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Die Fremde

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15.02.2007
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Die Fremde

Er saß da und blickte in das fahle Gesicht. Seine Tochter schien friedlich zu schlummern, und doch war die Stille so unnatürlich, als wäre das Leben aus ihr gewichen. Die Ärzte hatten ihm versichert, dass sie keine 24 Stunden im Koma liegen würde, aber er traute ihnen nicht. Wenigstens war sie noch am Leben.

Seine geliebte Britta, sein kleines Mädchen. Es schien, als hätte sie erst gestern mit wehenden Zöpfen auf der Schaukel gesessen und gerufen:
“Höher, Papa, höher!“
Die Wände seines Büros hatte er mit unzähligen von Brittas Bildern und Bastelarbeiten tapeziert gehabt. Noch heute stand auf seinem Schreibtisch ein Foto, auf dem Britta lächelte und voller Stolz ihre erste Zahnlücke zeigte. Obwohl er schon mehrmals das Büro gewechselt hatte, und dieses Ereignis 20 Jahre her war, hatte er sich von diesem Bild nie trennen können.

Seine Gedanken wollten weiter wandern, um das Heranwachsen seiner Tochter vor seinen inneren Augen abzuspielen. Doch Nebelschwaden des Vergessens drängten sich zwischen ihn und die Erinnerung. Unbarmherzig machten sich neue, scharfe Bilder in seinen Gedanken breit und versperrten jede Sicht auf die liebliche Vergangenheit.
Er sah sich in einem geräumigen Büro in dessen Mitte ein langer Schreibtisch stand, der mit Bildschirm, Computer, verschiedenen Ordnern, und einem ständig klingelnden Telefon ausgestattet war. Der ganze Raum schien ihn andauernd zu mahnen, er solle seine Arbeit sauber, schnell und sofort erledigen. Unterstützt wurde dieses Gefühl noch durch Arbeitskollegen, die wie wild gewordene Bienen um ihn herum schwirrten und ihn mit Fragen, Aufforderungen und Reklamationen bombardierten.

Doch nun wandelte sich das Bild und er sah sich inmitten einer fröhlichen Menschenmenge stehen, ein Glas prickelnden Champagner in der Hand, und spürte, wie ihm auf die Schulter geklopft wurde. Geschmeichelt schwamm er in Lob und Anerkennung, ja sogar im Geld.

Er erschrak! Die Arbeit ihn betört hatte wie eine Riesenschlange. Langsam hatte sie sich um ihn gerollt und ihr Griff war immer enger geworden, bis er nicht mehr bei Sinnen gewesen war. Und nun, dessen war er sich sicher, wollte sie ihn ganz verschlingen.

Heftig schüttelte er den Kopf, um die Erinnerungen an seinen Arbeitsplatz zu verscheuchen und sich auf die junge Frau im Bett vor ihm zu konzentrieren.
Dieses wundervolle, sanfte, fröhliche Wesen, das er so sehr geliebt hatte, kannte er nun kaum mehr. Vor ihm lag eine Fremde.

Beschämung über die Wunden, die er seiner Familie zugefügt hatte und tiefe Traurigkeit zogen sein Herz schmerzvoll zusammen, in dem Bewusstsein, dass er nichts mehr rückgängig machen konnte. Doch gleichzeitig keimte langsam eine Kraft in ihm auf, die immer größer wurde. Der Kampfgeist war geweckt und plötzlich wusste er, dass ihn nichts mehr davon abhalten konnte, sich aus dem eisernen Griff der Schlange zu befreien. Er würde kämpfen mit aller Kraft und Willensstärke, die er besaß, selbst wenn es ihn den Arbeitsplatz kosten würde, um wenigstens den Rest seines Lebens für die Menschen da zu sein, die er einmal so sehr geliebt hatte.
Er wollte wieder bereit sein, wenn Britta ihn brauchte und mit seiner Frau glücklich alt werden.


Einem inneren Impuls folgend beugte er sich nach vorne und strich zärtlich eine Haarsträhne aus Brittas Gesicht, während er Worte flüsterte, die ihm seit Jahren nicht mehr über die Lippen gekommen waren: „Ich liebe dich!“

 

Hallo Juddl

Herzlich Willkommen auf Kg.de
Eigentlich sollte ich jetzt Bio machen, aber was solls. :D

Was macht diese GEschichte unter Sonstige? :confused: Sie ist sowas von alltäglich, das glaubst du gar nicht.
Da ist der hartarbeitende GEschäftsmann, der sich zu wenig um seine Familie kümmert und sie vernachlässigt. Die Familie droht auseinander zu brechen, seine Tochter wächst auf und alles, was passiert geht an ihm vorbei, er lebt nur noch für seine Arbeit.
Und plötzlich ist die Tochter erwachsen, hat einen Freund, hat ein Unfall(Krankheit) und endllich erkennt er, was er verpasst hat und wofür er in der Zukunft leben möchte. Ist doch voll alltäglich. :D

Was mir gut gefallen hat, war der Anfang. Da erzählst du nicht alles Stichwortartig. Sondern versuchst Details zu beschreiben. Wie das Foto mit der Zahnlücke, oder als er sie geschaukelt hat. Wirklich gut. Ich dachte auch am Anfang, dass die Kleine im Koma liegt, na ja, bis zu den vergangenen 20 Jahren halt. Und dann erzählst du nur noch: Ach ja, dann wurde er befördert, er hat mehr Kohle verdient, er hat sein ganzes Leben verpasst, Warum hat er eigentlich nicht auf seine Familie geachtet? Blablabla. Der mittlere Teil gefällt mir überhaupt nicht. Das solltest du nochmal überarbeiten. Vllt solltest du ihn einfach im Krankenhaus bleiben lassen und ihn nur an ein paar Szenen zurückdenken lassen. An eine Szene in ihrer Pubertät, als sie ihren ersten Freund mit nach Hause genommen hat und er lieber in seinem Büro war, du verstehst?;)

Aber er hatte dafür auch hart arbeiten müssen. Ständig Überstunden, Auslandreisen, Veranstaltungen über die Wochenenden und natürlich feucht fröhliche Partys mit seinen Kollegen. Grosse Aufträge mussten schließlich begossen werden.
Zuviel des Guten - das ist echt das Schlimmste. Es reicht, wenn du schreibst, dass er hart gearbeitet hat.
Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können.
Solche Fragen (auch wenn da nicht das richtige Satzzeichen ist, fällt mir gerade auf) würde ich lieber zu richtigen Aussagen machen. Anstatt zu fragen, wie es soweit kommen konnte, solltest du lieber schreiben wie es dazu gekommen ist.
Während er liebevoll eine Haarsträne aus dem blassen Gesicht strich flüsterte er Worte,
Haarsträhne/ nach strich kommt ein Komma

Eigentlich eine total langweilige Geschichte, aber ich mag solche Familientragödien. Deshalb ein :thumbsup: von mir, aber nur wenn du es überarbeitest.
Am Ende kriegst du wieder die Kurve.

Cu J:baddevil:

 

Ich bin begeistert! So schnell bekommt man ein Feedback. Toll! Herzlichen Dank! Werde mich ins Zeug legen, um die Geschichte zu verbessern. Danke für die Anregungen.

Da ich selbst Mann und Kinder habe hoffe ich, dass diese Situation bei uns nie alltäglich wird. Aber das mit den Rubriken werde ich bestimmt noch lernen;)

 
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Hallo Juddl

Wenigstens war sie noch am Leben.
Das sind die Gedanken des Vaters, deshalb würde ich auch hinter diesen Satz ein: dachte er ... oder so bringen. Als 'neutrale' Erzählung springst du nämlich, für mein Gefühl, in diesem Moment in die Rolle des Vaters ein, du verstehst.
Seine geliebte Tochter, sein kleines Mädchen. Es schien, als hätte sie erst gestern mit wehenden Zöpfen auf der Schaukel gesessen und gerufen:
“Höher, Papa, höher!“
Das finde ich super! Weil Kinder so sind - kenne ich von meinen Nichten. :)
auf seinem Schreibtisch ein Foto auf dem sie lächelte und voller Stolz
nach Foto kommt ein Komma.
Seine Gedanken wollten weiter wandern um das Heranwachsen des Töchterleins vor seinen inneren Augen abzuspielen.
nach wandern auch ein Komma
Unbarmherzig machten sich neue, scharfe Bilder in seinen Gedanken breit und versperrten jede Sicht auf die liebliche Vergangenheit.
die Adjektive würde ich streichen. Reine Bewertung.
Anstatt das Wort 'Vergangenheit' würde ich ein Bild reinbringen. Wie zum Beispiel: ... versperrten jede Sicht auf das Lächeln seiner kleinen Tochter. (Ihr würde ich auch einen Namen geben, muss aber nicht, wäre aber besser, glaub ich:hmm: )
in dessen Mitte ein langer, Schreibtisch stand,
Was macht dieses Komma nach 'langer'?
Der ganze Raum schien ihn andauernd zu mahnen er solle seine Arbeit sauber, schnell und sofort erledigen.
Finde ich gut. :thumbsup:
Bin mir jetzt nicht sicher, ob nach 'mahnen' ein Komma kommt.
Heftig schüttelte er den Kopf um die Erinnerungen an seinen Arbeitsplatz zu verscheuchen und sich auf die junge Frau im Bett vor ihm zu konzentrieren.
nach Kopf kommt ein Komma.
Dieses wundervolle, sanfte, fröhliche Wesen, das er so sehr geliebt hatte, kannte er nun kaum mehr. Vor ihm lag eine Fremde.
Das ist einfach zuviel!
Und ich hätte geschrieben: 'Vor ihm lag diese Fremde, die er einst geliebt und gekannt hatte.' Okay, ist auch nicht der Burner. :Pfeif: Aber es ist auch deine Story - mach was! :p
Der Kampfgeist war geweckt und plötzlich wusste er, dass
Der Kampfgeist. Hmm, klingt nicht wirklich gut - so sportlich. :shy:
Er würde wieder bereit sein, wenn seine Tochter ihn brauchte und mit seiner Frau wollte er glücklich alt werden.
Schleim - Schleim. Bitte weg damit.
strich zärtlich eine Haarsträne aus ihrem Gesicht,
Strähhhhne!

So, die Veränderung finde ich wirklich gut, es ist dir auf jeden Fall gelungen, das umzusetzen, was ich meinte. :thumbsup:
Nun gefällt es mir. :)
Jetzt musst du das nur noch in die richtige Rubrik verschieben! Ab nach Alltag damit oder wenn du das nicht möchtest, es würde auch gut in Gesellschaft passen.

Cu JO

 

Hallo JoBlack

Nun endlich ist die überarbeitete Version auch in der richtigen Rubrik. Danke nochmal für die verbesserungs Vorschläge. Alle werde ich aber nicht berücksichtigen, weil manche Satzstellungen oder Ausdrücke mir so besser gefallen. Ist eben auch Geschmackssache.

Gruss
Juddl

 
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Hallo Juddl,

ob Du noch an dieser Geschichte dran bist? Wenn nicht, dann geh doch noch mal drüber. Ich finde gerade solche kleinen Alltagsgeschichten können ganz schön unter die Haut gehen, wenn sie mit Kraft und Rasse erzählt werden.

Die Wände in seinem Büro waren mit unzähligen Bildern seiner Tochter tapeziert gewesen.

Die Wände seines Büros hatte er mit unzähligen Bildern seiner Tochter tapeziert. > So vermeidest Du 'waren' und 'gewesen'. Solche Worte sind wie Sand im Getriebe.

Er zuckte zusammen und stellte fest, dass die Arbeit ihn betört hatte wie eine Riesenschlange. Langsam hatte sie sich um ihn gerollt und ihr Griff war immer enger geworden, bis er nicht mehr bei Sinnen gewesen war. Und nun, dessen war er sich sicher, wollte sie ihn ganz verschlingen.

Das beschreibst Du gut! Stell Dir vor, das 'Er zuckte zusammen und stellte fest' würdest Du streichen und den Abschnitt beginnen mit 'Er erschrak, die Abeit hatte ihn betört wie eine Riesenschlange...'

Ich würde der Tochter auch einen Namen geben! Schenk DU ihr einen, wenn schon der Vater ihn offenbar vergessen hat.

Ich will mich nicht zu sehr reinmischen. Untersuch doch den Text daraufhin nochmals. Es liegt ja viel drin!

Herzlichen Gruss aus dem 'Heidiland' ins Zürcher Oberland,
Gisanne

 

Hallo Gisanne

Naja, eigentlich war ich an der Geschichte nicht mehr dran, aber wenn ich natürlich so konstruktive Kritik bekomme, bin ich wieder voll bei der Sache!!!

Das Töchterlein hat nun einen Namen bekommen, und ich habe auch versucht, ein paar würde, werden, usw. zu streichen. Allerdings finde ich es sehr schwierig, da ich ja in der Vergangenheit schreibe, und alles, was noch früher abgelaufen ist braucht eben ein war, oder hatte...

Die Wände in seinem Büro waren mit unzähligen Bildern seiner Tochter tapeziert gewesen.
Die Wände seines Büros hatte er mit unzähligen Bildern seiner Tochter tapeziert. > So vermeidest Du 'waren' und 'gewesen'.
Nun heisst es halt: tapeziert gehabt, denn es ist zu dem Zeitpunkt ja vorbei...

Ein Bekannter hat mir zu dieser Geschichte den Tipp gegeben, die Wandlug im Prot. selbst etwas langsamer zu beschreiben, denn schliesslich ist die Arbeit ja auch wichtig für die Existenz der Familie. Dieses hin und her gerissen sein. Vielleicht würde die Geschichte dann mehr unter die Haut gehen? Mal sehn, was sich machen lässt.

Vielen Dank jedenfalls, für's Lesen und kommentieren!

Grüsse aus dem kalten, regnerischen Züri Oberland ans schöne Heidiland, wo die Berge einfach höher (=schöner) sind ;)

Juddl

 

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