- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Die Bustür
Sie stand an der Telefonzelle und starrte auf den Regen. Seit ungefähr einer Stunde regnete es auf sie herab und sie fühlte sich, als hätte sie es verdient keinen Schirm dabei zu haben. Sie erinnerte sich nicht einmal daran, dass je einer in ihrem Besitz gewesen war.
All die Menschen hinter ihr hielten sie sicherlich für unzurechnungsfähig, denn alle außer ihr hatten sich so weit es eben ging unter den kleinen Bushaltestellenbau gedrängt. Dicht an dicht konnten sie einander riechen und sie war die einzige, die es wagte im Regen zu stehen ohne Schutz und ohne Ambitionen zu zeigen sich in die letzte noch verbliebene Ecke zu quetschen. Eine alte Dame hatte sie vor einer knappen Stunde angesprochen und ihr angeboten, wenn doch alle noch ein Stück zusammenrücken würden, könnte sie doch ruhig…
Der Regen wurde stärker. Noch zwei Minuten und der Bus würde an der Straßenecke erscheinen. Dachte sie daran, dass all die zusammengepferchten Leute wie in einem Paket an die Bustür drangen und drängten und wahrscheinlich bereits alle Sitzplätze belegt waren, so wurde ihr schlecht. Die Enge- es war die Enge. Sie wünschte sich einen Bus für sich allein, am liebsten ohne Fahrer. Der Bus konnte auch ihretwegen ruhig einen Hang hinabstürzen. Bei einem Aufprall hätte sie dann wenigstens nur zerklirrende Fenster zu bewältigen und würde nicht auf menschliche Massen prallen.
Der Bus bog um die Ecke. Er schien sehr schnell heranzufahren. Sie dachte, er würde vorbeirauschen.
Das tat er selbstverständlich nicht. Der Bus hielt direkt vor ihr, gefüllt bis zum letzten Platz. Es standen sogar bereits ein bis zwei Menschen. Das Menschenpaket hinter ihr drängte sich an ihr vorbei, ihr wurde übel von den bunten Regenschirmen, die zusammenklappten direkt hinter, neben, vor ihr, direkt vor ihrem Gesicht. Sie blieb erstarrt stehen. Der Busfahrer blickte fragend auf sie herunter, wie das Gott sicherlich tat, jedes Mal wenn ein Menschlein sich verirrt und schlimme Dinge angestellt hatte.
„ Fahren Sie noch mit, junges Fräulein?“ Sie ertrug solche Blicke nicht. Anscheinend glotzten alle Fahrgäste inklusive dieses fetten Busfahrers auf sie hinunter. Das hielt sie nicht aus. „Aufhören“ hätte sie gern geschrien, konnte sich aber nur umdrehen und anfangen zu laufen, immer schneller, nur weg. Sie lief und lief. Der Regen hüllte sie ein. Bald war sie nicht mehr zu erkennen.
„ Dann eben nicht.“ Der Busfahrer zuckte mit den Achseln und die Bustür schloss sich wieder.