Was ist neu

Die Leiche der rue Longwy

Mitglied
Beitritt
09.04.2005
Beiträge
19
Zuletzt bearbeitet:

Die Leiche der rue Longwy

Der Brigadier steuerte den Wagen und sprach kein Wort. Es war mir auch recht so, denn in meinem Kopf geisterte immer wieder der fatale Satz … es gibt einen Toten. Jemand war gestorben, wahrscheinlich vor seiner Haustür oder vielleicht in seinem Wagen, jedenfalls außerhalb der Wohnung, denn nur in diesem Fall und bei einem natürlichem Tode muss die Polizei benachrichtigt werden.
Die rue Longwy schien unendlich lang zu sein und das Licht der Straßenbeleuchtung wirkte wie billige Papierlaternen in dieser stockfinsteren Nacht. Irgendwie sah in dieser Düsterkeit alles anders aus, war es der Gedanke an diesen Toten, der meine Sinne bekümmerte, ich wusste es nicht. Endlich hatten wir das Ziel erreicht und der Brigadier steuerte auf eine Handvoll Menschen zu.
Es war ein älterer Herr, der sich als Schwager des Verstorbenen zu erkennen gab, der mit dem Brigadier die ersten Worte wechselte. Etwas abseits hielt sich eine Frau auf, die ununterbrochen weinte. Sie war umgeben von zwei jüngeren Frauen; die versuchten Trost zu spenden, was ihnen aber sichtlich nicht gelang. Wenig später fuhr die bestürzte Gesellschaft fort.
Ich folgte nun dem Brigadier, der bereits im Treppenhaus war. Die Wohnung befand sich auf der ersten Etage.
„Dort ist das Wohnzimmer“, sagte der Brigadier und mir wurde dabei übel. Ich konnte mir bereits das schauerliche Bild vorstellen, hinter dieser Tür würde ein Mann an einem Strick baumeln. Ich folgte widerwärtig dem Brigadier, der inzwischen das Licht im Wohnzimmer angeknipst hatte.
Es herrschte einen Moment absoluter Stille, so als würde der Brigadier eine Gedenkminute einlegen, dann sagte er:
„Hier hängt er“.
Ich sah ihn nicht, denn mein Blick sezierte das alte aber schön glänzende Schifferparkett. Doch dann als ich langsam die Augen weiter nach oben wandern ließ, ertappte ich als erstes nackte Füße. Der Tote hatte die Schuhe ausgezogen. Langsam steuerte ich mein Blick nach oben. Ich sah den gestreiften Pijama, er war sauber zugeköpft bis zum letzen Knopfloch. Ich wusste, wenn ich nun meinen Kopf nur Millimeter aufwärts richten würde, wäre die Beschauung vollendet. Es war noch grausiger, als ich mir es vorgestellt hatte, ich sah ein altes entfleischtes Gesicht und schneeweiße Haare. Seine Augen waren weit aufgerissen und sahen mahnend zu mir herunter. Ich hielt diesen Augenblick nur für sekundenlang fest, jedoch lang genug um ihn auf meiner Speicherplatte in aller Ewigkeit fest eingebrannt zu bekommen.
„Er hat einen Abschiedsbrief geschrieben, litt an einer unheilbaren Krankheit“, hörte ich von Weitem die Stimme des Brigadiers. Nach einer Weile ging er in den Flur und benachrichtige die Zentrale per Funk.
Als er wenig später das Wohnzimmer erneut betrat, klärte er mich auf, dass alles in Ordnung wäre, die Leiche sei freigestellt worden seitens der Staatsanwaltschaft und dass das Bestattungsamt im Anmarsch wäre.
„Wir müssen nur noch abwarten“, schlussfolgerte der Brigadier und zündete sich eine Zigarette an.
Mir war es recht, ich wollte so schnell wie möglich dieses Leichenzimmer verlassen. Dann geschah aber etwas Unerwartetes. Plötzlich erloschen alle Lichter im Wohnzimmer, im Haus und draußen auf der Straße.
„Scheiße, eine Strompanne!“, zischte der Brigadier.
Wir knipsten unsere Taschenlampen an und mein Vorgesetzter begab sich nach draußen, um die Männer vom Bestattungsinstitut zu lotsen. Ich aber stand nun allein im Wohnzimmer mit meiner Leiche; die keine Schuhe trug. Immer wieder traf der Lichtkegel meiner Taschenlampe dieses mahnende Gesicht. Vom vielen anstarren, hatte ich plötzlich das Gefühl, als hätte sich der Tote bewegt.
Endlich trafen die Leute vom Bestattungsamt ein. Fast gleichzeitig kam auch die Elektrizität wieder.
Einer der Männer wandte sich an mich, ich sollte den Toten festhalten, er würde nun den Strick lösen. Widerwillig umklammerte ich den toten Körper. Der Strick war ziemlich festgeknüpft, sodass ich den Leichnam leicht anheben musste. Doch dann unerwartet, löste sich der Strick von der Decke und der Tote rutschte durch meine Umarmung, ich versuchte den Körper abzufangen, verlor dabei das Gleichgewicht. Ich stürzte rücklings zu Boden, gefolgt vom zügellosen Fall der Leiche. Diese fiel auf mich, wobei seine Visage genau auf mein Antlitz knallte. In meiner Ekel erregender Abwehr, warf ich impulsiv den Toten von mir weg, sprang auf und flüchtete aus dem Zimmer.
Draußen auf dem Gehsteig rieb ich mehrmals mein Gesicht ab, als wäre ich gebrandmarkt worden.
Es dauerte eine Weile, bis der Brigadier als Letzter das Haus verließ. Er zündete sich wieder eine Zigarette an, trat an mich heran und meinte:
„Na, so schlimm war es doch nicht!“
Ich sah ihn vorwurfsvoll an und dachte - geprägt von einer damals unschuldigen Ahnungslosigkeit: 'Was kann schlimmer sein, als eine Leiche zu küssen?'

 

Bei dieser Geschichte handelt es sich um ein wahres Erlebnis, in miener damals sehr jungen Poizeikarriere.

Salut

lettre

 

Hallo lettre,

deine Geschichte gefällt mir ganz gut. Nur mE hättest du schneller zur eigentlichen Handlung kommen können.

Ich persönlich hätte die Geschichte mit dem Satz

Es war bereits zwei Uhr morgens und wir hielten uns alle in der Wachstube vor dem Pult des Dienstvorstehers auf.

begonnen. Der Anfang hat eigentlich mit dem Fall nichts zu tun oder könnte in 1-2 Sätzen abgehandelt werden.

Hier noch einige Anmerkung:

Wenn man den Lautsprecher beim Telefon einschaltet, kann doch jeder im Zimmer mithören, also bedarf es der Erklärung

„Es gibt einen Toten“, lautete die karge Anweisung des Dienstvorstehers.

nicht. Besser wäre es, du würdest die Stelle mit dem Lautsprecher und der weinenden Frauenstimme streichen oder die Worte, die am Telefon gesprochen wurden, dem Leser mitteilen.

Ich konnte mir bereits das schauerliche Bild vorstellen, hinter dieser Tür würde ein Mann an einem Strick baumeln.

Woher weiß dein Prot, dass es sich um einen Erhängten handelt? Du hast es nicht mitgeteilt. Wie mir bekannt ist, kann der Tod auch auf andere Weise eintreten.

Nichts Außergewöhnliches geschah, weder am ersten Tage, noch am zweiten Tage und der letzte Tag läutete ein;

Bis zum dritten Tag geschah nichts Außergewöhnliches während meines Dienstes.
(Damit wird die Wiederholung von "Tag" umgangen.)

Sie weinte und ihr heftiges Schluchzen übertönte ihr wehmütiges Vorliegen.

wehmütiges Anliegen.

jedenfalls außerhalb der Wohnung, denn nur in diesem Fall muss die Polizei benachrichtigt werden.

Aber der Tote war doch in diesem Fall in der Wohnung? Das widerspricht sich.

Irgendwie sah in dieser Düsterkeit alles anders aus, war es der Gedanke an diesen Toten, der meine Sinne bekümmerte, ich wusste es nicht.

der meine Sinne betrübte, ...

Jedenfalls wir waren endlich dem Ziel nahe, als der Brigadier die Fahrspur wechselte und das Fahrzeug auf eine Hand voll Menschen zusteuerte.

Endlich hatten wir das Ziel erreicht und der Brigadier steuerte auf eine Handvoll Menschen zu.

Wenig später fuhr die bestürzte Gesellschaft fort.

Verstehe nicht, was du mit diesem Satz meinst.

Doch dann als ich langsam die Augen weiter nach oben wandern ließ, ertappte ich als Erstes nackte Füße.

nach dann Komma; als erstes klein (?)

Langsam steuerte ich mein Blick nach oben.

Langsam hob ich meinen Blick.

Ich hielt diesen Augenblick nur für sekundenlang fest, jedoch lang genug um ihn auf meiner Speicherplatte in aller Ewigkeit fest eingebrannt zu bekommen.

, um ihn auf meiner Speicherplatte in aller Ewigkeit fest einzubrennen. (Die andere Formulierung klingt etwas umständlich.)

Als er wenig später das Wohnzimmer erneut betrat, klärte er mich auf, dass alles in Ordnung wäre, die Leiche sei freigestellt worden seitens der Staatsanwaltschaft und dass das Bestattungsamt im Anmarsch wäre.

Schreibe das doch in wörtlicher Rede. Hört sich besser an.

gefolgt vom zügellosen Fall des Kadavers.

Sagt man bei einem Menschen auch Kadaver? Ich kenne es nur bei Tieren. Leiche wäre besser.

Dieser fiel auf mich, wobei seine Visage genau auf mein Antlitz knallte.

Dieser fiel auf micht, wobei sein Gesicht genau auf das meine knallte. (Klingt in meinen Augen etwas brutal)

Ich sah ihn vorwurfsvoll an und dachte - geprägt von einer damals unschuldigen Ahnungslosigkeit, was kann schlimmer sein, als eine Leiche zu küssen?

Ich sah ihn vorwurfsvoll an und dachte - geprägt von einer damals unschuldigen Ahnungslosigkeit: 'Was kann schlimmer sein, als eine Leiche zu küssen?'

Noch eine Frage zum Schluss: Weshalb hast du Szene mit dem Stromausfall eingebaut? Sollte damit das Bild des Toten schauriger wirken, wenn es von einer Taschenlampe angestrahlt wird? Mir kam es so vor, als wolltest du hier noch ein bisschen künstliche Spannung einbauen.

Zusammenfassend: Die Begegnung mit deinem ersten Selbstmord ist recht gut wiedergegeben.

Viele Grüße
bambu

 

Hallo bambu

Es freut mich dass dir meine Geschichte gefallen hat.

Da es sich um eine wahre Begebenheit handelt, wollte ich die Einführung nicht zu kurz gestalten da sie meiner Meinung nach ein wichtiger Besandteil für den Leser sein soll.

Bezüglich der elektrischen Strompanne, möchte ich ewähnen dass sich dieser Zwischenfall tatsächlich zugetragen hat.

Salut

lettre :)

 

... Leiche sei freigestellt worden seitens der Staatsanwaltschaft und dass das Bestattungsamt im Anmarsch wäre.


Schreibe das doch in wörtlicher Rede. Hört sich besser an.


das ist ein kritikpunkt, den ich bei allen seinen geschichten habe. und seitdem lettre sinngemäss mitgeteilt hat, dass das seine persönliche note ist, muss ich das so wenn auch widerwillig akzeptieren.

hallo lettre,

bambu hat schon eine ausgezeichnet ausgearbeitete kritik geschrieben, die ich mit einigen meiner gedanken erweitern möchte.

Da es sich um eine wahre Begebenheit handelt, wollte ich die Einführung nicht zu kurz gestalten da sie meiner Meinung nach ein wichtiger Besandteil für den Leser sein soll.

nein, es ist kein wichtiger bestandteil für den leser, es ist ein wichtiger bestandteil für dich selbst. wir alle sind dir fremd. dein persönliches schicksal befindet sich ausserhalb unserer kenntnis. und was die geschichten hier betreffen; das forum ist nicht für kennen lernen - nicht durch die geschichten - nicht in diesem forum. anders wäre es, wenn es um ein kontaktforum geht, dann ist diese einleitung notwendig. hier geht es um die geschichte selbst, und hier ist die einleitung zu weit gegriffen.

leider bin ich auch gar nicht sehr begeistert von dieser geschichte. das liegt aber besonders daran, weil mir deine art zu schreiben gefällt. aber in dieser geschichte hast du deine vorgängergeschichten nicht erreicht. das, was du erzählt hast, also der inhalt, ist so sehr an das tatsächlich geschehene gelehnt, so dass du auch das erwähnt hast, was literarisch nicht so beim leser ankommt. das eingeschobene erlebnis mit dem stromausfall wirkt so geschustert - aber es ist nunmal genau so geschehen. hier solltest du dir nun selbst die frage stellen, für wen du schreibst.
das andere, was ich bei dir anmeckern möchte, ist dein unsauberer erzählstil. du hast in dieser geschichte geschlampt. die vielzahl der wortdoppelungen zeigen es. bei deinen anderen geschichten war das nicht annähernd so extrem wie hier. auch das ist eher ein zeichen dafür, dass du dieses erlebnis für dich selbst festgehalten hast.

im einzelnen:

rue Longwy

wenn ich mich nicht irre, dann ist "rue" französisch für strasse. da es eine deutsche geschichte ist, muss dieses nomen gross geschrieben werden.

Doch ich glaubte, die ganze Welt hätte sich gegen mich verschwört.

das kann ich nicht nachvollziehen

Der Vorgesetzter kritzelte einige Worte auf ein Stück loses Papier,

"Vorgesetzter" >> "Vorgesetzte"

Dann streifte sein suchender Blick über uns hinweg.Es traf einen Brigadier und mich,
vor "Es" eine leerzeile

Es traf einen Brigadier und mich, wir sollten uns sofort in die rue Longwy begeben.
„Es gibt einen Toten“, lautete die karge Anweisung des Dienstvorstehers. Er reichte dem Brigadier das Stück Papier mit der genauen Anschrift und drängte auf eine schnelle Abfahrt hin.

Der Brigadier steuerte den Wagen und sprach kein Wort.


3 mal "Brigadier". was ist eigentlich ein brigadier bei der luxemburgischen polizei? gibt es keine synonyme? ist er nicht ein "Offizier"?

Die rue Longwy schien unendlich lang zu sein und das Licht der Straßenbeleuchtung wirkte wie billige Papierlaternen in dieser stockfinsteren Nacht.
vor "und" besser ein komma

der mit dem Brigadier die ersten Worte wechselte. Etwas abseits hielt sich eine Frau auf, die ununterbrochen weinte. Sie war umgeben von zwei jüngeren Frauen;
schon wieder "Brigadier"
"Frau" ist doppelt, das 2. "Frauen" könntest du eigentlich weglassen"

Ich folgte nun dem Brigadier, der bereits im Treppenhaus war. Die Wohnung befand sich auf der ersten Etage. „Dort ist das Wohnzimmer“, sagte der Brigadier und mir wurde dabei übel.
wenn du auf diese person brigadier so sehr angewiesen bist, dann soltest du ihm einige charaktermerkmale geben, damit du synonyme für ihn hast. "der Rothaarige", "der Alte" etc

Doch dann als ich langsam die Augen weiter nach oben wandern ließ, ertappte ich als erstes nackte Füße. Der Tote hatte die Schuhe ausgezogen. Langsam steuerte ich mein Blick nach oben.

der blick wandert schon wieder nach oben? "weiter höher" wäre besser

Es war noch grausiger, als ich mir es vorgestellt hatte, ich sah ein altes entfleischtes Gesicht und schneeweiße Haare.
hinter "hatte" besser ein satzende

Seine Augen waren weit aufgerissen und sahen mahnend zu mir herunter. Ich hielt diesen Augenblick nur für sekundenlang fest,

"Augen" ist doppelt
"Augenblick" >> "Moment"

die Leiche sei freigestellt worden seitens der Staatsanwaltschaft und dass das Bestattungsamt im Anmarsch wäre.
ich weiss jetzt nicht, ob es in luxemburg anders ist, aber in deutschland stellt der notarzt den tot des erhängten fest.

Vom vielen anstarren, hatte ich plötzlich das Gefühl,

"anstarren" gross
vor "hatte" kein komma

um die Männer vom Bestattungsinstitut zu lotsen. Ich aber stand nun allein im Wohnzimmer mit meiner Leiche; die keine Schuhe trug. Immer wieder traf der Lichtkegel meiner Taschenlampe dieses mahnende Gesicht. Vom vielen anstarren, hatte ich plötzlich das Gefühl, als hätte sich der Tote bewegt.
Endlich trafen die Leute vom Bestattungsamt ein.

zu oft "Bestattung". "Beerdigung" ist auch ein schönes wort

er würde nun den Strick lösen. Widerwillig umklammerte ich den toten Körper. Der Strick war ziemlich festgeknüpft, sodass ich den Leichnam leicht anheben musste. Doch dann unerwartet, löste sich der Strick von der Decke
3 mal "Strick". "Seil" "Band" wären synonyme

fazit: eine solide geschichte - aber für deine verhältnisse ist das absolut unterdurchschnittlich!

sorry

barde

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom