Hallo Poerose
Dein vorliegendes Traktätchen ist mir im Kontext zu den vorgehenden Kommentaren aufgefallen. Wären da nicht die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Leser gewesen, hätte ich diese Miniatur wohl kaum beachtet. Auch wenn mir in Erinnerung war, dass Du kürzlich bereits eine Geschichte einstelltest, die nicht aufgrund Grund ihrer inhaltlichen Kuriosität ins Korrektur-Center verschoben wurde - sie liegt noch unzulänglich überarbeiteten dort vor -, las ich noch diesen Text.
An sich ein einfältig ausgestattetes Situationsbild, das sich mit einem Schulterzucken wegklicken liesse, wäre da nicht noch etwas gewesen. Er war mir bereits bei Deinem ersten Text aufgefallen, Dein sprachlicher Ausdruck. Ich meine damit nicht die Rechtschreibefehler, die auch in diesem Fragment nicht ausblieben, sondern die Denkweise, welche die vermittelten Inhalte transportieren. Es ist nicht die Gegenwart, die darin lebt, eher ein Blick in eine rückgewandte verstaubte Welt, in der der Schritt in die Moderne nicht vollzogen wurde. Am auffallendsten belegt es sich mit dem Fräulein, doch auch im gesamten Kontext des Geschehens. In Deiner ersten Geschichte zeigte sich dies auch, dort noch intensiviert durch das Stigma der Jungfräulichkeit. Es liess mir die Frage aufkommen, da beide Texte eigentlich mehr offen lassen als beantworten, was den Autor dazu bewegte, diese Empfindungen in solche Worte zu kleiden.
Zum Traktätchen direkt:
Zahlen schreibt man in Texten i. d. R. bis zur Zahl Zwölf in Buchstaben aus. Dein Einstieg fällt dadurch aus ästhetischer Wahrnehmung bereits aus dem Rahmen.
Die beiden ersten Sätze sind lapidare Feststellungen, dem Leser kein effektives Bild vermittelnd, eher unverblümt hingeknallt.
Liess der zweite Satz noch offen, ob beide Weisheit besassen und es unausgewogen war welche davon mehr verinnerlichte, spricht der dritte Satz von der Weisen. Hoppla, der zweite Satz ist folglich missverständlich.
Dann folgen Beschreibungen von Kleidung, Augenfarbe und silberner Haarpracht, die als Füllsel wohl etwas lockerndes Beiwerk darstellen sollen, dem Gehalt des kommenden Ausgangs jedoch unzulänglich dienen. Wie Augen mit endloser Neugier gefühlt schweifen mögen, dürfte selbst den Ophthalmologen unter den Lesern ein unlösbares Rätsel bleiben, ausser sie trifft die Erkenntnis des Tippfehlers.
War es bisher eine abgehobene Erzählstimme, welche das Innerste verdeutlichte, wechselt die Interpretation bei der Gefühlsempfindung nun auf den Ich-Erzähler, er meint Trauer hinter dem Lächeln wahrzunehmen, oder nicht doch Sehnsucht? Es muss ihn verwirren, ist er doch anscheinend kein Analytiker.
Oder irrt da der Leser? Hat das Dilemma der Differenzierung zwischen Trauer und Sehnsucht dem Ich-Erzähler die Tränen in die Augen getrieben, da sich seine innere Sicht klärte, und er das Lächeln der ältlichen Jungfer nur ihm gegönnt zuordnet? Nein, das ist nun nur meine eigenwillig aufgesetzte Interpretation, wie der Ich-Erzähler empfinden könnte. Simple Gefühle, die sich da offenbaren.
Fazit: Dein Weg dürfte noch sehr, sehr steil und steinig sein, um eine Auszeichnung für literarisches Schreiben einzuheimsen. Aber das Prinzip Hoffnung solltest Du Dir nicht nehmen lassen, lautet es doch, der Weg ist das Ziel.
Eine Entsprechung für die gesetzten Stichworte Philosophisches und Spannung konnte ich im Text übrigens nicht finden. Ein Lächeln für sich zu deuten, wie jenes das Leonardo da Vinci mit Pinselstrichen setzte, mag aber vielleicht für unbedarfte Betrachter doch dazu ausreichend sein.
In Deinem Profil setzt Du die Erwartung von guter Kritik, eine verständliche Sehnsucht, nährt solche doch die narzisstische Homöostase, kurz das ausgewogene im Selbstwertgefühl, deren Zutaten jeder Mensch umschmeichelnd einheimsen möchte. Es liegt aber auch in Deiner Absicht, eigene Beiträge zu leisten. Hier hättest Du Gelegenheit gewinnbringend für Dich selbst und andere zu wirken, indem Du Geschichten von andern Autoren kommentierst. Die Reflexion, welche sich Dir bei dieser Tätigkeit ergibt, könnte sich fruchtbar auf Dein eigenes Schreiben niederschlagen. Trägt eben dazu bei eine klare Sicht zu erlangen. 
Schöne Grüsse
Anakreon