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Die Neunte
Die Neunte
Es ist ein herrlicher Sommertag, früher Morgen, sie gießt die Blumen auf dem großen Balkon.
Ein zartes Etwas umhüllt den Körper, eben vom Schlaf erwacht. Die wärmende Sonne auf dem Rücken, sie fühlt sich unendlich wohl.
Schräg über ihr, das Atelier des Malers, die raumhohe Fenstertüre ist weit geöffnet.
Sie hört die Neunte, Beethoven in ihrer Urgewalt und sieht sein Bild vor den Augen.
Es ist förmlich zu spüren, wie er über die Musik kommuniziert, sie soll sie mitnehmen in diesen prachtvollen Sommertag, ihre Sinne wecken!
Nach oben blickend, erkennst sie den Maler hinter der offenstehenden Türe. Ein Lächeln auf ihren Lippen.
Der Kaffee gibt ihr eine Pause, das Lächeln verstärkt sich, sie will ihn locken.
Auch unter der Dusche hört sie seine Musik, Hände umspielen ihren Körper. Das wohlige Gefühl des warmen Wassers, der beginnende, traumhafte Tag.
Sie wird seine Einladung annehmen!
Sie kannte ihn kaum, die wenigen wortlosen Begegnungen, seine Blicke, sein Gang, seine Zurückgezogenheit. Und heute? Diese Matinee, sich zeigend, fast schüchtern auf Zustimmung hoffend?
Im Kopf entstehen Bilder, Bilder lasziver Erotik.
Berührungen, Zärtlichkeiten, Küsse. Ihre Hände entwickeln Selbstständigkeit, streichen über die Brüste, den Nacken, kehren zurück zum Po, den Schenkeln, einen kurzen Augenblick auf ihrer Scham.
Fast automatisch greift sie im Schrank nach der Wäsche, heute in knalligem Orange, malerisch!
Sie wird ihn überraschen, das Lächeln auf den Lippen, es kehrt zurück.
Wird er erkennen welches Signal sie ihm sendet?
Das Sonnenöl glänzt auf der Haut, die dunkle Brille lässt sie sehen, ohne gesehen zu werden.
Die Liege auf dem Balkon, sie ist zur Sonne ausgerichtet und zum Fenster des Ateliers.
Sie kennt die Wirkung der langen Beine, züchtig überkreuzt. Genießend zurückgelehnt in die weichen Polster, die wärmenden Strahlen der Morgensonne auf dem Gesicht, dem Busen, ihren Beinen.
Sich umfassend streckt sie die Arme nach hinten, spannt den Körper der Sonne und seinen Blicken entgegen.
Er ist erkennbar, einen Schritt hinter der Scheibe und er ist bei ihr, mit seinen Augen, seinen Empfindungen, seinem Mannsein.
Er wird bei ihr sein, solange sie ihn sich in ihren Gedanken herbei sehnt.
Ihre Hände liegen locker auf dem Bauch. Er ist da und er sieht jede der kleinen und kleinsten Bewegungen, er sieht sie in ihrer Fraulichkeit.
Sie legt den Kopf zur Seite, lässt ihrer Phantasie freien Lauf.
Zehn Meter trennen sie und den Maler. Sie wird sein Modell sein und ihn fordern!
Blicke hinter dem Glas der Türe, sie malen die vormittägliche Szene, ruhig beobachtend.
Ihre Hände streicheln! In Gedanken sind sie längst die seinen!
Sie öffnet leicht die Beine, spürt seine Hände. Berührendes an der Innenseite der Oberschenkel, hinunter zum Knie, streichelnd über die Wade bis zu den Spitzen ihrer Zehen.
Sie lässt es geschehen, nein sie sehnt es herbei, verdichtet es vor ihrem geistigen Auge.
Seine Küsse auf den Fußsohlen jagen wonnige Schauer in ihr Becken, in ihren Bauch, in das Gehirn.
Seine Lippen, auf dem Weg zurück, die kleinen Härchen aufrichtend, lassen sie leise stöhnen.
Verharrend an einzelnen Punkten, seine Lippen pressen, für Momente spürt sie seine Zunge auf der Haut.
Ihre Hand, fast willenlos, hat sich unter den Rand des orangefarbenen Höschens geschoben, in ihrer Vorstellung drücken seine Lippen auf den Bauch, sie einatmend, küssend, liebkosend.
Sie liebt sich, schamhaft, verborgen unter dem orangefarbenen etwas. Ihren Kopf auf der Seite, der Atem stoßweise, die Welt zerplatzt in ihrem Kopf. Ihr Becken unter ihm, in rhythmischer Bewegung. Sie hört sein Stöhnen, dicht am Ohr, dreht sich zu ihm und seine Zunge, tief in ihr, raubt ihr alle Beherrschung.
Über ihr, die Schlussakkorde der Neunten von Beethoven mit großem Orchester. Sie sieht ihn, den Maler über ihr, lächelnd, er wird zur Staffelei gehen, jetzt! Sein Körper, seine Hände, sie werden malen, ohne Mühe, das Lächeln wird seine Lippen nicht verlassen.
Sie dreht sich auf den Bauch, die wärmende Sonne im Rücken.
Das Bild! Wann wird es fertig sein? Wird er es Ihr zeigen?
© GRIFFEL 2009