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Die Anzeige (Wienerisch)

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20.11.2001
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Die Anzeige (Wienerisch)

Erwin begibt sich in eines dieser heruntergekommenen, mit von den Wänden fallendem Verputz, und Schreibtischen sowie Holzbänken aus der Kaiserzeit ausgestatteten Wachzimmer.
„Gut´n Tag, i mechat a Aunzeige mochn.“
„Wia haß´ma denn? Haums an Ausweis dabei?“
„Jo, schauns, do is mei Ausweis.“
„Aha, se san oiso da Erwin Pospisil?“
„Jo.“
„Auslända? Na, samma eh a Östarreicha, gö? Oiso wos woinn ma denn?“
„Mia woinn, oiso i wü an Einbruch aunzeigen.“
„Sooo? Sie glauben oiso, daß bei ihna einbrochn wordn is.“
„Na, bei mia ned. Bei unsan Club. Oiso, des is so. Mia haum do an Club und in des Clublokal is einbrochn und die Kassa gstoin woan.“
„Na daunn nehmmen wir einmal des Protokoll auf.“
Der Inspektor setzt sich zum Computer, der in den Räumen wie ein Fremdkörper wirkt, und schaut auf den Bildschirm. Er wirkt sehr daran interessiert, welche Reaktionen sich auf dem Monitor abzeichnen, nachdem er abwechselnd Maus und Tasten betätigt. Scheinbar findet er etwas nicht und ruft: „Hööömal!“
Nachdem sich niemand meldet, nimmt er Papier und Blaupapier und spannt es mit den erklärenden Worten, „Des is olles a Kaas, des technische Klumpat.“, in seine gute, alte, mechanische Schreibmaschine ein.
„Die Adresse.“
„Penzinger Stroßn hundertfuffzig, ersta Stock.“
„Seit wann gemeldet?“
„Na, wohnan tua i dort net, des is nur des Clublokal.“
„Heans, mochn´s mi net narrisch! I hob ihna noch ihnara Adress g´frogt!“
„Aso... Sonnenweg zwahundatfünfazwanzg.“
„So, und jetzt bitte die Adress´ vom Clublokal.“
„Die hob i do grod...”, ein scharfer Blick des Inspektors, ein Seufzen von Erwin, “Penzinger Stroßn hundatfuffzg, der klane Extrabau, im erstn Stock.”
„Wer isn do da Eigentüma?“
„Des waß i net.“
„Daunn muaß i nochschaun. Setzns ihna dawei draußn hi.“
Beide verlassen den Raum, der Inspektor kommt erst nach einer viertel Stunde wieder, während Erwin die Holzlatten der Bank besitzt.
„San se si sicha, mit der Adress?“
„Jo sicha bin i sicha...“
„Die gibt’s oba net.“
„Wos, bitte wie?“
„Die Adresse gibt es nicht.“
„Wos haßt des?“
«Na, i kaunn jo schlecht a Aunzeige moch´n, waunn des betreffende Objekt goa net existiert.“
„Es existiert oba, mia san jo jede Wochn zwa Moi do oben drin, glaub´ns ma´s, des gibt´s.“
„Na, des gibt´s net. Des is nicht existent.“
„Oba schauns, Herr Inspekta, die hom uns die gaunze Kassa gstoin! Fünftausend Schülling woan do drin!“
„Des is net unsa Problem. In unsan Bezirk gibt’s auf der Adress nur a ebenerdiges Gebäude ohne erstn Stock. Auf einer Adresse, die nicht existiert, kann folgedessen auch kein Einbruch stattgefunden haben.“
„Oba Herr Inspekta...“
„Wie heißt der Betreiber des Clubs?“
„Wieso woinn Sie des wissen?“
„Für die Aunzeige.“
„Wos manan sie jetzt?“
„Ja, waunn Sie in offiziell nicht existenten Räumlichkeiten einen Club betreiben, ist des natürlich strofbor. Vamutlich erfüllen sie auch nicht die Auflagen, die die Bauordnung für solche Räumlichkeiten vorsieht, wie zum Beispü an Notausgaung oda feiapolizeiliche Vurschriftn. Des wird teia für Sie. Wahrscheinlich auch noch illegaler Vakauf vun Getränke und vielleicht sogor Drogen?“
„Oba Herr Inspektor, i bin do weg´n dem Einbruch do...“


*


(Die Übersetzung hab ich wieder rausgelöscht, braucht ja eh keiner.)

 

Servus Häferl!

Jo so is des, wos net ist des derf net sein!
Ein Stück Wiener Beamtengeschichte aus dem KuK-Kommissariat und der dort oftmals installierten Computerattrappe. Gelungan tät i sogn.


Lieben Gruß Eva

 

Hehehe

als gelernter Österreicher, weiß man wie die Polizei hier ist. Wie aus dem Leben gegriffen. Ich mußte mal ne Diebstahlsanzeige machen (Geldbörse) Seufz!

ad Kristin: hier Herrschen kafkaeske Zustände. Es kann durchaus sein, daß man die Existenz eines nichtvorhandenen und doch wieder vorhandenen Clublokales beweisen muß. Durch die möglicherweise doch den Tatsachen entsprechende Existenz eines nicht näher bewiesenen Clublokales, könnte durchaus der Fall eintreten, daß dem Staat möglicherweise aus der Existenz jenes besagten Clublokales einzuhebende Steuern entgehen, was wiederum den Tabestand nach sich ziehen könnte, daß am Ende der Bestohlene zum Beschuldigten wird...Ferner kann es der Anzeigende nicht beweisen,´daß eben jenes Objekt auch tatsächlich den Vorschriften eines ordnungsgemäß registrierten Clublokales entspricht, wodurch sich der Tatverdacht gegen die anzeigende Person richten würde

alles klar?
So leben wir hier schon seit Kaisers Zeiten.... Hier ist es manchmal besser, nicht zur Polizei zu gehen...Vom Umgangston mancher Exekutivbeamten ganz zu schweigen... Es hat sich aber schon einiges gebessert, mittlerweile.

 

Danke, Schnee.eule und Echnaton! :)

Liebe Kristin!

Was Du alles wissen willst... :shy:

Dir ist vielleicht nicht aufgefallen, daß der Beamte eine viertel Stunde lang weg ist, um das zu eruieren? Er hat ja Zugriff auf z.B. das Melderegister usw. - Nur konnte er es nicht im Computer nachschauen, weil er sich nicht auskannte (hat wohl einen Kollegen gelöchert, das weiß niemand so genau...).
Der erste Stock existiert, aber er existiert nicht in den Akten. Er ist illegal, weil er im Krieg illegal dazugebaut wurde und sich bis dato noch keine Gelegenheit bzw. kein Grund ergab, ihn in die Akten aufzunehmen (übrigens das einzig wirklich Reale an der Geschichte).

Aber ich weiß nicht, was Du noch für eine Pointe willst? Liegt für Deinen Geschmack nicht genug Situationskomik in meiner Geschichte? Hmpf. Schade, daß sie Dir nicht so gefallen hat. Ich weiß, ich hab schon bessere Geschichten geschrieben. Aber hier geht es mir, uns, mehr um die Pflege des Dialekts und Festhalten von Eigentümlichkeiten - bevor das alles den Bach runterrinnt.
Es nicht hinnehmen, daß unsere Sprache durch das Fernsehen verschwindet. Es nicht akzeptieren, daß unsere Urenkel unsere Sprache nicht mehr verstehen sollen vor lauter Vereinheitlichen und EUAmisieren...

Ich hoffe, daß Dir meine nächste Geschichte besser gefällt. ;)

Alles liebe
Susi

 

Liebe Kristin!

Den letzten Satz mit dem Zu-Satz hättest Du Dir aber wirklich sparen können. Ich bin doch kein Kindergartenkind.

Jedoch finde ich, daß es aus der Geschichte ersichtlich ist, daß da tatsächlich ein Clublokal ist (ansonsten hast Du vielleicht Probleme, meinem Protagonisten zu glauben?) und daß der Beamte nichts darüber in den Akten findet. - Es steht alles da - Du kannst meinem Protagonisten ruhig glauben, er lügt nicht.
Warum das Lokal bzw. der erste Stock da ist, ist für die Geschichte nicht relevant.

Liebe Grüße
Susi

 

Kristin, das ist einfach so. Solche Dinge ergeben sich und durch blöde Zufälle wird dann irgendetwas aufgedeckt. Aber in dem Moment, wo meine Geschichte spielt, weiß noch niemand, weder der Beamte noch der Protagonist, warum das so ist, also kann es auch nicht in der Geschichte stehen. Es ist zum Zeitpunkt der Geschichte ein Rätsel und es war nicht meine Intention, diesen einen Punkt zu verfolgen, sondern ihn als - wie Du sagst: - absurd darzustellen. Sonst wäre es eine ganz andere Geschichte... Es sollte nur die Situation, wie der Protagonist sie erlebt, beschrieben werden, nicht das Verfahren danach, in dem das dann aufgedeckt werden würde. ;)

 

Hallo Häferl,

die Geschichte ist ganz nett, aber ich war doch enttäuscht, daß da nicht noch eine überraschende Auflösung kommt.
Ich möchte vorschlagen, den Eingangssatz zu ändern: Erwin begibt sich in eines dieser heruntergekommenen, aus der Kaiserzeit stammenden Wachzimmer. Sie ... .-

Das ist mir gerade so eingefallen: Wußtest Du, daß man bei Einbruch der Dunkelheit nicht die Polizei rufen darf?

Tschüß... Woltochinon

 

Cool, ich habe den Text auch ohne Übersetzung verstanden. *stolz auf sich ist*

Ich verstehe sowohl Kristins Einwand, als auch Deine Erklärung, Häferl. Für jemanden, der nicht das Beamtentum in Österreich kennt, ist dieser Vorfall erklärungsbedürftig. Man kann sich schlicht nicht vorstellen, dass so ein Vorfall "alltäglich" ist. Und daher erwartet man eine Aufklärung.
Aber auch Dein Standpunkt, dass eine Erklärung nicht hineingehöre, ist verständlich. Es geht Dir darum, eine Situation darzustellen, die alleine durch sich wirken soll. Ich denke, dass das beim Leser angekommen ist. Jedenfalls würde ich Dein Projekt mit "gelungen" unterschreiben.

Jedoch ist dann dieser Text nur für eine bestimmte Leserschaft zugänglich. Und zwar nur für Leser, die genau wissen, wovon der Autor spricht. Alle Anderen werden Deinen Text wohl mit einem leicht belustigten und ungläubigen Lächeln quittieren, da Deine Geschichte nicht aus sich heraus verständlich ist. Ohne die Zusatzinformationen, die Du nachträglich angegeben hast, hätte auch ich nicht alles verstanden.

Die Frage ist eben, welche Zielgruppe Du im Auge hattest.
Aber amüsant ist der Text sicher.

 

Moin, moin Häferl,
an din Text mut sick een ers wöhnen. Aber worüm hört he denn inne Mehren op?

de plattdütsche
Joachim

 

Liebes Susihäferl!

Fand Deine Geschichte für eine Zuagraste SUPER Du hast damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
Nestroy hätte seine Freude mit Dir ich hab sie sowieso schreib mehr in dieser Art auch Deine Mischung zwischen OÖ und Wien find ich gelungen.
lg jo-die

 

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