steeeeeephy!!! Willkommen zurück!!
Freut mich wirklich, dich wieder hier zu sehen! 
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Aber nun zurück zum Thema...
Hallo isa,
also, ich geh' erstmal auf deine Geschichte ein und dann auf deine zwei Fragen oben, deren Beantwortung ich dir noch schuldig bin.
Aber vorher noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:
Sie beugen ihre Köpfe vor der Natur. Auch du meine liebe Freundin respektierst sie.
Zuerst gehört nach "du" und nach "Freundin" jeweils ein Komma, weil "meine liebe Freundin" eine Einfügung ist (der Satz könnte auch einfach "Auch du respektierst sie." heißen und wäre dann immer noch vollständig, deshalb kommen da Kommas hin).
Dann finde ich den zweiten Satz mit der Freundin etwas missverständlich. Ich habe beim ersten Mal nämlich gelesen, dass die Freundin die Menschen respektiert und nicht die Natur! Und ich glaube, das ist auch die normale Lesart. Also, vielleicht kannst du das noch etwas umformulieren, damit das gleich ganz klar ist, wen die Freundin denn nun respektiert - die Natur oder die Menschen...
Regen stürzt auf die gepeinigten Regenschirme der grauen Menschen.
Hier frage ich mich, ob nicht eher die Menschen gepeinigt sind als die Regenschirme. Regenschirme spüren keinen Schmerz. Deshalb können sie eigentlich auch nicht gepeinigt sein (Pein ist dasselbe wie Schmerz).
Aber jetzt zum Wesentlichen: Genau wie stephy finde deine Geschichte auch sehr, sehr gut. Sie ist sehr dicht geschrieben und bietet damit viel Anregung für die Phantasie des Lesers. Du hast mindestens eine überraschende Wendung eingebaut:
Die Masse könnte dich zerstampfen, wenn sie wollte. Aber heute schiebt sie dich nach Hause.
...was dafür sorgt, dass es einem beim Lesen nicht langweilig wird - selbst dann, wenn einen das Thema Einsamkeit nicht so interessiert.
Auch diese Stelle, gleich darauf, hat mich beim Lesen überrascht:
Du bist einsam. Immer einsamer. Du willst versuchen, einige Menschen aus der Masse zu lösen und sie zum Tee einzuladen. Sie wollen aber keinen Tee.
Das finde ich ziemlich spannend, und zwar aus zwei Gründen:
1. Die Protagonistin bleibt nicht einfach nur beim bloßen fühlen, sondern tut auch etwas dagegen! Ich kann dir gar nicht sagen, wieviele Geschichten ich hier schon gelesen habe, die beim bloßen Gefühl von Einsamkeit einfach aufgehört haben zu erzählen. Da war dann einfach nichts mehr mit "zum Tee einladen"! Ganz im Gegenteil: Da wurde gerade mal noch einige Zeilen lang gejammert und das war's dann.
2. Die in die "Masse" eingebetteten Menschen wollen gar keinen Tee: Die Prota stößt also auf Widerstand. Auch hier wird damit Spannung erzeugt, etwas, was ich für sehr wichtig beim Erzählen von Geschichten halte.
Und zum Schluss heißt es dann
Mit aller Macht klammern sie sich an ihre Regenschirme.
womit du das Ende deiner Geschichte mit deren Anfang verknüpfst und damit eine runde Sache aus dieser machst. Das finde ich ebenfalls sehr gut.
Was ich noch so alles gut finde: Die Geschichte ist in der zweiten Person geschrieben. Tausende Geschichten sind entweder in der ersten oder der dritten Person geschrieben, aber nur ganz, ganz wenige in der zweiten. Das ist mindestens einmal eine schöne Abwechslung, hat für mich aber auch den Effekt, dass die Erzählerin in meiner Vorstellung viel mehr, aber dennoch getrennt von ihren Figuren, in den Vordergrund tritt. Das heißt, die Erzählerin ist hier für mich irgendwie viel präsenter, als bei den meisten anderen Geschichten. In meiner Vorstellung sitzt sie zB. gerade in irgendeinem Café, sieht dabei aus dem Fenster in den Regen hinaus und schreibt diese Zeilen nieder während sie über ihre Freundin nachdenkt.
Dann ist die Geschichte ziemlich rätselhaft. Vieles bleibt offen, zB. die Stelle mit der Musik. Welche Musik die Freundin wohl hören mag? Und warum machen ihr die Menschen Angst? (oder macht ihr eher die "Masse" Angst?) Und warum frägt sie sich, ob ihr Gesicht sie verraten könnte? Hat sie etwas zu verbergen? Usw.
Das alles, finde ich, führt zu einer ausdrucksstarken Charakterzeichnung jener Freundin. Und das in nur wenigen Sätzen. Das hat schon was.
Also, wie gesagt, hat mir sehr gut gefallen. Wenn du vorhast, noch weiter zu schreiben und hier zu veröffentlichen kannst du dir sicher sein, dass ich auch noch deine nächsten Werke lesen werde.
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isatoo schrieb:
@ Ratte: Kann man nicht auch über Gefühle philosophieren? Was ist denn für dich Philosophie?
Also: Selbstverständlich kann man auch über Gefühle philosophieren. Bei mir an der Uni werden ganze Seminare zu diesem Thema angeboten und es gab (oder gibt?) in der Geschichte auch einige Philosophen, die sich ausgiebig damit beschäftigt haben, zB. Spinoza im 17. Jhr., um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen.
Um über Gefühle zu philosophieren reicht es aber nicht, nur zu behaupten, dass man welche hat und wie man diese selbst so beschreiben würde (zB.: was machst du für gewöhnlich, wenn du wütend, traurig oder einsam bist?). Das ist Sache der Psychologie.
In der Philosophie dagegen steigt man ganz einfach viel tiefer in das Thema ein. Da geht man Fragen nach, wie zum Beispiel:
- Welche Ursache und welchen Zweck haben Gefühle generell und im Besonderen?
- Stehen Gefühle in Verbindung miteinander? (bin ich zB. immer dann auch traurig, wenn ich zugleich wütend bin oder umgekehrt? Wenn ja: warum?)
- Was ist der Grund dafür, dass wir überhaupt so etwas wie Gefühle haben? Weshalb haben wir alle nicht einfach überhaupt keine Gefühle? Und weshalb könnte das ein Problem für uns darstellen?
- Gibt es Grenzen unseres "Fühlen-Könnens"? Gibt es Umstände, wo ich nicht "noch mehr" fühlen kann als ich gerade schon fühle?
Und so weiter...
Zu deiner zweiten Frage: Philosophie ist für mich tiefes Denken (und natürlich das, was dabei herauskommt). Wenn ich dagegen Poesie betreibe - um mich auf meinen obigen Kritikpunkt zu beziehen - und dabei zB. ein Gedicht schreibe, dann bin ich viel weniger mit denken als vielmehr mit empfinden beschäftigt. Das ist völlig in Ordnung, aber man sollte diese beiden Bereiche nicht miteinander verwechseln.