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Die fliegende Zigarre

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11.03.2005
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Die fliegende Zigarre

Die fliegende Zigarre

oder

Was wirklich geschah...


Wir schreiben den 6. Mai 1937, bei Abenddämmerung um 19 Uhr. Nach ermüdenden 77 Stunden Fahrt steuert das stolze Flagschiff der deutschen Zeppeline, die Hindenburg, mit gemächlicher Geschwindigkeit über dem Atlantik auf den Flughafen Lakehurst in New Jersey zu. Der Gigant übertrifft mit seinen 245 Metern Rumpflänge jede Dimension anderer lenkbarer Flugobjekte der gesamten Geschichte. Die Stewards weisen höflich die letzten Gäste aus der Lounge und räumen schnurstracks die Gedecke ab, um sich ja auch selbst rechtzeitig einen effizienten Fensterplatz für die Landung zu sichern.
Wir befinden uns auf dem Kommandodeck, anwesend sind der erste Offizier (am Steuer) und sein Patron, Ferdinand Graf Zeppelin, als sich der Steuermann plötzlich nervös zu Wort meldet:

„Mein Graf, die Winde wehen immer heftiger, Nimbuswolken gleich vor uns. Wir können da unmöglich durch!“
„Steuermann, nicht in diesem Ton! Achten sie auf ihr Ruder und geben mir Meldung über unvorhergesehene Ereignisse, wie gehabt.“ antwortet dieser etwas teilnahmslos.
„Ich bitte um Verzeihung, mein Graf, aber dies war ich soeben im Begriff zu tun. Über dem Landegebiet erwartet uns küstennahe eine Unwetterfront grossen Ausmasses. Ich denke nicht, dass wir unser Schiff der Gefahr des Gewitters aussetzen sollten.“
„Du lieber Himmel!“ erwidert der Patron erstaunt, „Das ist doch nicht ihr Schiff!“ Er schüttelt ungläubig den Kopf und zieht sich seine Mütze bis zum Haaransatz hinauf, um sich selbst anschliessend mit kritischer Mine im durch die Dunkelheit spiegelnden Fensterglas des Kommandodecks von verschiedenen Seiten her zu mustern.
„Was meinen sie, Steuermann: Soll ich den Koch feuern?“
Offensichtlich überfordert von der ignorierenden Haltung des Grafen Zeppelins erwidert der Steuermann die Frage nicht und scheint sich demonstrativ den wenigen Armaturenanzeigen zu widmen.
„Finden sie, ich habe zugenommen?“ murmelt der Graf weiter ohne ihn anzublicken. Er zieht dabei den Bauch angestrengt ein und greift mit seinen beiden Daumen in die seitlichen Gürtellaschen, um der Enge der Hose etwas Spielraum zu verschaffen. „Über drei Tage Fahrt und als Krönung unserer üppigen Mahlzeiten komme ich kaum mehr in die Stiefel! Dabei ist dies der erste Kurs der Saison. Wo endet das? Ich werde den Koch feuern! Ja, das werde ich wohl tun.“ raunt der Graf vor sich hin und zieht seine Mütze wieder bis über die Brauen herab.

Nach wie vor sichtlich nervös stichelt ihm der Steuermann entgegen: „Mit Verlaub, mein Graf, aber sie werden wohl als erstes uns alle gemeinsam feuern, wenn wir nicht bald den Kurs dem Wetter anpassen! Der Zeppelin ist gefüllt mit über 200'000 Kubikmetern hochexplosiven Wasserstoffs. Eine zündende Entladung des Himmels, ein Blitz reichen, und ihre Sorgen über den Koch erübrigen sich.“
„Wie praktisch!“ scherzt der Graf. „Keine Sorgen mehr über den mästenden Koch, über meinen Rettungsring, über das von den USA verhängte Helium-Embargo, ohne diesem meine Schiffe ja um soviel sicherer würden, und, auch keine Sorgen mehr über einen auffallend frechen, ersten Offizier, der sich dauernd mit dem passenden Tonfall schwer tut!“
Dann schickt er seinem Untertan ein leises Lächeln zu und fragt ihn mit der bekannten Ruhe eines alten Flugdinosauriers: „Nun, nehmen wir doch mal an, wir fliegen sowieso gleich in die Luft! Ganz unter uns, Weidinger, welches wäre denn in der noch verbleibenden Zeit ihr letzter Gedanke?“ - „Freiwilliger Gedanke?“ fragt dieser. „Frei von der Leber!“ tönt es zurück.

Der Steuermann überlegt verbissen, da packt eine erste Sturmböe das Luftschiff sanft und gibt den etwas nervösen Gästen im Passagierraum und der Besatzung ein kurzes Gefühl von Schwerelosigkeit. Das kollektive Stöhnen ist bis in das Kommandodeck hörbar. Eine darauffolgende, noch viel heftigere Böe lässt dann sogar das Gebälke der starren Zeppelinhülle knirschen und wirft schliesslich diejenigen taumelnd zu Boden, welche sich gerade ohne festen Halt in den Gängen aufhalten. Dann ertönt von allen Seiten ein immer lauter werdendes Rauschen und Prasseln. „Es regnet nur wieder mal!“ beruhigen die Stewards die Passagiere und zeigen auf die Fenster vor der dunkeln Nacht. Das Wasser strömt über die Scheiben.

Zurück zum Kommandodeck. Verunsichert fragt der erste Offizier seinen Patron erneut, diesmal aber mit möglichst ruhiger Stimme: „Mein Graf, wollen sie wirklich am vorgesehenen Landeplatz festhalten? Wir fliegen geradewegs durch das Gewitter.“
Dieser will aber davon noch immer nichts wissen und beharrt auf die noch ausstehende Antwort: „Nun sagen sie schon! Weidinger, erster Offizier, Steuermann und Vater dreier Kinder, richtig? Was wäre ihr letzter Gedanke vor dem Aus? Hm? Ich hoffe, da ist doch was!“

„Ich würde wohl...“, überlegt dieser laut „Ich würde wohl versuchen, mein Leben noch einmal als Ganzes zu betrachten und mir schlüssig darüber zu werden, ob ich denn nun in Anbetracht dessen als glücklicher Mensch sterben darf.“ Kurzes Schweigen. „Vielleicht würde ich aber auch unablässig versuchen, meine Haut... ich meine natürlich: zuerst die Passagiere und dann äh... mich zu retten.“
Der Graf korrigiert ihn: „Tiere! Tiere, die kämpfen bis zum bitteren Ende oder darüber hinaus. Der kluge Mensch hingegen hat den Verstand einzusehen, dass die Zeit endgültig abläuft, wenn dem dann auch so ist.“ – „Wohl wahr, mein Graf, aber bitte sagen sie: Wie würde es ihnen denn ergehen?“

Ein ohrenbetäubendes Krachen unterbricht plötzlich das Gespräch. Die Türe zu den hinteren Räumen knallt auf. Der erste Offizier klammert sich mit aller Kraft an sein grosses Steuerrad, der Graf hingegen muss sich mit einem schnellen Sprung an die Gasdruck-Messleitung retten. In einem der hinteren Räume zerberstet ein Fenster. Männergeschrei. Die Hindenburg segelt von sturmartigen Windesstössen getragen unruhig umher. „Sinken sie!“ schreit der Graf seinen Steuermann an, „Wir sind fast da!“

Nach einigen Minuten hektischer Unruhe tritt der Zeppelin in eine bodennahe, ruhigere Luftschicht ein und der Graf lässt wieder von der Gasleitung ab - unbemerkt, dass er diese durch sein Griffmanöver um einige Zentimeter verbogen hatte und nun leise und schleichend Liter für Liter Wasserstoff in das Kommandodeck entweichen.

Die beruhigenden Stimmen der Stewards sind jetzt wieder aus dem Wirrwarr herauszuhören. Das muss wohl auch daran liegen, dass man jetzt schon gut die Signallampen des Landeplatzes und einiger Häuser erkennen kann.

Dann meldet sich der Steuermann wieder: „Mein Graf! Sie sind mir doch noch immer eine Antwort schuldig, wenn ich erlauben darf! Mich würde sehr interessieren, was denn nun ihr letzter Gedanke wäre, müssten sie sich für einen entscheiden.“ „Ich?“ erwidert dieser feierlich und macht einige Schritte auf den Steuermann zu, „Ich... ich würde mir die Ruhe nicht nehmen lassen, zu leben, was es noch zu leben gibt, würde mir den Duft einer guten Zigarre zur Nase führen, sie anschliessend zum erglühen bringen und genüsslich rauchen. Weder Reue an der Vergangenheit noch eine aussichtslose Zukunft zerfleischen den wichtigsten Moment vor dem Sterben: Die Gegenwart! Es spielte dann sogar nicht mal eine Rolle, wann wir nun in die Luft gehen würden; mein Kollege der Admiralität, Churchill, raucht seine Zigarren auch nur zur Hälfte.“
„Eine Zigarre...“ murmelt der Steuermann gedankenversunken. „Ja, eine Zigarre! Wussten Sie, dass eine solche mir den Anstoss für den Bau meines ersten Luftschiffes gab? Zigarren sind wunderbare Geschöpfe: voller Symmetrien, aerodynamisch, schlank, ästhetisch und vielseitig. Sie können sogar fliegen, wie sie ja wissen, Weidinger!“ erfreut sich der Patron, greift in seine Westentasche und zieht eine silberverzierte, flache Box hervor. „Sie können jetzt die vier Landeseile abwerfen, mein lieber erster Offizier! Dann klappt er es auf, nimmt eine der drei grosskalibrigen Zigarren hervor, kappt das Mundstück und klemmt sie sich zwischen die Zähne.
Soeben erscheint der Koch und fragt nach Digéstif-Wünschen. „Ach, lassen wir das jetzt!“ wird er abgewiesen. „Aber sagen sie, Küchenchef, haben sie Feuer?“

 

Hallo strassen,

nehmen wir ein paar Dinge gleich vorweg. Im Ganzen ist deine Geschichte nicht schlecht, weißt aber einige Schwächen auf. Zum einen ist der Schreibstil nach meiner Meinung unpassend. Du schreibst zu trocken und teilweise lassen deine Formulierungen an Theateranweisungen denken. Es würde der kg helfen, wenn du ein wenig Raum für Atmosphäre lassen würdest. Des weiteren ist mir der philosophische Anspruch nicht ganz klar. Ich denke mal, dass die Überlegungen des Grafen im Mittelpunkt stehen, was er denn die letzten Sekunden vor seinem Tot denken würde. Aber das ist mir ein bisschen zu wenig, vor allem weil ihnen keine wirkliche Erkenntnis zu Grunde liegt.
Gib der kg Atmosphäre, gestalte die Unterhaltungen menschlicher und führe die Gedankengänge des Grafen weiter aus. Das würde deiner Geschichte sicherlich gut tun.

Nun noch ein wenig Textkram, wobei ich nicht weiß, ob die ß – Angelegenheiten an deiner Tastatur liegen. Ich habe sie dir trotzdem einmal rausgeschrieben:


eine Unwetterfront grossen Ausmasses
- großen Ausmaßes

um sich selbst anschliessend mit kritischer Mine im durch
- anschließend

Ja, das werde ich wohl tun.“ raunt der Graf vor
- werde ich wohl tun,“ raunt der Graf

Eine zündende Entladung des Himmels, ein Blitz reichen, und ihre Sorgen über den Koch erübrigen sich.“
- ein Blitz reicht

ohne diesem meine Schiffe ja um soviel sicherer würden
- ohne dieses, oder besser noch: das

Der Steuermann überlegt verbissen, da packt eine erste Sturmböe das Luftschiff sanft und gibt den etwas nervösen Gästen im Passagierraum und der Besatzung ein kurzes Gefühl von Schwerelosigkeit.
- Das klingt mir nicht nach einer sanften Böe. Überhaupt? Was ist eine sanfte Sturmböe?

der starren Zeppelinhülle knirschen und wirft schliesslich diejenigen taumelnd zu Boden
- schließlich

Zurück zum Kommandodeck.
- Solche Sätze lassen mehr an ein erzählendes Stück denken. Sind aber in deinem Text unangebracht.

„Ich würde wohl...“, überlegt dieser laut „Ich würde
- überlegt dieser laut, „ich würde

sich mit aller Kraft an sein grosses Steuerrad
- großes

Die Hindenburg segelt von sturmartigen Windesstössen getragen unruhig
- Windstößen

Duft einer guten Zigarre zur Nase führen, sie anschliessend zum erglühen bringen
- anschließend

dass eine solche mir den Anstoss für den Bau meines ersten Luftschiffes gab
- Anstoß

Zigarren sind wunderbare Geschöpfe: voller Symmetrien
- Geschöpfe klingt mir nicht ganz einleuchtend

Dann klappt er es auf, nimmt eine der drei grosskalibrigen Zigarren hervor
- großkalibrigen ; hier stimmt allerdings auch der Zusammenhang nicht


Grüße...
morti

 

Hallo morti!

Vielen herzlichen Dank für Dein Feedback, es hat mich sehr gefreut! Besonders, da ich als Frischling in diesem Forum ungemein gespannt war, ob sich überhaupt jemand für meine Geschichten interessieren würde.


morti schrieb:
Hallo strassen,

nehmen wir ein paar Dinge gleich vorweg. Im Ganzen ist deine Geschichte nicht schlecht, weißt aber einige Schwächen auf. Zum einen ist der Schreibstil nach meiner Meinung unpassend. Du schreibst zu trocken und teilweise lassen deine Formulierungen an Theateranweisungen denken. Es würde der kg helfen, wenn du ein wenig Raum für Atmosphäre lassen würdest.

Kann ich nachvollziehen. Doch eigentlich habe ich gerade an diesem etwas trockeren Schreibstil meine Freude. Hm, irgendwie finde ich, dass sich solche Geschichten besonders gut vorlesen lassen, was ich beim Schreiben eigentlich auch immer im Hinterkopf habe. Vielleicht ist mir aber der Versuch, durch diesen Schreibstil eine gewisse "Unernsthaftigkeit" der Geschichte anzudeuten, misslungen. Bin gespannt, was andere hierzu denken.

morti schrieb:
Des weiteren ist mir der philosophische Anspruch nicht ganz klar. Ich denke mal, dass die Überlegungen des Grafen im Mittelpunkt stehen, was er denn die letzten Sekunden vor seinem Tot denken würde. Aber das ist mir ein bisschen zu wenig, vor allem weil ihnen keine wirkliche Erkenntnis zu Grunde liegt.

Das mit dem philosophischen Anspruch ist so eine Sache... Musste lange überlegen, wohin ich diese Geschichte packen soll, da sie eigentlich nicht ganz alleine entstand, sondern als Gedankenpaket mit der anderen namens "Die demokratische Zigarre" (hab sie auch ins Forum gestellt) verknüpft ist.
Die Kunst des Zigarren Paffens ist ja zumindest aus der Sicht der Paffer ganz bestimmt eine sehr philosophische Angelegenheit. Es beginnt mit dem In-den-blauen-Dunst-starren-und-über-Gott-und-die-Welt-nachdenken, geht über das existentielle Thema Selbstdestruktion (Dipol zwischen Gesundheitsschädigung und Genuss) bis hin zur Lust nach Weisheiten, die sich aus Geschichten berühmter Persönlichkeiten (wie Graf Zeppelin, Churchill, Freud u.v.m.) ableiten oder übernehmen lassen. Ich versuchte hierbei (vor allem in "Die demokratische Zigarre"), dieses Thema mit einer Prise Selbstironie und Kritikfähigkeit seitens der Zigarrengeniesser anzugehen, möglichst jedoch ohne dabei an Leichtigkeit zu verlieren.
Kannst Du nachvollziehen, was ich damit meine?


Bin übrigens Nichtraucher.


morti schrieb:
Nun noch ein wenig Textkram, wobei ich nicht weiß, ob die ß – Angelegenheiten an deiner Tastatur liegen. Ich habe sie dir trotzdem einmal rausgeschrieben...

Vielen Dank für die Korrekturhinweise. Die ß – Angelegenheiten liegen nicht wirklich an meiner Tastatur, sondern vielmehr daran, dass ich mir als Schweizer wohl einfach nicht recht gewohnt bin, solche ß jeweils passend zu setzen. Werde aber zukünftig für etwas mehr Kompatibilität (mit Hilfe des Korrekturprogramms) darauf achten, diese vermehrt einzusetzen...


Liebe Grüsse!
strassen

 

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