnt. Die Katze nimmt ihre Niederlage wie ein Kater, streicht um die beiden Plastiktüten und er sagt zu ihr: „Boeuf Stroganoff.“ Sie schnurrt verständnisvoll, schaut noch einmal zum Türspalt und zieht von dannen.
Ja, das hätte mehr Klasse.
Ich kann mir schlecht Zahlen merken, sie machen mir irgendwie Angst, sie haben so etwas Endgültiges. Wenn Worte Bilder sind, dann sind Zahlen ein Bilderrahmen, die verändern sich nicht mehr, die bleiben wie sie sind, man kann nicht über Zahlen reden, Zahlen lassen keinen Spielraum für Interpretationen oder Meinungen, natürlich, ein paar sind irgendwie mystisch. Die Sieben, die Dreizehn, aber ich mag sie trotzdem nicht.
Die Mikrowelle klingelt und ich nehme das Boeuf Stroganoff heraus, kippe zwei Drittel in den Napf der Katze und lasse das letzte Drittel in der Folie. Die Katze kommt nicht, das ist so eine Art Pawlowscher Reflex - nur umgekehrt. Man könnte ja erwarten, weil sie natürlich weiß, dass es jetzt gleich Essen gibt, sie kommt dann, aber Nein. Gerade nicht. Sie liegt auf der Fensterbank im Wohnzimmer, hat die Augen halb geschlossen und schaut mich an, wie ich da stehe mit dem Napf in der Hand, und das Zeug duftet schon, leicht nach Wein, aber nicht so stark. Die Katze gähnt, das ist ein Zeichen von Sympathie, glaube ich. Einmal hab ich aus ihrem Napf gegessen, aber ich weiß nicht mehr wann, nur um zu sehen, was dann passiert. Aber das hat auch nicht viel gebracht. Es ist halt nur eine Katze. Ich stelle den Napf auf den Boden und setze mich an den Rechner. Sie isst erst, wenn ich sitze. Ich schaue über meine Schulter, aber nicht auf den Boden, denn das mag sie nicht, ich schaue über meine Schulter auf die Uhr, die ein bisschen nachgeht, und ich weiß, es ist an der Zeit.
Ich könnte die Uhr natürlich stellen, aber wozu? Die am Rechner geht ja richtig.
Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich während der Arbeit ein Er wäre und kein Ich. So neben mir stünde, und mir dabei zusähe, wie ich Zahlen anstarre und Sätze sage und Dinge tippe, immer die gleichen. Ich könnte neben mir stehen und sehen, wie die Katze frisst, wie sie ihre Pfote reintaucht oder vielleicht geht sie ja noch mal zurück. Vom Napf weg, nimmt dann Anlauf und galoppiert – ihr Bauch schleift über den Boden – galoppiert auf den Napf zu und springt hinein. Die Katze nimmt ein Bad im Boeuff Strogaoff. Und ich stehe daneben und falte die Hände und strahle wie ein Vater, dessen Kind die ersten Schritte tut und sage: „Gut gemacht“ oder „Du bist die klügste Katze auf der ganzen Welt“, bevor ich die Sauerei wegmache, aber das geht ja leicht, ist Parkett. Wahrscheinlich ist sie deshalb böse auf mich, Krallen und Parkett – da wäre ich auch böse.
Im Schlafzimmer liegt Teppich aus, aber da darf sie nicht rein. Es muss auch Grenzen geben, ob sie es versteht oder nicht. Ich bin hier der Mensch und sie ist die Katze. Ich füttere sie, ich habe das Sagen.
Mein Job geht so: Ich setze mich an den Rechner und das Programm verbindet mich. Unten rasen Zahlen durch, Telefonnummern, man wählt für mich, man verbindet mich und ich muss dann nur sprechen. Weil telefonische Ansagen nichts bringen. Wirklich nicht, die Leute legen dann auf, wenn sie so eine Stimme vom Band hören, dann wissen sie, jetzt ist was faul, da gibt es keine Hemmschwelle aufzulegen, gar keine. Man kann die Gefühle einer Maschine nicht verletzen, das geht nicht, aber meine. Wenn ich jemanden anrufe und ihm sage, ich verkaufe Wein. Das hat Klasse, natürlich sage ich nicht, „verkaufe“, ich muss erstmal eine Basis schaffen, sozusagen, aber ich bin da auch grade weg, ich sage meine Namen und die Firma, für die ich arbeite, da habe ich eine Ethik. Vielleicht sage ich es nicht immer deutlich, vielleicht nuschle ich da ein wenig und wenn sie fragen: „Wie bitte?“, dann sage ich vielleicht was anderes. Manchmal. Also mein Job geht so: Das Programm verbindet mich mit Menschen, ich rede mit ihnen für ein paar Minuten und notiere dann: Kein Interesse, Interesse, Bestellung. Kein Interesse heißt wir streichen sie für sechs Wochen von der Liste. Also nicht „wir“, sondern „man“, das Programm. Bei Interesse rufen wir sie jede Woche an und schicken einen Katalog und all solche Sachen und bei Bestellung, na ja, das macht alles das Programm. Wie eine Speisekarte, ich muss mir nur die Nummern notieren, also gleich eingeben eigentlich, weil ich sie mir nicht lange merken kann.
So geht mein Job und es ist eine Kunst, die Stimme ist wichtig, die Stimmebene, warm und voll muss sie klingen, wie Boeuff Stroganoff, wie Katzenfell. Ich mach mir da keine Illusionen, ich bin ein Störfaktor. Deshalb die Ethik. Wenn im Hintergrund ein Baby schreit, dann lege ich auf. Ich hab mal von jemandem gehört, der so gut war, dass sie ihn die Sirene nannten. Er hat Reisen verkauft, das ist natürlich leichter. Die Sirene hat also mal jemanden angerufen, eine junge Frau, vielleicht zwanzig, einundzwanzig, grade Mutter geworden, eben den Kopf noch voller Zukunft gehabt und jetzt Windeln und Babykacke und nächtliche Schreieinlagen. Und die Sirene fängt an und erzählt von Palmenstränden und von der Sonne und von Sand. Das war die Spezialität der Sirene: Sand. Der helle Sand, der warme, von der Sonne aufgeheizt, mit den Zehen darin wühlen und dann ein Stück weiter runter, der dunkle Sand, den das Meer küsst und wieder verlässt, wie eine weiche, flauschige Decke. Ist natürlich was Sexuelles. Ebbe und Flut. Aber das hat die Sirene nicht gesagt, nicht mit Worten, nur mit der Stimme. Die Sirene hört also im Hintergrund ein Baby schreien, aber hat die Reise so gut wie verkauft und die Frau hört ihm zu, hat wahrscheinlich die Augen geschlossen, riecht Martinique oder die Dominikanische Republik, irgendwas, was sie mal in einem Bond-Film gesehen hat, also die Sirene hat natürlich nicht gewusst, dass das Kind vom Wickeltisch gefallen ist, Schädelfraktur. Aber tja, also deshalb hör ich auf, wenn ich im Hintergrund Kinder schreien höre. Aber ich bin natürlich auch nicht so gut wie die Sirene damals war, aber er hatte es auch leichter. Hat ja Reisen verkauft und nicht nur Wein.
Mit Wein ist es schwer, wer weiß schon, wie nussig schmeckt oder lieblich. Halb-trocken, wer möchte denn etwas Halbes haben. Nussig. Da denken die Leute, ich soll zwanzig Euro für drei Flaschen bezahlen, die dann so schmecken wie die sechzig Cent Erdnuss-Büchse aus dem Lidl. Nein, nein, nein. Ich rede von Explosionen, von Küssen und Festen. Geschmacksknospen ist das beste Wort, ich danke Gott dafür. Sie explodieren, werden liebkost und geküsst. Der Wein entfaltet sich, die Sonne hat die Trauben aufgeladen bis zum Bersten, man weiß ja, wie gut Sonne ist, wie ein Solarium und auch der Regen, man schmeckt ihn, die Blitze, ja, das kann man alles schmecken. Und man muss dazu nichts tun, es ist nichts für Kenner, küssen doch auch nicht, jeder kann Wein trinken und es erleben. Will man wirklich sterben mit Geschmacksknospen, die noch nie explodiert sind. Wie eine Jungfrau? Wenn man im Himmel steht an Petrus Tor, will man da wirklich sagen: Ach, Rotwein, das hab ich mir ja nie gegönnt. Das war mir immer zu chic. Selbst chic sein, ein wenig dekadent, genießen, ist ja auch Macht, sich verwöhnen. Und wie günstig, fast geschenkt. Ist es das nicht wert, drei Stunden zu arbeiten für drei Abende Genuss.
Ich trinke ja selbst keinen Tropfen, wahrscheinlich bin ich deshalb nicht so gut wie die Sirene. Aber ich weiß nicht, ob der gerne verreist ist.
Hinter mir frisst die Katze ihren Napf leer, das Programm begrüßt mich „Guten Tag“, ich klicke auf „Okay“ und Zahlen rasen unten durch, Telefonnummern werden gewählt. Die erste geht dran „Ja?“ und ich fange an. Es ist eine Frau.
Es gibt da eine Geschichte über mich, und wenn ich so gut wäre wie die Sirene, dann würde man sie erzählen. Man würde mir einen Namen geben und bei den viertägigen Anfängerseminaren über mich sprechen. Da war ein Typ, der konnte sich keine Zahlen merken, würden sie sagen. Dabei stimmt das gar nicht, ich kann mir Zahlen merken, ich mag sie nur nicht. Ich weiß nicht, ob das ihm passiert ist oder mir. Er oder ich. Dem Typen mit der Katze halt, der hat sich mal verliebt, am Telefon. Natürlich albern, in eine Stimme, die wie Katzenfell war, die explodierte, die Knospe. Er hat eine Stunde mit ihr geredet, einfach so, nicht über Wein, über alles und da hat er sich verliebt. Er weiß heute gar nicht mehr, über was er gesprochen hat. Wirklich nicht. Die Stunde, die er mit ihr gesprochen hat, ist jedes Mal anders, wenn er an sie zurückdenkt. Er hat in diese Stunde alle Themen gepackt, die es gibt. Im Nachhinein, oh ja, er hat diese Stunde tausendmal erlebt und immer war sie anders. Aber was er nicht wusste, was keiner weiß: Nach einer Stunde legt das Programm einfach auf. Wahrscheinlich aus Kostengründen, weil wer nach einer Stunde noch keinen Wein bestellt hat, der bestellt ihn auch nach zweien nicht. Nach einer Stunde legt das Programm einfach auf. Er weiß nicht mehr, über was sie gesprochen haben, als das Programm aufgelegt hat. Wahrscheinlich nicht über Wein, schon lange nicht mehr, vielleicht über Träume oder Katzen oder über schwarzen Sand. Das Programm legt auf und die Zahlen blinken noch, die Telefonnummer, sie blinkt noch und er dreht sich um und sucht einen Stift und jetzt erzählen sie natürlich, die Katze hätte auf dem Stift gelegen, die fette Katze hätte auf dem Stift gelegen und er wäre ganz panisch gewesen und völlig hektisch und er hätte geschwitzt und geweint und auf die Zahlen gestarrt und an der Katze gezerrt und hätte die Zahlen gebrüllt, um sie sich zu merken, aber das stimmt gar nicht, ich habe gar nichts gemacht, ich weiß gar nicht mehr, was ich gemacht habe, irgendwas hab ich bestimmt gemacht und die Katze hatte damit nichts zu tun. Gar nichts und ich kann mir Zahlen merken, ich mag sie nur nicht.
Und eigentlich ist es gut so. Jeden Tag denke ich, das Programm wählt ihre Nummer wieder aus. Ich hab schon mit vielen gesprochen, mit denen ich schon mal gesprochen habe. Also das wiederholt sich alles. Und um Wein zu verkaufen, das ist nicht wie mit Reisen, um Wein zu verkaufen, muss man immer auch ein bisschen traurig sein. Wirklich.

 

Ey, das ist echt heftig. Wenn man mal guckt, wie die den Text abgeändert hat. Im Orginal steht

"Und um Wein zu verkaufen, das ist nicht wie mit Reisen, um Wein zu verkaufen, muss man immer auch ein bisschen traurig sein. Wirklich."

Und sie macht daraus:
Denn um Wein zu verkaufen, das ist nicht wie mit Reisen, um Wein zu verkaufen, muss man auch immer ein bisschen melancholisch, ein bisschen wehmütig und niedergedrückt sein. Nur dann schwimmen die Worte wie Treibgut empor. Wirklich.

Und das geht die ganze Zeit so. Die verkitscht meinen Text und killt den ganzen Sound. Alter, wenn der unbeleckt den soundsovielten Platz gemacht hätte, das wäre ja was ganz anderes gewesen, aber das hier! Grausig! 17. Platz von 500 oder so, das wäre ja gar nicht schlecht gewesen, aber in der Version - ARGH!
Wer ist diese Frau und wie gut müsste sie aussehen, damit ich ihr das durchgehen lassen!

 

Das ist echt ärgerlich! Versuchst du, an die Dame ranzukommen bzw. an die Preisauslobiger? Falls, würde mich deren Reaktion interessieren.

 

Die hat den Text gekillt - das kann nicht in deinem Quinnteresse sein!
Herr Maus - der Killer in deiner nächsten Geschichte!
Außerdem passt der Text auch nicht zu der Ausschreibung, die Doofe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Die hat den Text gekillt - das kann nicht in deinem Quinnteresse sein!
Als sie das Banner aufgehängt haben, habe ich mich schon auf diese Gags vorbereitet und bin gefestigt.

Na ja ... was will man machen? Die hat ja keinen Preis für gewonnen und kein Geld mit verdient. Und dann müsste ich nachweisen, dass der Text wirklich von mir ist und dass ich ihn nicht von ihr geklaut habe usw. Und der Ausrichter da ist wohl so eine Art Event-Veranstalter und nicht grade was Literarisches. Das heißt, ich hätte wahrscheinlich Stress, die Addresse rauszubekommen, um dann einen Briefwechsel zu starten, der mir maximal ein "Tut mir leid" einbringt, also ... nee, da werde ich nicht quinntervenieren.

Was mich wirklich beschäftigt hat ist, wie sie den Text geändert hat. Das klingt jetzt vielleicht arrogant, aber ... args. Metzgerhände. Da sucht sie sich den Text aus und dann bringt sie ihren eigenen Kram mit rein (Da hat der Arsch Kirmes und Pantha Rei) und macht aus einem Wort fünf. Also jetzt nicht arrogant, aber das war schon so ein Text, wo ich dransaß und jedes Wort und Kadenz und Übergang und Ton. Schon allein der Anfang, da macht die ja aus "er" ein dreifaches "Heiner Maus" oder was, und aus dem Boeuff Stroganoff macht sie Schnuffis! Das klingt doch alles ganz anders, das ist doch dann ... aaaah, sieht man das nicht? Frankenstein!

Wär wirklich interessant gewesen, wie sie das Ding ohne die Eingriffe bewertet hätten, wird man halt jetzt nicht mehr rauskriegen.

Oder Leute finden das jetzt in der "neuen" Version besser - das würd mich echt aus der Bahn werfen.

 
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Hallo Quinn,
Also zu deiner letzten Frage oder Befürchtung ... das kann ich mir echt nicht vorstellen, dass das Kitschorama der Klaufrau auch nur irgendjemandem besser gefällt. Und wenn das so wäre, es gibt wirklich ganz schlimme Leser, dann würde ich auf die eben dankend verzichten.

Diese rosarote Ausschreibungsdame hat echt eine Zuckerwattendessert aus deinem schönen Ursprungstext gemacht, nach dem Motto wieviele Wörter krieg ich außerdem im Text noch unter, damit er möglichst niedlich wird. Da versteh ich sehr gut, dass du dich ärgerst.
Ansonsten ist das ganze eine Riesensauerei. Und was ich superärgerlich finde, das ist, dass man offensictlich so wenige Möglichkeite zur Gegenwehr hat.
Übrigens: Ich habe das jetzt schon öfters gehört, dass diese Klauereien passieren. Ein Schreibbekannter, der in einem anderen Forum ist, hat erzählt, dass sich Leute bitter darüber beklagt haben.

Hab in dem Zusammenhang natürlich deine Ursprungsgeschichte gelesen. Hat mir sehr sehr gut gefallen. Sie hat wirklich einen ganz eigentümlichen Drive. Umso mehr versteh ich deinen Ärger.

Als ganz kleinen, winzig kleinen Trost kann ich dir sagen, dass die versüßte Klaugeschichte den 17. Platz gemacht hat - aber von 600 eingesandten. Ich hab mir die Ausschreibung mal durchgelesen und da stand das so. Dass sie das überhaupt hingekriegt hat, unter die ersten 20 zu kommen, erscheint mir nicht schlecht, das liegt doch nicht an dem Süßkram, den sie reingebaggert hat, sondern an deiner Grundidee, die konnte sie nicht restlos töten, da schillerte noch was hervor. So würde ich das sehen.
Bis denn Novak

 

Hey Quinn,

das macht mich schon wütend. Da hab ich ja gleich die Idee, meine Geschichten alle löschen zu lassen. Das sind so Leute, die sich an Weihnachten unter einen geklauten Baum setzen und ihren Kindern die Jesusgeschichte vorlesen (Und auch von der Hölle naürlich). Ganz ehrlich, vielleicht hab ich zuviel Geltungsdrang oder was auch immer, aber ich würde mich saumäßig ärgern, auch wenns nichts bringen würde. Also, ich ärgere mich ja so schon. Knallköppe, ey.

 

Quinn schrieb:
Oder Leute finden das jetzt in der "neuen" Version besser - das würd mich echt aus der Bahn werfen.

Hi Quinn,

Also zumindest darüber musst du dir keine Gedanken machen. Ich bin keine Expertin für Romantik, aber dein Text ist fantastisch. Da ist wirklich kein Wort zuviel, und diese melancholische Stimmung ist ganz toll.
Das einzige, woran ich mich ein kleines bisschen stoße, ist dieser Spitzname "Sirene". Meine erste Assoziation ist da nicht dieses verführerische Fabelwesen, sondern ein schrilles Alarmsignal ... und als Spitznamen für einen Mann finde ich es doppelt komisch. Aber einen besseren Vorschlag hab ich auch nicht, und insgesamt ist deine Geschichte einfach top.

Und, nur weil ich es beim Lesen grad gesehen hab:

Die Katze nimmt ein Bad im Boeuff Strogaoff.
da fehlt noch ein n

Dieser geklaute und verstümperte Text dagegen ... argh. Wirklich jede Änderung, die sie gemacht hat, ist eine zum Schlechteren. Am meisten bin ich davon fasziniert, dass sie das Boeuff Stroganoff durch irgendeinen Quatsch ersetzt hat, es aber immer noch nach Wein riecht. :hmm: Das war ja mal eine durchdachte Änderung. Und der ganze Text ist so sinnlos und fürchterlich aufgebläht.

Ich kann mir vorstellen, dass das Gefühl, wenn man so was mitkriegt, wirklich beschissen ist. Deshalb hoffe ich, es ist aufmunternd, wenn ich sage: Ich werde mir diese beiden Texte ausdrucken, als Beispiel dafür, was einen Text gut beziehungsweise schlecht macht. Das ist wirklich so krass, dass man es als Lehrbeispiel in einem Kurs für kreatives Schreiben verwenden könnte.

Grüße von Perdita

 

Die Geschichte gefällt mir übrigens ganz ausgezeichnet. Die hat diesen Ton getroffen, der momentan in mir herumschwingt. Ich hab die schon mal gelesen, aber da kam es nicht so an, da war ich wohl noch zu unverheiratet und nicht dreißg genug.

Die Tragik hab ich auch gar nicht gepürt damals, jetzt hatte ich einen Klos im Hals. Ich kann das nicht so gut, das Analysieren und sagen, warum ich was so gut fühle beim lesen, warum manches nicht ankommt. Hier passt einfach alles zusammen. Stimmung, Sprache, Mann, Katze, Programm, Wein. Wirklich ganz klasse auch die Geschichte, die man sich über ihn erzählen würde, wenn er so bekannt wäre wie die Sirene. Das ist so tragisch, dass das Programm auflegt, boah. Und dann wieder die Zahlen. Ich kann auch gar nichts Negatives finden, sogar der Titel gefällt mir jetzt. Die Geschichte ist für mich deshalb so stark, weil man sie gar nicht so sehr verstehen muss, man kann sie mitfühlen, man kann aber auch die Symbolik entdecken, wenn man Lust hat. Und man kann sie ganz einfach verstehen, auch wenn man sich mit fast gar nichts wrklich auskennt.

Lollek

 

Hallo Novak,


Diese rosarote Ausschreibungsdame hat echt eine Zuckerwattendessert aus deinem schönen Ursprungstext gemacht, nach dem Motto wieviele Wörter krieg ich außerdem im Text noch unter, damit er möglichst niedlich wird. Da versteh ich sehr gut, dass du dich ärgerst.
Ja, das hat mich halt geärgert. Das ist auch einfach Eitelkeit. Wenn ich so ein Heini wäre, der Graffitis in der Stadt rumsprüht, würd ich auch nicht wollen, dass da irgendwer reinschmiert.
Sie hat wohl 500 Zeichen in den Text zusätzlich einbringen wollen, damit er auf 11k Zeichen kommt und … hmpf. Wenn man so einen Text verändern will, ist es halt auch wichtig, ihn zu erfassen, und ich hatte das Gefühl, die Frau hat gar nicht gerafft ,um was es – zumindest mir – in dem Text eigentlich ging.

Ansonsten ist das ganze eine Riesensauerei. Und was ich superärgerlich finde, das ist, dass man offensictlich so wenige Möglichkeite zur Gegenwehr hat.
Man sollte jetzt meine Faulheit auch nicht absolut setzen, man hat sicher Möglichkeiten sich zu wehren.
Ärgerlich in dem Fall wäre jetzt, dass ich den Text selbst bei einer Ausschreibung nicht einreichen könnte, weil es dann hieß: Ja, hier Astrid Heuer! Aber Texte, die man einreichen will, sollte man sowieso nicht im Internet posten, weil man die nie wieder ganz rauskriegt.

Hab in dem Zusammenhang natürlich deine Ursprungsgeschichte gelesen. Hat mir sehr sehr gut gefallen. Sie hat wirklich einen ganz eigentümlichen Drive. Umso mehr versteh ich deinen Ärger.
Ich hab die auch noch paar mal gelesen jetzt, ich hatte das Ding auch gar nicht mehr so auf dem Schirm, ist ja schon ein älterer Text. Von daher erlebt die Geschichte jetzt – auch für mich -einen zweiten Frühling, das ist ja auch was.

Danke dir
Quinn

Hallo Lollek,

das macht mich schon wütend. Da hab ich ja gleich die Idee, meine Geschichten alle löschen zu lassen.
Ich hab auch schon drüber nachgedacht und einige haben das ja auch gemacht. Die alten Geschichten werden selten gelesen, fast nie kommentiert und so. Es ist halt manchmal ein nostalgischer Moment da auf die Geschichtenliste zu klicken und zu sehen: Guck, was da alles war.
Und die Kommentare würden halt auch mitgelöscht werden, die Arbeit, die sich andere mit den Geschichten gemacht haben. Aber klar, man denkt da schon drüber nach.

Das sind so Leute, die sich an Weihnachten unter einen geklauten Baum setzen und ihren Kindern die Jesusgeschichte vorlesen
Ich find das auch seltsam, wenn man so Geschichten klaut, dann macht man das ja nicht um Geld zu verdienen, sondern damit man ein besseres Bild von sich selbst abgibt, glaub ich. Also dass man im Freundeskreis sagen kann oder zu Bekannten: Guck mal, wie sensibel ich bin und was für Geschichten ich schreiben kann.
Was bin ich für ein cleveres Kerlchen!
Also es hat schon mal einer eine Geschichte von mir geklaut und auf myspace eingestellt und für mich war klar: da generiert sich einer ein als Autor, damit er einen auf sensibel macht und paar Tussis abgreifen kann. Und ich denke jetzt so hier oder bei der Frau, die ein „Buch“ rausgebracht hat mit lauter geklauten Geschichten, ist das ein pathologisches Lügen. Schon schräg.

Beide geklauten Geschichten von mir waren melancholische Liebes-Gechichten, von denen hab ich insgesamt nur 3 oder so. Also … Schaflos sollte ich auch regelmäßig googeln, glaub ich.

Die Geschichte gefällt mir übrigens ganz ausgezeichnet. Die hat diesen Ton getroffen, der momentan in mir herumschwingt. Ich hab die schon mal gelesen, aber da kam es nicht so an, da war ich wohl noch zu unverheiratet und nicht dreißg genug.
Ich bin sowas von unverheiratet! Und als ich die Geschichte geschrieben hab, nicht die Spur von dreißig.
Ehm. :)
Ich denke, es ist einfach auch eine Sache der Stimmung, in der man grade ist, nicht nur die allgemeine Verfassung.

Schön, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat, danke für den Kommentar
Quinn

Hallo Perdita,

Dieser geklaute und verstümperte Text dagegen ... argh. Wirklich jede Änderung, die sie gemacht hat, ist eine zum Schlechteren.
Ja, ich hab mich damit auch beschäftigt. Es ist schon so, dass vieles, was ich sonst so sage über Stil und so, hier in der Geschichte ist, und in der Veränderung dann nicht mehr. Also da bestätigt die Geschichte viele Annahmen, die ich so für mich gemacht habe, in den letzten Jahren.
Wie mit den speziellen Ausdrücken und Rhythmus und Stimme.
Von daher hat der Text mich noch mal dazu gebracht, das direkt zu sehen. Ist natürlich auch nicht so toll, wenn man dann so bestätigt wird, das macht einen auch bisschen faul und selbstzufrieden.

Aber ja, ich bin jetzt auch nicht mehr so gallig, wie die ersten Tage, als ich das gesehen hab, und wenn man die beiden Texte nebeneinander legt, kann man schon viel sehen, das denke ich auch.
Ich hab bei dem Text versucht, immer wieder gegen die Sentimentalität zu steuern, und das zu unterwandern und zu verstärken, im Wechsel mit den Bildern. Und durch das pseudo-philosophische „Panta Rhei“ und „Treibgut“ und was die halt gemacht hat, geht die Balance auseinander. Und einzelne Sätze, auf die ich sehr stolz war, sitzen dann an der falschen Stelle und wirken nicht mehr so. Weil die Betonung des Textes eine andere ist.
Ich wollte z.B. als letzten Paukenschlag die Szene, wenn die Katze auf dem Stift liegt, und er da fast – erzählerisch – zusammenbricht, und danach den leiseren Schluss-Satz. Und sie hat zwischen diese beiden Elemente noch so eine krude „Grey’s Anatomy“-Zusammenfassung-aus-dem-Off gestellt. Also das ist schon spannend, so einen Text, der kalt ist und den man richtig anfassen und umdrehen kann, dann mal auseinander zu nehmen, und zu gucken, was da läuft und warum es läuft.
Der ist natürlich auch recht kurz, der Text.
Schön, wenn er dir gefallen hat
Danke für deinen Kommentar.

Gruß
Quinn

 

Hey Quinn,

Ich find die Geschichte richtig stark. Die essbare Freundin ist ganz nett so, aber die hier gefällt mir richtig gut. Fliege hat mal vor Kurzem nach guten "Kurze"-Kurzgeschichten gesucht, und ich finde die hier ist so eine. Hier hast du ja nur eine Stimme und eine Katze, also eigentlich nur eine Stimme, und die erzählt halt ein bisschen von sich und ihrer Arbeit, die Frau ist ein Mythos, die Sirene ist ein Mythos, Katzen sprechen nicht, das Programm ist ein Programm, an sich ist so ein Job total langweilig – aber du spinnst was Spannendes aus diesen Zutaten, eben weil die Stimme so gut ist und diese Melancholie rüberkommt. Das finde ich schon beachtenswert. Die Stimme macht sich selbst was vor, die Stimme ist traurig, die Stimme ist sympathisch ... ich weiß es gar nicht genau, im Endeffekt hört man ihr einfach gerne zu. Und am Ende hat man auch nicht das Gefühl, hier hätte der Autor vorzeitig Schluss gemacht, oder dass hier nur erzählt und nichts gezeigt wurde, oder dass hier irgendwo was fehlt …
Es stimmt in dieser Form, diese Geschichte muss so erzählt werden, man ist auch zufrieden zum Schluss, man glaubt, den Erzähler und seine Geschichte erfasst zu haben, hier fehlt nichts.
Also ich glaube, das ist schon schwer, richtig gute Geschichten zu schreiben, die eine Wirkung entfalten wie die hier, und so lang sind wie die hier. Bei längeren Texten, da kann man ja ausholen und so. Von dem her finde ich den Text auch echt interessant. So Schreiben habe ich vielleicht irgendwann früher versucht, aber grad gar nicht so. Ich weiß nicht, ob das immer so gut ist, da kann man ja auch einiges falsch machen, aber mein Denken geht grad total in die andere Richtung ... mehr Raum, mehr Platz, mehr Leute, usw.. (ich poste bald mal wieder was).
Aber wie auch immer, cool, dass der Text wieder auftaucht.

MfG,

JuJu

 

Hi,

aber du spinnst was Spannendes aus diesen Zutaten, eben weil die Stimme so gut ist und diese Melancholie rüberkommt. Das finde ich schon beachtenswert. Die Stimme macht sich selbst was vor, die Stimme ist traurig, die Stimme ist sympathisch ... ich weiß es gar nicht genau, im Endeffekt hört man ihr einfach gerne zu. Und am Ende hat man auch nicht das Gefühl, hier hätte der Autor vorzeitig Schluss gemacht, oder dass hier nur erzählt und nichts gezeigt wurde, oder dass hier irgendwo was fehlt …
Vielen Dank, die Geschichte war so konzipiert, dass der Erzähler, wie es sicher viele machen, sich sein Leben ein Stück weit selbst zurecht denkt. Indem man erzählt, gibt man Dingen auch einen Sinn, man ordnet sie, man lässt es planvoll aussehen.
Andrea H. hat da was zitiert aus Musils Mann ohne Eigenschaften z.B.
Und das Wichtige für mich in der Geschichte war es dann, den Erzähler eben nicht der Lächerlichkeit preis zu geben, deshalb bin ich bei manchen Kommentaren damals auch zusammengezuckt.
Ja, es ist halt die Stimme hier. Die hat vielen gefallen und wurde von vielen als angenehm wahr genommen.

in dieser Form, diese Geschichte muss so erzählt werden, man ist auch zufrieden zum Schluss, man glaubt, den Erzähler und seine Geschichte erfasst zu haben, hier fehlt nichts.
Schön, wenn das so wahrgenommen wird. Ich denke, um was im Text geht, ist auch relativ leicht zu erkennen. Du sagst: Mythos. Dass da jemand sein eigenes Leben etwas erhöht, mit der Frau, und der Katze und Geschichten, die man sich erzählt. Ich denke das kann der Leser dem Text leicht entnehmen und dann freut er sich, dass er das gesehen hat.
Meiner Erfahrung als Autor nach, verärgert es den Leser ungemein, wenn er das Gefühl hat, dass im Text was ist, das er aber nicht sieht; und es freut ihn ungemein, wenn er das Gefühl hat, es ist was im Text versteckt und er hat’s entdeckt.
Und das geht mir ganz genau so. Das ist auch manchmal eine Illusion, ein Trick. Die Texte, die den Leser zufrieden zurücklassen, sind oft die, die so aussehen, als würden sie etwas verheimlichen, etwas verstecken, aber jeder Leser kann das Rätsel leicht lösen und fühlt sich gut dabei, was gesehen zu haben.
Ich denke, das ist der Effekt hier. Man hat nach dem Lesen ein gutes Bild zusammen. Es ist rund.

So Schreiben habe ich vielleicht irgendwann früher versucht, aber grad gar nicht so. Ich weiß nicht, ob das immer so gut ist, da kann man ja auch einiges falsch machen, aber mein Denken geht grad total in die andere Richtung ... mehr Raum, mehr Platz, mehr Leute, usw..
Ja, es geht mir auch so. Das ist ja hier, wenn man so will, ein Ein-Personen-Stück, ein kleines Psychogramm. Damit stößt man auch schnell an Grenzen, glaube ich.
Also diese Art zu schreiben: Wo soll die hin? In welche Richtung geht das noch? Es ist dann eher noch: Verdichten, polieren, polieren, verdichten. Wenn man es erweitern wollte, müsste man den Text schon ganz anders anlegen wahrscheinlich.
Der Text hier ist ja statisch und eher rückwärts gewandt. Also er tut nichts, sondern er handelt dann im Rückblick oder von der Handlung losgelöst. Das Finale findet vorm Anfang statt; und der Mittelteil mit der Sirene, noch einmal davor.

Jau, ich hab mich auch gefreut, dass der Text noch mal besprochen wurde. Es ist schon interessant, auf die Texte zurück zu gucken.

Danke dir für den Kommentar
Quinn

 

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