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Die Party
Aus dem Tagebuch des Patrick
Zuweilen müssen Erinnerungen notiert werden. Konserviert. Für immer aufbewahrt, um sie der weiteren Entfremdung durch die Zeit und ihrem großen psychedelischen Radiergummi zu entreißen.
Es dürfte interessant sein, diese Zeilen noch einmal in 30 Jahren durchzulesen – und erstaunt auszurufen: „Was? So war das doch damals nicht!“
Was soll ich sagen? Menschen und ihr seltsames Gehirn!
Da war einmal diese Party....
Es war eine jener Partys, die für immer im eigentlichen Selbst verankert sind. So, wie das erste Mal auf einem öffentlichen Scheißhaus zu sitzen und, nachdem man den großen, dampfenden Berg in die Schüssel gedrückt hat, zu merken, dass weder Papier, noch Tempos, noch Zeitungen in greifbarer Nähe lagern.
Solche Erinnerungen prägen einen.
Eine solche Party schildert man den Uneingeweihten stets in harmloserer Form. Ersetzt in Gesprächen mit den Arbeitskollegen, neuen Freunden, Bekannten von Bekannten auf einem langweiligen Zusammensitzen die unkontrollierten sexuellen Entladungen durch harmlose Flirts, diverse Drogen durch Alkohol, eigene Exzesse dadurch, dass sie einmal irgendeinem Freund eines Freundes passierst seien. Erzähl dass oft genug und du glaubst selber an die Version. Was absolut notwendig ist, wenn man älter wird und als vollwertiges Mitglied inklusive alles Vorteile (geregeltes Einkommen, Fernsehen, gepflegte Langweile auf hohem Niveau) der Gesellschaft angesehen werden will.
In jener Nacht hörte ich nach der sechsten Tüte und vierten Bong zu zählen auf. Irgendein Freak hatte Pilze dabei. Zu der vernebelten Schädelhöhle kam ein, durch seltsame Visionen, verunsichertes Nervensystem. Hey! Wenn Du stoned und zugedröhnt mit Jemandem wirklich ernsthaft darüber diskutierst, ob Außerirdische im Inneren der Erde leben und auch eine Basis auf der Mondoberfläche besetzt halten – und dieser Jemand scheint die Muster des Sofas auf dem er sitzt so ganz nebenbei als seine Hautfarbe anzunehmen – dann flippen auch deine Nerven aus. Ganz ruhig bleiben. Ist nur ein Flash. Geht vorbei. Außer du armes Schwein bleibst auf diesen Film hängen.
Es war dennoch ein kleiner Schock. Genug um meinen am Boden schnarchenden Körper zu wecken. Was Scheiße war, da er mir sofort mitteilte, ihm sei hundelend und er müsste spucken. Mühsam durch die Menge krauchend, auf allen Vieren, Richtung Bad. Im Nachhinein erscheint es mir bezeichnend, dass es niemanden seltsam vorkam jemanden auf allen Vieren durch die Wohnung ziehen zu sehen. Ja, es kam mir vor, als träfe ich andere auf meiner Reise zum Bad. Andere, die mir ins Gesicht sahen, müde auf allen vieren an mir vorbei krauchend um sich wahrscheinlich noch einen Topf zu ziehen – oder einen Jägermeister zu trinken, oder einfach nur bekifft den ganzen Abend rumzukrauchen.
Zwischenzeitlich war meinem Körper richtig richtig schlecht – und er bestand darauf kotzen zu wollen. Alle Konversationsversuche der anderen, die daraus bestanden mich irgendwie anzusehen und unverständliche Laute von sich zu geben, ignorierend erreichte ich nach 3 Wochen das Bad. Und es war unbesetzt!
Ich zog mich zur Toilette, hängte mich herüber und ließ meinem Körper seinen willen.
Teufel.
Was für ein Scheiß Nachgeschmack im Mund. So muss sich ein Mann fühlen, der als Mutprobe das Arschloch einer Kuh küsst.
Nachdem ich die Toilette gespült hatte und zitternd den verfluchten Pilzidioten verfluchend auf den Fliesen lag, entdeckte ich am Waschbecken eine Art Erlösung. Sie wirkte auf mich wie die erste Cola nach einem wirklichen ausbrennenden Trip auf Speed. Ich zog mich zum Waschbecken – meine Beine irgendwie nur ein Anhängsel dass mich behinderte und zog mich daran empor.
Teramed Liquid - flüssige Zahncreme. Ich packte die Tube und haute mir einen großen Batzen des blauen Zeuges in den Mund. Gurgelte. Und dass Zeug begann zu schäumen. Richtig übel zu schäumen. Scheiße, mir lief der Schaum aus der Nase – und es begann zu brennen. Meine Zunge wurde pelzig, dann taub. Meine Mundschleimhäute waren zu einer riesigen trockenen Papiermasse rings um meinen Mund erstarrt. Ich spuckte das Zeugt aus, spülte Wasser nach, Tränen liefen mir aus den Augen. Herr-im-Himmel, das Zeug war ätzend.
Schlagartig nüchtern sah ich auf die Packung in meiner Hand. Konnte jetzt auch wieder lesen.
Wollte irgendetwas wie „Scheiße, Scheiße, Scheiße“ flüstern – aber meine Zunge, mein gesamter Mund war taub.
Die Flasche in meiner Hand war eine flüssige Nachfüllpackung für WC-Reiniger.