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Die Flucht

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24.06.2001
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Die Flucht

Der letzte Zug rauscht an mir vorbei. Der Bahnhof kalt, verlassen. Früh schon bin ich aufgewacht und durch die Stadt geirrt. Ziellos. Ich bin ziellos. Der Mantel ist klamm, meine letzte Zigarre nass und aufgeweicht. Aber was solls? Ich hätte eh kein Streichholz mehr gehabt. Wenn ich auf meine Schritte höre, glaube ich, die Welt wäre, wenn schon nicht aus den Angeln gerissen, dann doch zumindest stehengeblieben, damit das Tosen nicht mehr so laut ist, wenn die Wellen stürzend ihre Gischt versprühn und ich mich ganz auf meine Schmerzen besinnen kann. Danke. Danke für das Mitgefühl. Vor einer Woche den letzten Menschen gesehen. Der Schalterbeamte. Wohin möchten Sie bitte? Ich? Meinen Sie mich? Weiß nicht so recht. Ach egal, zur entferntesten Station, raus. Einfach raus. Ohne Rückfahrkarte. Ihr Billet, bitte schön, danke schön, schönen Tag, Gruß auch an die Frau Gemahlin, das Wetter ist grässlich in dieser Jahreszeit, verstehn Sie mich? Nicht? Na dann ist auch nicht schlimm. Ich versteh mich selbst nicht mehr. Ich dreh mich im Kreise. Regen strömt über die Krempe meines Hutes, als müsste mich selbst der Himmel noch beweinen. Das Billet liegt auf dem Bahnsteig. Vor einer Woche abgelaufen. Der Sinn des Lebens liegt auf dem Bahnsteig. Vor einer Woche abgelaufen. Na und? Niemand stört sich dran. Der Alltag sickert weiter durch die Straßen und die Gassen, den Tag und die Nacht. Schon habe ich deinen Namen vergessen. Nicht so wichtig. Im Büro brennt noch das Licht. Vorsicht am Bahnsteig, Zug fährt ein! Nichts ist mehr interessant. Wie ein Sternbild glimmt die Stadt ein letztes Mal auf. Der zischende Zug verlässt schleunigst das Ufer. Die letzten Brücken stürzen ein, die Stadt und alle Türme sinken und keine Träne übrig, um ihr Lebewohl zu sagen.

 

irgendwie musste ich beim lesen der geschichte an phillip marlowes kleinen bruder denken. gut, das ist kein krimi und marlowe hat auch keinen kleinen bruder glaub ich, egal.
das ist eine der geschichten, die man nicht lesen sondern fühlen muss, denn ich glaube sie wurde auch eher gefühlt als geschrieben. deswegen ist der widerspruch von wegen letzter zug am beginn der geschichte und dann doch noch ein zug an deren ende in ordnung.
und um noch etwas kritik loszuwerden, auch auf die gefahr hin dem autor unrecht zu tun: die geschichte ist gut, aber einfach nur das rauszulassen was zur zeit in einem rumort kann nicht der kunst letzter schluss sein, oder?

 

Hmmhhmmm.....
Schön hektischer Erzählstil.

Abgesehn davon:

Ihr Billet, bitte schön, danke schön, schönen Tag, Gruß auch an die Frau Gemahlin, das Wetter ist grässlich in dieser Jahreszeit, verstehn Sie mich? Nicht? Na dann ist auch nicht schlimm. Ich versteh mich selbst nicht mehr.

Diese "Dialoge" passen nicht so gut.

Danke. Danke für das Mitgefühl.

Woher willst denn du das wissen, he? ;)

Aber insgesamt net schlecht.

 

FALSCH!!! Diese Story ist eine der schlechtesten, die ich je geschrieben habe. Das liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass sie eine meiner ersten war. Ich habe mich in letzter Zeit ein wenig dem Gegenständlich(er)en zugewendet und bringe Gefühle, wenn überhaupt, in den meisten anderen Storys von mir nur noch indirekt zum Ausdruck. Ich finde, dass man eine Geschichte gut nennen kann, wenn man sie sich nach einem Jahr oder so noch einmal vornimmt und durchliest. Wenn sie einem dann immer noch gefällt und man vor dem härtesten Kritiker, nämlich sich selbst, besteht, dann ist sie tatsächlich gelungen. Als ich diese Geschichte vor einiger Zeit noch einmal durchgelesen habe konnte ich selbst, so bedauerlich das auch sein mag, keine große Begeisterung mehr dafür aufbringen.

Mit freundlichem Gruß
Toby

 

FALSCH!!! Diese Story ist eine der schlechtesten, die ich je geschrieben habe.

Das ist erstens "Geschmackssache"und zweitens hab ich noch keine andere Geschichte von dir gelesen!

Das liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass sie eine meiner ersten war

Manchmal sind die Ersten die Besten.

Außerdem hat keiner gesagt, dass die Geschichte gut ist.

 

Wenn ich diesen Text so, wie er hier steht, betrachte, erscheint er mir als Ausschnitt einer längeren Erzählung. Wobei ich den Erzählfluss wirklich gelungen finde - aber es fehlt halt ein "roter Faden", der die Geschichte essenzieller macht, schließlich sind die paar Sätze wenig mehr als Gedanken und Gefühlsbeschreibungen.

Wundern darf ich mich übrigens schon:

Diese Story ist eine der schlechtesten, die ich je geschrieben habe.

Dem stimme ich erstens nicht zu und zweitens finde ich es etwas merkwürdig, dass du eine Story, die du "schlecht" findest, hier reinsetzt.
Abgesehen von meiner allerersten Story selbst - Nostalgie :D - würde ich hier nie was posten, das mir nicht selber gefällt!

 

Hi Leutz!
Sagen wir es so: DAMALS (das waren noch Zeiten... *g*) hat mir die Geschichte sicherlich gefallen, denn sonst hätte ich sie nicht gepostet. HEUTE finde ich sie bestenfalls noch unterhaltsam, weil sie mir selbst ein wenig sinnentleert erscheint...

That`s all!
Toby :D

@ Uffmucker: Ich habe mich eigentlich mit der Frage, ob die Story "gut" ist auf Sebastian Keller bezogen...

[Beitrag editiert von: Toby am 18.11.2001 um 14:58]

 

Hallo Toby,

"der Sinn des Lebens liegt auf dem Bahnsteig", das ist ein guter Satz, weil er darstellt, dass vieles im menschlichen Leben nur eine Durchgangsstation ist. Der Irrtum menschlichen Lebens besteht wohl am häufigsten darin, dass man glaubt, man könnte Dinge für ewige Zeiträume einrichten, man könnte Sicherheitszonen schaffen, die unangreifbar sind für die unabwendbaren Schläge des Schicksals. Das eben ist nicht der Fall. Die "Flucht" ist keine Ausnahme, sondern die normale Situation eines jeden Menschen. Nur ist er sich häufig dieser Flucht nicht bewusst. Aber ein jedes Reagieren auf Unvorhergesehenes, und sei es noch so nebensächlich, ist im Grunde nichts anderes als ein Abbiegen von unserer ursprünglich intendierten Lebensrichtung. Und das allein, gerade das, ist "Flucht", sonst nichts anderes.

Herzliche Grüße

Hans Werner

 

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