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Die Macht der Schulden
Die Macht der Schulden
Es war eine Last, auf Arbeitssuche zu sein und Schulden zu haben. Frank erging es in dieser Hinsicht nicht anders. Er wollte arbeiten, aber niemand gab ihm eine Chance. Niemand wollte seine Arbeitskraft testen.
Aus der Verzweiflung heraus hatte er ein Video von sich gedreht und diesem Hardcoreunternehmen zugesandt. Er hatte nicht damit gerechnet, berücksichtigt zu werden, aber er bekam eine Einladung.
Nun näherte er sich voller Zuversicht der braunen Empfangstheke des fünfstöckigen Gebäudes. Warmes Licht strahlte von der Decke. Die Lobby war einladend hergerichtet worden. Eine junge, attraktive Empfangsdame begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln und ließ die Umgebung noch freundlicher wirken. Die Dame hatte dunkelbraunes, lockiges Haar und blaue Augen. Frank glaubte, dass sie nicht älter als fünfunddreißig Jahre war.
Für den Bruchteil einer Sekunde blieb Frank stehen und fragte sich, was er hier machte. Auf den ersten Blick war es leicht verdientes Geld. Er würde mit Frauen schlafen und dafür Geld bekommen. Viel Geld. Bei den wechselnden Frauengeschichten, die er hinter sich hatte, sollte das kein Problem werden.
Diese Vorstellung hinter sich zu bringe sollte auch kein Problem werden.
Frank hatte schließlich keine Skrupel gehabt, als er sich nackt ablichten ließ und dieses Video versandt hatte. Zumindest bis jetzt nicht. Bis zu dem Zeitpunkt, als er die Frau hinter der Empfangstheke gesehen hatte und nicht wusste, was ihn erwartete.
Insgeheim wünschte er sich, dass er diese Frau unter anderen Umständen kennen gelernt hätte. Nicht auf Jobsuche und erst recht nicht über ein Vorstellungsgespräch. Unter diesen Umständen konnte er sie unmöglich ansprechen.
„Guten Morgen“, flüsterte Frank nuschelnd vor sich hin.
„Guten Morgen“, erwiderte die Frau mit unheimlich weicher Stimme. Auf ihrem Namensschild stand ihr Name.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Jessica Fröhlich.
„Ich habe einen Vorstellungstermin“, sagte Frank und zog die Einladung aus der Innentasche seines Jacketts. Er reichte es Frau Fröhlich, die es kurz überflog und nickte.
„Als Hardcoredarsteller“, kommentierte Jessica mit seriösem Blick und musterte Frank, nachdem sie den Brief kurz überflogen hatte: „Setzen Sie sich bitte einen Moment.“
Frau Fröhlich wies ihm zuerst den Weg zur Sitzgruppe und griff dann zum Telefon. Sie drückte auf eine Kurzwahlnummer und wartete nicht lange. Als sie sprach, erklärte sie, dass er in der Lobby wartete. Sie lächelte ihn an und Frank wurde es warm ums Herz. Am Liebsten wäre er zu ihr gegangen und hätte sie zu einem Rendezvous eingeladen. Bei dem Gedanken daran, warum er hier war, ließ er diesen Gedanken aber wieder fallen.
Frank setzte sich auf den beigefarbenen Sessel. Vor ihm stand ein teuer aussehender Glastisch. Frank nahm wahr, dass sich nur Erotikmagazine darauf befanden. Frank betrachtete das dreisitzige Sofa, der zum Sessel passte. Am Ende dieses dreisitzigen Sofas befand sich ein Zeitungsständer, in dem Frank normale Zeitschriften entdeckte. Er stand auf und bewegte sich zum Zeitungsständer hin. Ohne darüber nach zu denken nahm Frank sich eine normale Zeitschrift und blätterte lustlos darin herum.
Nach nicht einmal fünf Minuten erschien eine Frau in einem hautengen Einteiler. Sie war jünger als die Empfangsdame. Trotz ihres engen Anzugs wirkte sie seriös.
„Herr Meyer?“, fragte die Dame und streckte ihm die Hand entgegen: „Mein Name ist Durst. Darf ich Sie in den Probenraum führen?“
Noch bevor Frank etwas sagen konnte, drehte sich Frau Durst herum und brachte ihn in einen Raum auf der dritten Etage. Mit einem einfachen Fingerzeig wies sie ihm einen Stuhl zu.
„Wenn Sie ihre Kleidung bitte dort ablegen würden“, sagte Frau Durst und schaute auf die Tür, die der Eingangstür genau gegenüber lag.
„Sobald Sie ihre Kleidung abgelegt haben, darf ich Sie in den Probenraum bitten. Hinter dieser Tür dort.“
Erneut wartete sie nicht darauf, dass Frank etwas erwiderte. Sie ließ ihn alleine zurück und ging voraus. Nachdem sie hinter sich die Tür geschlossen hatte, sah Frank sich im Raum um. Er war rosa gestrichen und außer den Stühlen befand sich nichts in seinem Inneren. Frank zählte acht Stühle, von denen bereits auf sechs Kleidung lag.
Frank setzte sich hin und band sich die Schuhe auf. Bevor er sie auszog, überlegte er sich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, sich als Pornodarsteller zu bewerben. Zweifelnd zog er die Schuhe aus, legte sie unter den Stuhl und hing sein Jackett über die Stuhllehne. Während er sein Hemd öffnete, wurden seine Zweifel immer größer.
„Ich habe Schulden“, rief er sich ins Gedächtnis und zwang sich mit diesem Satz, seine Unterhose auszuziehen und nackt durch die Tür zu gehen.
Ein Raum, von der Größe eines normalen Wohnzimmers befand sich auf der anderen Seite. Die sechs Personen, deren Kleidung Frank auf den Stühlen gesehen hatte, unterhielten sich und warfen einen Blick auf Frank, als er die Tür hinter sich schloss.
„Guten Morgen meine Herren“, erklang die Stimme von Frau Durst durch den Raum: „es freut mich, dass sie alle hergefunden haben. Vorab möchte ich betonen, dass wir die Proben so drehecht wie möglich gestalten und Kameras mitlaufen lassen. Die Kameras laufen aus folgenden Gründen mit. Erstens haben wir dann die Möglichkeit heraus zu finden, wie sie sich beim täglichen Dreh verhalten würden. Auf der anderen Seite und deshalb haben sie alle die Erlaubnis unterschrieben, wäre es Schade, wenn wir ihre Bemühungen nicht in irgendeiner Weise verarbeiten dürften.“
Frau Durst lachte kurz auf und fuhr dann fort: „Haben sie noch Fragen, bevor wir loslegen?“
Frank schaute sich um. Sieben Kameras filmten ihre Bemühungen, mit Frauen zu schlafen, doch keine einzige Darstellerin war zu sehen. Unzählige Menschen standen in dem Raum herum und warteten auf den Beginn der Vorstellung.
„Da sie keine Fragen haben, beginnen sie bitte mit ihrer Vorstellung.“
Frau Durst schaute in die Runde und wartete darauf, dass die Bewerber endlich anfingen.“
„Also ich heiße ...“, begann Frank und wurde von Frau Durst unterbrochen.
„Nein, masturbieren sie“,forderte sie die sieben Männer auf: „Die persönliche Vorstellung erledigen wir, sobald sie den ersten Test durchlaufen haben.“
„Wir sollen was?“, fragte Frank.
„Holen sie sich einen runter. Zeigen sie, dass sie auch einen Orgasmus bekommen können, ohne mit einer Frau zu schlafen.“
„Ich dachte, dass wir mit Frauen schlafen sollen“, warf ein Mann ein, der links neben Frank stand.
„Sie glauben doch nicht im Ernst daran, dass wir heute sieben Frauen hierher bestellt haben, mit denen sie sich dann vergnügen können, oder?“, erklärte Frau Durst mit fester Stimme: „Bei dieser Übung werden aller voraussicht nach mindestens die Hälfte der Probanden scheitern. Diejenigen von ihnen, die diese Übung zu unserer Zufriedenheit erledigen, werden dann auch mit Frauen schlafen können. Entschuldigen sie, wenn sie etwas anderes wünschen, aber wir sind ein seriöses Hardcoreunternehmen und haben keine Prostituierten angestellt. Außerdem ist die Selbstbefriedigung eine normale Angelegenheit. Zugegeben, man tätigt sie am Liebsten, wenn man alleine ist, aber heute dürfen sie einmal in aller Öffentlichkeit. Heute testen wir, ob sie genügend Selbstvertrauen mitbringen, um diese Hürde zu meistern. Darf ist sie deshalb bitten, mit der ersten Übung zu beginnen.“
Frank schaute sich um. Drei der sieben Männer hatten angefangen, an ihrem Glied zu spielen. Bei einigen stand er schon und andere wussten vor lauter Scham nicht, wie ihnen geschah. Frank befand sich unter den zuletzt genannten.
Er fühlte sich so überflüssig, so völlig erniedrigt. Irgendwie hatte er sich die Vorstellung ganz anders vorgestellt. Er spürte, wie er rot wurde und wäre am liebsten gegangen, aber das durfte er nicht.
Erneut dachte er an seine Schulden und die vielen Absagen, die er bereits erhalten hatte. Er hatte keine andere Chance.
Zögerlich nahm er sein Glied in die Hand und zog die Vorhaut vor und zurück. Mit jeder Bewegung fühlte er sich schlechter. Mit jeder Bewegung senkte er seinen Kopf ein wenig mehr und versuchte seine Bemühungen zu vergessen.
Die ersten beiden Männer drehten sich nach nicht einmal einer Minute herum und verließen den Raum. Frank schaute ihnen hinterher und wünschte sich, ihnen folgen zu können. Er konnte aber nicht. Mittlerweile spürte er, wie sein Glied sich versteift hatte und er Spaß daran bekam, sich selber einen runter zu holen. Die Chance, im Anschluss an diese Übung mit einer Frau zu schlafen und genügend Geld zu verdienen ließ ihn die Pein vergessen, die ihn wie ein ein Stromstoß durchbohrte.
Beim ersten Mann kam der Orgasmus. Er stöhnte leise vor sich hin und dachte nicht daran, sein Treiben zu stoppen. Mit einem „Ja“ entledigte er sich seinem Sperma und ließ den Saft in seine Hand gleiten. Ihm wurden einige feuchte Tücher gereicht, an denen er sich die Hand abwischte.
„Sie möchten sich bestimmt waschen?“, fragte Frau Durst und ließ den Mann durch eine Mitarbeiterin in den Waschraum führen.
Frank fühlte sich Hundeelend, als er gesehen hatte, wie viele Augen den Mann angestarrt hatten, während es ihm gekommen war. Er stoppte seine Bemühungen und schaute sich nervös um.
Kommentarlos drehte er sich herum und verließ den Raum.
„Möchten Sie wirklich gehen?“, wandte sich Frau Durst an ihn: „Sie haben es beinahe geschafft.“
„Es tut mir Leid“, sagte Frank und schüttelte den Kopf: „Ich komme damit einfach nicht klar.“
Frank verließ den Raum, zog ich an und wollte den Raum verlassen, als ihm einfiel, dass er seine Schulden nun nie wieder los werden würde. Spätestens, wenn er den Offenbarungseid leisten musste, würde er sich nie wieder etwas erlauben können.
Ohne zu überlegen stieg Martin auf das Dach des Hauses und schaute an der Kante nach unten. Blanker Asphalt war zu sehen. Er würde sterben, wenn er sprang. All seine Probleme würden mit einem Mal aufhören und niemand würde ihn mehr zur Rechenschaft ziehen.
Frank ging einige Schritte zurück und lief auf die Dachkante zu. Noch bevor er die Dachkante erreicht hatte, blieb er stehen, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen.
Verwirrt schaute er sich um, ohne zu wissen, was geschehen war.
„Du kannst auf die Schnauze fallen“, hörte er plötzlich die Stimme seiner Mutter in seinem Inneren: „Wichtig ist, dass du immer einmal mehr aufstehst, als du hin fällst.“
Frank dachte an der Dachkante einige Sekunden über die Worte nach. Als er nach unten sah, wurde ihm bewusst, dass seine Mutter recht hatte.
Er lebte. Es war kein schönes Leben, aber er konnte es ändern. Sich einfach aus dem Leben zu stehlen, war nicht fair. Nicht seiner Mutter wegen, sondern seinetwegen.
Ihm war bewusst, dass seine Herausforderung darin lag, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er stieg vom Dach herunter, ging ins Erdgeschoss zurück und verließ das Gebäude.
Einige Sekunden blieb er vor Jessica Fröhlich stehen. Sie trug keinen Ring. Sie trug auch keine Anzeichen, die verrieten, dass sie einen Freund hatte. Frank bildete sich ein, dass ihr Lächeln sie auffordern sollte, sie anzusprechen, aber dazu hatte er noch keinen Mut. Er drehte sich herum und verließ das Gebäude. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, hatte er sich nicht nur vorgenommen, sein Leben zu ändern. Er wusste, dass er es schaffen würde.