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Die Melodie über der Erde

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24.08.2006
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Die Melodie über der Erde

Im Lichte eines blutenden Sonnenuntergangs sah ich eine kleine schwarze Silhouette am Horizont. Sie sah aus wie die Rückseite eines kleinen Schokoladenkäfers. Ich atmete. Ich zitterte. Ich schaute auf den düsteren Erdboden vor mir.

Als ich wieder aufschaute, unsicher, da tanzte die Silhouette. Entfernt hörte ich eine Melodie, oben im Himmel. Auf und ab schob sich der plumpe Körper, passend zur Melodie.

Käferflügel konnte ich keine erkennen, auch keine kleinen Arme. Natürlich - es hätte ein Mensch sein können. Ein alter Mensch vielleicht. Die Figur war zerzaust an allen Rändern, ganz besonders am kleinen Kopf. Aber alles war sehr weit weg und die Figur selbst war nur etwa so groß wie eine 2 Cent-Münze. Es hätte auch ein Käfer sein können. Vielleicht war es auch nur ein Käfer, wenn ich darüber nachdenke. Es wäre jedenfalls besser - wenn es ein Käfer gewesen wäre.

Schwere Wolken zogen heran. Tief und schwarz schoben sie sich in den Himmel. Musiknoten tanzten still in der Luft.

Dreidimensionale Bilder drehten sich gleich neben den Noten. Sie drehten sich vorwärts und rückwärts. Ich sah Bilder mit merkwürdigen Menschenköpfen darin, sah faule Zahnstümpfe, welke Haut. Die Menschenköpfe verschwammen, die Münder klappten mechanisch auf. Licht zitterte und zuckte. Verblühter Lebensatem umfloss mich. Rosenköpfe tauchten auf. Ein Rabe krächzte, flatterte und startete seinen Flug in die Wolken!

Immer wieder ertönte die selbe Musik. on einer hellen, feinen Kinderstimme gesungen. Mir war, als wäre es kurz davor, dass etwas Furchtbares geschah. Ich riss mich zusammen, und konzentrierte mich auf die schwarze krabbelige Figur.

Da geschah es! Ein rauschendes Brausen verdichtete die Luft! Gehen schien mir unmöglich, so dicht war der Sauerstoff gepresst. Ein Musikkreisel drehte heran. Mächtige, große Noten konnte ich in ihm erkennen. Das bekannte Kinderlied wurde nun mit Pauken und Trompeten gespielt. Die Kinderstimme erhöhte sich noch um eins, zwei Noten. Alles dröhnte und stampfte, bis . . . ja bis aus dem Kopf der Figur auf einmal die Augen traten. Stück für Stück schlüpften sie aus den Augenhöhlen. Die Silhoutte stand dabei ganz still. Das Weiß konnte ich als guten Kontrast zur schwarzen Fläche des kleinen Etwas erkennen. Und dann fielen auf einmal hopp, hopp, die Augen auf den Boden.

Da wurde das Schwarze dann komplett von dem Kreisel der Melodie erfasst; die Augäpfel blieben liegen. Mit einem starken Sog wurde die Figur in die Luft gehoben. Ganz oben war der schwarze Gnom nun und sauste und sauste, Käfer oder Mensch, um eine unsichtbare Achse. Sausend in großen Kreisen, zog sich das Unbekannte immer mehr in die Länge. Es dauerte nicht lange bis es sich zu einer Musiknote verwandelte! Ich sehe es noch: ganz dünn und schwarz war die Figur nun, gar nicht mehr dick und plump. Unten bildete sich ein kleines rundes Köpfchen heraus, dann kam ein langer schwarzer Stab und ganz oben formte sich das Fähnchen wellenförmig.

Ich drehte mich von all dem Unbegreiflichen weg und betete zu Gott. Nach einer Ewigkeit wurde die Musik schließlich leiser und entschwand. Der Boden aber blieb, düster wie vorher, nur der Mond streifte ein paar Erdbröckchen und ließ die Spitzen glänzen.

 

Im Lichte eines blutenden Sonnenuntergangs sah ich eine schwarze Silhouette am Horizont. Sie sah aus wie die Rückseite eines kleinen Schokoladenkäfers.
Also das nenne ich mal nen gelungenen Einstieg. Wirklich: Hut ab.

Verblühter Lebensatem umfloss meine Zunge, schmeckte bittersüß. Rosenköpfe tauchten auf und schossen zischend in den Himmel. Ein Rabe flog vorbei. Laut und lauter durchwebte die Musik den Raum!
In meinen Augen das zweite Highlight des Textes.

Die Kinderstimme erhöhte sich noch um eins, zwei Noten.
Ich bin kein Experte, aber: meinst du nicht Oktaven?

Das Weiß konnte ich als guten Kontrast zur schwarzen Fläche des kleinen Etwas erkennen.
Der Satz taugt nix, drei Adjektive und alle könnte man ersatzlos streichen, sogar den ganzen Satz könnte man problemlos weglassen. Der klingt auch nicht.

(die Augäpfel blieben liegen)
Das ist eine Glaubensfrage. Für mich haben Klammern in einem belletristischen Text nicht verloren; die gehören eindeutig in Sachtexte (außer diese ironische Klammerverwendung).

Hey Covellin,

ich hab keine Ahnung, was ich da eben gelesen habe, aber es hat mir gefallen. So eine Art „Bilderrausch“. Das Problem ist ein bisschen, dass du es nicht richtig zulässt, dass ich mir ein Bild aufbauen konnte. Weil du ins Detail gehst, bevor du das große Ganze zementiert hast. Jedenfalls ging mir das so, in den Detailbeschreibungen des zweiten Drittels hab ich mich ein wenig verloren.

Auf jeden Fall sehr interessante, irgendwie purpurfarbene Ideen und Bilder und drei bis vier wirklich wunderbare Sätze.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

danke schön für dein Feedback. Es ist immer schön, wenn man einen Leser jedenfalls streckenweise begeistern kann. Was du gelesen hast? Ich hatte ein schräges Lied der Amelie-CD gehört und das war mir nach und nach dazu eingefallen. Kein Rausch einer Droge also, aber es hätte durchaus sein können.

Bei den Noten und Oktaven - da werde ich nocheinmal nachschauen. Auch mir kam erst Oktave in den Sinn. Aber das schreibt sich einfach so, und ich wusste nicht, wieviel Noten die Oktave nun hat (es sind doch 8?). Also blieb ich erst einmal beim Beschreiben.

Die Augäpfel, die in den Klammern liegenblieben, sollten die skurrile Hauptperson nochmals beschreiben. Die Klammern können weg, no problem.

Der Satz mit den vielen Adjektiven, der deiner Meinung nach nichts taugt, an dem werde ich noch arbeiten müssen. Du hast Recht, er klingt nichts!! Wenn ich ihn lese, klingt er so als erste Beschreibung für etwas, was noch eingebaut werden soll. Es ist tatsächlich ein weiteres Bild, eine Art von Comic-Bild in Schwarz-Weiß, an das ich dachte. OK, es fiel mir auf den letzten Drücker noch ein . . . Aufmerksame Leser merken es, zu recht. Ich bin ein schlechter Schummler . . . :)

Auch das Gesamtbild werde ich noch einmal überarbeiten, damit der Leser es intensiver sehen kann. So wie es ist, ist es noch eine Aneinanderreihung von Bildern. Lose. - Ein sehr guter Gedanke von dir!

Vielen Dank für die Arbeit und eine gute Schreiber-/Leserzeit für dich!

covellin

 

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