Die Flucht
Der letzte Zug rauscht an mir vorbei. Der Bahnhof kalt, verlassen. Früh schon bin ich aufgewacht und durch die Stadt geirrt. Ziellos. Ich bin ziellos. Der Mantel ist klamm, meine letzte Zigarre nass und aufgeweicht. Aber was solls? Ich hätte eh kein Streichholz mehr gehabt. Wenn ich auf meine Schritte höre, glaube ich, die Welt wäre, wenn schon nicht aus den Angeln gerissen, dann doch zumindest stehengeblieben, damit das Tosen nicht mehr so laut ist, wenn die Wellen stürzend ihre Gischt versprühn und ich mich ganz auf meine Schmerzen besinnen kann. Danke. Danke für das Mitgefühl. Vor einer Woche den letzten Menschen gesehen. Der Schalterbeamte. Wohin möchten Sie bitte? Ich? Meinen Sie mich? Weiß nicht so recht. Ach egal, zur entferntesten Station, raus. Einfach raus. Ohne Rückfahrkarte. Ihr Billet, bitte schön, danke schön, schönen Tag, Gruß auch an die Frau Gemahlin, das Wetter ist grässlich in dieser Jahreszeit, verstehn Sie mich? Nicht? Na dann ist auch nicht schlimm. Ich versteh mich selbst nicht mehr. Ich dreh mich im Kreise. Regen strömt über die Krempe meines Hutes, als müsste mich selbst der Himmel noch beweinen. Das Billet liegt auf dem Bahnsteig. Vor einer Woche abgelaufen. Der Sinn des Lebens liegt auf dem Bahnsteig. Vor einer Woche abgelaufen. Na und? Niemand stört sich dran. Der Alltag sickert weiter durch die Straßen und die Gassen, den Tag und die Nacht. Schon habe ich deinen Namen vergessen. Nicht so wichtig. Im Büro brennt noch das Licht. Vorsicht am Bahnsteig, Zug fährt ein! Nichts ist mehr interessant. Wie ein Sternbild glimmt die Stadt ein letztes Mal auf. Der zischende Zug verlässt schleunigst das Ufer. Die letzten Brücken stürzen ein, die Stadt und alle Türme sinken und keine Träne übrig, um ihr Lebewohl zu sagen.