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Die Kunst des Krieges

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20.02.2013
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Die Kunst des Krieges

Die Kunst des Krieges

Ostchina im Jahre 480 vuZ. Zwischen den zwei großen Strömen ▪ Wu: Reich des Himmels. Im Palast des Königs Wu Fu Cai.

»Sei gegrüßt, Sun Tzu, mein großer Feldherr.«
»Auch ich entbiete dir meinen ehrerbietigen Gruß, unsterblicher König.«
»Tritt näher vor den Thron, Sun Tzu und berichte mir von deiner letzten Schlacht im Reich Chu, in der du mit unseren Soldaten gegen die zehnfache Übermacht des Feindes gesiegt hast.«
»Wenn du deinen Feind und dich selbst kennst, brauchst du das Ergebnis von einhundert Schlachten nicht zu fürchten.«

Sun Tzu hatte jahrelang Krieg für das Land Wu und dessen Könige geführt. Erst für Wu He Lü den Vater und nun für dessen Sohn Wu Fu Cai. Wu war in den Wirren der Frühlings- und Herbstannalen in ständige Kämpfe mit den Fürsten der Nachbarvölker verwickelt, weshalb spätere Geschichtsschreiber diese Zeit des Übergangs als Jahre der streitenden Reiche bezeichneten. Sun Tzu gewann sämtliche Schlachten und doch ging Wu dem stetigen Niedergang entgegen. Die Feinde wimmelten zahlreich wie die Heuschrecken und standen stets von Neuem bereit. Der Krieg dauerte zu lange. Wu Fu Cai war ein schwacher Herrscher, der die Siege des Feldherrn nicht zu nutzen wusste. Denn er kümmerte sich in keiner Weise um das Wohl der Untertanen oder die Belange des Staates. Sein Hauptaugenmerk galt stattdessen der Pflege und Vergrößerung des königlichen Harems. Sun Tzu als oberster Heerführer von Wu war deshalb bei den zahllosen militärischen Operationen vollkommen auf sich alleine gestellt. Zuletzt hatte er mit einigen tausend schlecht ausgerüsteten Soldaten die vereinigten Heere von Chu, Yue Guo und Qi besiegt. Die Krieger von Wu waren nun müde und sehnten sich nach einem friedlichen und bescheidenen Leben in der Heimat.

»Warum hast du die Truppen unserer Gegner nicht komplett vernichtet, General?«
»Wenn du einen Feind eingekreist hast, dann lasse ihm einen Fluchtweg.«
»Wozu soll das gut sein?«
»So kann der Gegner sein Gesicht wahren und sinnt nicht sofort auf Rache.«
»Ich werde den anderen Reichen einen harten Frieden diktieren.«
»Der Kern des Staates besteht aus Wut und Gier.«
»Sie müssen Land an uns abtreten und hohe Reparationen zahlen.« Der König sprach erregt und ärgerte sich über die Widerworte des Feldherrn.
»Die Macht ist bösartig und unersättlich. Erst stumpft sie uns ab gegen das Leid anderer Menschen, und dann macht sie uns süchtig danach.«
»Was schlägst du vor, was ich stattdessen tun soll, mein General?« Die Zornesader an Wu Fu Cais linker Schläfe schwoll bedrohlich an. Der König konnte seine Empörung kaum noch im Zaum halten.
»Söhne dich mit den Nachbarreichen aus. Schließe einen milden Friedensvertrag mit ihnen. Die wahre Autorität ist geprägt von Mitgefühl und Gerechtigkeit.« Sun Tzu blieb gelassen, während er seinen König über die jüngsten Ereignisse unterrichtete. Er verzog keine Miene und stand kerzengerade vor dem Thron.
»Niemals. Die anderen Reiche müssen bluten!« Wu Fu Cai leerte den großen Weinbecher, der ihm von seiner Lieblingskonkubine gereicht wurde, in einem Zug.
»Dann werden sich die Feinde im nächsten Jahr wieder gegen uns vereinigen und erneut Krieg mit Wu führen. Wir haben nicht mehr die Kraft, um lange zu widerstehen.«
»Ich bin der König und will es so!« Wu Fu Cai schleuderte den Pokal wutentbrannt nach der Haremsdame und traf sie am Kopf. Sie blutete, verharrte aber stumm auf ihrem Platz und ließ sich ihren Schmerz nicht anmerken.
»Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft.« Sun Tzu sprach weiterhin mit leiser Stimme, was den König über alle Maßen ergrimmte, denn er selbst neigte zu Unbeherrschtheit und Jähzorn.

»Sage mir Sun Tzu, worin besteht die Kunst deiner Kriegsführung? Weshalb gewinnst du seit Jahren alle Schlachten?« Der König hatte seine Fassung für einige Minuten wieder erlangt.
»Der Krieg ist ein Weg der Täuschung.«
»Wie soll ich das verstehen, General?«
»Wenn du etwas vorhast, tue, als ob du es nicht vorhättest. Wenn du etwas willst, tue, als ob du es nicht benutzen wolltest.«
»Erläutere mir das!« Die Diener brachten dem König eilends einen neuen Weinbecher, den Wu Fu Cai mit fahrigen Händen umklammerte.
»Die ganze Kriegskunst basiert auf List und Tücke. Ein Meister der Kriegsführung ist immer durchtrieben und geheimnisvoll. Er hinterlässt keine Spur.«
»Dann ist es dasselbe wie bei meiner Königsherrschaft?«
»Derjenige, der genau weiß, wann er kämpfen darf und wann nicht, wird sicher siegen.«
»Und du kannst das in jedem Moment einschätzen?«
»Ein erfahrener Heerführer wird immer zuerst eine Position einnehmen, in der er nicht geschlagen werden kann. Dann lässt er keine Gelegenheit aus, seinen Feind zu vernichten.«
»Dauert diese Vorgehensweise denn nicht sehr lange?«
»Der Krieg liebt den Sieg und nicht die Dauer.«
»Fürchtest du die Schlacht, Sun Tzu?«
»Furcht ist der Gegner, der einzige Gegner.«
»Und wie besiegst du die Angst?«
»Stelle dich dem Kampf und handele umsichtig. Sei dabei aber auf das Schlimmste vorbereitet.«
»Und unsere Feinde wissen das nicht?«
»Wenn der richtige Zeitpunkt naht, dann handele ich rasch und unkompliziert.«
»So bist du also schneller und rücksichtsloser als unsere Gegner?«
»Die höchste Form der Kriegsführung ist die Zerstörung des Willens des Feindes, um so allen seinen Angriffen vorzubeugen.«
»Und weshalb sollen wir dann deiner Meinung nach nicht damit fortfahren, die Nachbarreiche zu verwüsten?«
»Der Krieg ist in seinem Resultat nie etwas Absolutes. Im Kern ist er die Ausrufung des Rechts des Stärkeren. Diejenigen, die das Kriegshandwerk verstehen, beachten zuerst die Menschlichkeit und Gerechtigkeit und halten sich an ihre Gesetze. So machen sie ihre Regierung unverwundbar.«
»Du rätst mir also in diesem Moment der Stärke zu einem nachsichtigen Friedensschluss mit unseren Feinden?«
»Der klügste Krieger ist der, der in Zukunft nicht mehr kämpfen muss.«
»Ich habe nun genug von deinen Weisheiten, General. Beweise mir, dass du ein guter Heerführer bist. Bilde meine Frauen hier vor meinen Augen zu Soldaten aus!«
»Ich will es versuchen, mein König.«

Wu Fu Cai klatschte in die Hände und befahl, dass sich die Haremsdamen unverzüglich in den Thronsaal zu begeben hatten. Zweihundert Frauen traten vor den Feldherrn. Sun Tzu wählte die beiden Lieblingskonkubinen des Königs Bao und Lian zu Gruppenführerinnen aus. Er erklärte ihnen ein paar einfache Exerzierübungen. Daraufhin erprobte er den ersten Befehl. Die Frauen liefen wild gestikulierend und kichernd ziellos durch den Raum. Bao und Lian lachten. »Wenn die Kommandoworte nicht klar und deutlich sind, so trifft die Schuld den General.« Sun Tzu machte die Bewegung ein weiteres Mal vor und forderte dann erneut deren Ausführung. Die Hofdamen zeigten sich wiederum nicht in der Lage, die Anweisung in die Tat umzusetzen. Die Lieblingskonkubinen schmunzelten auch jetzt. Sun Tzu zog sein Schwert und trennte zuerst Bao und daraufhin Lian mit zwei kurzen Schlägen die Häupter vom Leib. Dies geschah so schnell, dass die beiden immer noch lächelten, während ihre Köpfe schon über den Steinboden des Thronsaals rollten.
»Was tust du da, General?«, schrie der König entsetzt.
»So lange die Kommandos nicht klar sind, dann trifft die Schuld den Feldherrn. Sind die Befehle jedoch eindeutig und die Soldaten gehorchen trotzdem nicht, so liegt die Verantwortung bei den unfähigen Offizieren.«

Wu Fu Cai erkannte, dass Sun Tzu sein Handwerk beherrschte und fürchtete sich von dieser Stunde an vor ihm als möglichem Widersacher seines Throns. Er entließ den Heerführer deshalb noch am selben Tag aus dem Staatsdienst. Ein Jahr später schenkte der Herrscher von Yue Guo dem König das schöne Mädchen Dai als Ersatz für Bao und Lian. Wu Fu Cai verliebte sich in Dai und ernannte sie zu seiner neuen Lieblingskonkubine. Dai wartete den richtigen Moment ab, als der König betrunken in ihrem Bett lag. Dann führte sie ihren Auftrag aus und erdolchte Wu Fu Cai. Der Fürst von Yue Guo marschierte kampflos in Wu ein und vereinigte die beiden Reiche unter seiner Oberhoheit.

Sun Tzu brachte derweil seine Erfahrungen zu Papier:
Bingfa: Die Kunst des Krieges ▪ Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft.

Im selben Jahr – 480 vuZ – besiegte Themistokles die große Flotte der Perser in der Seeschlacht von Salamis. Dank seiner überlegenen Feldherrnkunst.

 

Ostchina im Jahre 480 vuZ. Zwischen den zwei großen Strömen ▪ Wu: Reich des Himmels. Im Palast des Königs Wu Fu Cai.

Wiewohl ich mich in der westlichen Geschichte durchaus auskenne, ist mein Wissen über China sehr begrenzt (sehn wir mal von der Zeitgeschichte seit Sun Yatsen ab),

lieber sinuhe –
und damit erst einmal herzlich willkommen hierselbst –

wobei ich allerdings mit dem in der Geschichte genannten Qin und dem ersten Kaiser Ch‘in Shih Huangti - also mehr als zwo Jahrhunderte nach Deiner Geschichte - durchaus Bescheid weiß, einem gänzlich andern Wesen als Wu Fu Cai – vielleicht einem späten Nachkommen des legendären Wu Wang - und Sun Tzu.
Darum will mich Sun auch nur - aber doch immerhin - an Bismarck erinnern, der zwar wenig zimperlich war, den Norddeutschen Bund und dann das Kleindeutsche Reich zusammenzuszimmern, der aber zeitlebens die Hohenzollern davor gewarnt hatte, dem sog. Erzfeind das Elsass wieder abzunehmen. Nun hatte Bismarck sicherlich seinen Clausewitz gekannt, nicht aber chinesische Lehren (hätt’ er sie in imperialer Überheblichkeit angenommen? Ich würde meinen: niemals!) und dennoch zeigt sich doch eine Ähnlichkeit zwischen dem Eisernen Kanzler und dem chinesischen Feldherrn, wenn dieser eigenhändig die Konkubinen köpft: Zimperlich sind sie alle nicht! Der Ausgang der Geschichte lässt mich sogar eine heimliche Absprache vermuten, dass Wu wieder an frisches Blut komme.

Die einleitende Zeile (das einleitende Zitat hier) ließ mich zuerst an eine Regieanweisung erinnern und erwies sich dann im Bezug auf die Schlacht von Salamis eher als entbehrlich. Dem geneigten wie interessierten, zudem nicht gänzlich unbedarften Leser darf man schon ein wenig Mühe zumuten (denn ein reines Vergnügen und / oder bloße Unterhaltung) will dieses Lehrstück sicherlich nicht sein. Vllt. reichen für Anfang und Ende folgende Kürzungen und ein einziger Schlusssatz (es sind also nur Vorschläge, denen niemand folgen muss):
Statt

Ostchina im Jahre 480 vuZ. Zwischen den zwei großen Strömen ▪ Wu: Reich des Himmels. Im Palast des Königs Wu Fu Cai.
[…]
Im selben Jahr – 480 vuZ – besiegte Themistokles die große Flotte der Perser in der Seeschlacht von Salamis. Dank seiner überlegenen Feldherrnkunst.
vllt. einfach „Im selben Jahr, da solches im Palast des Fürsten von Wu, dem Reich des Himmels, Wu Fu Cai geschah, wurde die persische Flotte bei Salamis geschlagen“, wobei die wirkliche Tragik im Leben des Schöpfers und Anführers der athenischen Flotte liegt, der ja aufgrund vor allem spartanischer Intrigen zum Sohn seines Gegners von Salamis getrieben wurde. Zehn Jahre nach dem Tode Themistokles in der Fremde gelang seinem Asylgeber Artaxerxes der Friedensschluss mit Athen.

Gruß

Friedel,
der zudem ein schönes Wochenende wünscht, hoffend, dass Du nich ägyptische Verhältnisse gewohnt bist!

 
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Hallo Friedel,

du bist mir bzw. Sun Tzu in das alte China des 5-ten Jhrd’s vuZ gefolgt. Das ist mutig; denn dort ging es in dieser Zeit recht kriegerisch und blutig zu.

Sun Tzu (alternative Schreibweisen: Sunzi, Sun Tse, Sun Wu) ist eine historisch nicht zu 100% gesicherte Gestalt. Was an der ungenauen Quellenlage aus jener Epoche liegt. Herrschende Meinung ist aber mittlerweile, dass er existiert hat. Lebensdaten: ca. 540 bis 470 vuZ. Plus/ minus jeweils fünfzehn Jahre und somit am Ende der sog. Frühlings- und Herbstannalen, wie ein knapp 250-jähriger Abschnitt der chinesischen Geschichte bezeichnet wird: rd. 720-470. Diese Epoche wurde wiederum abgelöst von der Zeit der Streitenden Reiche: 470-220 (Dauer also ebenfalls ca. 250 Jahre). Die chinesische Geschichte der Frühzeit spielte sich überwiegend im östl. Teil des Reiches ab.

Sun Tzu gilt als „Erfinder“ der Strategielehre.
Bingfa – Die Kunst des Krieges (bzw. Über die Kriegskunst) – ist das älteste Werk, das zu diesem Thema verfasst wurde.
Das erste Mal in eine westl. Sprache übersetzt 1772; und zwar ins Französische. Napoleon hat das Werk angeblich gelesen. Ob er sich an die Erfahrungen Sun Tzus gehalten hat, glaube ich eher nicht. Andernfalls hätte er vermutlich auf den Russlandfeldzug verzichtet.
Clausewitz könnte mithin den Inhalt gekannt haben. Er schrieb seinen Wälzer Vom Kriege ja erst während der Restaurationszeit. Bzw. seine Frau fasste nach seinem Tode (1831) zahlreiche seiner Aufsätze zu einem Werk zusammen, das posthum veröffentlicht wurde. In eine ähnliche Richtung weist zumindest seine Erkenntnis, dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei. Und dass militärische Konflikte zeitlich begrenzt sein müssen. Bismarck hingegen wird von Sun Tzu nichts gewusst haben. Der wurde erst im Jahre 1905 ins Englische übertragen; 1908 ins Deutsche. Umstritten ist, ob Mao auf die Weisheiten des antiken Feldherrn vertraut hat.

Das Buch ist kurz und knackig formuliert und deshalb auch in der heutigen Zeit gut lesbar. Im Gegensatz zum Wälzer Clausewitz', dessen Studium (sehr) schwere Kost bedeutet. Sun Tzus Werk ist in dreizehn kleine Abschnitte aufgeteilt. Die Überschriften der wichtigsten Kapitel lauten:
( ) Planung
( ) Kriegsführung
( ) Das Schwert in der Scheide (Angriff mit Strategie)
( ) Taktik.

Eine sehr interessante Weisheit des Generals lautet: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft. Auf diese Erkenntnis baute evtl der König des Nachbarreichs, als er die neue Konkubine an den Hof des Rivalen sandte. Ob Sun Tzu über dieses Vorhaben informiert war?? Keine Ahnung.

In der vorliegenden KG habe ich dem General Originalsätze aus seinem Buch in den Mund gelegt. Der König formuliert frei. Die Szene mit den beiden Lieblingsfrauen basiert auf einer Legende, die Sun Tzu zugeschrieben wird. Ebenfalls die kampflose Einnahme des Reiches Wu durch den Fürsten von Yue Guo ist mythenbehaftet. Nicht Genaues weiß man nicht. Oder – wie die Italiener dazu sagen –: Se non è vero, è ben trovato.

Die Szene erinnert tatsächlich an ein Bühnenstück. Wurde mir jedoch erst bewusst, als ich sie fertig geschrieben hatte.

Das Schicksal Themistokles‘ ist tragisch. Zeigt aber exemplarisch, wie undankbar Staaten/ Nationen mitunter mit ihren großen Persönlichkeiten umgehen. Kann man schön nachlesen in: Rosen für Apoll (J. Fernau).
Ähnlich erging es Hannibal, der von den Römern bis nach Kleinasien gejagt wurde, wo er schließlich entnervt Selbstmord verübte.

Friedel, herzlichen Dank fürs Durchlesen und deine historischen Vergleiche! Solche Parallelen sind immer faszinierend.

Wünsche dir ein entspanntes, vorösterliches WE!

Vg sinuhe

EDIT: solltest du dich evtl für das Werk von Clausewitz in gestraffterer Darstellungsweise interessieren, dann empfehle ich: Clausewitz: Strategie denken (B. v. Oetinger/ Strategieinstitut d. Boston Consulting Group). Flott geschrieben und sehr aufschlussreich (wenn man sich denn für Strategielehre begeistern kann).

 

Eine sehr interessante Weisheit des Generals lautet: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft
, heißt es da,

lieber sinuhe,

eine Behauptung, die sehr gewagt ist, wie sie da steht, dass ich sie von einem Strategen als Ideal ansehe. Nun, den Clausewitz sollte jeder schon mal gelesen haben (und sei's in Auszügen), um zu sehn, dass selbst preußische Offiziere nicht nur bellen konnten, und in der Guerilla auch (Schriftwerke von Mao und Guevara), Sun Tzu müsst ich mal schau'n, ob er in der Stadtbibliothek zu haben ist.

Nun kennen wir alle den Satz von Brecht, dass, wer nicht kämpfe, schon verloren habe, und wissen doch, dass er zugleich eine ASrt Kosten-Nutzen-Rechnung ablieferte in Abwägung dessen, ob er als Held wider den Braunen Sumpf umkäme oder die Flucht vorziehe, taugen doch Helden nur noch für Gedenkfeiern.

Gruß & schöne Tage diese Tage wünscht der

Friedel

 

Hallo Sinuhe, hallo Friedel!

"Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" ist - soweit ich sehen kann – kein Originalzitat von SunTsu, jedenfalls habe ich es in meiner Ausgabe von "Die Kunst des Krieges" nicht gefunden, sondern nur ein Titel, den Verlagsangestellte als Quasi-Zusammenfassung für dieses Werk erfunden haben.

Im Original heißt es "Daher besiegt der, der die Kunst des Krieges beherrscht, die Kräfte der anderen ohne Kampf, er bezwingt die Städte der anderen ohne Belagerung und zerstört den Staat der anderen, ohne viel Zeit darauf zu verschwenden."

Die Zeile "Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" wird sehr häufig missverstanden, Sinuhe, weshalb man sie besser nicht verwenden sollte, finde ich, denn sie suggeriert, es ginge SunTsu um eine friedliche Lösung des Konflikts. Das ist aber nicht der Fall.

Die Kunst des Krieges ist ein derart komplexes Werk, dass ich die Geschichte, die Du, Sinuhe, dazu geschrieben hast, nur als erste, tastende Annäherung verstehen kann. Sie wird der Tiefe von "Die Kunst des Krieges" nicht gerecht, und wahrscheinlich kann das eine KG auch gar nicht leisten. Denn die Ursprünge von SunTsu´s Text wurzeln in der daoistischen Philosophie, und da diese im Westen kaum bekannt ist, müsste man jeden Satz von SunTsu mit zehn Sätzen der Erläuterung kommentieren, um ihn verständlich zu machen.

Ein Punkt über den man also nachdenken kann ist, dass Du in Deiner Kurzgeschichte, Sinuhe, das Original in seiner Tiefe nicht erfasst, sondern lediglich Zitate paraphrasierst, in der Hoffnung, dass sie schon irgendwie passen mögen. Das tun sie aber nur bedingt:

Die Kunst des Krieges

»Die ganze Kriegskunst basiert auf List und Tücke. Ein Meister der Kriegsführung ist immer durchtrieben und geheimnisvoll. Er hinterlässt keine Spur.«
»Dann ist es dasselbe wie bei meiner Königsherrschaft?«
»Derjenige, der genau weiß, wann er kämpfen darf und wann nicht, wird sicher siegen.«


Erstens suggeriert und meint SunTsu nicht, dass die Königsherrschaft auf List und Tücke beruhen müsse und zweitens ist die von SunTsu gegebene Erwiderung keine Antwort auf die Frage des Königs. Die beiden reden komplett aneinander vorbei.

Die Kunst des Krieges

»Und du kannst das in jedem Moment einschätzen?«
»Ein erfahrener Heerführer wird immer zuerst eine Position einnehmen, in der er nicht geschlagen werden kann. Dann lässt er keine Gelegenheit aus, seinen Feind zu vernichten.«


Keine Antwort auf die Frage des Königs.

Die Kunst des Krieges

»Dauert diese Vorgehensweise denn nicht sehr lange?«
»Der Krieg liebt den Sieg und nicht die Dauer.«


Auf die Frage des Königs hätte Sun Tsu nun eigentlich erklären müssen, weshalb die Strategie nicht zuviel Zeit in Anspruch nimmt. Statt dessen sagt er nur, dass der Sieg schnell errungen werden muss. Wieder eine unpassende Antwort.

Die Kunst des Krieges
»Und unsere Feinde wissen das nicht?«
»Wenn der richtige Zeitpunkt naht, dann handele ich rasch und unkompliziert.«

Wiederum keine Antwort auf die Frage des Königs.

Man kann keinen Dialog aus Zitaten aufbauen, jedenfalls nicht, wenn er lebendig wirken soll. Das tut Deiner Geschichte nicht gut.

Ich kann nur empfehlen, die KG komplett zu überarbeiten, SunTsu mit Deinen eigenen Worten sprechen zu lassen und die Philosphie des Originals in ihrer Beziehung zu den daoistischen Weisheitslehren zu behandeln.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,

jetzt hättest du dir natürlich meine Geschichte mit Achill im Weltraum zwecks Kommentieren rauspicken können: Das vorschnelle Lachen Achills.
http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=51709
Stattdessen den alten Chinesen.

Du hast mir viel geschrieben. Dafür vorab schon einmal herzlichen Dank!
Nun zu deinen einzelnen Anmerkungen:

"Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" ist - soweit ich sehen kann – kein Originalzitat von SunTsu, jedenfalls habe ich es in meiner Ausgabe von "Die Kunst des Krieges" nicht gefunden, sondern nur ein Titel, den Verlagsangestellte als Quasi-Zusammenfassung für dieses Werk erfunden haben.
Nun diente mir dieses – nachträglich von Marketingexperten kreierte Zitat – ja auch nicht als Überschrift, sondern bloß als eine mögliche Antwort des Feldherrn auf eine der vielen Fragen des Königs.
Ich halte diese – evtl euphemistische Zusammenfassung der Ideen Sun Tsus – trotzdem nicht für falsch. Kommt halt darauf an, wie man den kurzen Satz interpretiert.
iSv. „vermeide den Krieg solange, bis alle anderen Mittel der Streitbeilegung ausgeschöpft sind“ ist er mMn zum einen vernünftig, und drückt zum anderen tatsächlich einen Kerngedanken der Lehre des alten Strategen aus. Denn SunTsu war klar, dass zu viel Krieg auf Dauer zur Erschöpfung sämtlicher Teilnehmer führt.

Im Original heißt es "Daher besiegt der, der die Kunst des Krieges beherrscht, die Kräfte der anderen ohne Kampf, er bezwingt die Städte der anderen ohne Belagerung und zerstört den Staat der anderen, ohne viel Zeit darauf zu verschwenden."
So viel ich weiß, tun sich die Experten bis heute mit einer allgemeinverbindlichen Übersetzung der uralten Fragmente sehr schwer.
Wie soll jemand – im Krieg – den Gegner ohne Kampf in die Knie zwingen? Leuchtet mir nicht ein. Ein bisschen Schlacht und Blutvergießen wird schon dabei sein. Weshalb sollte sich der Feind ansonsten ergeben?

Die Zeile "Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" wird sehr häufig missverstanden, Sinuhe, weshalb man sie besser nicht verwenden sollte, finde ich, denn sie suggeriert, es ginge SunTsu um eine friedliche Lösung des Konflikts. Das ist aber nicht der Fall.
Was wir natürlich nicht wissen, denn der gute Mann ist vor 2500 gestorben und hat keine Interviews gegeben. Evtl war er in fortgeschrittenem Alter – nach Jahrzehnten im Feld – friedlich u. weise gestimmt, als er sein kleines Lehrbuch verfasste.

Die Kunst des Krieges ist ein derart komplexes Werk, dass ich die Geschichte, die Du, Sinuhe, dazu geschrieben hast, nur als erste, tastende Annäherung verstehen kann. Sie wird der Tiefe von "Die Kunst des Krieges" nicht gerecht, und wahrscheinlich kann das eine KG auch gar nicht leisten.
Genau so ist es.
KGen sind kleine Fingerübungen, die nicht den Anspruch erheben, die Kriegskunst neu zu erfinden oder die Welt tiefschürfend zu erklären.

Denn die Ursprünge von SunTsu´s Text wurzeln in der daoistischen Philosophie, und da diese im Westen kaum bekannt ist, müsste man jeden Satz von SunTsu mit zehn Sätzen der Erläuterung kommentieren, um ihn verständlich zu machen.
Ich wollte kein Fachbuch schreiben.

Erstens suggeriert und meint SunTsu nicht, dass die Königsherrschaft auf List und Tücke beruhen müsse und zweitens ist die von SunTsu gegebene Erwiderung keine Antwort auf die Frage des Königs. Die beiden reden komplett aneinander vorbei.
Da es sich um eine fiktive Unterhaltung handelt, finde ich es jetzt nicht weiter dramatisch, dass SunTzus Originalsätze sich evtl nicht auf die Königsherrschaft bezogen.
Ich handhabe es als Verfasser aber so, dass ich die beiden miteinander diskutieren lasse.
Natürlich reden sie aneinander vorbei. Zumindest begreift der König nicht, was der General ihm erklärt, denn andernfalls würde er ihn keinesfalls noch am selben Tag entlassen.

Man kann keinen Dialog aus Zitaten aufbauen, jedenfalls nicht, wenn er lebendig wirken soll. Das tut Deiner Geschichte nicht gut.
Mag sein. Heute gefällt mir der Dialog auch nicht mehr so gut wie im Zeitpunkt des Schreibens. Das passiert mir häufig. Ist aber nicht weiter dramatisch, weil die Geschichte nicht veröffentlicht werden soll.
Wobei mir die Szene mit den zwei kopflosen Kurtisanen weiterhin Freude bereitet.

Ich kann nur empfehlen, die KG komplett zu überarbeiten
Finde ich drei Monate später nicht mehr sonderlich verlockend. So was unternehme ich idR. zeitnah.

und die Philosphie des Originals in ihrer Beziehung zu den daoistischen Weisheitslehren zu behandeln.
Boh!!!
Dann sitze ich ja noch in drei Jahren an dem kleinen Textsplitter.


Achillus, vielen Dank für deine Hinweise! Dir gefällt die Geschichte zwar nicht. Du hast dich trotzdem ausführlich mit ihr beschäftigt. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Vg sinuhe

 
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Hallo Sinuhe,

ich habe nicht gesagt, dass mir Deine Geschichte nicht gefällt. Das wäre als Kompletturteil zu hart. Mein Kommentar bezog sich ja auch mehr auf die theoretische Grundlage, also das Werk Sun Tsus.

Auch wenn die Sache für Dich erledigt ist - was ich verstehen kann, denn alte Geschichten aufzuarbeiten ist mühsam und oft wenig erfolgversprechend – noch ein paar Anmerkungen zu Deinen Gedanken:

Das Problem der Zeile "Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" liegt für mich darin, dass man beim Lesen denken könnte, es ginge um eine Art Pazifismus oder etwas im Sinne Gandhis oder „Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“.

Sun Tsu verfolgt aber etwas anderes, nämlich eine daoistische Idee, nach der sich der Erfolg einer Handlung möglichst aufwandslos einstellen wird, wenn man sie auf eine bestimmte Weise tut. Zwar verknüpft sich seine Lehre auch mit humanistischen Gedanken, aber der Kern ist – soweit ich sehen kann – nicht die Suche nach Gerechtigkeit oder die Erforschung der Frage nach den Rahmenbedingungen eines gerechten Krieges.

Den Gegner ohne Kampf in die Knie zu zwingen bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, ihn zu schonen. Du fragtest nach Möglichkeiten wie das anzustellen wäre. Auch hier liegt der Kern in der Täuschung, beispielsweise wie in den späteren 36 Strategemen beschrieben: Auf das Gras schlagen, um die Schlange aufzuscheuchen (ein Scheinangriff schockiert und lähmt den Gegner), Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen (einen Mythos benutzen, um die Ängste des Feindes zu manipulieren), Den Gegner durch Gefangennahme des Anführers unschädlich machen (die Feinde lähmen, indem man den Kommandanten gefangen nimmt) usw.

Es geht hier zwar um die Vermeidung des offenen Konflikts, der offenen Schlacht, nicht aber um eine friedliche Einigung, die etwa den Interessen beider Seiten gerecht würde. Das darf man nicht verwechseln.

Noch kurz zu dem, was wir über Sun Tsu wissen. Er stellt seit Jahrtausenden eine Pflichtlektüre in vielen militärischen Akademien dar. Viele chinesische Feldherren, Gelehrte und Philosophen haben sein Werk kommentiert und analysiert. So kann man sich dem nähern, was Sun Tsu in seinem Büchlein sagen wollte und meinte. Eine Gewissheit gibt da aber nicht, da hast Du sicher recht.

Trotz meiner Kritik fand ich sehr spannend, etwas zu Sun Tsu zu lesen, mit dessen Lehren ich mich schon sehr lange befasse. Und die Gegenüberstellung von König und General ist natürlich eine wunderbare Idee. Vielleicht läuft Dir das Thema ja mal wieder über den Weg, dann würde ich gern das Update sehen.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,

Das Problem der Zeile "Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft" liegt für mich darin, dass man beim Lesen unwillkürlich denken könnte, es ginge um eine Art Pazifismus oder etwas im Sinne Gandhis oder „Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“.
Ich habe Sun Tsus Buch als Student in der 80-ern kennengelernt. Und zwar im Fachbereich
„(Marketing-) Strategie“. Ökonomie kann man zwar ebenfalls als dauerhaften Wettbewerb sämtlicher Teilnehmer interpretieren – und wäre damit dem Schlachtenlärm nahe –; jedoch geht es im Wirtschaftsleben idR. weniger blutrünstig zu als in einem herkömmlichen Krieg.
Mag sein, dass der von dir monierte Satz deshalb kritiklos von den BWLern akzeptiert wird.
Dass der antike Feldherr kein genuiner Pazifist war, wusste ich. Evtl aufgrund seines Alters bzw. der Pensionierung weiser und friedliebender geworden. Soll es alles geben. Bestes Beispiel: General Bastian. Einer der Gründungsväter der Grünen und Warner vor der Stationierung neuer Atomraketen in Westeuropa.

Sun Tsu verfolgt aber etwas anderes, nämlich eine daoistische Idee, nach der sich der Erfolg einer Handlung möglichst aufwandslos einstellen wird, wenn man sie auf eine bestimmte Weise tut.

Es geht hier zwar um die Vermeidung des offenen Konflikts, der offenen Schlacht, nicht aber um eine friedliche Einigung, die etwa den Interessen beider Seiten gerecht würde. Das darf man nicht verwechseln.
Leuchtet mir zwar theoretisch ein: möglichst wenig Aufwand praktizieren (und so die eigenen Ressourcen schonen), um den Feind in die Knie zu zwingen.
In der Praxis stelle ich mir einen rein auf Täuschung basierenden Sieg jedoch äußerst schwierig vor. Wie soll das aussehen: die ungeschlagene Armee des Gegners geht freiwillig nach Hause ohne vorher (zumindest ansatzweise) gekämpft zu haben?

Den Gegner ohne Kampf in die Knie zu zwingen bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, ihn zu schonen. Du fragtest nach Möglichkeiten wie das anzustellen wäre. Auch hier liegt der Kern in der Täuschung,
Siehe meinen Einwand oben.
Die Mär von der Kapitulation ohne Notwendigkeit entstand in Deutschland ab 1919; woraus sich die Dolchstoß-Legende entwickelte mit all ihren fatalen Folgen für die nächsten 25 Jahre.
Kann mir nicht vorstellen, dass im alten China unnötige (bspw. auf Täuschung gründende) Niederlagen so ohne weiteres goutiert wurden.

Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen
Hört sich ein bisschen nach Voodoo an.
Könnte man glatt eine neue KG zu spinnen. :D

Noch kurz zu dem, was wir über Sun Tsu wissen. Er stellt seit Jahrtausenden eine Pflichtlektüre in vielen militärischen Akademien dar. Viele chinesische Feldherren, Gelehrte und Philosophen haben sein Werk kommentiert und analysiert. So kann man sich dem nähern, was Sun Tsu in seinem Büchlein sagen wollte und meinte. Eine Gewissheit gibt da aber nicht, da hast Du sicher recht.
Pflichtlektüre für Chinesen bzw. Ostasiaten.
Denn nach Europa gelangte seine Lehre ja erst Ende des 18-ten Jhrd.s.

Trotz meiner Kritik fand ich sehr spannend, etwas zu Sun Tsu zu lesen, mit dessen Lehren ich mich schon sehr lange befasse.
Das freut mich.
Sollte mich der Ehrgeiz packen, die Geschichte neu zu schreiben, werde ich sie selbstverständlich hier hochladen.

Achillus, sei ein weiteres Mal bedankt für deine Hinweise! Es handelte sich für mich um ein kleines Experiment und keinesfalls um die seriöse Auseinandersetzung mit dem Lehrgebäude der alten chinesischen Strategieschule.

Herzliche Grüße, sinuhe

 

„Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand
des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.“
Suntzi: Die Kunst des Krieges​

Da Du mich auch begrüßt in Deinem Beitrag vom 8. d. M.,

liebr Achillus,

auch einige Worte von mir, obwohl sinuhe ja schon 'ne ganze Menge erzählt hat (übrigens: auch ich ein studierter Betriebwirt und u. a. Marketingfuzzi, da muss man ja geradezu zusammenhalten).

Der von Dir bemängelte Ausspruch

„Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft“
ist Untertitel zu der deutschen Übersetzung aus dem Englischen (“The Art of War“ von Lionel Giles, London 1910 ) „Über die Kriegskunst“, übersetzt durch Patrick Lindley, erschienen 2004 im marix-Vlg., Wiesbaden.

Wie alles, was übersetzt wird, kann es je nur eine Annäherung sein – so also hier ans Englische „Original“, das nun seinerseits den chinesischen Originaltext für (west-)germanistische Zungen zubereitet. Wenn man die Ausgabe liest, kann man sich nur der Aussage des deutschen Übersetzers anschließen, dass Sunzis Prämisse sei, Leben zu erhalten, mit trivialen Erkenntnissen (etwa, dass der Tod unumkehrbar ist). Gleichwohl
„Die Kriegführung verläuft fast nach allen Seiten hin in unbestimmte Grenzen. Jedes System, jedes Lehrgebäude aber hat die beschränkende Natur einer Synthesis, und damit ist ein nie auszugleichender Widerspruch zwischen einer solchen Theorie und der Praxis gegeben“, sagt Clausewitz vom Kriege, kann auch gar nicht anders sein, tobte doch zu seiner Zeit die Guerilla wider Bonaparte auf der iberischen Halbinsel und teutsche Freischärler übten sich auch im Partisanenkampf. Der asymmetrische Krieg ist also nie verschwunden gewesen, Terrorismus, Guerilla und neuerdings Warlords mit ihren Securitiydiensten (nix anderes als die alten zusammengekauften Söldnerhaufen der Condottieri und selbst Wallensteins Heerhaufen, wobei Clausewitz - man kommt aus'm Staunen manchmal gar nicht mehr 'raus - Verteidigung durchaus lobte.

Dass Sunzi nun Daoist wäre, wage ich zu bezweifeln, selbst wenn Laotse Zeitgenosse Sunzis war.

Gruß

Friedel

 

Hallo Sinuhe, hallo Friedrichard,

es ist schön, mit Euch zu philosophieren.

Auf meinen Hinweis, dass es Sun Tsu als Ideal um die Vermeidung des offenen Konflikts, der offenen Schlacht ging, schriebst Du, Sinuhe:

Leuchtet mir zwar theoretisch ein: möglichst wenig Aufwand praktizieren (und so die eigenen Ressourcen schonen), um den Feind in die Knie zu zwingen. In der Praxis stelle ich mir einen rein auf Täuschung basierenden Sieg jedoch äußerst schwierig vor. Wie soll das aussehen: die ungeschlagene Armee des Gegners geht freiwillig nach Hause ohne vorher (zumindest ansatzweise) gekämpft zu haben?

... Kann mir nicht vorstellen, dass im alten China unnötige (bspw. auf Täuschung gründende) Niederlagen so ohne weiteres goutiert wurden.


Es ist ja eben der Kern der Thesen Sun Tsus, dass Kriegskunst auf Täuschung beruht. Was Du "unnötige Niederlagen" aufgrund von Täuschung nennst, stellt aus der Perspektive Sun Tsus, die wahre Meisterschaft des Angreifers dar. Und diese Siege wurden und werden in China besonders geehrt.

Als Beispiel mag die Schlacht von Chibi gelten. Als herausragende Kriegskunststrategie wird bis heute der Einfall von Zhuge Liang (einem Strategen der letztlichen Siegerfraktion in dieser Schlacht) bewertet, dem Gegner (General Cao Cao) einen Agenten als "Berater" an die Seite zu stellen. Dieser Agent empfahl General Cao Cao seine Kriegsschiffe mit Eisenketten aneinanderzubinden, um das Geschaukel der Schiffe zu verringern, das bei den Truppen Seekrankheit auslöste. Doch dieser Rat war vergiftet.

Zhuge Liang hatte zuvor ermittelt, aus welcher Richtung der Wind wehen würde. Als Cao Cao merkte, dass er mit seinen zusammengebundenen Schiffen nicht gegen den Wind ankam, befahl er den Rückzug, doch weil die Schiffe in diesem Zustand kaum manövrierfähig waren, kam es zur Panik, so dass sich Cao Caos Armee gewissermaßen ohne Zutun der Truppen aus der Siegerfraktion selbst ersäufte. Es ging dann noch weiter, doch die Kernidee wird deutlich – eine List führt zur Selbstaufreibung des Gegners.

Friedrichard, ja, ich stimme Dir zu, dass es Sun Tsu um die Schonung des menschlichen Lebens ging. Was mich an der Zeile „Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft“ stört, ist, dass sie sich friedvoller anhört, als Sun Tsu gedacht hat, nämlich so etwa im Sinne "Der Klügere gibt nach". Das habe ich ja oben schon ein wenig erläutert.

Dass Sunzi nun Daoist wäre, wage ich zu bezweifeln, selbst wenn Laotse Zeitgenosse Sunzis war.

Mir ging es nicht so sehr darum, Sun Tsu als Daoisten zu identifizieren. Keine Ahnung, ob er sich selbst so sah. Doch dass seine Lehre stark von daoistischen Ideen geprägt sind, scheint mir ganz eindeutig.

Thomas Cleary schreibt dazu: "Meiner Meinung kann die Bedeutung eines Verständnis der taoistischen Elemente in Die Kunst des Krieges kaum überschätzt werden. Dieser Klassiker ist nicht nur durchdrungen von den Vorstellungen großer taoistischer Werke wie des I Ging und des Tao Te King, sondern er zeigt auch auf, daß die grundlegenden Ideen des Taoismus die eigentliche Wurzel aller Traditionen der chinesischen Kampfkünste bilden."

Weshalb zweifelst Du daran, dass Sun Tsu Daoist war, wenn ich fragen darf?

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,

wer wir drei sind, weiß ich zumindest näherungsweise, doch wer zum Teufel ist Thomas Cleary? Aber im ernst, meine mir selbst auferlegte Stunde/Tag für's Internet geht zur Neige, dass ich morgen oder übermorgen auf Deine Frage zurückkomme - okay?

Bis dann!

Friedel

 

Hallo Friedel, ja, geht klar. Kurz zu T.Cleary. Er ist einer der einflussreichsten Autoren, die im Westen das Gedankengut von Daoismus und Zen-Buddhismus bekannt gemacht haben. Er arbeitet als Übersetzer, Autor und Herausgeber.

Ich habe einige Sachen von ihm gelesen und finde seine Analysen sehr klar und überzeugend.

Beste Grüße
Achillus

 

„Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Namen auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt“,​
heißt’s gegen Ende der (brecht’schen) Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration, an die ich durch Deine Frage,
Weshalb zweifelst Du daran, dass Sun Tsu Daoist war, wenn ich fragen darf?,

lieber Achillus,

erinnert werde. Lass mich mit dem leicht zu beantwortenden Ende der Frage mit der Gegenfrage beginnen, warum solltestu nicht fragen dürfen?, auf dass auch die Strophe

„Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“
Sprach der Knabe: „Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt“,​
untergebracht werden kann.

Der Knabe könnte nun aber in der Tat, wenn wir seine Rede erweiterteten und verallgemeinerten, Suntsu (um die Schreibweise Brechts zu wählen) geheißen werden, denn Laotse, der mutmaßliche Begründer des Daoismus, lebte der Legende nach im 6. Jh. vor unserer Zeitrechnung - ähnlich wie Suntsu, wobei dieser – sofern wir sinuhes Angabe zur Handlung zugrunde legen

Ostchina im Jahre 480 vuZ. -
der jüngerer Zeitgenosse gewesen wäre, wenn Laotse – wie es die Tradition will – 604 geboren wurde.

Im Falle der Zeitgenossenschaft hätte Laotses Lehre sich noch gar nicht durchgesetzt, ginge doch seinerzeit alles ein wenig gemütlicher zu als heutigentags, in dem die Lehren und Nachrichten, kaum geboren, schon wieder überholt sind/werden – „überholt“ von der buchstäblichen bis zu all seinen übertragenen Bedeutungen, wie es sich unter der ständigen Beschleunigung wohl sein muss. Da fällt es selbst einem Neugeborenen nicht mehr leicht, der/die/das Jüngste zu sein.

Zeitgenossen hin oder her: Tatsächlich werden für beide Zeiträume vom benannten 6. bis ins 3. Jh. genannt und sie müssen somit so wenig Zeitgenossen gewesen sein wie Suntsu nicht einmal der jüngere von beiden sein müsste.

Gleichwohl, den Weg (der wohl dao - warum das Schriftbild nach "tao" nicht korrekter in "dau" umgeschrieben wird, bleibt mir ein Bretzel - im Chinesischen heißt) gab’s sicherlich schon vor Laotse und Suntsu, er wurde aber unterschiedlich begriffen und wäre dann eher pluralistisch als Wege anzusehn - was uns hier gar nicht interessieren muss, gibt es solche Dinge auch im christl. Abendland unterschiedliche Wege, das Himmelreich zu erreichen – und wär’s als Kreuzritter, Fundamentalist oder Schönwetterchrist.

Bedeutsamer ist die Aufgabe, die der Daoismus dem Weisen (als den man Suntsu ansehen kann ) zuspricht, passiv den diversen und oft widerstreitenden Kräften ihren Lauf zu lassen – und das trifft auf Suntsu wahrlich nicht zu. Warum sollte ein irreligiöser Mensch wie ich das Treiben eines getauften Kriegsherrn anders bewerten als eines chinesischen? Der eine handelt so wenig nach christlicher Ethik wie der andere nach dem Daoismus, der zumindest bei Laotse vorm Krieg(er) warnt - wie singt doch Wolf Biermann richtig: „Soldaten sind sich alle gleich, lebendig und als Leich’“.

Dank Dir auch, lieber Achill, für den Hinweis auf Mr. Cleary. Muss mal schau'n, ob ich was in der Stadtbücherei von ihm finde ...

Schönes Wochenende wünscht der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard, hallo Sinuhe!

Obwohl die chinesische Tradition Laotse, den Verfasser des Dao De Jing, gern als Urvater des Daoismus darstellt, sprechen die historischen Daten gegen diese Leseart. Das Dao De Jing wurde erst in der ersten Hälfte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts kompiliert und ist damit jünger als das daoistische Werk Zhuangzi, das selbst Gedanken aus dem siebenten vorchristlichen Jahrhundert aufgreift. Deshalb kann Laotse nicht gleichzeitig der Verfasser des Dao De Jing und Urvater des Daoismus sein.

Daoistisches Gedankengut ist sehr alt und greift Ideen auf, die in China bereits während der Zhou-Dynastie (1040–256 v. Chr.) weit verbreitet waren. Aus diesem Grunde, Friedrichard, kann man durchaus davon ausgehen, dass ein adliger, gebildeter Beamter wie Suntsu daoistische Vorstellungen kannte.

Dass Du meinst, Suntsu wäre es kein Anliegen gewesen, den "diversen und oft widerstreitenden Kräften ihren Lauf zu lassen" ist eine Sicht, die ich nicht teile.

Aus meiner Perspektive ist das sogar die Basis, um Suntsu überhaupt zu verstehen. Suntsu war kein Kriegsherr, also ein Monarch oder Herrscher, der sowohl militärische als auch absolute politische Macht ausübt, sondern ein General, Militärstratege und Philosoph.

Daoisten fürchten stets, die Dinge durch übertriebenes Engagement zu verderben. Das ist auch der Grund für Suntsus Empfehlungen, Zurückhaltung zu üben.

An diesem Punkt möchte ich bei Euch für meine Geschichte Thaos Rückkehr werben. Vielleicht habt Ihr die Zeit, da mal reinzuschauen, denn sie passt gut zum Thema. Ein daoistischer Krieger sucht im Kampf nach speziellen Zeichen. Denn sofern der Gegner kein (daoistischer) Meister ist, wird seine Unfähigkeit, dem Strom der Dinge zu folgen, Schwachstellen hervorrufen.

Ein Daoist punktiert den Ereignisraum so wie ein Heiler, den Körper des Kranken mit Nadeln behandelt. Die Idee dahinter: Den natürlichen Strom der Energien zum Fließen bringen. Dabei darf man es nicht übertreiben, denn wenn sich die private Motivation vom großen Fließen der Dinge unterscheidet, muss man Gewalt anwenden, um die Ereignisse zu forcieren und das geht früher oder später schief.

Aus diesem Grund sind daoistische Krieger so vorsichtig und scheinbar passiv. Neunzig Prozent ihres Kampfes bleiben unsichtbar. In meiner Geschichte erliegt der Feind letztlich seiner eigenen Unfähigkeit gemäß der Gesetzmäßigkeit des Daos zu leben. Die Kriegerin stellt für diesen Untergang lediglich die Weichen. Das ist der Sinn des Wortes: Den Widerstand des Gegners brechen, ohne zu kämpfen.

Beste Grüße
Achillus

 

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