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Die Augenlosen

Seniors
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31.10.2003
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Die Augenlosen

Timmy Bolter hockte auf dem kühlen Waldboden und legte das große Tabakpflanzenblatt, das er vor ein paar Minuten gepflückt hatte, auf die Ameisenstraße vor seinen Füßen. Die Tannen hinter seinem Rücken zauberten Schatten, die seinem Körper eine angenehme Kühlung bescherten. Ein leichter Windhauch blies ein paar Strähnen seines blonden Haares in sein Gesicht. Gedankenverloren wischte er sie beiseite.
Er beobachtete die wild auseinanderstobenden Ameisen, sah, wie sie aufgeregt um das Tabakblatt herumliefen. Er lächelte.
Timmy war fünf Jahre alt, und Dad hatte heute das erste Mal erlaubt, dass er mit Jo und den anderen Niggern raus aufs Feld ging. Das Leben war einfach herrlich.
Die Ameisen waren so winzig, so zerbrechlich diese zarten Körper. Timmy fühlte sich schon richtig groß.

* * *

„Wo ist der Junge, Jo?“
Jo blickte auf, und sein schwarzer Körper glänzte vom Schweiß, der in kleinen Rinnsalen über seine Haut rann und den Bund der Hose dunkel färbte.
Tchelzy, der ein Bündel Tabakpflanzen in den Händen hielt, stand vor ihm. Jo blickte sich um, sah die dicken Halme, die sich starr gegen den wolkenlosen Himmel abzeichneten. Wie Gewehre, dachte Jo kurz. Gewehre, kurz vor dem Angriff …
Doch wo war Timmy? Vor wenigen Minuten war er noch hier bei ihm auf dem Feld gewesen und vor Freude umher gesprungen, als er sein allererstes Tabakpflanzenblatt selbst abschneiden durfte.
Am Horizont flirrte die Luft. Jos Herz schlug schneller.

* * *

Die Ameisen hatten das Blatt überrannt; eine scheinbar ungeordnete Armee, wirr herumlaufend ohne erkennbarem Ziel.
Timmy versuchte, sie mit einem Stock zu dirigieren. Er bewegte ihn vorsichtig, um die zarten Wesen nicht zu zerdrücken, doch manchmal passierte es doch, dass sich eine von ihnen unter dem harten Gewicht zu einem gekräuselten Körper zusammenzog.
Ein Geräusch aus dem Wald ließ ihn aufblicken.

* * *

Jo schirmte die Augen vor der hoch stehenden Sonne ab. Die Schatten der Pflanzen waren nur noch winzig.
In einiger Entfernung konnte er Mister Blanks und zwei weitere Wachmänner ausmachen. Sie saßen auf einem Baumstamm in der Nähe des Tabakfeldes und rauchten.
Jo blickte wieder zu Tchelzy.
„Eben war er noch hier.“ Seine Stimme war nur ein Flüstern.
„Wir sollten Mister Blanks holen“, erwiderte Tchelzy noch leiser.
Jo wurde mulmig.

* * *

„Hallo, wer bist du?“
Timmy blickte auf die seltsame Gestalt, die zwischen den Bäumen hockte und sich jetzt langsam auf ihn zubewegte.
Er konnte nicht genau ausmachen, was es war. Mal sah es aus, wie ein sich bewegender Baumstamm, mal wie waberndes Laub. Es flirrte, wie die Luft am Horizont, wenn es zu heiß war, verursachte ein Brennen in den Augen. Und es kam näher.
Timmy kniff die Augen zusammen. Die Ameisen untersuchten fieberhaft den kleinen Stock in seinen Händen.

* * *

Jo blickte hektisch in alle Richtungen.
„Wir sollten Mister Blanks holen“, sagte Tchelzy noch einmal. Auch sein glänzender Brustkorb hob und senkte sich in kurzen Abständen. „Oh Jesus, Jo. Mister Blanks wird …“ Tchelzy ließ die Pflanzen unter seinem Arm fallen. „Er wird …“
„Timmy muss hier irgendwo in der Nähe sein“, flüsterte Jo.
Auch wenn Mister Blanks strikte Anweisungen von Massa Bolter bezüglich der Behandlung der Nigger bekommen hatte, so konnte sich Jo lebhaft vorstellen, wie er reagieren würde, wenn Jo den Jungen verloren hätte. Tchelzys Bedenken waren durchaus berechtigt.
„Timmy?“, rief Jo gerade so laut, dass es nicht bis hinüber zu Mister Blanks dringen konnte.
Er sah die hohen Tabakpflanzen vor sich, weit dahinter die Spitzen der Tannen des umstehenden Waldes. Sie wogen sich im leichten Wind, wie in Trance verfallene Leiber.

* * *

Timmy begann leise zu weinen.
Das seltsam flimmernde Ding hockte nun direkt vor ihm.
Eine Ameise hatte sich auf Timmys Knie verirrt, er merkte die Berührung nicht. Da war nur dieses dünne Etwas, das genau vor seinen Augen schnüffelte.
Eine große Hand streckte sich nach ihm aus, berührte seinen Mund.
Timmy schrie.

* * *

Jo stürmte los.
Der Schrei kam aus Richtung des Waldes. Von weitem hörte er Mister Blanks brüllen, sah, wie er und die anderen nach ihren Waffen griffen.
Die Tabakpflanzen peitschten seinen Körper, rissen dünne Wunden ins Fleisch. Jo rannte weiter, doch instinktiv wusste er, dass es zu spät war.
Das Tabakfeld schien sich ins Unendliche zu erstrecken. Jo schlug die Halme beiseite, seine nackten Füße gruben sich durch den harten Lehm. Er spuckte zähen Staub, der sich auf seiner Zunge sammelte. Die mannshohen Pflanzen teilten sich ein letztes Mal; er hatte das Ende des Feldes erreicht.
Als erstes sah er die vorderste Front der Tannen – drohend, wie eine alles abschirmende Mauer – dann Timmys kleinen Körper. Er sah dieses Ding, das über ihm hockte.
Jo schrie. Das Ding riss ruckartig den Kopf in seine Richtung, und ein fauchendes Geräusch entwich dem schnabelähnlichen Maul. Jo erstarrte. Ein Flackern überzog den Körper des Wesens, und im selben Moment war es verschwunden.
Über Jos Lippen drang ein leises Wimmern, während er langsam auf den kleinen Körper zuging; mit ausgestreckten Armen lag dieser auf dem Waldboden, wie der gekreuzigte Sohn Gottes.
Schritt für Schritt, so unendlich langsam.
Vor Timmys Leib blieb er stehen, sah die roten Abdrücke an dem kleinen Hals, und er sah die leeren Augenhöhlen.
Er fiel auf die Knie, nahm den Körper hoch, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er drückte Timmy an seine Brust, diesen leichten Körper, so winzig, so … zerbrechlich. Jo riss den Kopf in den Nacken und schrie alles Entsetzen, welches ihn in diesem Moment zu zerreißen drohte, in den klaren Himmel.


1

„Verdammte Scheiße!“
Jones Bolter sprang so schnell von seinem Stuhl auf, dass dieser polternd nach hinten fiel. Auch die kleine Mary war von dem heulenden Schrei, der von draußen hereinplatzte, zusammengezuckt und starrte ängstlich in das Gesicht ihrer Mutter.
Ihr Vater riss die Tür auf und stürmte hinaus, immer wieder schreiend: „Nein! Was hast du getan? Nein!“
„Bleib sitzen!“, befahl Marys Mutter und rannte ihrem Mann hinterher.
Starr blickte die Kleine zu der offenen Tür, sah die Veranda im gleißenden Sonnenlicht.
Was war passiert? Der entsetzliche Schrei war eindeutig von Jo gekommen. Aber warum hatte er so geschrieen? Sie hörte weitere, aufgeregte Stimmen und immer wieder Dads „Nein! Nein!“. Und dann den Schrei ihrer Mutter.
Ein dicker Kloß breitete sich in ihrem Hals aus, drohte für einen Moment sie zu ersticken. Sie schluckte heftig, überlegte, ob sie zu ihrem Bett laufen und sich die Decke so weit über den Kopf ziehen sollte, dass sie nichts mehr von diesen Schreien hören konnte. Einer ihrer geflochtenen Zöpfe kitzelte sie an der Schulter, sie nahm ihn unbewusst und steckte das Ende in den Mund. Dann rannte sie zum Fenster.
Als erstes sah sie den Pulk Männer. Mister Blanks, der Oberaufseher, und zwei seiner Leute hatten Jo an den Armen gepackt. Jo schrie. Er blickte aus seinem verheulten Gesicht hinunter zu Dad, der im blassen Staub vor etwas kniete.
„Massa, ich war es nicht! Oh Jesus. Massa, Jo hat es nicht getan!“
Mister Blanks, der Aufseher, schlug Jo in den Magen, und sein Heulen verstummte.
Jones Bolter sprang auf und rannte zurück zum Haus. Mary erkannte den gebeugten Rücken ihrer Mutter, die über einen kleinen Körper gebeugt war.
„Ich war es nicht, Massa!“
„Halts Maul, Nigger!“ Wieder bohrte sich die Faust von Mister Blanks in Jos Magen.
Mary zuckte zusammen. Warum tat Mister Blanks das? Dad hatte doch verboten, die Nigger ohne Grund zu schlagen. Warum tat er es trotzdem?
Ihr Dad stürmte herein, rannte an ihr vorbei auf den Waffenschrank zu.
„Dad?“ Ihre Stimme war kaum hörbar. Was hatte er vor?
Sie sah, wie er Großvaters lange Schrotflinte hervorholte, den Doppellauf hektisch nach unten klappte. Sein Gesicht war nass, die Hände zitterten, als er die dicken Patronen in den Lauf steckte.
Vorsichtig ging sie auf ihn zu. „Dad?“
Für einen winzigen Augenblick schien sie ihn aus seinem apathischen Zustand befreit zu haben, und er sah sie an. Jones Bolter blickte auf das kleine, zehnjährige Mädchen. Er sah die langen, geflochtenen Zöpfe, von denen einer eine nasse Spitze hatte, die einen schillernden Glanz aufwies. Marys Augen waren weit geöffnet, schauten ihn ängstlich und bittend an.
Sie spürte, dass ihr Vater zu zweifeln schien, einen winzigen Augenblick lang nur, dann verwandelte sich sein Blick und er stieß sie zur Seite. „Bleib hier drin, Mary.“
Das war alles, was er gepresst hervor brachte. Mit einem Knacken ließ er den Lauf einrasten und stürmte wieder hinaus.
„Dad, tu es nicht“, rief ihm Mary hinterher, viel zu leise, unhörbar.
Sie rannte zurück zum Fenster. Ihr Vater ging mit großen Schritten auf Jo zu, die Schrotflinte an die Schulter gepresst.
In der Nähe der Niggerschuppen am Ende des Anwesens entdeckte sie weitere schwarze Arbeiter ihres Dads. Da stand der alte Mack, den alle nur Daddy-Mack nannten, und hielt seine Frau in den Armen. Jo war Daddy-Macks Sohn.
„Massa, ich hab es nicht getan.“ Jo wimmerte in den Lauf der Schrotflinte hinein. „Es waren die Augenlosen, Massa. Es waren die Augenlosen!“
„Ich habe ihn dir anvertraut“, zischte Jones Bolter.
Mary sah durch das leicht schlierige Fenster, wie sein Rücken bebte. Sie sah, dass er noch etwas sagen wollte. Sein Finger, der zitternd am Abzug lag, schien immer größer zu werden. „Dad ...“ Die Scheibe beschlug.
Mary schloss die Augen.
Der doppelte Knall war wie einer. Mary erschrak nicht, und als sie ihre Augen wieder öffnete, der Schönheit des Nichtsehens entfloh, war Jos Kopf bis zum Unterkiefer verschwunden. Der schwarze Körper sackte auf die Knie, bevor er nach vorne kippte und einen zähflüssigen Brei auf dem staubigen Boden verteilte.
Die beiden Männer, die ihn festgehalten hatten, wischten mit den Ärmeln über ihr Gesicht, und Mister Blanks befreite sein Hemd von klebrigen Hirnspritzern. Jones Bolter stand immer noch da, die Waffe fest an seine Schulter gepresst, während der Brei, der Jos Kopf entwich, seine Stiefelspitzen umspülte.
Marys Augen begannen zu brennen.
Sie sah Ma, die Timmy in den Armen hielt. Seine Arme hingen schlaff herab, genauso wie sein Kopf. Die blutroten, leeren Augenhöhlen hatten Ähnlichkeit mit aufgerissenen Mündern, erstarrt zu einem unhörbaren Schrei.
Wieder schloss sie die Augen, und das Brennen verschwand.


2

Mary wurde von ihrer Mutter früh zu Bett gebracht.
Die Zimmerdecke, auf die Mary unentwegt starrte, schien heute so unendlich weit weg zu sein. Im Nebenzimmer hörte sie ihren Vater schluchzen. Den ganzen Tag über hatte er nichts mehr gesagt, hatte lediglich auf seinem Stuhl gesessen und geweint; ihre Mutter hatte auch geweint.
Mary selbst nicht. Irgendwie konnte sie es nicht, obwohl sie heute zwei geliebte Menschen verloren hatte. Ihren Bruder Timmy und Jo. Sie hatte Jo gemocht, und sie glaubte, ihr Dad auch. Er hatte einmal gesagt, dass Jo sein Lieblingsnigger sei.
Das Bolter-Anwesen war das einzige im ganzen Umkreis, das seine schwarzen Arbeiter nicht körperlich bestrafte. Das wussten auch die Nigger, und Mary war sich sicher, dass sie gern für Daddy arbeiteten. Er hatte irgendwann einmal etwas von Reformen gesagt, doch sie wusste nicht, was damit gemeint war.
Doch heute hatte Dad seinen Lieblingsnigger erschossen. Mary konnte sich nicht vorstellen, dass er wirklich geglaubt hatte, Jo hätte Timmy umgebracht. So etwas hätte Jo niemals getan, und das wusste auch Dad. Deshalb hatte er Jo auch heute zum ersten Mal erlaubt, Timmy mit hinaus auf die Felder zu nehmen. Timmy war richtig stolz gewesen. Mit fünf Jahren durfte er schon mit den großen Arbeitern hinaus.
„Bald bin ich auch ein großer Feldarbeiter, Mary“, hatte Timmy heute früh zu ihr gesagt. Er hatte Jos große Hand gefasst und zu ihm aufgesehen. „Stimmt’s, Jo?“
Jo hatte Timmy hochgenommen und auf seine breiten Schultern gesetzt. „Der kleine Massa ist schon ganz groß“, hatte er gerufen, und sie waren lachend und tanzend den staubigen Weg hinabgelaufen.
Jetzt lag Timmy auf dem großen Tisch des Gästezimmers, bedeckt mit einem weißen Leinen. Er würde niemals mehr groß werden.
Paddy Dankins, der Knochenflicker des Anwesens, wie Dad immer sagte, hatte Timmy auf den Tisch gelegt, nachdem er seine Augenhöhlen mit einem Verband bedeckt hatte. Er hatte daraufhin seinen Sohn nach Iowa Creek geschickt, um für morgen den Reverend zu bestellen. Das alles war jetzt gut fünf Stunden her.
Mary merkte, wie ihr Hals trocken wurde. Langsam stand sie auf und ging zur Tür, sah ihren Vater, der noch immer auf dem Stuhl hockte und das Gesicht tief in seine Arme vergraben hatte. Ma hatte ihre Hand auf seinen bebenden Rücken gelegt und streichelte mit der anderen seine Haare. In der Ecke, neben dem Eingang zum Gästezimmer, lehnte die Schrotflinte ihres Großvaters.
„Ich geh noch etwas raus, Ma. Ist das okay?“
Misses Bolter sah ihre Tochter aus geröteten Augen an. „Geh“, flüsterte sie und drehte sich wieder um. Dann leise: „Bleib in der Nähe.“
Mary blickte sie an, sah ihren Rücken und hoffte gleichzeitig, dass sie noch etwas sagen würde. Vielleicht auch, dass Dad noch etwas sagen würde, dass er seine Arme öffnen und sie drücken würde; dass er sagte: „Bleib, meine Mary. Bitte geh nicht. Ich habe doch nur noch dich.“
Aber er schwieg und beweinte Timmy.


3

Als die kühle Nachtluft ihr Gesicht berührte, merkte Mary zum ersten Mal, dass ihr Tränen die Wangen herunterliefen. Sie blickte zum Himmel und sah die winzigen Punkte, welche die Hoffnung in ihr aufkeimen ließen, Timmy und Jo dort oben zu sehen; zu sehen, wie sie lachten und tanzten. Und gleichzeitig wusste sie, dass Jo dort oben noch seinen Kopf und Timmy seine Augen hatte.
Marys Füße glitten über den klammen Staub vor der Veranda; jenen Staub, durch den Timmy heute Morgen noch gestapft war und der sich am Nachmittag mit Jos Blut vermischt hatte.
In der Nähe der Niggerschuppen erkannte sie ein schwaches Licht. Die Bolters besaßen viele dieser Holzbauten, in denen die Arbeiter wohnten, doch bis auf einen, hatten sich alle mit dem Dunkel der Nacht vereint. Das Flackern auf den Brettern wirkte gespenstisch, und die tanzenden Schatten wogen wie fremdartige Wesen, die miteinander verschmolzen. Mary schauderte ein wenig, als sie langsam darauf zuging.
Nachdem sie kurz darauf den Schuppen erreicht hatte, erkannte sie ein kleines Feuer, vor dem eine gekrümmte Gestalt hockte. Mary wollte umkehren, als die Gestalt den Kopf wandte und zu ihr herüberblickte. Es war Daddy-Mack, und der Schein der Flammen ließ seine großen Augen aufleuchten.
„Was tust du denn so spät noch hier, kleine Misses?“
Mary trat ein Stück näher heran und die Wärme des kleinen Feuers erfasste ihren Körper. Die dunklen Wangen des alten Mannes glänzten.
„Ich konnte nicht schlafen“, flüsterte sie.
„Setz dich zu mir.“ Seine Hand griff unter seinen Po, und er holte ein plattes Kissen hervor. „Hier, kleine Misses, du kannst dich darauf setzen.“
Daddy-Mack nannte Mary immer kleine Misses. Sie fand das lustig, obwohl sie ihm schon oft gesagt hatte, er könne sie durchaus Mary nennen. „Aber du bist doch eine kleine Misses“, hat er dann immer gesagt, und sie haben gelacht.
„Kein schöner Tag heute.“ Er blickte in die Flammen.
„Es tut mir Leid, Daddy-Mack.“
„Das weiß ich, kleine Misses. Das weiß ich.“
Sie schwiegen eine ganze Weile, während die glühenden Scheite von kleinen Flammen umschlossen wurden.
„Wie geht es deiner Frau?“, fragte Mary, ohne aufzublicken.
„Wie geht es deinem Dad, kleine Misses?“
„Nicht gut.“
„Siehst du? Ich glaube, an einem Tag wie diesem, geht es niemandem gut.“
Daddy-Mack brach einen Ast entzwei und warf ihn ins Feuer. Dann wischte er mit der Hand über seine Augen.
„Ich vermisse Jo auch“, flüsterte Mary in die Flammen. Sie spürte, wie ihre Augen glasig wurden. Es waren Tränen der Scham.
„Du hast heute deinen Bruder verloren, kleine Misses.“
Sie blickte in die Augen des alten Mannes, wünschte sich, ebenfalls so tapfer zu sein.
„Glaubst du, Daddy-Mack, Timmy und Jo sind dort oben im Himmel zusammen?“
Seine Augen schienen zu lächeln. „Da bin ich ganz sicher, kleine Misses. Da bin ich ganz sicher.“
„Glaubst du auch, dass Jo auf Timmy aufpassen wird?“ Jetzt spürte Mary die Träne, die sich einen Weg über ihre Wange bahnte. Ein Holzscheit knackte. „Ich meine, Timmy hat ja sonst niemanden mehr.“
Sie sah, dass der alte Mann ihre Hand berühren wollte, doch stattdessen nahm er wieder einen Ast und ließ ihn durch die schwieligen Finger gleiten.
„Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, kleine Misses. Jo wird auf deinen Bruder aufpassen. Timmy wird dort oben nicht alleine sein. Niemand ist dort allein.“ Dann ganz leise an die Flammen gewandt: „Nicht dort oben.“
„Ich wünschte mir, das wäre heute nicht passiert, Daddy-Mack.“
„Es gibt Dinge, die sind vorherbestimmt, kleine Misses. Und diese Dinge kann niemand ändern. Wenn Gott die Menschen dort oben braucht, dann holt er sie zu sich. Sie müssen ihm dann helfen, weißt du?“
„Vielleicht, wenn er umziehen möchte.“
„Ja, durchaus. Er braucht dann Menschen, die ihm helfen, die schweren Kisten zu tragen.“ Daddy-Mack sah sie an und lächelte ein wenig. „Und mein Jo kann ordentlich zupacken.“
Mary wischte die Träne, der keine weiteren folgten, von ihrem Gesicht. „Aber Timmy war noch nicht sehr stark, Daddy-Mack. Er war ja noch ganz klein.“
„Da hast du natürlich Recht. Aber im Himmel ist jeder ganz stark.“
„Du meinst, Timmy kann sogar schwere Kisten heben?“
Wieder lächelte Daddy-Mack. Und diesmal konnte Mary sogar seine weißen Zähne sehen. „Er könnte dort oben sogar sehr schwere Kisten heben, kleine Misses.“
„Da wird sich Timmy aber freuen. Er wollte doch schon immer ganz stark sein. Und Jo wird sich freuen, dass er eine so große Hilfe hat. Aber ...“ Sie stockte, sah Timmy in den Armen ihrer Mutter, sah die aufgerissenen Münder, die einmal Augen gewesen waren, in seinem Gesicht.
„Er kann dort oben auch wieder sehen, kleine Misses.“
Sie blickte in Daddy-Macks Augen. Sie glänzten, und die Wärme, die sie ausstrahlten, übertraf in diesem Moment selbst die kleinen Flammen des Feuers. Woher wusste der alte Mann, was sie gedacht hatte?
„Ma hat einmal erzählt, die Augen sind die Türen zur Seele. Und wenn Timmy jetzt keine Seele mehr hat, dann kommt er doch auch nicht in den Himmel.“
„Wenn jemand stirbt, kleine Misses, dann ist es die Seele, die zu Gott geht. Der Körper bleibt hier unten auf der Erde.“ Daddy-Mack rückte ein Stück näher. „Und wenn die Seele bei Gott ist, gibt er ihr einen neuen Körper. Einen Körper, der ganz stark ist und der Augen hat.“
Mary lächelte. „Danke, Daddy-Mack.“
Wieder schwiegen sie eine ganze Weile. In einiger Entfernung konnte Mary im fahlen Mondlicht zwei Wachmänner ausmachen, die sich zu unterhalten schienen. Der eine deutete in Richtung der Baracken der schwarzen Arbeiter, dann trennten sie sich.
„Du, Daddy-Mack?“
„Ja, kleine Misses?“
„Meinst du, Gott hat zu Dad gesagt, dass er Jo erschießen soll? Weil er ihn im Himmel braucht? Vielleicht, damit Timmy nicht alleine ist?“
Daddy-Mack sah ihr tief in die Augen. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen. Der kleine Ast in seinen Händen brach, und der alte Mann blickte schweigend zum Feuer und warf die Stücke hinein.
„Glaubst du, das hat Gott getan, Daddy-Mack?“
Er sprach leise, den Blick nicht von den Flammen lassend. „Wenn Gott die Menschen zu sich ruft, dann tut er das auf unterschiedlichste Weise. Wir Lebenden können das nicht nachvollziehen. Aber er tut es.“
In diesem Moment hallte ein lauter Schrei durch die Nacht, und Mary und Daddy-Mack blickten erschrocken hinüber zum Haus.
Jones Bolter stand auf der Veranda und schrie in den Himmel, warf die Arme vors Gesicht und fiel auf seine Knie. Seine Frau trat durch die Tür, hockte sich neben ihn.
Mary wollte aufspringen, hinüberrennen zu diesem vor Gram geschwächten Mann, doch Daddy-Mack fasste ihre Schulter.
„Deine Ma wird sich um ihn kümmern, kleine Misses.“
Sie blickte in seine Augen, sah, dass er noch etwas hinzufügen wollte, doch seine bebenden Lippen blieben verschlossen.
Wieder knackte ein Ast im Feuer. Ein winziger Funken sprang daraus hervor und verglimmte im Staub. Als Mary wieder zum Haus blickte, waren ihre Mutter und ihr Vater verschwunden.
Daddy-Mack nahm einen dicken Ast und legte ihn behutsam in die Flammen.
„Bist du sehr böse auf Dad?“, fragte Mary leise, und hoffte gleichzeitig, er würde nicht antworten.
„Dein Dad hat das getan, was er für richtig hielt, kleine Misses.“
„Aber er hat Jo erschossen.“
Daddy-Mack schien mit den Tränen zu ringen. „Er hat seinen Sohn verloren.“ Nach einer Weile fügte er hinzu: „Es ist nicht immer einfach im Leben, die richtige Entscheidung zu treffen. Gute Entscheidungen brauchen viel Bedenkzeit. Verstehst du das, kleine Misses?“
„Nicht so ganz, Daddy-Mack.“
„Du wirst dich oft in deinem Leben entscheiden müssen, kleine Misses. Das Leben besteht aus fortwährenden Entscheidungen. Viele davon triffst du unbewusst. Du tust es einfach. Doch zuvor hast du dich entschieden, genau dieses zu tun. Du bist doch gerade hier herausgekommen, als du das Feuer gesehen hast.“
Mary nickte stumm.
„Genauso gut hättest du auf der Veranda sitzen bleiben können. Du hast dich also entschieden, lieber hierher zu kommen.“
„Das stimmt, Daddy-Mack. Ich habe nicht groß drüber nachgedacht.“
„Siehst du, kleine Misses? Hättest du vorher lange nachgedacht, wärst du vielleicht zu dem Schluss gekommen, dass es besser ist, zurück ins Haus zu gehen. Hier draußen ist es nämlich recht kühl, und du könntest dich erkälten. Du siehst also, gute Entscheidungen brauchen viel Bedenkzeit.“
„Jetzt habe ich es verstanden, Daddy-Mack. Ich werde immer lange zu überlegen, bevor ich etwas tue.“ Sie umfasste ihre Füße, die inzwischen recht kalt waren und lauschte ihren Gedanken, die nicht fassbar durch ihren Kopf kreisten. Warum hat Dad Jo erschossen? Warum hat er nicht zuvor lange nachgedacht? Hätte er es dann auch noch getan?
Sie blickte hilflos zu Daddy-Mack, sah das Tanzen der Flammen in seinen Augen. Ein Funkenregen platzte aus dem Feuer hervor, und für einen winzigen Augenblick erkannte Mary in ihm Jo, wie er mit weit aufgerissenen Augen in die Flinte ihres Großvaters starrte. Sie hörte seine Worte.
„Was sind die Augenlosen, Daddy-Mack?“, fragte sie leise.


4

Perry Flint hockte neben den hohen Tabakpflanzen und blickte hinüber zum Waldrand, in dessen Nähe er vor knapp fünf Minuten eine Bewegung ausgemacht hatte. Doch so sehr er sich auch bemühte, zwischen den Schatten, die sich scheinbar in ihrer Dunkelheit zu übertreffen versuchten, etwas zu erkennen, sah er nichts. Nichts, außer diesen Schatten.
Er hatte Thomkins rüber zum Anwesen geschickt, um Mister Blanks zu holen. Dieser würde mit den Hunden kommen; und wer immer sich da im Unterholz versteckt hielt, die Hunde würden ihn finden.
Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben, und die Schatten verschmolzen zu einem einheitlichen Schwarz. Flint presste sein Gewehr dichter an die Schulter. Derweil begann diese zu schmerzen, doch er lockerte den Druck nicht. Sobald er dort drüben auch nur die geringste Bewegung wahrnahm, würde er abdrücken. Sein Grinsen wirkte maskenhaft.
Flint hatte schon überlegt, wer es sein könnte. Auf keinen Fall war es keiner der Nigger, soviel stand fest. Mister Blanks, Thomkins und er hatten sie nach dem bedauerlichen Unfall mit dem kleinen Jungen alle zurück zum Anwesen getrieben.
Nachdem dieser Nigger dem kleinen Bolter-Jungen die Augen ausgestochen und Mister Bolter ihm dafür den Schädel weggeblasen hatte, befahl Mister Blanks, die Gegend genau im Auge zu behalten. Und das hatten sie getan. Wahrhaftig.
Die Bewachung des Anwesens wurde sowieso vor einem viertel Jahr verstärkt, nachdem dieser Sklavenbefreier Brown das Lager bei Harpers Ferry überfallen und damit hier und da weitere Niggeraufstände ausgelöst hatte. Zwar befürchtete Mister Bolter keine Aufstände seiner eigenen Nigger – die wurden hier viel zu gut behandelt – aber man konnte ja nie wissen, was von außen kam.
Gut, nach dem heutigen Tag würde Flint auch nicht mehr seine Hand dafür ins Feuer legen, dass es innerhalb des Anwesens ruhig bliebe. Schließlich war Mister Bolter nicht gerade zimperlich im Umgang mit seiner Schrotflinte gewesen.
Und wenn dann dieser Niggerfreund Lincoln irgendwann mal tatsächlich Präsident wird … Flint wollte gar nicht weiter darüber nachdenken.
Für einen winzigen Augenblick riss die Wolkenfront auf, und er hielt den Atem an. Über den Lauf seines Gewehres erspähte er die vordersten Baumreihen, die von den langen Schatten der Tabakpflanzen sanft berührt wurden. Das gähnende Schwarz dazwischen schien auf ihn zuzukriechen.
Irgendetwas stimmte mit einem der Bäume nicht. Flint hatte das Gefühl, als wäre er nicht echt; so als wäre er mit einer flimmernden Schicht überzogen. Er kniff die Augen zusammen. Tatsächlich, er hatte sich nicht getäuscht, die Baumrinde bewegte sich. Aber wie war so etwas möglich?
Sein Herz stockte im selben Moment, als sich sein Zeigefinger ruckartig krümmte. Gleichzeitig mit dem ohrenbetäubenden Knall platzte die Rinde in einer gewaltigen Explosion auseinander. Flint griff nach dem Pulversäckchen. Seine Finger zitterten, als er die spitze Öffnung in den Lauf steckte. Er blickte nach vorne, sah die aufgeplatzte Rinde des Baumes, die wie eine zerrissene Wunde aus dem Stamm hervorragte. Sein Blick fiel auf den darunterliegenden Waldboden - Flint schluckte und hielt in seiner Bewegung inne -, denn dieser bewegte sich jetzt ebenfalls. Wellenähnlich, wie eine Qualle, kroch er auf ihn zu.
Flint spürte, wie das Pulver über seine Finger rann und fluchte leise. Wo waren die verdammten Kugeln? Vorsichtig robbte er zurück, und kalter Lehm drang durch seinen Hosenbund, bahnte sich einen Weg in seine Arschritze. Er registrierte es nicht. Sein Blick ließ nicht von dem Waldboden ab. Die Halme der Tabakpflanzen stießen sanft an seinen Rücken, und Flint war kurz davor aufzuschreien. Nichts Schlimmes! Da drüben ist definitiv nichts Schlimmes!
Schweiß rann von seiner Stirn Richtung Augen, und hektisch wischte er mit dem Ärmel darüber. Wo waren diese Kugeln? Seine Finger durchwühlten die Tasche, während sich der flackernde Boden näherte.
Ave Maria! Was zum Teufel ist das? Flint stieß sich mit den Stiefeln weiter ins Tabakfeld hinein. Seine Lippen bebten, und Speichel rann zwischen seinen Mundwinkeln hinab wie bei einem wimmernden Baby. Wo, verdammt, blieben Thomkins und Mister Blanks?
Seine Finger erfassten das runde Blei in seiner Hosentasche. Die Kugeln! Schnell drehte er den langen Lauf der Waffe in seine Richtung, steckte sie hinein, als ein kurzer Ruck sein Bein durchfuhr. Flint erstarrte in seiner Bewegung.
Vor seinen Füßen hatte sich etwas aufgebaut. Langsam erhob es sich vom Boden, wuchs aus ihm heraus.
Flint stellte mir Entsetzen fest, dass es der Boden war, der vor ihm in die Höhe wuchs. Ein wirres Flackern brannte in seinen Augen, bestehend aus Tabakpflanzen und Lehm.
Flint riss das Bein hoch, und jetzt erkannte er, dass sein Stiefel unterhalb des Knöchels endete, sah seinen Fuß etwas abseits neben diesem Ding, das da vor ihm stand, im Staub liegen. In diesem Moment der Erkenntnis setzte der Schmerz ein.
Flints Kreischen erfüllte die Nacht, während der blutende Stumpf seinen Lebenssaft gegen die Kreatur spuckte. Sogleich nahm der Körper an dieser Stelle eine dunkelrote Farbe an. Flint kreischte weiter. Die Farbe des Wesens wechselte erneut, sah jetzt aus, wie eine Tabakpflanze, die ihn angriff.
Flint spürte, wie seine Schulter zu Boden gedrückt wurde, ein harter Griff um seinen Hals, der ihm augenblicklich die Luft nahm. Zierliche Punkte entstanden vor seinen Augen, vollführten einen glitzernden Tanz in einem stetig zunehmenden Schwarz.
Flint versuchte das Ding von seinem Hals zu reißen - seine Hände erfassten etwas Raues, Ledriges -, doch immer fester schloss sich der Griff um seine Kehle. Flints Kräfte ließen nach, er wollte schreien, doch er schaffte es nicht einmal, die dafür notwendige Luft in die Lungen zu saugen. Dies war das Ende.
Von weit her vernahm er das Gebell von Hunden, hörte Schreie – Mister Blanks Schreie.
Das Tabakwesen fuhr herum.
Flint erkannte schemenhaft ein Seil, das sich um einen imaginären Hals schlang und den Körper über ihn zurückriss. Alles war dumpf, so unendlich weit weg. Wieder Schreie. Waren es seine eigenen?
Thomkins tauchte mit einer langen Stange in den Händen auf; da war einer der Bluthunde, der sich in etwas verbissen hatte. Mister Blanks, ebenfalls mit einer langen Stange. Flint konnte alles genau erkennen, nur die Geräusche waren so leise.
Der andere Hund hatte einen, in einem zerrissenen Stiefel steckenden Fuß im Maul und wirbelte seinen Kopf wirr hin und her.
Flint schloss die Augen.


5

„Was sind die Augenlosen, Daddy-Mack?“, fragte Mary noch einmal.
Der Alte sah sie an, und ein flüchtiges Zucken huschte über seine Mundwinkel. „Hast du dich gerade entschieden, mir diese Frage zu stellen, kleine Misses?“ Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Klang. War es Besorgnis?
„Jo hat gesagt, dass die Augenlosen meinen Bruder getötet haben.“
„Denke daran, was ich dir gesagt habe, kleine Misses. Eine gute Entscheidung braucht viel Bedenkzeit.“
Mary sah ihm tief in die Augen. Wieder konnte sie ihre Gedanken nicht richtig fassen, sie schienen an der Schädeldecke abzuprallen und wie aufgeschreckte Hühner in alle Richtungen zu stoben. Es war ein erstickendes Gefühl der Hilflosigkeit, das sich in ihrem Innern ausbreitete.
„Was hat Jo denn damit gemeint? Haben die Augenlosen meinen Bruder getötet?“
„Wenn Jo das sagt, dann war es auch so.“ Er schwieg einen Moment lang und Mary merkte, wie er mit den Worten rang.
„Sie haben es schon lange nicht mehr getan“, sagte er so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte.
„Aber was sind denn die Augenlosen?“
„Niemand weiß es genau, kleine Misses. Es gibt nur Erzählungen. Die einen sagen, sie seien seinerzeit irgendwie mit rüber gekommen, als die ersten Afrikaner hergebracht wurden. Andere sagen, sie seien schon immer hier gewesen. Tief in den Wäldern.“
Marys Herz schlug schneller. „Aber wie sehen sie denn aus?“
„Danke Gott, dass du noch keinen gesehen hast, kleine Misses. Ich auch noch nicht. Sie sollen keine Augen haben. Aber ...“ Er stockte. „Mein Jo hätte deinem Bruder bestimmt geholfen, wenn er gekonnt hätte.“
„Das denke ich auch, Daddy-Mack. Timmy hat Jo sehr gemocht. So wie ich.“
Jetzt lächelte der alte Mann. „Das weiß ich. Aber wenn die Augenlosen den Wald verlassen, dann geht alles sehr, sehr schnell.“
Ein klammes Gefühl breitete sich auf Marys Haut aus. Sie zitterte.
Daddy-Mack sah sie eindringlich an. Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang, als er fortfuhr: „Sie haben keine Augen, kleine Misses. Nur große Ohren, mit denen sie jedes noch so winzige Geräusch hören können. Wie Fledermäuse.“
Mary hatte noch nie eine Fledermaus gesehen, doch waren sie ihr von einem Bild aus der Schule her bekannt.
„Ich will dir keine Angst machen, kleine Misses. Es ist besser, wenn du nicht weiter fragst.“
Sie legte ihre Hand auf Daddy-Macks Arm, und er zuckte zurück.
„Kleine Misses, du weißt, dass ein Nigger keine weißen Frauen berühren darf.“
Sie rückte näher an ihn heran. „Dad würde nie etwas dagegen sagen. Das weißt du. Und ich habe auch keine Angst, wenn du mir von den Augenlosen erzählst. Ich möchte nur wissen, wie Timmy gestorben ist.“
Der alte Mann lächelte. „Nicht böse sein, kleine Misses. Ich weiß, dass dein Dad ein sehr guter Massa ist. Ich habe schon andere kennen gelernt.“
„Haben die Augenlosen meinem Bruder die Augen ausgepiekst?“
Jetzt verdunkelte sich der Blick ihres Gegenübers wieder. „Sie essen sie, kleine Misses“, sagte er leise.
Mary starrte ihn an und sie spürte, wie der kalte Schauer auf ihrer Haut immer größer wurde.
„Sie ... sie essen die Augen?“ Wieder sah sie Timmy in den Armen ihrer Mutter, wieder sah sie die roten Höhlen in seinem Gesicht.
„Sie haben ganz lange, spitze Münder mit kleinen Öffnungen. Damit passen sie genau hier rein.“ Daddy-Mack legte einen Finger auf sein Augenlid. „So sagt man. Früher haben sie oft Menschen angefallen, meistens Nigger, die auf dem Feld arbeiteten. Ich war noch ein kleiner Junge, als sie mal einen Angefallenen auf die Farm zurückbrachten. Damals war ich noch nicht hier.“
Jetzt ließ er ihre Hand auf seinem Arm ruhen, und Mary war froh, seine Wärme zu spüren. „Der alte Massa ließ ihn später töten, weil er nicht mehr von Nutzen war. Aber als sie ihn zurückbrachten, da hat er noch gelebt. Er sah aus wie dein Bruder heute, kleine Misses. Und irgendwann haben sie dann Jagd auf die Augenlosen gemacht. Man hat keinen gefunden, denn sie sehen immer aus, wie ihre Umgebung, sagt man. Niemand kann sie nicht sehen. Verstehst du das, kleine Misses?“
„Sie können ihre Farbe ändern?“
„Ja, kleine Misses, sie passen ihre Hautfarbe der Umgebung an. Deshalb hat sie auch noch niemand gesehen.“
„Wie ein Chamäleon!“, rief Mary.
„Ja, wie ein Chamäleon. Nur noch viel besser.“
„Aber wenn sie doch noch niemand gesehen hat, Daddy-Mack, woher weißt du dann, wie sie aussehen?“
Der alte Mann warf erneut einen Holzscheit in das Feuer, sah danach Mary an und lächelte. „Ich bin immer wieder erstaunt, kleine Misses. Ich bin immer wieder erstaunt. Du hast Recht, es muss Menschen gegeben haben, die sie gesehen haben. Und diese erzählten es dann weiter.“
Daddy-Mack nahm ihre Hand und drückte sie.
„Es tut mir leid, dass du so viel mitgemacht hast, Daddy-Mack.“
„Du bist schon sehr erwachsen für dein Alter, kleine Misses.“
Mary blickte stolz auf den alten Mann. Manchmal erinnerte er sie an ihren Großvater, obwohl sie nur noch recht wenig von ihm wusste.
„Sag mal, Daddy-Mack, warum haben die Augenlosen eigentlich keine Augen?“
Der Alte schwieg eine ganze Weile, die Schatten des Feuers flackerten in seinem Gesicht und verliehen ihm ein geheimnisvolles Antlitz. „Weißt du, kleine Misses, vielleicht ist es manchmal besser, nichts sehen zu können.“


6

Schüsse! Das Gebell der Bluthunde.
Mary fuhr aus dem Schlaf hoch, sah ihren Vater, der in seine Hose sprang. Ihre Mutter hockte auf der Bettkante, zitterte am ganzen Leib.
„Wir haben einen, Mister Bolter!“, dröhnte es von draußen herein. Wieder das Gekläffe der Hunde.
Mary kroch zu ihrer Mutter hinüber und drückte sich an ihren warmen Körper. Die Frau mit den dicken Ringen unter den Augen hielt den Kopf ihrer Tochter ganz fest. „Schhhh, kleine Mary. Hab keine Angst.“ Dann standen sie auf und gingen langsam zur Tür. Das Geschrei wurde lauter, das Bellen kräftiger.
Wenig später standen sie im Türrahmen, und Mary presste sich fester an ihre Mutter. Da waren Fackeln und viele Männer.
Blanks, der Aufseher, kam auf Marys Vater zugerannt. „Wir haben einen, Mister Bolter“, keuchte er und deutete hektisch auf den Pulk der Männer. „Flint hat’s erwischt“, fügte er hinzu.
Zwei Arbeiter, die einen anderen stützten, traten ins Licht. Die Beine des Gestützten schleiften über dem Boden, sein linker Fuß war verschwunden und ein blutdurchtränkter Verband war mit einer dicken Schicht Staub überzogen.
Die anderen hatten lange Stangen in der Hand. Es waren Niggerstangen, wie Mister Bolter es seiner kleinen Tochter einmal erklärt hatte.
Ein langer Strick lief an dem Schaft entlang und endete in einer Schlaufe, die man stramm ziehen konnte. Diese wurde damals den Niggern um den Hals gelegt, wenn sie wild wurden, so konnte man sie sich mit den Stangen vom Leib halten.
Drei der Männer hielten je einen Stab, und in der Mitte stand eine sehnige Gestalt mit großen Händen, die um sich schlug und versuchte, nach den Wachmännern zu greifen. Der Kopf der Gestalt war seltsam lang nach hinten gewölbt, die Ohren standen spitz vom Kopf ab. Der längliche, dünne Mund erinnerte Mary an den Rüssel eines Ameisenbären, nur wesentlich dicker und nicht ganz so ausgedehnt.
Die Nase des Wesens war platt und breit, und da, wo eigentlich die Augen sein sollten, bedeckte nur ledrig graue Haut den Schädelknochen.
Ein Augenloser!
Seine Haut schien seltsam zu wabern; es war ein Flimmern und brannte Mary in den Augen, als sie versuchte, die Konturen zu fassen. Mal war die Schattierung heller, dann wieder an einigen Stellen dunkel. Ein wirrer Tanz der Farben.
Wie ein Chamäleon, durchzuckte es Mary.
„Sollen wir es erschießen, Mister Bolter?“ Blanks fuchtelte mit seinem Gewehr.
Jones Bolter stand in sicherer Entfernung vor dem Augenlosen, der immer noch um sich schlug, doch gehalten von den Niggerstangen niemanden erreichen konnte. Der Kopf flog hektisch in alle Richtungen, die großen Ohren peilten in die Geräuschkulisse hinein.
„Mister Bolter, sollen wir es erschießen?“
Mary sah, wie ihr Vater eine Hand nach dem Wesen ausstreckte. Der Kopf wirbelte herum, die Bewegungen brachen abrupt ab. Der spitze Mund wies genau in seine Richtung, die kleine Öffnung zuckte. Ihr Vater zog seine Hand zurück.
„Du hast meinen Sohn getötet?“, krächzte ihr Vater.
Mary vernahm ein schnalzendes Geräusch, das der Augenlose von sich zu geben schien. Seine Ohren waren steil nach vorn gerichtet, die Nasenflügel vibrierten. Mary drückte sich fester an ihre Mutter. Starrte das Ding genau in ihre Richtung?
„Legen Sie es an die Kette, Mister Blanks!“
„Sie meinen lebend?“
Jones Bolters Blick wich nicht von dem Wesen. „Mister Blanks, wenn Sie über Ihre Frage genau nachdenken, stellen Sie fest, dass sie unnütz war.“
Blanks grinste verlegen. „Also los, Männer. Ihr habt es gehört. An die Kette mit ihm!“
„Und sagen Sie Dankins Bescheid, er soll sich Flint ansehen.“
Sie stießen den Augenlosen davon, während die kläffenden Bluthunde an den dicken Leinen versuchten, nach ihm zu schnappen. Mary erkannte im Licht der Fackeln eine glänzende Fleischwunde an seinem Oberschenkel.
Sekunden später waren sie wieder allein. Mary blickte noch einmal zu dem alten Schuppen hinüber und sah Daddy-Mack dahinter verschwinden. Vielleicht fragte er sich in diesem Moment, warum ihr Dad Jo, nicht aber den Augenlosen, sofort erschossen hatte.
„Was hast du mit diesem Ding vor, Jones?“, wollte ihre Mutter nach einer Weile wissen.
Jones Bolter antwortete nicht. Er blickte in den klaren Nachthimmel, drehte sich kurz darauf um und ging zurück ins Haus.


7

Mary hatte ihre Bettdecke bis zum Kinn hinaufgezogen, trotzdem kroch die Kälte bis tief unter ihre Haut. Das Gespräch mit Daddy-Mack ging ihr nicht aus dem Sinn, ebenso wenig der Augenlose und Timmy und Jo. Zwischenzeitlich wünschte sie sich immer wieder, dass das alles nur ein böser Traum sei, dass Timmy gleich mit kalten Füßen unter ihre Bettdecke kriechen, und dass er sich in ihren Arm kuscheln und schon nach wenigen Sekunden friedlich einschlafen würde. Alles nur ein böser Traum.
Mary lauschte, hörte ihren Vater im Schlaf unruhig stöhnen. Mister Dankins, der Knochenflicker, hatte ihm ein grünliches Getränk gegeben. „Sie sollten ein wenig schlafen, Sir“, hatte er gesagt.
Draußen war es immer noch dunkel. Mary stieg aus dem Bett und schlich zur Tür, vorbei an dem Gästezimmer, in dem ihr Bruder auf dem alten Holztisch lag.
Das Quietschen der Dielen kam ihr heute Nacht besonders laut vor. Sie verließ das Haus, sog die kühle Nachtluft in ihre Lungen und hockte sich auf die Stufen der Veranda. Ein leichter Windstoß erfasste ihr dünnes Nachthemd; Mary verschränkte die Arme vor der Brust, und eine Gänsehaut überzog ihren gesamten Körper.
Der Schuppen, neben dem sie vor ein paar Stunden mit Daddy-Mack gesessen hatte, war lediglich als dunkle Silhouette auszumachen. Das kleine Feuer davor war erloschen.
Eine erschreckende Stille durchzog die Nacht, schien Mary zu erdrücken. Nicht einmal das sonst alles einnehmende Zirpen der Grillen war zu hören. Wo waren die Schritte der Wachen, deren Stiefel durch den trockenen Staub knirschten? Wo waren die leisen Gesänge der schwarzen Arbeiter, die manchmal des Nachts herüberschallten, wie das sanfte Raunen des Windes zwischen den Blättern der Tabakpflanzen?
Mary blickte in den Himmel und sah sich langsam verdunkelnde Wolkenfetzen, die sich vor das Licht des Mondes schoben. Sie erkannte in ihnen bedrohlich aussehende Wesen, die sich immer wieder verwandelten, um an anderer Stelle neu und noch erschreckender wieder zu entstehen.
Ein Rascheln ließ sie zusammenzucken. Sie sah hinüber zu dem Weg, auf dem Jo heute früh mit Timmy auf den Schultern gen Felder getanzt war und der jetzt nach wenigen Metern von der Dunkelheit verschluckt wurde. War da etwas? Vielleicht die Wachmänner. Doch hätten diese mit Sicherheit etwas gesagt; wahrscheinlich patrouillierten sie im Moment die Grenzen des Anwesens.
Doch dieses kurze Geräusch hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Dieses Rascheln, das da aus der Dunkelheit gekommen war.
Wieder spürte sie die Gänsehaut auf ihrem Körper und sie wusste, dass nicht der kühle Nachtwind die Ursache dafür war. Langsam stand sie auf.
Da, wieder dieses Rascheln. Oder war es ein leises Schnalzen?
Mary versuchte, etwas zu erkennen, als ihr Blick auf den Staub zu ihren Füßen fiel; er schien sich zu bewegen, ganz leicht nur, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Wieder berührte der Wind ihr Nachthemd.
Es war der Wind! Ja, es war eindeutig der Wind, der ihr hier einen Streich spielte.
Doch was, wenn es die Augenlosen waren? Getarnt als Staub vor der Veranda? Vielleicht sogar getarnt als Veranda selbst? Wie ein Chamäleon!, schoss es ihr durch den Kopf. Mary schluckte und hatte gleichzeitig das Gefühl, einen Apfel im Ganzen hinunterzuwürgen. Sollte sie Dad wecken?
Sie stieg die Stufen hinab – langsam, tastend. Ihre Zehen berührten die feinen Lehmkörner am Ende der Veranda, spürten die Kälte, die von ihnen ausging. Es war eindeutig nur Staub. Kein Augenloser.
Zögernd ging sie weiter, beinahe schwebend trugen sie ihre Füße um das Haus herum. Immer wieder blickte sie hinter sich, verfolgt von den verschmelzenden Schatten, die wie eine wabernde Wand vor ihrem Blickfeld umher krochen.
Die Wolkenfront brach auf, und das diffuse Mondlicht erhellte den Weg, der nach einiger Entfernung zu einem offenen Verschlag führte, in dem gewöhnlich die Pferde standen; Mary erkannte die dicke Eisenkette, die an der Wand befestigt war und die Gestalt, die darunter hockte.
Da saß es, das Ding, das ihren Bruder getötet hatte. Das Ding, wegen dem ihr Dad Jo erschossen hatte. Warum war es nicht unsichtbar?
Sie blieb stehen, starrte hinüber. Sollte sie zurück ins Haus gehen?
Gute Entscheidungen brauchen viel Bedenkzeit, kleine Misses! Daddy-Macks Worte waren in ihrem Kopf. Wie sah eine gute Entscheidung aus?
Langsam setzten sich ihre Beine wieder in Bewegung. Der Kopf des Augenlosen fuhr hoch, der spitze, schnabelähnliche Mund wies in ihre Richtung, und die Ohren klappten nach vorn.
Vorsichtig ging Mary weiter, ihr Herz hämmerte gegen die Brust, dass sie es durch den Stoff des Nachthemdes sehen konnte.
In einer Entfernung, von der sie sicher war, die Kette würde nicht bis hierher reichen, blieb sie stehen und blickte auf den Augenlosen hinab. Das ledrige Gesicht schien sie anzustarren.
Mary ging in die Hocke. Der Schnabel folgte der Bewegung.
„Hallo?“, fragte sie leise.
Die großen Ohren zitterten an den filigranen Enden, dünne Härchen standen von ihnen ab.
Noch immer in der Hocke, machte Mary einen Schritt nach vorn.
„Tut das weh?“ Ihr Finger zeigte auf die glänzende Wunde. Wieder folgte ihm der Schnabel.
Die großen Hände des Augenlosen, deren hornartige Nägel sich in den Boden gegraben hatten, bewegten sich leicht. Vorsichtig rutschte Mary noch einen Schritt auf ihn zu, berührte das Bein dicht bei der Verletzung. Die dicke Haut war rau und fühlte sich ein wenig klebrig an. Das Bein endete in einer vogelähnlichen Kralle.
„Waren das die Hunde?“
Ein kurzes Schnalzen kam aus der winzigen Öffnung des ebenfalls ledrigen Schnabels. Mary zuckte zusammen, als sie das Geräusch direkt neben ihrem Ohr vernahm, und erst jetzt registrierte sie, wie nah sie dem fremdartigen Wesen gekommen war.
„Timmy war mein Bruder, weißt du?“
Sie riss ein Stück ihres Nachthemdes ab - bei dem Geräusch sah sie, dass die langen Finger des Augenlosen kurz zuckten – und legte vorsichtig den Stoff auf die Wunde. Die dunklen Fingernägel lösten sich aus dem Staub.
„Hast du meinen Bruder getötet?“, fragte sie. „Weißt du, Daddy-Mack hat erzählt, dass ihr das manchmal tut.“
Jetzt war der Schnabel direkt vor ihrem Gesicht, und ein leises, aber schnelles Schnalzen drang durch die Öffnung.
Mary blickte auf den langgezogenen Schädel, ihre Finger berührten die Stelle, wo eigentlich die Augen hätten sein müssen. Hier fühlte sich die Haut sehr hart und trocken an. Das Schnalzen verstummte, und Mary nahm die Hand zurück.
Die dicke Eisenschelle um den Hals des Augenlosen hatte die Haut an einigen Stellen wundgescheuert.
„Ich werde Mister Blanks sagen, dass er sie nicht so stramm machen soll. Ist das in Ordnung?“
Die gewaltige Hand hob sich vom Boden, schwarze Hornnägel, lang und stark gebogen – einem ausgewachsenen Grizzly gleich -, tauchten auf. Vorsichtig berührte das Wesen ihre Schulter, und das Nachthemd riss an der Stelle ein.
„Oh weh“, kicherte sie. „Ich glaube, da wird Ma morgen mächtig sauer sein.“ Die Klaue berührte ihren Nacken, und Mary spürte, wie der Griff etwas fester wurde. Die breiten Nasenflügel des Augenlosen blähten sich auf, und die Öffnung des Schnabels berührte ihre Stirn.
Ein eiskalter Schauer entstand auf Marys Rücken, umschlang den Körper wie ein feuchtes Tuch. „Wirst du mir auch die Augen auspieksen?“
Ein sanfter Luftzug entwich der Öffnung des Schnabels und kühlte Marys Stirn. Sie grinste und pustete dem Augenlosen ebenfalls ins Gesicht.
„Daddy-Mack hat gesagt, dass euch noch niemand gesehen hat. Na ja, fast noch niemand. Da kann ich ja eigentlich mächtig stolz sein.“
Sie streichelte vorsichtig den Schnabel. Die ledrige Haut flimmerte, wurde für einen Moment dunkler, dann wieder heller, beinahe hautfarben.
„Stimmt es, dass ihr eure Farbe ändern könnt? Dass ihr so seid wie unsichtbar?“
Der Schnabel berührte Marys Wange, ihr Herz schlug schneller.
Gute Entscheidungen brauchen viel Bedenkzeit. Hatte sie sich richtig entschieden?
„Wirst du mir auch die Augen auspieksen?“, fragte sie noch einmal leise.
Der Augenlose legte den Kopf schräg, während die andere Hand Marys Gesicht berührte, ganz sanft nur, dennoch spürte sie die harte Schicht der Haut.
Sie nahm die Klaue und legte sie auf ihren Schoß. „Ich glaube, mein Dad mag mich nicht. Nicht so wie meinen Bruder Timmy“, flüsterte sie an die Hand gewandt. „Ich glaube, er hätte Jo nicht erschossen, wenn ich gestorben wäre.“
Die Finger der großen Hand krümmten sich und lösten einen angenehmen Druck auf ihre kleinen Hände aus, die jetzt vollständig verschwunden waren.
„Ich weiß nicht, was mein Dad morgen mit dir machen wird. Vielleicht hättest du nicht meinen Bruder töten sollen ...“
Ein ohrenbetäubender Knall platzte in die Szene. Mary schrie auf.
Der Schädel des Augenlosen zerbarst wie eine reife Frucht, und eine heiße Explosion aus Knochensplittern und Hirn spritzte in Marys Gesicht. Sie spuckte die Masse aus und schrie weiter, während der Körper vor ihr zusammensackte.
„Miss Mary! Um Gottes Willen, Miss Mary!“ Ein harter Griff um ihren Arm riss sie hoch.
Schreiend sah sie in das entsetzte Gesicht von Mister Blanks. Das qualmende Gewehr hielt er weit von sich gestreckt. „Um Gottes Willen, Miss Mary. Was haben Sie hier gemacht?“ Er schien fast zu heulen, drückte den kleinen Körper fest an sich. „Das Ding hätte Sie beinahe gefressen.“
Mary schrie ihm ins Gesicht. „Niemals hätte er das getan! NIEMALS!“ Es war ein Schrei des Entsetzens, des Ekels und der Wut. Sie boxte gegen das Hemd, versuchte ihr Gesicht von dem nach Schweiß riechenden Baumwollstoff wegzudrücken. „NIEMALS!“
Aus den Augenwinkeln heraus sah Mary eine Bewegung. Es war der Boden neben ihren Füßen, der sich plötzlich bewegte, sich empor wölbte, wie ein zu schnell aufgeblasener Ballon.
Durch Blanks’ Körper ging ein kurzer Ruck, und Mary spürte, wie sein Griff um ihren Arm erschlaffte. Das Baumwollhemd vor ihrem Gesicht rutschte zu Boden. Sekunden später kniete er vor ihr und aus dem fasrigen Halsstumpf schoss ein rot glänzender Strahl empor, zuckend und nur langsam verebbend. Ein schillernder See entstand in dem Fleisch, bevor der kopflose Körper des Aufsehers nach hinten kippte.
Marys Mund stand offen, ihr Schrei war verstummt, und sie starrte auf die dunkel flimmernden Masse, die jetzt ihr gesamtes Gesichtsfeld einnahm.
Der Augenlose blickte, aus einer Höhe, die ihr den Verstand zu rauben schien, auf sie herab. Ein ausgewachsener Grizzly war klein dagegen.
Im selben Moment kam ein schneller, bellender Schatten von links. Es war einer von Mister Blanks Bluthunden. Der Augenlose hob ein Bein, und der Angriff des Hundes wurde winselnd gestoppt, als der krallenartige Fuß fast den gesamten Hundeleib bedeckte.
Mary wich zurück.
Die riesigen Pranken packten den jaulenden Körper, dann öffnete sich der Schnabel und biss den Hund in der Mitte durch. Ein dampfender Klumpen Gedärm rutschte aus dem Hinterleib und schlug mit einem nassen Platschen auf den staubigen Boden.
„Sie ... sie können den Schnabel ... öffnen.“ Hatte sie die wimmernden Worte nur gedacht?
Schreie drangen herüber. Schreie von Männern, von Frauen.
Riesige Silhouetten huschten um das Farmhaus, Türen barsten. Schüsse in weiter Entfernung. Und immer wieder Schreie.
Erneut bewegte sich der Boden neben Mary und erhob sich. Der lehmbraune Augenlose, der wenig später neben ihr stand, war wesentlich kleiner als der noch immer vor ihr stehende, und der die Öffnung seines inzwischen wieder geschlossenen Schnabels auf die Lider des Hundetorsos in seinen Pranken drückte.
Ein zweiter Bluthund kam auf den kleineren Augenlosen zugeschossen. Blitzschnell wich dieser dem tödlichen Sprung an die Kehle aus, ergriff den Hund im Flug und drückte ihn zu Boden. Mary sah die gefletschten Zähne des Vierbeiners, sah die weit aufgerissenen Augen.
Der Augenlose vollbrachte sein Werk, presste das dünne Ende des Schnabels auf das gallertartige Weiß, und das Jaulen des Hundes übertönte für einen kurzen Augenblick die Schreie der Menschen.
Mary starrte auf den Augapfel, der sich aus der Höhle löste; sie sah den gedehnten Strang des Sehnervs wie in Zeitlupe, bevor dieser riss und das Auge in dem Schnabel verschwand. Der winselnde Leib des Tieres wurde gedreht, und alles wiederholte sich. Dann ließ der Augenlose von dem Hund ab. Dieser sprang auf seine Pfoten, rannte orientierungslos im Kreis, stolperte über seine Beine und blieb zuckend und pinkelnd liegen.
In der Nähe des Hauses liefen schreiende Silhouetten, gefolgt von Schatten mit spitzen Mündern. Einige der Flüchtenden wurden vom Mondlicht erhellt. Mary erkannte einen der Wachmänner, es war Jesse Thomkins, der ihr immer etwas von seinem viel zu harten Brot abgegeben hatte. Er kreischte und rannte genau in ihre Richtung. Der Boden vor ihm fuhr hoch und der Mann stürzte.
Der Augenlose hinter ihm, über den er gestolpert war, erhob sich – mächtig und achtungsgebietend – aus dem Staub. Die Klaue hatte den Fuß des Arbeiters gepackt. Wieder sah Mary den Schnabel, der sich öffnete, und für einen winzigen Augenblick erkannte sie die runde Scheibe des Mondes zwischen den Kiefern. Das Abtrennen der Arme und Beine erfolgte in Sekundenschnelle.
Der Augenlose steckte die Gliedmaßen in einen Stoffsack, den er auf seinem Rücken trug. Den schreienden Torso von Mister Thomkins hatte er am Hemdkragen gepackt und ließ ihn neben seinen Beinen schwingen. Ein weiterer Augenloser kam heran, ebenfalls sehr groß, und ebenfalls mit einem Sack auf dem Rücken, aus dem eine schlaffe Hand hervorragte, deren Finger sich bewegten, als würden sie Mary zuwinken.
Die beiden Augenlosen schienen sich zu unterhalten – vielleicht taten sie es auch – während Mister Thomkins in der Klaue des einen wimmernd verblutete.
Dunkle Pfützen hatten sich überall auf dem Hof gebildet, und der Mond ließ ihre Oberflächen schillernd glänzen.
Mary konnte nicht glauben, was sie hier sah. War es ein schrecklicher Albtraum? Was ging hier vor? Warum wachte sie nicht auf?
Mit einem Male übermannte sie eine unbändige Angst; sie spürte jeden Zentimeter ihrer Haut, die sich zitternd um ihren Körper schlang. Eine seltsame Faszination umhüllte sie, resultierend aus der aufkeimenden Erkenntnis, dass es sich hier nicht um einen Traum handelte.
Sie wollte ihre Augen schließen, wollte in diesem Moment sein, wie diese Wesen, die dort hinter den Menschen her rannten und sie niedermetzelten, wie Schlachtvieh vor einem anstehenden Familienfest. Sie wollte nicht mehr sehen, nie wieder. Doch ihre Lider schlossen sich nicht.
Vielleicht ist es manchmal besser, nicht sehen zu können.
Mary hörte einen Schuss - der letzte verzweifelte Versuch des Aufbegehrens -, dann war es still.
Ein weiterer Augenloser ging an ihr vorbei, hinüber zum Pferdeschuppen. Er hockte sich neben den Erschossenen, und seine Pranke strich über den Leichnam, während seine Nasenflügel pulsierten. Er tastete nach der Kette, hielt in seiner Bewegung inne. Dann fasste er das Metall mit beiden Händen und biss es durch. Er nahm den Toten, trug ihn auf seinen Armen an Mary vorbei und war kurz darauf in der Nähe des Hauses verschwunden.
Marys Wimmern war verstummt, das eingerissene Nachthemd hing schlaff an ihrem Körper herab. Ihre Nase war verstopft. Sie spürte zwei harte Griffe auf ihren Schultern, sah die dicken, gekrümmten Nägel, die sich in ihr Fleisch bohren wollten.
„Halt! Aufhören!“ Die energische Stimme kam aus der Nähe des Hauses.
Der große Augenlose riss den Kopf herum. Sein Schnalzen war laut und schnell. Der Griff um Marys Schultern wurde etwas gelockert.
Eine gebückte Gestalt trat heran, eingehüllt in zusammen genähten Tüchern, gestützt durch zwei Augenlose.
„Nicht sie!“, rief er.
Kurz darauf hatte er Mary erreicht. Er schnalzte mehrere Töne, und der Augenlose ließ ihre Schultern los.
Der alte Mann trat näher und Mary blickte in die vernarbten Augenhöhlen. Das restliche Gesicht war faltig und von der Sonne gegerbt. Eine zittrige Hand streckte sich ihr entgegen und berührte ihre Wange, tastete über die Haut.
„Wie heißt du, kleine Lady?“
„Mary.“ Ihre Stimme war einem Krächzen nahe.
„Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Mary. Wenn du möchtest, nehmen wir dich mit.“
Das Mädchen sah den alten Mann an, blickte hinauf zu dem Augenlosen.
„Werdet ihr mir die Augen auspieksen?“
Der Alte lächelte. „Du wirst sie irgendwann nicht mehr brauchen, kleine Mary. Ich war damals genauso klein wie du, als sie mich aufgenommen haben. Ich habe viel von ihnen gelernt. Und sie haben viel von mir gelernt.“
„Aber ich möchte keine Augen essen.“
Jetzt lachte der Alte laut auf, und auch die Augenlosen gaben seltsam glucksende Laute von sich.
„Das habe ich nicht gemeint, kleine Mary. Das habe ich wirklich nicht gemeint.“
„Sie haben Timmy getötet. Meinen kleinen Bruder.“
Der alte Mann ging in die Hocke und umschloss ihre zitternden Hände.
„Wir müssen alle noch viel lernen. Sehr viel. Sie sind bereit dazu.“ Er deutete auf die umstehenden, flimmernden Wesen. „Nur bleibt mir nicht mehr viel Zeit, kleine Mary. Die Jahre nagen an meinen Knochen. Aber ich weiß, dass du es schaffen wirst. Du bist noch jung.“
„Was ist mit Mom und Dad?“
„Der Schmerz wird vergehen. Ich weiß es.“
Der große Augenlose beugte sich herab und schnalzte dem Alten ins Ohr.
„Wir müssen gehen, kleine Mary.“
Er drückte ihre Hände.
„Wird es wehtun?“
Wieder lächelte der Alte. „Der Schmerz wird vergehen. Wenn du bereit dazu bist, wird er vergehen. Das verspreche ich dir.“
Mary nahm seinen Arm und legte ihn um ihre Schultern.
„Vielleicht werde ich es lernen.“
„Das wirst du. Das wirst du ganz bestimmt.“ Der Alte wandte sich ab, gestützt von den beiden Augenlosen.
Mary blickte hinüber zum Anwesen, das sich jetzt schon beinahe friedlich vor der tief stehenden Mondscheibe abzeichnete. Doch sie hatte heute gelernt, dass vieles anders war, als es den Anschein hatte.
Vielleicht ist es manchmal besser, nicht sehen zu können, kleine Misses.
Noch einmal dachte Mary an Daddy-Mack und sie erkannte, dass er Recht hatte.

 

Hallo Salem
Die lange Version ist knapp besser. Knapp desswegen, weil mir der ursprüngliche Einstieg besser gefallen hat. Vielleicht liegt es darann, dass ich jetzt schon wußte, was kam, vielleicht ist es einfach schwierig, wenn in einer KG die Erzählperson wechselt. Jedenfalls fand ich es beim ursprünglichen Beginn toll, dass er Jo erschießt und ich nicht wußte, was passiert ist.
Besser war Marys Zeichnung und ihre Motivation mit den Augenlosen zu gehen.
Ich brauche auch keine Fortsetzung oder einen Roman. So wie sie hier steht, so ist es gut für mich - was nicht heitß, dass du einen Roman daraus machen könntest.

L.G.
Bernhard

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Salem!

Du weißt, dass ich ein großer Fan der ersten Version war und bin. Sie war, als ich sie damals gelesen habe, die erste richtig gute Geschichte nach relysiums "Der Notar und das Mädchen". "Die Augenlosen" und "Der Notar und das Mädchen"- Diese beiden Storys zählen für mich zur absoluten Referenz der klugen Horrorgeschichte. Hier kommt der Horror nicht mit der Brechstange, sondern wird intelligent aufgebaut, ausgebaut und wohl dosiert dem Leser präsentiert. Hier gibt es keine abgetrennten Körperteile, keine Ströme von Blut. Deshalb ist auch so schwer, solche Horrorgeschichten zu schreiben. Hier muss man um eine giftige Spinne ein Netz spinnen, und der Leser kommt wie eine gefangene Spinne erst langsam zum Zentrum, zum Mittelpunkt, zur Spinne selbst.
Wie du weißt, lese ich deine Geschichten besonders gerne. "Die Nacht, als die Toten zu singen aufhörten" war die erste Geschichte überhaupt, die ich auf dieser Seite gelesen habe, und, ganz ehrlich: ich mag sie immer noch. Sie ist natürlich stilistisch anders als deine anderen, aber das ist eine deiner großen Fähigkeiten: du kannst in so vielen verschiedenen Stilen schreiben, und überzeugst uns damit auch noch. Romantischer Horror ("Die Nacht, als..."), Splatter/Terrorhorror ("Amputation") und eben auch diese Mysterystorys.
So, jetzt werd ich aber etwas fokussierter ^^.
Erstmal: Die inhaltliche Qualität deiner Geschichte ist nun noch besser. Vor allem, weil du mit dem Vater- Tochter- Konflikt den Figuren mehr Tiefe gibst, wirkt alles noch überzeugender. Die Atmosphäre ist, wie bei dir üblich, einfach atemberaubend, du schaffst es, dem Leser Bilder in den Kopf zu zaubern. Egal, was du schreibst- du überzeugst immer. Sei es nun eine Südstaatenranch, ein Gothic- Friedhof oder ein steriler Operationsraum.
Stilistisch gesehen holperst du aber am Anfang ein wenig. Ich persönlich mag es nicht, wenn der Erzähler zu oft switcht. Aber das ist Geschmackssache.
Eine Frage: woher hast du die Inspiration für deine Geschichte? Von den Grundzügen her erinnert sie mich ein wenig an den neuen Film von M. Night Shyamalan- "The Village- Das Dorf". Nur der Schauplatz ist in dem Film anders.
Überhaupt ist Shyamalan Referenz des intelligenten "Horror"films und eine großartige Inspirationsquelle für Autoren (Die Anführungszeichen bei Horror deshalb, weil Shyamalan der Meinung ist, dass Horrorfilme für Halbstarke seien- er bevorzuge Psychothriller). Der Mann hat das Zeug zum Hitchcock der Gegenwart.

Ach, noch was: Daddy-Mack... bei dem hatte ich immer David Carradine als Bill aus "Kill Bill" im Kopf, besonders bei der Lagerfeuer- Szene. So eine gibt es in "Kill Bill Vol. 2" nämlich auch ^^. Strange.

Fazit: Tiefgründige Charaktere, geniale Atmosphäre, irre spannend präsentiert und mit einem verstörenden Ende- die neue Horrorreferenz!

Greetz,

Lestat

 

Hallo Bernhard, hallo Lestat,

danke für euer nochmaliges Lesen und Kommentieren.

Bernhard:

Die lange Version ist knapp besser. Knapp desswegen, weil mir der ursprüngliche Einstieg besser gefallen hat. Vielleicht liegt es darann, dass ich jetzt schon wußte, was kam
Bei dem Einstieg hatte ich ursprünglich auch meine Bedenken. Aber ich denke, du hast mit deinem letzten Satz durchaus Recht; wer natürlich die alte Version kennt, für den hat der Anfang nichts spannendes mehr.
Ein Wechsel der Erzählperspektiven stört mich persönlich nicht so. Ich finde es immer ganz nett, wenn neben dem Ich-Erzähler noch ein anderer Erzähler von Dingen berichtet, die der Ich-Erzähler nicht weiß. Aber wie du schon sagtest, ist Geschmacksache.

Ich brauche auch keine Fortsetzung oder einen Roman
Ne Fortsetzung wird´s auch nicht geben. Die Story kann durchaus so stehen bleiben, da hast du Recht. Sie könnte allerdings als Aufhänger für einen Roman genutzt werden; müsste dann vielleicht sogar in einigen Details verändert werden. Oder aber, der Roman ist die Fortsetzung... :hmm:

Lestat:
Ich glaube, keiner kann so poetische Kritiken schreiben wie du. Ich bin ja ganz hin und weg.

Ich muss allerdings gestehen, ich kenne weder "The village" (außer aus der Werbung), noch "Kill Bill". Werde dann wohl mal da rein schauen müssen.
Ich habe bestimmt auch schon seit zehn Jahren kein Buch mehr gelesen; außer im Moment, da lese ich "Tinnitus" von Hel Fried (kann ich übrigens wärmstens empfehlen; gibt´s im Eldur Verlag vorne auf der Startseite).

"Die Augenlosen" und "Der Notar und das Mädchen"- Diese beiden Storys zählen für mich zur absoluten Referenz der klugen Horrorgeschichte. Hier kommt der Horror nicht mit der Brechstange, sondern wird intelligent aufgebaut, ausgebaut und wohl dosiert dem Leser präsentiert. Hier gibt es keine abgetrennten Körperteile, keine Ströme von Blut. Deshalb ist auch so schwer, solche Horrorgeschichten zu schreiben. Hier muss man um eine giftige Spinne ein Netz spinnen, und der Leser kommt wie eine gefangene Spinne erst langsam zum Zentrum, zum Mittelpunkt, zur Spinne selbst.
Dieser Kommentar macht mich besonders stolz. Da könnte man ja fast ne neue Horrorstory raus machen. Nein, ganz im Ernst, ein ganz, ganz großes Kompliment für mich (und ich denke, natürlich auch für rel).

Eine Frage: woher hast du die Inspiration für deine Geschichte?
Tja, wenn ich das hier erzähle: die Inspiration kam eigentlich von relysium, aber er weiß nix davon. Als ich Amputation 2 ("Die Flucht") geschrieben hatte, fragte ich ihn, was er von einer Fortsetzung dieser Geschichte halte. Er sagte, bloß nicht. Ich erzählte ihm, dass Fortsetzungen nicht immer schlecht sein müssen und nannte das Beispiel "Alien". Er sagte, dass Alien deshalb so erfolgreich sei, weil dort eine neue Kreatur geschaffen worden ist. Und so sind dann irgendwann, im hintersten Stübchen meiner kranken Fantasie, die Augenlosen entstanden.
(Danke, rel).

So, und jetzt werde ich mal gucken, was sich da in meinem Kopf noch so alles versteckt hällt... :baddevil:

Lieben Gruß! Salem

 

Mr. Smith, ich bitte hiermit offiziell um Entschuldigung, denn ich habe deinen nachträglich eingefügten Kommentar nicht gelesen. Wär nie auf die Idee gekommen, dass du den alten Kom. änderst. Habe deshalb immer sehnsüchtig auf dein Statement gewartet.

- Die Eingangsscene ist sehr spannend und auch irgendwie surrealistisch. Wie der Junge da mit den Ameisen spielt, ist echt gelungen. Und auch die anderen zusätzlichen Handlungen sind sehr gut und spannend geschrieben, auch wenn man wirklich merkt, dass sie für die Geschichte an sich nicht notwendig sind.
Danke, du hast Recht, notwendig sind sie nicht unbedingt. Dachte nur, sie gäben der Geschichte mehr Atmosphäre.

- Ich vermute, du hast noch ein wenig über diese Sklavenzeit in Amerika geforscht, denn ich glaube, Details gelesen zu haben, die vorher noch nicht da waren.
Ups, erwischt... :shy:


- Die Scenenumschwünge sind nicht umbedingt leserfreundlich, weil man sich in einer anderen Handlung und Person erst zurechtfinden muß. Aber ich glaube, dass sich sowas auch nicht so recht gehört, hat mir jedenfalls damals meine Deutschlehrerin gesagt.
Ob sich sowas gehört, weiß ich nicht. Manchmal finde ich sowas ganz witzig; ein bisschen mit der Sprache zu spielen.

- Die Figur des Mädchens war ein klein wenig überzeichnet. Ich finde nicht, dass du noch einen Vater-Tochter-Konflikt hättest rein bringen müssen.
Wollte damit nur die Reaktion von Mary zum Schluss verdeutlichen.

- Das Ende: Was ist denn zu dem Zeitpunkt los, als sie das erzählt? Das will ich jetzt sofort wissen und zwar jetzt!
:confused: Verstehe leider nicht, was du meinst...

Lieben Gruß! Salem

Und entschuldige nochmal! ;)

 

Hey Salem!

Meine Hochachtung!! :thumbsup:
Die Geschichte hat mich echt beeindruckt. Trotz der teilweise etwas irritierenden Cäsuren durch den von dir vorgenommenen Perspektivenwechsel, hat mich diese Story voll in ihren Bann gezogen.
Besonders gut fand ich die Art, wie du nach und nach die Figur der Augenlosen herausarbeitest.
Du servierst dem Leser nicht auf Anhieb eine eilfertig gezeichnete Skizze dieser Wesen, sondern sie gewinnen, eingebettet in eine atmospärisch gestaltete erste Szene, nach und nach an Präsenz, die einen schaudern macht, weil sie so ungreifbar ist, wie ihre Motive und ihr Mimikry.
Welches, gepaart mit der interessanten Beschreibung ihrer Physiognomie, übrigens eine nette Abwechslung zu sonst oft kitschig personifiziertem Horror darstellt!!

Nach der, zuerst fast sentimentalen, Szene a la "Enemy mine" im Stall (es war doch ein Stall, oder?! :hmm: ), in der du gekonnt die Fäden für die geheimnisvolle Beziehung zw. Mary, dem alten Mann und den Augenlosen spinnst, bleibt auch mir nur zu sagen:

Next turn for the "Eyeless ones" !!!

greetz
migrant bird

PS: Hat Stephen King noch ein Pseudonym?! ;)

 

Zitat Noel:
Ich dachte an Daddy-Mack, und wenn ich den heutigen Tag betrachte, wusste ich, dass er Recht hatte.
Ja, was is denn am heutigen Tag.
Mit dem heutigen Tag ist der Tag der Geschichte gemeint. Also alles, was du lesen konntest (der Tod des Bruders; Jos Erschießung; die Schlacht auf dem Anwesen).
All das hat Mary ja am heutigen Tag gesehen. Und deshalb denkt sie sich, dass es manchmal (besonders an solchen Tagen) besser ist, nicht sehen zu können.

Ich würde gerne wissen, was danach passiert ist. Was aus der armen Mary geworden ist und all das eben.
Dazu müsste ich ja dann doch eine Fortsetzung schreiben...

Aber ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie ja irgendjemand meinte, dass Mary ein Kind von so nem Viech kriegt. Obwohl der Nachwuchs sicher lustig aussähe. Vielleicht hätte der ja wieder Augen, die er dann als erstes nach seiner Geburt selber ißt.
Eine durchaus interessante Vorstellung. Vielleicht wird das Kind ja auch als Festtagsmenue für die Anderen aufgetischt ... :hmm:

 

Hi migrant bird (schöner Name),

deinem Kommentar entnehme ich, dass du jemand bist, der diese Geschichte zum ersten Mal gelesen hat. Daher freut es mich, dass du die langsam herausgearbeitete Darstellung der Augenlosen als solche erkannt und als positiv empfunden hast.

Meine Hochachtung!!
Die Geschichte hat mich echt beeindruckt. Trotz der teilweise etwas irritierenden Cäsuren durch den von dir vorgenommenen Perspektivenwechsel, hat mich diese Story voll in ihren Bann gezogen.
Ich danke für dieses schöne Kompliment.


Nach der, zuerst fast sentimentalen, Szene a la "Enemy mine" im Stall (es war doch ein Stall, oder?! ), in der du gekonnt die Fäden für die geheimnisvolle Beziehung zw. Mary, dem alten Mann und den Augenlosen spinnst, bleibt auch mir nur zu sagen:

Next turn for the "Eyeless ones" !!!

Ja, es war ein Stall; habe mir so´ne Art von Unterstand für Pferde vorgestellt (oben, hinten und an den Seiten zu, vorne offen).
"Enemy mine" ist übrigens einer meiner Lieblingsfilme.

Vielen Dank noch mal für den netten Kommentar.

Gruß! Salem

 

Hi Salem!

Hab bei den Augenlosen übrigens deinen Vorschlag übernommen und die Sache mit Jos Erschießung geändert.

Jetzt melde ich mich noch einmal:
Ich kann nur sagen: :thumbsup:
Genau so habe ich mir diese Szene vorgestellt.
Da muss sie mir ja dann gefallen...

c

 

Gebe dir Recht. War ein guter Vorschlag. Im Nachhinein gefällt mir diese Reaktion auch viel besser.
Ist irgendwie noch erschreckender. Also, vielen Dank nochmal.

 

Hey Salem,

die nächste Geschichte, die ich von dir gelesen habe und sie hat mir echt gefallen. Großes Lob an dich!!

Freue mich auf die nächste Geschichte von dir.
Gruß, Schwarze Katze

 

Hi Schwarze Katze,

vielen Dank für das Lob. Schön, dass du dich durch diese doch lange Story gekämpft hast. Und natürlich noch schöner, dass sie dir auch gefallen hat.

Bis dann mal! Salem

 

Moin!

Das Nörgelhorn hatte Deinen Text in der Bahn unter den Klauen - und natürlich hab ich was zu mosern... :D

Die Geschichte lässt mich ein wenig zwiegespalten zurück. Sprachlich, atmosphärisch, stilistisch gehst Du größtenteils sehr schön zu Werke. Insofern hat es Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen. Ich hab schon schlechteres während meiner Bahnfahrten gelesen - und einiges davon war zwischen zwei Buchdeckeln gedruckt. ;)

Allerdings gibt es doch ein paar Dinge, die m.E. nicht so gut gelungen sind, hauptsächlich inhaltliche Sachen. Ich sammel einfach mal:

- Zunächst ist es recht gewagt, zwei so unterschiedliche Erzählstandpunkte zu vermischen. Der Grund dafür leuchtet mir nicht recht ein, zumal ausgerechnet eine 8jährige als Ich-Erzählerin mit diesem sprachlichen Stil und dieser Objektivität eine denkbar schlechte Wahl ist. Ein durchgehend auktorialer Erzähler würde der Geschichte besser zu Gesicht stehen, denke ich.

- Mary ist mir irgendwie zu cool. Selbst die meisten Erwachsenen blieben nicht so nüchtern angesichts explodierender Köpfe etc. Wenn es eine Figur gibt, durch die man den Horror der Geschehnisse vermitteln könnte, dann sie. Das verschenkst Du leider größtenteils. Ein, zwei verquetschte Alibi-Tränchen sind mir da nicht genug. Das nagt für mich leider ein wenig an der Glaubwürdigkeit und damit an den Grundfesten des Lesevergnügens!

- Jos Hinrichtung oder besser gesagt Ermordung ist für mich vollkommen sinnlos, schlecht motiviert, und auch der Umgang der Beteiligten damit - insbesondere die gleichgültige Reaktion von Daddy Mack und den anderen Sklaven - ist für mich nicht nachvollziehbar. (Das hättest Du alleine atmosphärisch schon ausschlachten können - Feuer und Totentrommeln in der Nacht für den ermordeten Jo usw.!) Zumal sein Tod keinerlei dramaturgischen Einfluß hat. Die Geschichte hätte auch mit einer simplen Auspeitschung Jos genau den gleichen Verlauf genommen.

- Detailanmerkung: Daddy Macks Erwähnung, er hätte schon andere Master erlebt, ist etwas unlogisch. Normalerweise blieben Sklaven von ihrem Verkauf bis zum (meist recht frühen) Tod bei ihrem Besitzer. Wenn Daddy Mack eine außergewöhnliche Vita hat, solltest Du das etwas näher erläutern. Damit bekäme auch die Figur ein bißchen mehr Tiefe. Derzeit ist er für mich ein etwas banales Onkel-Tom-Klischee.

- Manchmal verhedderst Du Dich ein wenig in Gedankenpfaden, die dann nirgendwo hinführen. Zum Beispiel werden hin und wieder mal Andeutungen über Mary und ihre Herkunft gemacht - leider wird das Motiv nicht mehr aufgegriffen, die Andeutungen bleiben in der Luft hängen und verhungern.

- Das macht sich auch bei den Augenlosen selbst bemerkbar. Ich kann es nur schwer an Einzelheiten festmachen, aber ihr Verhalten und ihre Charakterisierung und damit auch ein großer Teil des Plots hinterlassen bei mir ein großes Fragezeichen. Da passt einiges noch nicht so recht zusammen. Das Verhalten der Augenlosen scheint mir sehr erratisch und schwer nachzuvollziehen. Wenn sie ständig jagen, wieso hat dann außer Daddy Mack noch keiner von ihnen gehört? Und wenn sie Menschen normalerweise meiden, warum töten sie dann ausgerechnet Timmy, der nur am Waldrand spielt, und ziehen damit Aufmerksamkeit auf sich?

- Dazu gehört auch der Schluss, den ich besonders unbefriedigend finde. Hier werden plötzlich Motive eingestreut, die vorher nirgendwo eingeführt werden. Das ist Payoff ohne richtiges Setup (auch bekannt als "Deus Ex Machina"), wenngleich eher subtil, aber der Schluss ist für mich nicht logisch, weder das Verhalten der Augenlosen noch das von Mary. Und wer ist der komische Alte? Undundund... die Fragen türmen sich, zumindest bei mir, was mir den Schluss ein wenig verleidet hat.

Da war's erstmal so im Groben. Bestimmt hab ich noch was vergessen, aber es ist ja schon spät. ;)

Mein Fazit: Sehr schön erzählt, gute Atmosphäre und nette Andeutungen von Tiefgang, gespickt mit einigen inhaltlichen Ausrutschern bzw. Fragezeichen, die leider den Gesamteindruck trüben.

Grüße,
Das Nörgelhorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Davon, dass afrikanische Sklaven ihre Stammestraditionen mitgenommen und teilweise über etliche Generationen erhalten und praktiziert haben (Vudun-Kult u.ä.) hast Du aber schon mal gehört, oder? Die Christianisierung der Schwarzen Sklaven war größtenteils oberflächlicher Natur. Ich selbst würde diese Motive jedenfalls irgendwie verarbeiten, zumal sie atmosphärisch einiges hergeben.

Edit: Insbesondere der Schamanismus etc. könnten hier von Interesse sein. Wenn die Sklaven von den Augenlosen wissen, haben sie vielleicht Zauber/Rituale zu ihrer Abwehr?

 

Heiho, hier ist ja richtig was los!

Moin Horni, hi Noel.

Das Nörgelhorn hatte Deinen Text in der Bahn unter den Klauen - und natürlich hab ich was zu mosern...
Mosern ist immer gut, denn dadurch weiß ich ja u.a. was noch nicht so passt.

Ich hab schon schlechteres während meiner Bahnfahrten gelesen - und einiges davon war zwischen zwei Buchdeckeln gedruckt.
Na, das gibt mir ja zumindest ein bisschen Hoffnung... :D

- Zunächst ist es recht gewagt, zwei so unterschiedliche Erzählstandpunkte zu vermischen. Der Grund dafür leuchtet mir nicht recht ein, zumal ausgerechnet eine 8jährige als Ich-Erzählerin mit diesem sprachlichen Stil und dieser Objektivität eine denkbar schlechte Wahl ist. Ein durchgehend auktorialer Erzähler würde der Geschichte besser zu Gesicht stehen, denke ich.
Ich habe ja schon mal gesagt, dass ich persönlich mit unterschiedlichen Erzählperspektiven (auch als Leser) keine großen Probleme habe. Aber das ist Geschmacksache. Sicherlich ist es "feiner" bei einer Person zu bleiben.
Hier habe ich versucht, nachdem bei der alten Version häufig kritisiert wurde, dass zu wenig Hintergrund vorhanden war, eben diesen zu schaffen. Die Dinge, die der auktoriale Erzähler hier berichtet (Timmy und Jo im Feld; die Festnahme des Augenlosen) kann Mary als Ich-Erzähler ja nicht wissen.
Ich persönlich fand es aber für den Leser durchaus interessant, daher habe ich es eingefügt.
Das es problematisch ist, einen 8-jährigen Erzähler zu verwenden, da gebe ich dir Recht. Klar, sprechen die meisten 8-Jährigen nicht so. Habe versucht, eine Rechtfertigung zu schaffen, indem Daddy-Mack erwähnt, dass Mary für ihr Alter schon recht reif ist.


- Mary ist mir irgendwie zu cool. Selbst die meisten Erwachsenen blieben nicht so nüchtern angesichts explodierender Köpfe etc. Wenn es eine Figur gibt, durch die man den Horror der Geschehnisse vermitteln könnte, dann sie. Das verschenkst Du leider größtenteils. Ein, zwei verquetschte Alibi-Tränchen sind mir da nicht genug. Das nagt für mich leider ein wenig an der Glaubwürdigkeit und damit an den Grundfesten des Lesevergnügens!
Durchaus ist Mary recht "cool" dargestellt. Das ist halt ihr Charakter; ich denke, das ein großer Teil auch auf einen Schock zurückzuführen ist.
Es gäbe mit Sicherheit Personen, die anders reagieren würden (nervlicher Zusammenbruch; Schreien; in Ohnmacht fallen...), aber Mary sollte hier anders sein. Ich habe versucht, durchaus herauszustellen, dass Mary keine einfache Kindheit hatte (kurz erwähnter Konflikt mit dem Vater; war sie überhaupt sein Kind?). Mary musste sich mit vielen Problemen befassen; vielleicht hat sich ihr Charakter dahingehend so entwickelt, dass sie äußere Einflüsse zunächst abblockt. Sie denkt ja schon über alles nach.


- Jos Hinrichtung oder besser gesagt Ermordung ist für mich vollkommen sinnlos, schlecht motiviert, und auch der Umgang der Beteiligten damit - insbesondere die gleichgültige Reaktion von Daddy Mack und den anderen Sklaven - ist für mich nicht nachvollziehbar. (Das hättest Du alleine atmosphärisch schon ausschlachten können - Feuer und Totentrommeln in der Nacht für den ermordeten Jo usw.!) Zumal sein Tod keinerlei dramaturgischen Einfluß hat. Die Geschichte hätte auch mit einer simplen Auspeitschung Jos genau den gleichen Verlauf genommen.
Das hätte sie mit Sicherheit. Doch war hier für mich der dramaturgische Aspekt, der durch die "sinnlose" Erschießung Jos gegeben ist, wichtig.
Ich denke, dass diese "Kurzschlussreaktion" des Vaters durchaus nachvollziehbar ist (zumindest in dieser Zeit).
Zum Trauern: Sicherlich trauert jeder unterschiedlich. Auch hier erschien es mir mystischer, das Ganze ruhiger ablaufen zu lassen. Daddy-Mack sitzt vor dem Feuer und trauert leise.


- Detailanmerkung: Daddy Macks Erwähnung, er hätte schon andere Master erlebt, ist etwas unlogisch. Normalerweise blieben Sklaven von ihrem Verkauf bis zum (meist recht frühen) Tod bei ihrem Besitzer. Wenn Daddy Mack eine außergewöhnliche Vita hat, solltest Du das etwas näher erläutern. Damit bekäme auch die Figur ein bißchen mehr Tiefe. Derzeit ist er für mich ein etwas banales Onkel-Tom-Klischee.
Hier muss ich dir ein wenig widersprechen. Durchaus gab es Sklavenverkäufe (oder Tauschen) unter den verschiedenen Sklavenhaltern. Speziell im Bereich der sog. Sklavenzüchtung, da der Import von Sklaven ja verboten war.
Ob das allerdings hier die Geschichte weiter gebracht hätte, laß ich einmal dahingestellt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Onkel Toms Hütte noch nie gelesen habe :shy:

- Manchmal verhedderst Du Dich ein wenig in Gedankenpfaden, die dann nirgendwo hinführen. Zum Beispiel werden hin und wieder mal Andeutungen über Mary und ihre Herkunft gemacht - leider wird das Motiv nicht mehr aufgegriffen, die Andeutungen bleiben in der Luft hängen und verhungern.
Das stimmt; habe diese "Andeutung" reingebracht, um Marys "coolen" Charakter zu rechtfertigen (s.o.)

- Das macht sich auch bei den Augenlosen selbst bemerkbar. Ich kann es nur schwer an Einzelheiten festmachen, aber ihr Verhalten und ihre Charakterisierung und damit auch ein großer Teil des Plots hinterlassen bei mir ein großes Fragezeichen. Da passt einiges noch nicht so recht zusammen. Das Verhalten der Augenlosen scheint mir sehr erratisch und schwer nachzuvollziehen. Wenn sie ständig jagen, wieso hat dann außer Daddy Mack noch keiner von ihnen gehört? Und wenn sie Menschen normalerweise meiden, warum töten sie dann ausgerechnet Timmy, der nur am Waldrand spielt, und ziehen damit Aufmerksamkeit auf sich?
Durchaus haben Andere von ihnen gehört (Mr. Blanks und seine Männer einmal genannt).
Warum sie ausgerechnet Timmy töten, ist hier wirklich nicht näher erleutert. Das habe ich einmal als Faktum hingestellt. Vielleicht wollten sie ihn ja gar nicht töten; vielleicht starb er durch den Schock der Augenentfernung. Vielleicht war der AL ein Abtrünniger...
Habe ich hier bewusst offen gelassen.

- Dazu gehört auch der Schluss, den ich besonders unbefriedigend finde. Hier werden plötzlich Motive eingestreut, die vorher nirgendwo eingeführt werden. Das ist Payoff ohne richtiges Setup (auch bekannt als "Deus Ex Machina"),
:confused:

aber der Schluss ist für mich nicht logisch, weder das Verhalten der Augenlosen noch das von Mary. Und wer ist der komische Alte? Undundund... die Fragen türmen sich, zumindest bei mir, was mir den Schluss ein wenig verleidet hat.
Also die AL wollen ihren Gefangenen befreien, werden angegriffen und veranstalten dadurch das Blutbad. Wer der Alte ist? Daran schreibe ich gerade, hier sollte er als irgendein wichtiger Begleiter der AL dargestellt werden. Jemand, der schon lange bei ihnen lebt.

So, Horni, leider konnte ich nicht alle deine Fragezeichen klären. Aber ich denke, da es sich hier um eine Kurzgeschichte handelt, die ausschließlich eine Momentaufnahme darstellt, können leider nicht alle Fragen geklärt werden. Vielleicht mach ich einen Roman raus; dann musst du noch mal ran. Und dann werde ich bemüht sein, dein Gemecker auf ein Minimum zu reduzieren :D ;)

Danke dir auf jeden Fall für deinen ausführlichen Kommentar und für deine Mühe.

@Noel
Ach ne, kann dir ja eigentlich nix sagen, da sich dein Kommentar ja auf Horni bezog. Obwohl: Danke für die Rückendeckung!


Schönen Gruß euch beiden! Salem

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Salem!

Die Glückwünsche hast Du ja schon, hier kommt die Beschäftigungstherapie gegen etwaige Depresseionen wegen dem Älterwerden … :D

Da ist Dir wirklich eine tolle Geschichte gelungen: spannend bis zum Schluß, bildhaft wie ein Film, eklig-gruselig, wie man es von Dir gewöhnt ist, und alles wirklich glaubwürdig beschrieben. Und sie geht sogar in die Tiefe, besonders das Gespräch am Feuer mit Daddy-Mack ist sehr schön, da hab ich mir dann auch gedacht, daß so ein Sklave wohl wirklich so eine oder eine ähnliche Philosophie haben muß, um seine Lage zu ertragen. Finde ich sehr gelungen und auch schön erzählt! :)

Sie wogen sich im leichten Wind, sahen aus wie in Trance verfallene Leiber.
Sehr schön!

Jo stürmte los.
Der Schrei war aus Richtung des Waldes gekommen. Von weitem hörte er Mr. Blanks brüllen. Sah, wie er und die anderen nach ihren Waffen griffen.
Die Tabakpflanzen peitschten seinen Körper, rissen Wunden. Doch Jo rannte weiter.
Das ist zwar schön erzählt, aber wenn er losstürmt und durch die Pflanzen läuft, kann er eigentlich nur schwer nach hinten schauen, oder? ;)

Die blutroten, leeren Augenhöhlen sahen aus wie aufgerissene Münder; erstarrt zu einem unhörbaren Schrei.
Sehr salemisch!

Wieder sah ich den Schnabel, der sich öffnete, und für einen winzigen Augenblick erkannte ich die runde Scheibe des Mondes zwischen den Kiefern.
:lol:

So, ja, von Beschäftigungstherapie hab ich gesprochen … ;)

»die Ameisenstrasse vor seinen Füßen.«
– Ameisenstraße

»Er beobachtete die wild auseinander stobenden Wesen, sah, wie sie aufgeregt um das Blatt herum liefen.«
– zusammen: auseinanderstobenden, herumliefen

»Timmy war fünf Jahre alt, und Dad hatte heute das erste Mal erlaubt, dass er mit Jo und den anderen Niggern raus aufs Feld gehen durfte.«
– nicht, daß er »durfte« hat er ihm erlaubt, sondern daß er »raus aufs Feld ging«.

»In einiger Entfernung konnte er Mr. Blanks und zwei weitere Wachmänner ausmachen.«
– »Mr.« sieht in Geschichten (ebenso wie »Dr.«, »Prof.« usw.) ausgeschrieben besser aus

»„Hallo, wer bist du?“ rief Timmy und blickte auf die seltsame Gestalt, die da zwischen den Bäumen auf ihn zugeschlichen kam.«
– Beistrich nach der direkten Rede und das »da« könntest Du streichen

»Der kleine Stock in seinen Händen wurde von den Ameisen fieberhaft untersucht.«
– würde ich umdrehen: Die Ameisen untersuchten …

»Auch wenn Mr. Blanks strikte Anweisungen von Massa Bolter, bezüglich der Behandlung der Nigger, bekommen hatte«
– die beiden Beistriche kannst streichen

»„Timmy?“, rief Jo, nicht so laut, dass es bis hinüber zu Mr. Blanks dringen konnte.«
– statt »nicht so laut« wäre vielleicht »so leise« oder »gerade so laut« besser

»Und instinktiv wusste er, dass es zu spät war …«
– ich würde vorn das »Und« wegnehmen und hinten einen einfachen, deutlichen, echten Punkt machen. Nicht, wegen einer etwaigen Abneigung gegen die drei Punkte (Du verwendest sie ja eh nicht oft), sondern weil er mit Punkt und ohne »Und« mehr wirkt.

»Das Ding riß ruckartig den Kopf in seine Richtung, und ein fauchendes Geräusch entwich dem schnabelähnlichem Mund.«
– riss
– dem schnabelähnlichen Mund

»Er sah den kleinen Körper, der da mit ausgestreckten Armen, wie der gekreuzigte Sohn Gottes, auf dem Waldboden lag.«
– dieses »der da« hast Du öfter, das letzte, das mir aufgefallen ist, hab ich ausgelassen, das hier könntest Du vielleicht umformulieren
– die Beistriche nach »Armen« und »Gottes« brauchst Du glaub ich nicht

»Auch ich war von dem heulenden Schrei, der von draußen zu uns herein geschossen kam, zusammen gezuckt«
– zusammen: hereingeschossen, zusammengezuckt

»Ich erkannte Ma, die über einem kleinen Körper gebeugt war.«
– über einen kleinen Körper

»Meine Stimme war mehr nur ein Flüstern.«
– entweder würde ich das »nur« oder das »mehr« streichen

»Ich sah, wie er Großvaters lange Schrotflinte hervor holte,«
– zusammen: hervorholte

»Sie blickten auf das kleine, achtjährige Mädchen, das da mit ängstlichem Blick vor ihm stand.«
– wieder ein »da«, das ich streichen würde

»„Dad, tu´s nicht!“«
»den alle nur ´Daddy-Mack´ nannten«
– falsches Apostroph und falsche einfache Anführungszeichen; wobei ja die einfachen hier überhaupt falsch sind, die gehören nur innerhalb einer direkten Rede, hier wäre vielleicht kursiv schön.

»„Bitte Massa! Ich hab es nicht getan!“«
– Bitte, Massa!
»„Bitte Dad ...“«
– Bitte, Dad

»und als ich meine Augen wieder aufriss, der Schönheit des Nichtsehens entflohen,«
– man kann es zwar so und so sehen, aber ich fände hier »entfloh« passender (»entflohen« bräuchte dann ja auch noch ein »war«, das sich dann aber gleich wiederholen würde).

»und ich glaube, Dad auch. Er hatte einmal gesagt, Jo sei sein Lieblingsnigger. Und unsere Farm war die einzige im ganzen Umkreis, die ihre schwarzen Arbeiter niemals körperlich bestrafte. Das wussten auch die Nigger, und ich denke, dass sie gern für Dad arbeiteten.«
– und ich glaube, und ich denke liest sie wie eine Wiederholung, würde letztere rausformulieren, z. B. »und wahrscheinlich arbeiteten sie gern für Dad.«

»Dad hatte irgendwann mal was von Reformen gesagt, doch ich wusste nicht, was er damit gemeint hatte.«
– da sind ziemlich viele »hatte« in der Umgebung des Satzes. Hier kannst Du es meiner Meinung nach weglassen, da Du ohnehin schreibst, daß es »irgendwann mal« war: Dad sagte irgendwann mal was von Reformen, doch ich wusste nicht, was er damit meinte.

»So was hätte Jo niemals getan;«
– Zu Beginn sind mir solche Verkürzungen nicht aufgefallen, im Verlauf des Textes werden sie aber immer mehr (so kam es mir zumindest vor). Ich finde, wenn die Geschichte schon durch »Dad«, »Mom« usw. einen amerikanischen Einschlag hat, wäre ein sauberes Deutsch schöner, also hier »So etwas«.

»Mit fünf Jahren durfte er schon raus mit den großen Arbeitern.«
– durfte er schon mit den großen Arbeitern hinaus. (Auch, wenn Du das »raus« läßt, würde ich die Reihenfolge umstellen. ;-))

»Und Jo hatte Timmy hoch genommen«
– zusammen: hochgenommen

»„Jetzt ist der kleine Massa schon ganz groß!“, hatte er gerufen, und sie waren lachend und tanzend den staubigen Weg hinabgelaufen.
Jetzt lag Timmy auf dem großen Tisch«
– vielleicht bringst Du ja die Wiederholung von »jetzt« noch weg

»Ich habe doch nur noch dich.“
Doch er beweinte Timmy.«
– ich finde, schon das »doch nur noch dich« hört sich nicht so toll an, aber auf jeden Fall würde ich das folgende »Doch« durch ein »Aber« ersetzen.

»dass mir Tränen die Wangen hinunter liefen.«
– zusammen: hinunterliefen

»Ich blickte hinauf zum Himmel und sah die winzigen Punkte. Irgendwie hoffte ich, Timmy und Jo dort oben zu sehen; wie sie lachten und tanzten.«
– Auch eine sehr schöne Stelle! Aber das »hinauf« würde ich streichen, erstens weiß der Leser, wo der Himmel ist, zweitens sagst Du ja gleich danach »dort oben«.

»Meine Füße glitten über den klammen Staub vor unserer Veranda; durch den Staub, durch den Timmy heute Morgen noch gestapft war; durch den Staub, der sich mit Jos Blut vermischt hatte.«
– erst ist es »über«, dann ist es »durch«, Du könntest statt »durch den« auch »jenen Staub« schreiben, wobei Du das zweite überhaupt durch ein »und« ersetzen könntest: gestapft war und der sich mit Jos Blut …

»sah ich ein kleines Feuer, und eine zusammen gekrümmte Gestalt,«
– den Beistrich nach »Feuer« könntest Du weglassen, außer Du willst hier eine Pause
– zusammen: zusammengekrümmte – wobei das »zusammen« eigentlich überflüssig ist, auseinandergekrümmt wird sie ja nicht sein, gekrümmt ist immer zusammen.

»Ich wollte gerade umkehren, als sie zu mir herüber blickte.«
– zusammen: herüberblickte

»Ich trat ein Stück näher heran, und die Wärme des kleinen Feuers erfasste meinen Körper.«
– den Beistrich brauchst Du nicht

»Ich erkannte, wie die dunklen Wangen des alten Mannes glänzten.«
– entweder würde ich statt »erkannte« »sah« schreiben (sah, wie) oder statt »wie« »dass« (erkannte, dass)

»„Hier, kleine Misses, du kannst dich da drauf setzen.“«
– zusammen: draufsetzen (besser: kannst dich daraufsetzen)

»Daddy-Mack nannte mich immer ´kleine Misses´.«
– entweder normale Anführungszeichen oder kursiv

»Ich fand das lustig, obwohl ich ihm schon oft gesagt hatte, er solle mich ruhig Mary nennen. „Aber du bist doch eine kleine Misses“, hatte er dann immer gesagt, und wir hatten gelacht.«
– hat er dann immer gesagt und wir haben gelacht.

»„Wie geht es deiner Frau?“, fragte ich ohne aufzublicken.«
– fragte ich, ohne aufzublicken

»Jetzt merkte ich, wie eine Träne meine Wange hinunter lief.«
– zusammen: hinunterlief

»Dann ganz leise an die Flammen gewand: „Niemand.“«
– Dann, ganz leise an die Falmmen gewandt

»„Ich wünsche mir, das wäre heute nicht passiert, Daddy-Mack.“«
– schöner wäre »Ich wünschte«

»„Vielleicht, wenn er in eine andere Wohnung ziehen möchte?“«
– für eine Achtjährige erscheint mir das ein Stück zu naiv, noch dazu, wo sie später als schon sehr erwachsen für ihr Alter bezeichnet wird, aber es fällt Dir ja bestimmt nicht schwer, hier was anderes einzusetzen. ;-)

»Ich blickte in Daddy-Macks Augen. Sie glänzten, und ihre Wärme übertrafen in diesem Moment selbst die kleinen Flammen des Feuers. Woher wusst er,«
– übertraf
– wusste

»Der eine deutete in Richtung der Schlafstätten der schwarzen Arbeiter.«
– nur so ein Vorschlag: deutete in Richtung der Baracken.

»Er sprach leise, an die Flammen gewand.«
– gewandt (außerdem fast derselbe Satz wie oben)

»dann tut er das auf unterschiedliche Weise.«
– würde »unterschiedlichste« schreiben

»Ich wollte aufspringen; hinüberrennen zu diesem voll Gram geschwächten Mann,«
– statt »voll« würde ich eher »von« schreiben, evtl. »vor«

»Daddy-Mack schien mit den Tränen zu ringen. „Er hat seinen Sohn verloren.“ Seine Stimme war ein sanftes Krächzen.«
– normal wird die Stimme da eher höher

»Du bist doch gerade hier heraus gekommen, als du das Feuer gesehen hast.“«
– zusammen: herausgekommen

»und du könntest dich erkälten.
Du siehst also, gute Entscheidungen brauchen viel Bedenkzeit.“«
– den Zeilenumbruch in der direkten Rede finde ich nicht gut und auch nicht notwendig.

»Ich werde mir einmal vornehmen, immer lange zu überlegen, bevor ich etwas tue.“«
– »Ich werde mir einmal vornehmen« wäre ein Vornehmen eines Vornehmens. »Ich nehme mir vor, immer …« oder »Ich werde (in Zukunft) immer lange überlegen, …«

»Ich umfasste meine Füße, die inzwischen wirklich schon etwas kalt waren.«
– klar, es bezieht sich auf seinen Hinweis, daß es kühl ist und sie sich erkälten könnte, aber »inzwischen wirklich schon« ist trotzdem viel Füllwort; zumindest das »inzwischen« würde ich durch das kürzere »jetzt« tauschen.

»Sollte ich nicht Ma helfen, ihn zu trösten?«
– das fand ich irgendwie seltsam, daß die Mutter gar keinen Trost braucht, deshalb würde ich hier statt »trösten« »beruhigen« schreiben.

»Was war mit dem Gespräch zwischen Ma und Dad, dass ich vor längerer Zeit einmal heimlich mit angehört hatte?«
– das
– würde ich zusammenschreiben: mitangehört

»- „Du solltest dich mehr um Mary kümmern, Jones.“ -
- „Mary ist ein Mädchen. Ihre Erziehung fällt in deinen Aufgabenbereich“ -
- „Aber nicht nur Timmy ist dein Kind.“ -
- „Timmy ist ein Bolter. Mary ist ...“ -
- „Jones, bitte! Nicht schon wieder. Du hast es mir versprochen.“ -
- „Timmy wird einmal dieses Anwesen leiten. Er wird in meine Fußstapfen treten. Er ist mein Sohn!“

– Statt der Gedankenstriche würde ich das alles kursiv schreiben; nach »Aufgabenbereich« fehlt ein Satzzeichen.

»Was hatte Dad damals gemeint?«
– Was hat Dad damals gemeint?

»Warum hatte er nicht lange nachgedacht?«
– hat

»doch so sehr er sich jetzt auch bemühte zwischen den Schatten, die sich in ihrer Dunkelheit übertreffen zu scheinen wollten, etwas zu sehen, er konnte nichts erkennen. Nichts außer diesen Schatten.«
– bemühte, zwischen
– Nichts, außer
– »die sich in ihrer Dunkelheit übertreffen zu scheinen wollten« paßt irgendwie nicht, Vorschlag: die sich scheinbar in ihrer Dunkelheit übertreffen wollten« oder »die sich in ihrer Dunkelheit zu übertreffen versuchten«

»Mitlerweile begann diese zu schmerzen,«
– Mittlerweile

»Nachdem dieser Nigger dem kleinen Bolter-Jungen die Augen ausgestochen, und Mr. Bolter ihm«
– den Beistrich brauchst Du nicht

»dafür den Schädel weggeblasen hatte, hatte Mr. Blanks befohlen, die Gegend genau im Auge zu behalten. Und das hatten sie getan.«
– hier und in den folgenden Sätzen ist wieder »hatte«-Überflutung

»nachdem dieser Sklavenbefreier Brown das Lager bei Harpers Ferry überfallen, und damit hier und da weitere Niggeraufstände ausgelöst hatte.«
– der Beistrich nach »überfallen« kann weg

»erspähte er die vorderste Front der Baumreihen,«
– erspähte er die vordersten Baumreihen

»Bewegte sich da etwas?
Irgendwas stimmte mit dem einen Baum nicht.«
– »Irgendwas« direkt nach »etwas« liest sich nicht so gut, Vorschlag: Mit dem einen Baum stimmte doch etwas nicht.

»Aber wie war so was möglich?«
– so etwas, oder: Aber wie war das möglich?

»Perry Flints Herz stockte, im selben Moment, als sich sein Zeigefinger ruckartig krümmte.«
– keinen Beistrich nach »stockte«

»Er blickte nach vorne. Er sah die aufgeplatzte Rinde des Baumes,«
– würde die beiden Sätze durch ein »und« verbinden und das zweite »Er« damit streichen

»Sein Blick fiel auf den darunter liegenden Waldboden.«
– zusammen: darunterliegenden

»Wellenähnlich, wie eine Qualle, schien er auf ihn zuzukriechen«
– am Ende fehlt ein Satzzeichen, und ich würde das »schien« rausschmeißen: kroch er auf ihn zu.

»Auch Flint hätte am Liebsten laut losgeheult.«
– klein: am liebsten

»Und in diesem Moment setzte der Schmerz ein, und Flints Kreischen erfüllte die Nacht.«
– vorne das »Und« weg und in der Mitte den Beistrich streichen

»Die Farbe wechselte; jetzt sah es aus, wie Tabakpflanzen, die ihn angriffen.«
– Vorschlag: als griffen ihn Tabakpflanzen an.

»Flint spürte, wie seine Kräfte nachließen.«
– »spürte« hattest Du grade schon, ich würde einfach schreiben: Flints Kräfte ließen nach.

»Dies war das Ende …«
– würde ich streichen

»Er sah Thomkins mit einer langen Stange in den Händen; er sah einen der Bluthunde,«
– das zweite »er« würde ich streichen

»Der andere Hund hatte einen, in einem zerrissnen Stiefel steckenden Fuß im Maul«
– den Beistrich brauchst Du nicht
– zerrissenen

»und ich merkte, wie ein leichtes Zucken über seine Mundwinkel huschte.
„Hast du dich gerade entschieden, mir diese Frage zu stellen, kleine Misses?“ Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Klang.«
– zweimal »merk«, würde im ersten Satz »und ein leichtes Zucken …« schreiben.

»Ich sah ihm tief in die Augen. Meine Gedanken schwirrten durch den Kopf, schienen an der Schädeldecke abzuprallen und stoben wie aufgeschreckte Hühner in alle Richtungen.«
– Eigentlich ist das ja ein wirklich schöner Satz, aber ich hätte trotzdem gern etwas Konkreteres über die Gedanken erfahren. Waren es überhaupt wirklich Gedanken, oder versuchst Du hier eher eine Art Hilflosigkeit oder Verwirrung auf der Such nach einer Frage zu beschreiben? (Meistens fällt es einem in solchen Situationen eher schwer, konkrete Gedanken zu fassen.)

»Er schwieg für einen Moment, und ich merkte, wie er mit den Worten rang.«
– den Beistrich nach »Moment« kannst Du weglassen

»Als die ersten Afrikaner hierher gebracht wurden.«
– hierhergebracht; würde aber das »hier« weglassen

»Sie sollen keine Augen haben. Aber ...“, er stockte. „Jo hätte«
– Aber …“ Er stockte.

»„Das denke ich auch, Daddy-Mack. Timmy hat Jo sehr gemocht. Und ich auch.“«
– vielleicht bringst Du das doppelte »ich auch« noch irgendwie weg?

»Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang, als er fortfuhr. „Sie haben keine Augen,«
– nach »fortfuhr« würde ich einen Doppelpunkt machen

»Es ist besser, wenn du nicht weiter fragst.“«
– Da Du es meiner Meinung nach hier im Sinn von fortsetzen meinst, gehört es zusammen: weiterfragst. Man könnte es aber auch im Sinn von weiter als verstehen, z. B. mit den Fragen noch tiefer bohren, dann gehört es auseinander.

»Du weißt, dass ein Nigger keinen Weißen berühren darf.“«
– Das widerspricht aber dem hier: »Und Jo hatte Timmy hochgenommen und auf seine breiten Schultern gesetzt.«

»„Sie ... sie essen Augen?“«
– ich fände es flüssiger zu lesen, wenn Du ein »die« vor die Augen einfügst

»als sie mal einen Angefallenen zurück auf die Farm brachten.«
– würde ich umstellen, ist flüssiger: auf die Farm zurückbrachten.

»Aber als sie ihn zurück brachten, da hat er noch gelebt.«
– zusammen: zurückbrachten

»Aber sie haben keinen gefunden. Sie sehen immer aus, wie ihre Umgebung, sagt man. Man kann sie nicht sehen.«
– Vorschlag gegen das doppelte »man«: Einige erzählen, sie sehen immer aus wie ihre Umgebung. Man kann sie nicht sehen.

»Manchmal erinnerte er mich an Großvater, obwohl ich nur noch recht wenig von ihm wußte.«
– wusste

»Daddy-Mack schwieg eine ganze Weile, und die Schatten des Feuers flackerten«
– den Beistrich brauchst Du nicht

»„Wir haben Einen, Mr. Bolter!“, dröhnte es von draußen herein.«
– klein: einen

»Ich kroch herüber zu Ma und drückte mich an ihren Körper.«
– hinüber

»„Wir haben Einen, Mr. Bolter!“, keuchte er«
– nochmal »einen« klein

»Seine Beine schliffen über dem Boden.«
schleiften

»Sein linker Fuß war verschwunden, und ein blutdurchtränkter Verband«
– den Beistrich kannst Du zur Sammlung der unnötigen legen und in der nächsten Geschichte wiederverwerten

»Die Anderen hatten lange Stangen in der Hand.«
– anderen klein

»Diese wurde früher den Niggern um den Hals gelegt, wenn sie wild geworden waren und man konnte sie sich mit den Stangen vom Leib halten.«
– Das klingt alles nach braver Recherche, ist es doch auch, oder? ;-) Aber nach »waren« gehört noch ein Beistrich.

»und in der Mitte stand eine sehnige Gestalt mit großen Händen, die um sich schlugen.«
– ich würde das Aktiv nicht auf die Hände verlagern, deshalb Einzahl: schlug (bezogen auf die Gestalt).

»der lange, dünne Mund war beinahe rohrförmig nach vorn gestreckt.«
– »rohrförmig« klingt irgendwie komisch, vielleicht zylindrisch?

»nur wesentlich dicker und nicht so lang.«
– statt »nicht so lang« vielleicht »kürzer«?

»Der Kopf flog hektisch in alle Richtungen, die großen Ohren peilten.«
– »peilten« braucht glaub ich einen Bezug (was peilen sie an?)

»Sie stießen den Augenlosen davon; die kläffenden Bluthunde an den dicken Leinen versuchten nach ihm zu schnappen.«
– statt »davon« vielleicht »von sich«?
– versuchten, nach

»Ich hatte meine Bettdecke bis hinauf zum Kinn gezogen.«
– »bis zum Kinn hinaufgezogen« fände ich besser

»Dass er sich in meinen Arm kuscheln, und schon nach wenigen Sekunden friedlich einschlafen würde.«
– ohne Beistrich

»vorbei an dem Gästezimmer, in dem Timmy auf seinem Holztisch lag.«
– auf »seinem« Holztisch?

»Wo waren die Schritte der Wachen, dessen Stiefel durch den trockenen Staub knirschten?«
– deren Stiefel

»Doch irgendein Geräusch hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Irgendein Geräusch, das da aus der Dunkelheit gekommen war.«
– bisher hatte die Erzählerin keine Probleme, Geräusche etc. zu beschreiben, warum hier »irgendein Geräusch«? (Und irgendwo bellte ein Hund … ;-))

»Wieder spürte ich eine Gänsehaut auf meinem Körper; doch ich bezweifelte, dass sie von dem sanften Wind hervorgerufen wurde.«
– Sie weiß es doch ganz genau, warum dieses »doch ich bezweifle«? Wieder überzog eine Gänsehaut meinen Körper, doch sie wurde nicht von dem sanften Wind hervorgerufen, oder … doch nicht der sanfte Wind war die Ursache.

»Da, wieder dieses Rascheln. Oder war es ein leises Schnalzen?«
– dasselbe Geräusch wie eben dieses »irgendein Geräusch«? Dann würde ich vorher das Rascheln und Schnalzen einfügen und hier »dieses Geräusch« schreiben.

»Mein Blick wanderte unruhig, die Augen versuchten, etwas zu erfassen.«
– die Augen versuchen das nicht selbständig, es ist die Protagonistin, die versucht, mit ihren Augen etwas zu erfassen.

»Ich schluckte, und hatte das Gefühl, einen Apfel im Ganzen herunter zu würgen.«
– der Beistrich nach »schluckte« kann weg
hinunterzuwürgen

»Ich trat die Verandastufen hinab«
– fände »Ich stieg« besser

»Der Boden war kalt, aber es war nur Staub. Kein Augenloser.«
– würde nach »kalt« einen Punkt machen und das »aber« streichen

»trugen mich meine Füße um das Haus herum. Immer wieder sah ich mich um,«
– um das doppelte um-Ende zu vermeiden, könntest Du auch »sah ich um mich« schreiben

»Der spitze, schnabelähnliche Mund wies in meine Richtung, die Ohren klappen nach vorn.«
– klappten

»Mein Finger berührte das Bein, dicht bei der Verletzung.«
– überflüssiger Beistrich

»Bei dem Geräusch sah ich, das die langen Finger des Augenlosen kurz zuckten.«
– dass

»Ich blickte auf den lang gezogenen Schädel,«
– man kann es zwar auf beide Arten schreiben, aber ich fände Zusammenschreibung schöner: langgezogenen

»den Hals des Augenlosen an einigen Stellen wund gescheuert hatte.«
– auch da würd ich für Zusammenschreibung plädieren, aber es ist beides erlaubt: wundgescheuert

»Ma wird morgen mächtig sauer sein.“, kicherte ich.«
– Punkt zuviel

»wurde für einen Moment dunkler, dann wieder heller – beinahe hautfarben –.«
– vor dem Punkt brauchst Du keinen Gedankenstrich

»flüsterte ich an die Hand gewand.«
– gewandt

»„Ich glaube auch, er hätte Jo nicht erschossen, wenn ich gestorben wäre.“«
– das »auch« würde ich streichen

»Durch Mr. Blanks Körper ging ein kurzer Ruck.«
– Blanks Körper

»sah, wie das Baumwollhemd vor meinem Gesicht zu Boden rutschte. Ich sah Mr. Blanks vor mir knien, sah den roten Halsstumpf, aus dem der pulsierende Strahl emporschoss; zuckend, nur langsam verebbend. Ich sah, wie der kopflose Körper des Aufsehers nach hinten kippte.«
– zumindest beim zweiten Satz würde ich eins der »sah« einsparen: Ich sah Mister Blanks vor mir knien, seinen roten Halsstumpf … Satz #3 könntest Du auch mit »Und wie der kopflose Körper« einleiten.

»Mein Kopf wanderte vor der dunkel flimmernden Masse, die mein Gesichtsfeld einnahm, empor.«
– schöner, wenn Du das »empor« nicht hinten dranhängst sondern gleich nach »Masse« einfügst

»und schlug mit einem nassen Platschen auf dem staubigen Boden auf.«
– ohne doppeltes »auf«: schlug mit einem nassen Platschen auf den staubigen Boden.

»Der lehmbraune Augenlose war wesentlich kleiner als der, der noch immer vor mir stand.«
– ohne doppeltes »der«: als der noch immer vor mir stehende.

»In der Nähe des Hauses sah ich schreiende Schatten laufen; gefolgt von Schatten mit spitzen Mündern.«
– Vorschlag: sah ich schreiende Menschenschatten laufen; …

»Ich erkannte einen von Dads Wachmännern; ich glaube, es war Jesse Thomkins.«
– Warum glaubt sie es nur, wenn sie ihn erkannt hat? Würde »ich glaube« streichen.

»Der Boden vor ihm fuhr hoch, und der Mann stürzte.«
– überflüssiger Beistrich

»Der Augenlose steckte die Gliedmaßen in eine Art Sack, den er auf dem Rücken trug.«
– Vorschlag: »in eine Art Rucksack.«

»Ein weiterer Augenloser trat auf ihn zu; ebenfalls sehr groß, und ebenfalls mit einem Sack auf dem Rücken, aus dem eine schlaffe Hand hervorragte.«
– »trat auf ihn zu« klingt fast, als würde er ihn treten, würde das anders formulieren
– das zweite »ebenfalls« würde ich streichen

»während Mr. Thomkins in der Klaue des Einen nur noch wimmernd verblutete.«
– des einen (klein)

»Dunkele Pfützen«
– ein e zuviel in »Dunkle«

»vor allem konnte ich nicht glauben, warum ich nicht schreiend zusammen brach.«
– zusammen: zusammenbrach

»Ich hatte zwar Angst, spürte jeden Zentimeter meiner Haut, die sich zitternd um meinen Körper schlang. Doch schien diese Angst von einer seltsamen Faszination umhüllt zu sein, die diese groteske Situation zu entfachen schien.«
– würde einen der überflüssigen Beistriche nehmen und damit hier einen Satz draus machen

»Ich wollte nicht mehr sehen; nie wieder.«
– Angesichts dessen bin ich mir nicht sicher, ob die Erwähnung des in den Pfützen schimmernden Mondlichts kurz zuvor so passend ist.

»Seine Pranke strich über den Leichnahm,«
– ohne h: Leichnam

»Dann fasste er das Metall mit beiden Händen und bis es durch.«
– biss

»Mein Wimmern war verstummt.«
– Ich hatte aufgehört zu wimmern.

»eingehüllt in zusammen genähten Tüchern,«
– zusammen: zusammengenähten

»Der alte Mann trat näher, und ich blickte in die vernarbten Höhlen seiner ehemaligen Augen.«
– überflüssiger Beistrich
– Vorschlag: in die vernarbten Augenhöhlen.

»Nur bleibt mir nicht mehr allzu viel Zeit, kleine Mary.«
– »allzu« würde ich streichen

»Ich dachte an Daddy-Mack, und wenn ich den heutigen Tag betrachte, wusste ich, dass er Recht hatte.«
– »weiß ich« statt »wusste ich«


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Salem

Ehm, ja, ich hab zwar nicht so eine ellenlange Kritik, aber ich habe deine ellenlange Geschichte gelesen, und möchte doch nicht meine Zeit vergeudet haben, und dir gerne sagen, wie ich sie fand.

Am Anfang gibts ja diesen raschen Szenenwechsel und ich wusste nicht wirklcih, wie ich das finden sollte, für mich kam es irgendwie als Notlösung rüber, damit du beide Seiten darstellen kannst, oder du hast es dir ein bisschen zu einfach gemacht, um Spannung aufzubauen. Ja, die Kulisse fand ich super. Hat mich ein bisschen an "Green Mile" erinnert, besonders die Figurenkonstellation halt, wobei Jo keine übernatürlichen Kräfte hat. (Ich aber schon!)
Die Perspektive gefiel mir auch nicht wirklich, ich hatte teilweise das Gefühl, du wüsstest selbst nicht, welche Perspektive du nehmen möchtest. Wirkte auf mich etwas unentschlossen. Generell habe ich nichts gegen Perspektivwechseln, wenn sie gut gemacht sind, wenn jede Perspektive klar erkennbar ist - sprich einen anderen Stil/Sprache hat als die anderen.
Aus Marys Perspektive fand ich sehr viel unglaubwüridg, hauptsächlich die Sprache, sie passt nicht zu ihr, ist viel zu erwachsen, auch wenn der gute Daddy-Mack zu ihr sagt, sie sei für ihr Alter ziemlich erwachsen, eine Achtjährige denkt anders - behaupte ich mal dreist - und sie drückt sich auch ein bisschen anders aus. Diese Mary hier kann natürlich ein Superhirn sein, aber auch das würde nicht funktionieren, nein, es funktioniert für mich einfach nicht, sorry.
Hmm, das Ende, ja, das war mir dann auch irgendwie zu rasch, unerwartet. Monster vs. Menschen. Die Monster hast du hier vermenschlicht, die Menschen vermonstert. Das gefiel mir ein bisschen, aber genau DAS nimmt doch der Geschichte ihren Horror. Man kriegt dann keine Angst mehr vor den Monstern und vor den Menschen, da es ja aus Marys Sicht geschrieben ist, auch nicht, weil die Leute ihr sicher nichts antun werden.
Vielleicht wenn sie eine Schwarze wäre.
Eine richtige Erklärung hast du auch nicht für diese Wesen geliefert, aber okay, du bist ja King-Fan. ;D

Ja, stilistisch las sich die Story flüssig, musste jetzt Sachen nicht zwei Mal lesen, aber - ehm - entschuldige den Ausdruck - langweilig, also ich habe mich gelangweilt. Ich denke wirklich, dass das hauptsächlich am Stil liegt. Denn du hast ja eigentlich genug Action geboten: Monster, SChwarz/Weiß-Krieg, kleines Mädchen trifft ein Monster, Familienkrise ...
Aja, und ich weiß immer noch nicht, was der Vater mit dem "Bolter" meinte. Ist ihm seine Frau fremd gegangen, und Mary ist gar nicht seine Tochter. Oder ist das "nur" seine patriarcharlische Stimme, die aus ihm da spricht? Oder habe ich die entscheidende Stelle überlesen?

Ja, jetzt gehe ich ein paar Monster umnieten! (Oder ich lese mal die Kritiken, bin gespannt was die anderen denken, und wer das Teil empfohlen hat. ;D)

die echte JoBlack!

 

Hi Susi, hi Jo (Mensch, du lebst ja doch noch :D)

Vielen, vielen Dank für eure Kritik. Boa, Susi, bist du wahnsinnig? Hast du denn nix besseres zu tun ;). Ne, ganz ehrlich, wow und danke vorab.

Da mein Zeitfenster grad etwas eingeschränkt ist, werde ich mich am WE nochmal eurer Worte widmen und auch näher drauf eingehen.

Kleine Verteidigung, Jo: Ich habe bei der Geschichte mittlerweile einen Perspektivwechsel vorgenommen. Sie spielt jetzt komplett in der dritten Person, denn du hast völlig Recht, eine Achtjährige spricht nicht so. Ich war sogar der Meinung, ich hätte sie hier schon geändert. War wohl nicht so.

Ja, Susi, dann werde ich sie wie gesagt am WE mal ein wenig überarbeiten. Irgendwie freu ich mich schon drauf.

Euch erstma einen lieben Gruß! Salem

 
Zuletzt bearbeitet:

So, Susi, ich habe es geschafft :D
Habe beinahe alle deine Verbesserungsvorschläge übernommen. Vielen Dank noch einmal.

»Diese wurde früher den Niggern um den Hals gelegt, wenn sie wild geworden waren und man konnte sie sich mit den Stangen vom Leib halten.«
– Das klingt alles nach braver Recherche, ist es doch auch, oder? ;-)
Unter uns: Hab ich nicht :Pfeif:, aber ich fand der Begriff Niggerstangen passte dazu. Ich weiß nicht, ob es die wirklich gab.

Ebenso habe ich einen der Hauptkritikpunkte geändert: Die Geschichte steht jetzt komplett in der 3. Person. Und allen, die das kritisiert haben, ein Dankeschön. So ist es wirklich viel besser.

Zitat von JoBlack:
Die Perspektive gefiel mir auch nicht wirklich, ich hatte teilweise das Gefühl, du wüsstest selbst nicht, welche Perspektive du nehmen möchtest.
Es war anfangs durchaus beabsichtigt, aber du hast recht, es war scheiße ;)

Thx an alle! Salem

 

Hallo Salem.

Mir hat Deine Geschichte, ich las sie gerade das erste Mal und kenne die ursprüngliche Version nicht, zu Anfang sehr gut gefallen. Den Dialog zwischen der kleinen Mary und dem Alten habe ich sehr gerne gelesen. Du hättest Deine Geschichte mit Kapitel 3 abschliessen können, denn meiner Meinung nach wird sie ab Kapitel 4 eher schlechter.
Eine Rettungsboje, die ich sehe, ist die Möglichkeit, den beiden toten Söhnen in dieser Nacht einen dritten hinzuzufügen. Diese wird von Dir jedoch übersehen und Du treibst in ab in ein Allerwelts-Meer aus Blut und Gedärmen. Schade, so ein Ende hat so ein schöner Anfang nicht verdient.

An Deiner Wortwahl gibts nichts auszusetzen, außer

seine Arschritze
... ;-) laß die weg

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Salem,

jo, starkes Stück ist dir da gelungen, kann ich nur auch nochmal bestätigen. Schplätter mit Schtiel, gar nicht so leicht, die meisten verlieren da ja irgendwann den Sinn für die richtige Mischung und opfern Atmosphäre und Spannung unfreiwillig komischen Metzelszenen.
Derber Shit: der schreiende Torso, den sich der Augenlose quasi umbindet wie einen Hammer in einem Werkzeuggürtel. So hat sich mir dieses Bild jedenfalls eingebrannt.

eine scheinbar ungeordnete Armee, wirr herumlaufend ohne erkennbarem Ziel.

erkennbares Ziel

und als sie ihre Augen wieder öffnete, der Schönheit des Nichtsehens entfloh,

Klingt etwas verkrampft, so "Ich kann auch Literatur, do, pass mal auf hier".

Jetzt lag Timmy auf dem großen Tisch des Gästezimmers, bedeckt mit einem weißen Leinen. Er würde niemals mehr groß werden

Hier würde ich Understatement wahren und das Kursive ganz normal formatieren. Käme dann in seiner Beiläufigkeit schockierender als mit diesem layouterischen Holzhammer.

Dann ganz leise an die Flammen gewandt: „Nicht dortoben.“

Das zweite "Dann, leise:". Ist kein Bein ab, könnte die Geschichte aber bei Ausmerzung noch ein wenig näher an die fast erreichte Perfektion bringen.

„Ja, durchaus. Er braucht dann Menschen, die ihm helfen, die schweren Kisten zu tragen.“ Daddy-Mack sah sie an und lächelte ein wenig. „Und mein Jo kann ordentlich zupacken.“

Der Dialog klingt zu modern, weil Umziehen in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wesentlich weniger alltäglich war als heutzutage. Gerade auf diesen Landsitzen standen glaube ich die Chancen ganz gut, dass man im selben Zimmer starb, in dem man siebzig Jahre zuvor geboren worden war.

Auf keinen Fall war es keiner der Nigger

Äh, also war es auf jeden Fall einer, oder wie jetzt?

bahnte sich einen Weg in seine Arschritze.

Die Gesäßfalte würde weniger stilbrecherisch daherkommen.

Was mir nicht so passte beziehungsweise was ich nicht ganz verstanden habe:

1. Du verwendest viel Zeit für die Szene mit Jos Vater. Soviel, dass ich am Schluss eigentlich auch gern wüsste, was aus diesem wird.

2. Marys Annäherung an den gefangenen Augenlosen scheint mir nicht logisch. Sie weiß, dass es sich dabei um ein Viech handelt, dass die Okulüten ihres Bruders gefressen hat. Und dann kommt sie ihm mit dieser "Wirst-du-mir-auch-die-Augen-auspieksen?"-Nummer. Das Kind scheint da fast ein wenig unter Drogen zu stehen.

Grüße
JC

 

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