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Die Galerie der Erinnerungen

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26.01.2018
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Die Galerie der Erinnerungen

I​

Tief versteckt unter der Erde gibt es einen Ort, an dem jede Erinnerung eines Menschen, in Form eines Gemäldes, gespeichert ist.
Ich hörte zum ersten Mal als Kind von diesem Ort. Jeder Mensch hat dort seine eigene Galerie, mit all seinen Erinnerungen. Keine einzige gleicht der anderen. Die wenigsten Menschen wissen jedoch davon und jene, die es tun, halten es streng geheim. Sie sind versammelt im verbotenen Orden der Wächter der Erinnerungen.
Seitdem die Regierung das „Gesetz zur Regelung der Erinnerungskultur“ verabschiedet hatte, war es den Menschen verboten diese entstehen zu lassen und zu behalten, wenn sie die Volljährigkeit erreicht haben. Sobald eine entsteht, müssen sie sich freiwillig beim Amt für Erinnerungen melden und diese abgeben. Nur Kinder haben Anspruch auf Erinnerungen.
Wo genau man sie alle hinbringt, ist schwer zu sagen. Nicht einmal die Amtsmitarbeiter selbst wissen es. Zu verworren sind die Strukturen und Wege, die die Erinnerungen nach ihrem Auffinden nehmen.
Zunächst kommen sie in einen zentralen Verteilraum, in dem Mitarbeiter diese nach verschiedenen Kategorien vorsortieren, bevor sie in die jeweiligen Spezialabteilungen weitergeleitet werden. Es wird ausgewählt zwischen Kindheitserinnerungen, soziale und metaphysische, sowie verborgene Erinnerungen. Die verborgenen werden in mehrstufigen Verfahren, mindestens zwei Mal, von unabhängigen Gutachtern, geprüft, um festzustellen, ob sich eventuell noch Reste von ihnen in der fraglichen Person befinden. Sie sind die gefährlichsten von allen, da die Betroffenen selbst oft nicht wissen, dass sie in ihrem Unterbewusstsein schlummern.
Seit einiger Zeit versuche ich die Wächter ausfindig zu machen. Ich muss dabei sehr vorsichtig sein, denn auf Rückholung einer Erinnerung steht die Todesstrafe und selbst der Versuch wird geahndet.
Aber seit Langem taucht in meinen Träumen immer wieder eine Frau auf. Wir leben dort zusammen und müssen schon einige Jahre miteinander verbracht haben. In letzter Zeit erscheint sie mir regelmäßig und mit jeder Nacht, die vergeht, beginne ich mich klarer an diese Träume und ihr Gesicht zu erinnern.
Um uns nicht zu gefährden, darf ich keine Erinnerung an sie behalten. Wenn ich aufwache fühlt es sich an als würde ein Magnet an mir ziehen, um mich näher zu ihr zu bringen. Ich muss dagegen ankämpfen. Mein ganzer Körper, mein ganzes Sein möchte in diesen Momenten nichts anderes als wieder einzuschlafen, um bei ihr sein zu können.
Ich muss vorsichtig sein und meine Gedanken vor ihnen im Verborgenen halten. Doch das Gefühl zu vermissen zerreißt mich. Mein Magen krampft sich zusammen als hätte man mir hineingeschlagen. Mein ganzer Körper krümmt sich und ich möchte laut aufschreien.

II​

Aus den runden Aussparungen in ihren tiefschwarzen Masken, die ihr Gesicht vollständig bedecken, sehen mich ihre Augen aufmerksam an. Beide stehen, den Rücken mir zugewandt, vor der Aufzugtür und neigen mir ihren Kopf zu. Ihr schwarzer Umhang und der zylindrische Hut lassen sie riesig erscheinen. Ihr gesamtes Gesicht ist von schwarz bedeckt. Keinerlei Züge sind durch die Masken auszumachen. Zwei runde Löcher, bedeckt von einer Art Netzgewebe, ermöglichen es ihnen zu sehen.
Wir steigen in den Aufzug. Sie gehen vor. Aus Sicherheitsgründen wird beim Betreten der Kabine das Licht ausgeschaltet. In völliger Dunkelheit fahren wir hinab. Wie weit kann ich nicht sagen, aber es müssen mindestens zehn Minuten sein. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Die beiden Wächter, die mich begleiten schweigen. Nur das regelmäßige Klacken des Aufzugs ist zu hören. Meine Gedanken pochen gegen meinen Schädel und mit jeder Sekunde, die verstreicht steigt meine Aufregung. Was wird mich dort unten erwarten?
Wie ich hergekommen bin daran kann ich mich nicht erinnern. Das ist Teil der Vereinbarung mit ihnen. Ich weiß nur, dass man mich hier herbrachte und ich durch eine große, hölzerne Tür ging. Alles andere wurde gelöscht.
Mit einem Ruck bleibt die Kabine stehen und die Tür geht auf. Vor uns liegt ein dunkler, endlos wirkender Gang im Halbdunkel. Hier und da leuchten in kleinen Nischen bläulich schimmernde Lampen, die gerade hell genug sind, um einen kleinen Halbkreis vor sich zu beleuchten. Wortlos gehen die bedrohlichen Erscheinungen vor und bedeuten mir nachzukommen.
Langsam bewegen wir uns durch endlose Gänge im Zwielicht, vorbei an zahllosen Türen. An jeder befindet sich mittig ein Schild mit einem Namen und ein riesiges Vorhängeschloss verhindert ein unerwünschtes Eindringen. Die Decke ist halbrund und nicht gerade sehr hoch. An einigen Stellen muss man den Kopf einziehen, um sich nicht zu stoßen. Hin und wieder kreuzen sich verschiedene Gänge. Ich muss mich konzentrieren keine der Abzweigungen zu verpassen und meinen Begleitern zu folgen, während ich die Namensschilder auf den Türen im Vorbeigehen lese.
Keiner der Namen kommt mir bekannt vor. Überhaupt wirkt dieser Ort befremdlich. Wir biegen mehrmals nach rechts und je weiter wir gehen, desto labyrinthartiger erscheinen mir die Gänge. Hier unten scheint keine Logik, keine Gesetzmäßigkeit zu existieren. Eigentlich müssten wir schon längst wieder dort angelangt sein, von wo aus wir gestartet sind. Mehrmals bogen wir rechts ein, doch scheinen wir uns nicht im Kreis zu bewegen.
Das Unwirkliche dieses Ortes wird noch unterstützt durch andere dunkle Hüter, die plötzlich auftauchen und regungslos in einer der großen Nischen in den Gängen im Halbdunkel stehen. Ihre Erscheinung wirkt unmenschlich. Bewegungslos stehen sie dort, lediglich ihre Augen folgen aufmerksam der vorbeiziehenden Bewegung. Meine beiden Wächter scheinen von ihnen keinerlei Notiz zu nehmen. Fast geräuschlos gehen sie aneinander vorbei. Erst jetzt bemerke ich, dass sie dabei leicht über dem Boden schweben. Die schwarzen Umhänge überragen ihre Beine, doch scheinen ihre Füße die lehmige Erde nicht zu berühren.
Meine eigenen Bewegungen kommen mir plump und unbeholfen vor. Wie ein Fremdkörper bewege ich mich dumpf durch diese traumartige Welt. Jeder meiner Schritte hallt in meinem Kopf wider.
Abrupt bleiben die Wächter stehen und ich remple einen von ihnen an. Wir sind so lange gelaufen, dass ich nicht mehr damit gerechnet habe irgendwo anzukommen. Ich schaue an ihnen vorbei. Der Gang endet hier in einer Mauer. Beide sehen sich an. Einer von ihnen nickt dem anderen zu.
Aus seinem Umhang nimmt er eine Flasche mir einer Flüssigkeit und hält sie mir entgegen. Im Schein des Zwielichts kann ich kann ich ihre Farbe nicht erkennen. Beide stehen vor mir und ihre Augen sehen mich durch ihre Masken an. Sie erscheinen mir wie riesige, bedrohliche Wesen aus einem Albtraum, wie sie so halb über mich gebeugt stehen.
Ich öffne den Deckel, setze an und schlucke die Geschmacklose, zähe Flüssigkeit hinunter. Nachdem ich ausgetrunken habe, nickt der andere leicht mit seinem Kopf und holt einen Schlüsselbund aus der Tasche seines Umhangs. Er dreht sich um und öffnet eine Tür am Ende des Ganges, die ich zuvor nicht dort gewesen war.
Zartes, gelb-weißes Licht strahlt uns entgegen. Meine Aufregung steigt, aber ich kann nicht erkennen, was sich hinter der Tür befindet, da meine Sicht durch die beiden schwarzen Erscheinungen vor mir verdeckt ist. Schließlich drehen sie sich etwas zur Seite, öffnen so einen Weg für mich und bedeuten mir in das Licht zu treten.
Es ist Teil der Vereinbarung, auch meiner, eine Reise ohne Rückfahrschein. Aber ich muss sie finden. Die eigenen Erinnerungen zurückzurufen ist eine einmalige Sache. Sobald man diesen Ort wieder verlässt, endet die Macht und der Schutz der Wächter. Man wird verfolgt werden. Das Versteck, die Dunkelheit, die Masken, all das dient zu ihrem Schutz. Jedes noch so kleine Detail über ihre Identität oder Aufenthalt wäre sowohl ihr Ende als auch das Ende all unserer Erinnerungen, für immer.
Die Tür hinter mir ist verschwunden. Der Raum erscheint formlos. Es gibt keine Wände oder Decken. Ich kann in alle Richtungen sehen ohne eine Begrenzung zu erkennen. Aus allen Richtungen strahlt sanft gelbliches Licht und überzieht den Raum mit einen schier endlosen Schleier aus Licht. Über dem Boden liegt ein weißer, nebliger Dunst. Bilder hängen in goldenen Rahmen aufgereiht in der Luft, unmöglich zu sagen, wodurch sie so gehalten werden.
Ich trete an das erste heran. Auf ihm sieht man einen Mann und eine Frau, die ein Kleinkind im Arm hält: einen Jungen. Beim Betrachten des Bildes steigt ein süßlicher Geruch in meine Nase. Ich kenne ihn. Irgendwo habe ich ihn schon einmal gerochen. Ganz tief in meinem Bewusstsein resoniert er mit etwas, das sich aber so weit entfernt befindet, dass ich es nicht sofort zuordnen kann.
Ich versuche mich auf ihn zu konzentrieren. Es ist ein warmer, blumiger Duft, eine Mischung aus Pfirsich, Rose und Patschuli. Plötzlich trifft es mich. Ein Zittern durchfährt meinen Körper und eine Ahnung steigt in mir auf. Zu dem Geruch kommt das warme Gefühl einer Berührung auf meiner Haut. Unwillkürlich sehe ich den Mann an und spüre ein leichtes Kratzen auf meiner Wange. Er trägt einen dunklen, gepflegten Dreitagebart und schaut mit sanften Augen auf das Kleinkind.
Wankenden Schrittes gehe ich zum nächsten Bild. Auch hier kann man die drei erkennen. Dieses Mal ist der Junge etwas größer und trägt eine zylinderförmige Tüte im Arm, die fast so groß ist wie er selbst. Der Mann und die Frau stehen neben ihm.
Meine Ahnung wandelt sich in Gewissheit und vor Überwältigung sacke ich auf den Boden zusammen. Mein Körper krümmt sich, wie der eines Embryos. Laut schreie ich einige Male nach ihnen. Der Klang meiner eigenen Stimme wirkt auf mich merkwürdig verzerrt und verhallt in der Formlosigkeit dieses Raumes. Lange bleibe ich reglos auf dem Boden liegen, bevor Wut und Trauer schließlich der Gewissheit über ihren endgültigen Verlust weichen.

III​

Der letzte Bilderrahmen ist leer. Ich habe mich bis hierhin vorgearbeitet. Wie viel Zeit dabei vergangen ist, vermag ich nicht genau zu sagen, aber es müssen Tage gewesen sein. Das, was sie mir zutrinken gaben, heilte meine Müdigkeit und meinen Hunger in dieser Zeit.
Sieht man sein gesamtes Leben vor sich, fällt es schwer sich nicht zu fragen, wie viel Bedeutung die eigene Existenz hatte, nachdem sie all ihrer Erinnerungen beraubt wurde.
Ich muss viele Jahre sehr einsam gewesen sein. Über jeder meiner Erinnerungen schwebt ein dunkler Schatten der Traurigkeit. Ich schaue auf das leere Bild und spüre das Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung in mir aufsteigen. Die Frau konnte ich nicht finden. Keine Erinnerung verrät mir etwas über sie, doch dieses Gefühl, das ich mit ihr verbinde ist noch immer da.
Meine zwei Wächter erscheinen aus dem Nichts und stehen hinter mir. Ich kann sie spüren und weiß, es ist Zeit zu gehen.

Schweigend laufen wir durch den dunklen Korridor. Die beiden gehen mir voran. Benommen kreisen meine Gedanken um die Frau und das leere Bild. Mein Herz schmerzt und mein ganzer Körper fühlt sich an wie taub.
Mit einem Mal höre Schritte ganz in der Nähe. Ich versuche mich ganz auf sie zu konzentrieren. In der Dunkelheit meiner Umgebung wirken sie unwirklich. Es sind weder meine, noch die meiner Wächter. Es muss uns jemand entgegen kommen. Sanft und rhythmisch kommen sie näher. Ich versuche vor uns etwas zu erkennen, aber die riesigen Erscheinungen machen es unmöglich, etwas zu erkennen.
Ich schrecke zusammen als etwas sich im Augenwinkel neben mir bewegt. Ein Wächter geht in entgegengesetzter Richtung an uns vorbei. Sein schwarzer Umhang berührt mich dabei leicht. Dieser Geruch. Ein Gefühl wie ein Schlag durchzieht meinen Körper. Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen und atme ihn bewusst ein, lasse seine ganze Kraft meinen Körper durchziehen. Dann sehe ich sie. Ich erkenne sie nur von der Seite und das Zwielicht um uns herum erschwert die Sicht, doch es sind zweifellos ihre Züge. Sie ist es! Langsam geht sie an mir vorüber und folgt ihrem Wächter. Die Zeit scheint verlangsamt. Unsere Blicke treffen sich. Unwillkürlich greift meine Hand nach ihrer. Als sie sich berühren, kehren all meine Erinnerungen zurück. Mein Herz fängt rast und pocht bis an meinen Hals. Schweiß treibt mir aus allen Poren. Mein Kopf fühlt sich an als würde er glühen. Ich weiß wir haben nicht viel Zeit. Zitternd nehme ich ihre Hände fester in meine.
„Endlich habe ich dich gefunden. Ich habe dich so vermisst. All die Jahre, all die Erinnerungen, die man uns genommen hat, sie sind jetzt wieder da. Komm mit mir zurück. Ich liebe...“ , doch ehe ich den letzten Satz mit zitternder Stimme zu Ende sprechen kann, löst sie ihre Hand aus meiner, die kraftlos gegen meinen Oberschenkel fällt. Ihr Blick wirkt, als würde sie durch mich hindurchschauen.
Schweigend geht sie weiter und folgt ihrem Wächter tiefer hinein in das Labyrinth mit den Namensschildern. Mein Herz zerreißt. Ein Stein liegt in meinem Magen.
Ich rufe ihren Namen. „Bleib bei mir. Geh nicht“. Ich versuche ihr nachzulaufen, doch die Kraft meiner Wächter hält mich zurück. Ich krümme mich vor Schmerz. Aller Lebenswille scheint diesen Leib zu verlassen. Ihre Energie zieht meinen Körper hinter sich her, der ihnen mechanisch folgt. Wir betreten den Fahrstuhl und fahren nach oben.
Ich stehe in der Dunkelheit der Kabine, doch mein Geist befindet sich noch immer dort unten. Alles in mir will zu ihr. Mein Herz fühlt sich an als möchte es aus meinem Körper springen. Bilder von gemeinsamen Erlebnissen sausen wie wild durch meinen betäubten Geist. Ungeordnet kommen und gehen einzelne Erinnerungsfetzen.
Ein lautes Geräusch holt mich aus meinen Gedanken und mit einem Mal wird mir alles klar.
Die Wächter öffnen die riesigen knarrenden Holztüren des Eingangs. Morgendliches Sonnenlicht strahlt mir sanft entgegen. An dieser Stelle bin ich zuvor angekommen. Die beiden schwarzen Silhouetten sehen mich an und bedeuten mir zu gehen.
Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen. Mein Geist ist noch immer dort unten. Er bleibt bei ihr. Durch ihn sehe ich noch einmal die Bilder der Galerie vor mir und gehe jede meiner Erinnerungen durch. Am Ende angekommen erkenne ich: das fehlende Bild ist nun vollständig. Ein letztes Mal erscheint ihr Gesicht vor mir. Dieses Mal deutlicher als je zuvor. Ich kann mich jetzt an alles klar erinnern. Ich wünschte, ich könnte noch einmal ihre Hand in meiner spüren.
Ich öffne meine Augen. Kraftlos gehe ich aus der Tür hinaus.
Sie kommen.

 

Hallo @Sascha R,

herzlich willkommen bei uns! :)

Die Kommasetzung in deinem Text lässt noch zu wünschen übrig. Es wäre super, wenn du da nochmal drüberschauen könntest. Insbesondere bei den Infinitivkonstruktionen fehlt das Komma fast immer.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sascha R,

ich finde die Prämisse spannend, aber gefallen hat mir diese Geschichte leider nicht. Das ist gerade nach deiner letzten Geschichte, die ich gerne gelesen hatte, sehr schade. Dein Schreibstil ist wieder schön sentimental und verträumt und passt gut zu der Stimmung. Da habe ich nichts zu meckern. Meckern muss ich aber trotzdem, und zwar über den Plot. Es stellen sich mir immer wieder dieselben Fragen: Warum und was? Wichtige Aspekte in deiner Geschichte bleiben so schwammig, dass es mich rausreißt. Du möchtest Emotionen wecken, aber das funktioniert nicht, wenn du nicht konkret wirst. Ich werde nichts fühlen, wenn du mir nur Andeutungen präsentierst.

Ich zeige dir mal konkret, neben anderen Kleinigkeiten, was für mich nicht funktioniert:

Seitdem die Regierung das „Gesetz zur Regelung der Erinnerungskultur“ verabschiedet hatte, war es den Menschen verboten diese entstehen zu lassen und zu behalten, wenn sie die Volljährigkeit erreicht haben. Sobald eine entsteht, müssen sie sich freiwillig beim Amt für Erinnerungen melden und diese abgeben. Nur Kinder haben Anspruch auf Erinnerungen.
Wo genau man sie alle hinbringt, ist schwer zu sagen. Nicht einmal die Amtsmitarbeiter selbst wissen es.
Super Idee. Ich bin ein großer Fan von dystopischen Bürokratien, von George Orwell bis zum Film Brazil. Das weckt sofort mein Interesse. Aber dann lande ich im nächsten Kapitel und habe nur Fragezeichen im Kopf, weil du mir nicht erklärst hast, warum sie das alles machen. Die Prämisse ist so absurd (mal wertungsfrei, Brazil war ja auch absurd und hat funktioniert), dass ich da eine Erklärung brauche, um sie dir abzukaufen. Welchen Mehrwert könnten Erinnerungen für die Regierung haben, haben die eine Maschine, die mit Erinnerungen gespeist wird? Was haben die davon, wenn sich niemand mehr an irgendetwas erinnern kann? Wie soll denn überhaupt für normale Menschen ein Leben ohne Erinnerungen funktionieren? Ist nicht erwachsen sein die Summe all unserer Erinnerungen und Erfahrungen, befindet sich jeder Mensch in dieser Welt auf dem mentalen Niveau eines Kindes? Der Prot ja scheinbar nicht. Fragen über Fragen.

Zunächst kommen sie in einen zentralen Verteilraum, in dem Mitarbeiter diese nach verschiedenen Kategorien vorsortieren, bevor sie in die jeweiligen Spezialabteilungen weitergeleitet werden. Es wird ausgewählt zwischen Kindheitserinnerungen, soziale und metaphysische, sowie verborgene Erinnerungen. Die verborgenen werden in mehrstufigen Verfahren, mindestens zwei Mal, von unabhängigen Gutachtern, geprüft, um festzustellen, ob sich eventuell noch Reste von ihnen in der fraglichen Person befinden.
Ich finde es gut, dass du hier dieses absurde System genauer zeigst. Aber das beantwortet leider auch keine meiner Fragen. Das ist ein Blick durch die Lupe, ohne, dass ich vorher das Gesamtbild gesehen habe.

Wie weit kann ich nicht sagen, aber es müssen mindestens zehn Minuten sein.
Hier eine Strecke mit etwas Zeitlichem zu verbinden passt für mich nicht.

Vor uns liegt ein dunkler, endlos wirkender Gang im Halbdunkel.
Mit einem Ruck bleibt die Kabine stehen und die Tür geht auf. Vor uns liegt ein dunkler, endlos wirkender Gang im Halbdunkel. Hier und da leuchten in kleinen Nischen bläulich schimmernde Lampen, die gerade hell genug sind, um einen kleinen Halbkreis vor sich zu beleuchten. Wortlos gehen die bedrohlichen Erscheinungen vor und bedeuten mir nachzukommen.
Langsam bewegen wir uns durch endlose Gänge im Zwielicht, vorbei an zahllosen Türen. An jeder befindet sich mittig ein Schild mit einem Namen und ein riesiges Vorhängeschloss verhindert ein unerwünschtes Eindringen. Die Decke ist halbrund
Ich versuche vor uns etwas zu erkennen, aber die riesigen Erscheinungen machen es unmöglich, etwas zu erkennen.
Unschöne Wiederholungen.

Die beiden Wächter
andere dunkle Hüter
Meine beiden Wächter
Heißen die Wächter oder Hüter?

Ich öffne den Deckel, setze an und schlucke die Geschmacklose, zähe Flüssigkeit hinunter.
Das kommt mir persönlich zu plötzlich, ohne, dass man mitbekommt, dass er eine Flasche gereicht bekommt oder sowas. Die taucht da für mich aus dem Nichts auf. Aber könnte nur Geschmackssache sein, was da passiert, kriegt man ja trotzdem mit.

Sieht man sein gesamtes Leben vor sich
Hier geht es dann bei der für mich zentralsten Stelle in der Geschichte weiter mit der Schammigkeit. Er sieht erst sehr allgemeine Bilder von seinen Eltern, spürt und riecht hier und da ein bisschen was, aber es ist mir zu wenig, um irgendwelche Emotionen in mir zu erzeugen. Die stärksten Erinnerungen, die wir haben, sind doch ganz konkrete Momente. Die Nacht am Meer unter sternenklarem Himmel mit der Gitarrenmusik und dem Lagerfeuer, das Meeresrauschen, die salzige Luft. Mal ein etwas kitschiges Beispiel, um den Punkt zu verdeutlichen. Du musst konkret werden, sonst fühle ich nichts. Unter dem "gesamten Leben" dort kann ich mir nichts vorstellen.

Ich schaue auf das leere Bild und spüre das Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung in mir aufsteigen. Die Frau konnte ich nicht finden.
Hier bleibt wieder das Warum unbeantwortet. Super zentrale Stelle, aber warum ist denn dieses eine für ihn doch so wichtige Bild leer? Oder habe ich da was überlesen?

Als sie sich berühren, kehren all meine Erinnerungen zurück.
Welche denn? Spätestens ab hier ist das nur noch frustrierend.

Ein lautes Geräusch holt mich aus meinen Gedanken und mit einem Mal wird mir alles klar.
Mir, dem Leser, ist leider vom Leben des Prots und seiner Beziehung zu der Frau absolut nichts klar geworden.

Ich hoffe du verstehst, warum das alles für mich nicht funktioniert. Die gute Prämisse scheitert für mich genau so wie die zentrale emotionale Reise des Protagonisten an der ganzen Schwammigkeit. Durch etwas Umschreiben kannst du hier sicherlich noch viel rausholen, dann würde ich mich sehr freuen, die Geschichte nochmal zu lesen.

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Sascha R

ich sehe die Idee deiner Geschichte und die ist nicht schlecht. Leider wird diese gerade noch von einigen Dingen überlagert und kommt noch nicht richtig zum Vorschein.

Der komplette erste Abschnitt ist Infodump. Du bringst deine Idee bzw. deine Welt dem Leser auf eine ziemlich plumpe Art nah, nämlich in dem du einfach mal erklärst, wie die Lage ist. Schöner wäre es, wenn der Leser dieser Informationen nebenbei bekommt, im Verlauf der Geschichte. Du solltest dich außerdem Fragen, was wirklich relevant ist und was du einfach nur unterbringen möchtest, weil du deine Idee so gut findest.

Los geht es ja eigentlich erst als der Erzähler in dem Labyrinth ist. Dort beschreibst du erstmal sehr viel, was mich allerdings eher verwirrt, als ein Bild entstehen lässt.

sehen mich ihre Augen aufmerksam an. Beide stehen, den Rücken mir zugewandt,
Die Augen zeigen zu ihm, die Rücken auch. Sind das Eulen? :p Und dann sind die Augen auch noch von einem Netz bedeckt, also kann der Erzähler diese eigentlich gar nicht sehen? Da ist irgendetwas schief.

Wie gesagt, solltest du dir die Kommasetzung noch mal anschauen. Hier ein paar Beispiele:

Die beiden Wächter, die mich begleiten(Komma) schweigen.
Meine Gedanken pochen gegen meinen Schädel und mit jeder Sekunde, die verstreicht(Komma) steigt meine Aufregung.
Wie ich hergekommen bin(Komma) daran kann ich mich nicht erinnern.
Ich muss mich konzentrieren(komma) keine der Abzweigungen zu verpassen und meinen Begleitern zu folgen, während ich die Namensschilder auf den Türen im Vorbeigehen lese.
Da fehlen noch einige mehr. Mir hilft ganz gut, dass ich darauf achte, dass Verben eigentlich immer durch eine Konjunktion oder ein Komma von einander getrennt werden müssen. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber als grobe Richtung hilft mir das oft.

Die Verwirrung des Erzählers im Labyrinth kommt ganz gut rüber, allerdings bleibt mir das ganze oft zu schwammig. So wie ich es verstehe, hat der Erzähler sein Kind verloren und seine Frau wurde zu einer Wächterin. Warum hat der Mann trotzdem noch diese Spur der Erinnerung in sich? Ist da etwas schief gelaufen? Hat die Frau vllt dafür gesorgt?

So weit erst mal von mir.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
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Hallo @Catington,

oh man, da scheine ich dich deine Geduld als Leser/in ja auf eine ordentliche Probe gestellt zu haben.
Also vielen Dank, dass du trotzdem drangeblieben bist und für den Input. Nach deinen Kommentaren wird mir bewusst, dass das vielleicht nicht ganz so rund ist, wie es mir in meinen Gedanken erschienen ist (aus meinem Bekanntenkreis kam ein ähnlicher Hinweis).
Ich werde mal schauen, was ich da verbessern/ ändern kann.

Viele Grüße

 

Hallo @Sascha R

bitte achte darauf, dass du, wenn du antwortest, nur relevante Ausschnitte zitierst und nicht den ganzen Kommentar. Dann bleibt auch alles schön übersichtlich. :)

Danke schön.

Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sascha R,

da scheine ich dich deine Geduld als Leser/in ja auf eine ordentliche Probe gestellt zu haben.
Also vielen Dank, dass du trotzdem drangeblieben bist und für den Input.
Ich hoffe, meine Kritik hörte sich nicht so an, als ob ich mich durch den Text quälen musste, das war nicht der Fall ;)
Das, was da ist, ist ja gut geschrieben, es fehlt mir nur einiges für eine gute Geschichte.

So wie ich es verstehe, hat der Erzähler sein Kind verloren und seine Frau wurde zu einer Wächterin.
Dazu wollte ich noch kurz einen Kommentar da lassen.

Auf ihm sieht man einen Mann und eine Frau, die ein Kleinkind im Arm hält: einen Jungen. Beim Betrachten des Bildes steigt ein süßlicher Geruch in meine Nase. Ich kenne ihn. Irgendwo habe ich ihn schon einmal gerochen.
Hier scheint es zuerst so, dass der Junge der Sohn des Prots ist. Der Geruch geht für mich vom Jungen aus. Aber durch die Beschreibung wirkt es auf mich so, dass er den Mann im Bild nicht erkennt. Dass er sich selbst, wenn auch ein paar Jahre jünger, nicht erkennt, schien mir unrealistisch. Es gibt doch sicherlich Spiegel in der Welt. Deswegen kam ich dort eher zu dem Schluss, es müssten seine Eltern sein.

Edit: Eine Stelle habe ich noch vergessen, die stark impliziert, dass das sein Vater und er das Kind ist. Obwohl, würde sich ein Kleinkind an so was erinnern?

Unwillkürlich sehe ich den Mann an und spüre ein leichtes Kratzen auf meiner Wange. Er trägt einen dunklen, gepflegten Dreitagebart und schaut mit sanften Augen auf das Kleinkind.
Ist alles recht unklar und verwirrend.

Ein Wächter geht in entgegengesetzter Richtung an uns vorbei. Sein schwarzer Umhang berührt mich dabei leicht. Dieser Geruch. Ein Gefühl wie ein Schlag durchzieht meinen Körper. Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen und atme ihn bewusst ein, lasse seine ganze Kraft meinen Körper durchziehen. Dann sehe ich sie. Ich erkenne sie nur von der Seite und das Zwielicht um uns herum erschwert die Sicht, doch es sind zweifellos ihre Züge. Sie ist es! Langsam geht sie an mir vorüber und folgt ihrem Wächter.
Zuerst dachte ich hier auch, die Frau ist ein Wächter. Der bekannte Geruch scheint ja vom Wächter auszugehen. Dann erkennt er sie aber, sie trägt also kein Wächtergewand, und sie scheint genau so wie er nur ein Besucher dort zu sein, denn sie folgt ja auch nur ihrem Wächter (auch wenn der Prot zwei davon hat). Ersteres würde auf jeden Fall das leere Portrait erklären, die Stelle lese ich aber eher in die zweite Richtung.

Dass diese Stellen grundlegend nicht erklärt werden, finde ich okay. Für mich ist es aber etwas zu verwirrend und mehrdeutig.

Viele Grüße,
Catington

 

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