Die Rast
Molt ließ seinen Blick über die weiten Felder und grünen Auen schweifen, Tau glitzerte im Gras und die Sonnenscheibe schob sich langsam über die Hügel am Horizont. Unter ihm lag ein malerisches Tal, in dessen Mitte ein See schimmerte.
„Ein wundervoller Platz zum rasten, nicht war Elessa?“ fragte er die große, blonde Gestalt neben sich.
„ Allerdings, schön ist es hier mit Sicherheit. Und ebenso ein guter Platz zum rasten, wenn man es aus der Sicht eines Jägers betrachtet...oder eines Tölpels,“ war die Antwort.
„Für Gejagte aber ist es eine Falle. Sieh dir das Tal an Molt, es ist ringsherum von Hügeln umgeben. Wenn wir einmal dort unten sind, kommen wir nicht mehr heraus, wenn es anderen nicht passt.“
„Ach Elessa, du bist übervorsichtig. Wir reiten seit fast 5 Tagen und Nächten mit nur kleinen Pausen. Ich brauche eine längere Rast, nicht jeder kann deine Ausdauer haben. Übrigens, auch den Pferden scheinst du überlegen zu sein.“ Dabei deutete er mit einem Nicken zur Seite, wo ihre beiden Araber standen. Sie waren gute Tiere, aber während ihrer Flucht waren sie mehr als einmal nahe an einem Zusammenbruch gewesen.
Er musste lächeln, ihr Seitenhieb war ihm nicht entgangen, doch er hatte sich im Laufe der Jahre an ihren trockenen Humor und ihre Sticheleien gewöhnt. Sie war eine imposante Erscheinung, an die 2 Meter groß, und somit sogar ein wenig größer, jedoch schlanker und zierlicher, als er selbst. Letzteres hatte aber nicht zu bedeuten, dass er sich als stärker oder gar als überlegen sah, Elessa kombinierte Kraft mit Schnelligkeit und somit war sie für jedermann ein ernstzunehmender Gegner. Oft sah er ihr staunend bei ihren Schwertübungen zu, er bewunderte, wie sie mit ihrer Waffe umzugehen verstand. Ihre Übungen wirkten wie ein Tanz, ihre Klinge schien oft wie ein verlängerter Arm, als ob sie zu Elessas Köper gehörte. Er war da ein ganz andere Typ, wenn er seine Streitaxt schwang, dann gab es keine Technik, keine bedachten Bewegungen. Er profitierte von seiner Kraft, und die hatte bis jetzt immer ausgereicht.
„Ich denke du bist wirklich zu vorsichtig. Lass uns hier einen Tag rasten, das Wasser wird genießbar sein, und vielleicht fangen wir uns den einen oder anderen Fisch,“ wandte er sich von seinen Gedanken ab und wieder ihr zu. „Ich weiß, die Sache ist nicht gut für uns verlaufen, doch die, die uns an den Kragen wollten waren zum Großteil Bauern auf alten Kleppern. Die Soldaten, die vielleicht vom Landgrafen ausgesandt wurden, hatten Rückstand, ich schätze eine Stunde oder sogar zwei. Elessa, wir haben so viele Flüsse durchritten, es ist unmöglich, dass uns jemand gefolgt ist.“
„Wenn du meinst,“ entgegnete sie nur knapp. Diese Antwort machte Molt wütend, es war Elessas kühle, ignorante Art, die ihn schon oft zur Weißglut gebracht hatte. Immer, wenn sie verschiedener Meinung waren, kam eine solche Äußerung von ihr und meistens folgte dieser ein ausführlicher Disput.
An ihrem Lächeln erkannte er, dass sie wusste, wie ihn ihre Aussage erzürnt hatte. Diesmal kam es nicht zu einem Streit, sie hob beschwichtigend die Hand. „Vielleicht hast du recht Molt, eine Pause wäre nicht schlecht, die Pferde sind müde. Ich weiß aber auch, dass man sich niemals sicher sein darf, also halten wir die Augen offen.“
Sie gab Molt mit einem Kopfnicken Zeichen aufzusitzen und langsam ritten sie ins Tal hinab.
Das Tal war von unten genauso schön, wie es von dem Hügel gewirkt hatte. Das Seewasser schmeckte frisch und war angenehm kühl und nachdem beide ein ausgiebiges Bad genossen hatten fischte Molt sogar einige Fische aus dem See. Er hatte eins gelernt, wie man Feuer entfacht, ohne Rauch zu entzünden und somit verstieß ein gebratener Fisch nicht mal gegen Elessas Vorsichtsmaßnahmen.
Der Tag verging ohne weitere Ereignisse, Elessa konnte auch noch so oft Ausschau halten, sie konnte nichts verräterisches entdecken. Am Abend suchten sie sich einen guten Schlafplatz, ihre Pferde banden sie an einen Baum, einige Meter entfernt, aber nicht so weit, dass sie nicht schnell hätten auf sie aufspringen können.
Die Nacht brach herein und die Mondsichel löste die Sonnenscheibe ab. Die Anstrengungen der letzten Tage forderten ihren Tribut und tiefer Schlaf übermannte die beiden.
Ein lautes Wiehern ließ sie beide hochschnellen. Da war etwas bei den Pferden, ein Schatten, eine geduckte seltsame Gestalt. Sie waren beinahe gleichzeitig auf den Beinen, die griffbereiten Waffen gezückt stürmten sie auf die Gestalt zu. Abrupt wandte die Kreatur sich ihnen zu und das, was die Augen der beiden erblickten, ließ sie erstarren. Was ihnen das Mondlicht offenbarte, war eine geduckte, menschenähnliche Gestalt. Die Kreatur stoß ein hundeähnliches Knurren aus und ohne das geringste Vorzeichen stürzte es sich auf Elessa, im Bruchteil einer Sekunde sah sie blutige Krallen auf sich zukommen. Im letzten Augenblick konnte sie dem Hieb ausweichen, die unkontrollierte Bewegung ließ sie jedoch nach hinten fallen. Blitzschnell war die Kreatur über ihr und fiel über sie her. Elessa kämpfte mit voller Kraft gegen sie an, Entsetzen überkam sie als sie merkte, wie stark dieses Ding war. Die schreckliche, verzerrte Fratze dieses Monsters war über ihr, näher und näher kam es ihrem Hals. Elessa brachte ihre ganze Kraft auf, aber es reichte nicht. Unaufhaltsam kam das entstellte Gesicht näher, sie konnte den üblen Atem der Kreatur riechen. Wenige Zentimeter trennten die Kreatur noch von ihrem Hals, sie spürte den unglaublichen Tötungswillen dieses Wesens und sie wusste, dass es gleich vorbei sein würde. Plötzlich jedoch jaulte es auf, es warf seinen Kopf in den Nacken und fletschte mit den Zähen. Mit einem riesigen Satz war es runter von Elessa und verschwand in den Tiefen der Nacht. Das letzte, was Elessa erblickte war Molt, wie er breitbeinig über ihr stand, dann fiel sie in eine tiefe Ohnmacht.
Molt hatte Elessa auf die Pferdedecken gebettet. Sie hatte noch einmal Glück gehabt, bis auf eine tiefe Wunde am Oberarm und einige Kratzer und Prellungen hatte sie keinerlei Verletzungen. Trotzdem hatte sie einiges an Blut verloren, bevor er ihre tiefe Wunde verbinden konnte, sie hatte Fieber aber glücklicherweise keinen Wundbrand. Sorgen machte ihm vielmehr der Zustand, in dem er das Pferd vorfand. Er machte sich keineswegs Sorgen um das Überleben des Tieres, denn er hatte es sofort getötet. Es war das gnädigste, was er tun konnte, dieses Biest hatte dem Tier zwei seiner Beine förmlich vom Leib gerissen, und es blutete aus mehreren klaffenden Wunden am Bauch. Er fragte sich, was für eine Kreatur es gewesen sein konnte, kein normales Tier griff so an. Er wusste es nicht, er wollte es nicht wissen.
Gegen Mittag erwachte Elessa aus ihrem Fieberschlaf, ihre Augen waren trüb und sie blickten Molt müde an. Zu Molts Freude erblickte er in ihnen, dass sie wusste wer er war, das schlimmste hatte sie also überstanden. Er bat sie liegen zu bleiben und holte ihr frisches Wasser. Elessa trank es gierig aus, „ So so ein guter Platz zum rasten....ich bin also übervorsichtig,“ sagte sie und fiel, mit einem Lächeln im Gesicht, wieder in tiefen Schlaf. Molt beschloss sie ruhen zu lassen, bis sie von sich aus aufwachte. Das Fieber hatte mit Sicherheit viel von ihrer Kraft verbraucht. Er sah sie an und musste ungewollt grinsen, als er ihr zufriedenes, aufgesetztes Lächeln sah. „Es war typisch für sie“, dachte sich Molt. „Sie erwacht aus einem Fieberschlaf und hat nichts besseres zu tun, als mir auf die Nase zu binden, was ich wieder alles falsch gemacht habe und was sie alles besser gewusst hatte.“
Nach einigen Stunden, die Sonnenscheibe stand schon sehr tief, erwachte Elessa erneute. Sie fühlte sich nun stark genug, um aufzubrechen. Sie fragte nach ihrem Pferd, doch Molt erzählte ihr es sei tot gewesen, die Kreatur hätte der Stute die Kehle durchgebissen und es hätte nicht gelitten. Er hatte es schon hinter ein Gebüsch gezogen, denn er wusste wie Elessa an diesem Pferd gehangen hatte und wollte nicht, dass sie es so sah.
Elessa wiedersprach natürlich Molts Vorschlag, sich auf sein Pferd zu setzen, bis sie wieder vollends bei Kräften sei. Diesmal jedoch gab er nicht nach und nach einer kleinen Unterredung war sie bereit das Angebot anzunehmen, jedoch wirklich nur so lange, bis sie wieder bei Kräften war.
Sie beschlossen fürs erste in der gleichen Richtung weiterzureiten. Elessas Gesundheitszustand verbesserte sich von Tag zu Tag doch fast gleichzeitig wurde sie immer schweigsamer. Molt spürte, dass sie etwas bedrückte, doch immer, wenn er sie darauf ansprach, wich sie ihm aus. Anfangs tat er es noch mit einem Schulterzucken ab aber das Schweigen zwischen ihnen wurde immer größer. Sie waren nun schon seit fast acht Tagen unterwegs und Elessa sprach nur noch, wenn es unbedingt nötig war.
„Es ist spät, wir sollten uns einen Platz für die Nacht suchen.“ sprach Molt sie an. Als Elessa seine Worte nur mit einem kurzen Nicken beantwortete reichte es Molt.
„Was zum Teufel ist los mit dir Elessa? Was bedrückt dich so sehr? Sag mir endlich was los ist.“ Die ersten Worte schrie er noch, bei den letzten war seine stimme nur noch ein flehendes Flüstern.
„Es ist....es ist nichts, Molt. Mir ist nur einfach nicht nach reden.“
„Nicht nach reden? Seit Tagen reden wir kaum noch miteinander, sag mir endlich was du hast? Hat es etwas mit den Geschehnissen von dieser Nacht zu tun? Sag es mir!“
Elessa zuckte zusammen. „ Molt......,“ sagte sie traurig. „ Ich weiß auch nicht.. ich fühle mich so seltsam. Irgendetwas in mir scheint sich zu verändern. Ich spüre etwas dunkles in mir. Das schlimmste ist, es scheint immer stärker zu werden.“ Sie sprach erst sehr langsam und zögernd, dann jedoch strömten die Worte nur so über ihre Lippen. „ Von Nacht zu Nacht fühle ich mich immer stärker dazu hingezogen zu jagen, nicht aus Hunger, sondern aus reinem Tötungswillen. Bitte, Molt, du musst mir etwas versprechen.“
Molt wollte etwas sagen, er wollte ihr widersprechen, ihr sagen, dass es Unsinn war, was sie glaubte. Doch als er in ihre Augen blickte, konnte er nicht. Er wusste, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war. Mühsam nickte er ihr zu. „ Ich werde es tun, was immer du verlangst.“
„Molt, wenn du merkst, dass ich mich auf irgendeine Weise verändere, dass ich mich anderes, animalischer oder wilder verhalte als sonst, dann töte mich bitte.“
Diese Worte ließen Molt zusammenzucken, Elessa hatte sie ohne jede Gefühlsregung ausgesprochen.
„Elessa... ich.....“
„Du hast es versprochen Molt,“ unterbrach sie ihn protestierend.
Ihre Stimmte ließ ihm keine Wahl, er nickte und wandte den Blick ab.
Sie ritten einige Tage weiter, ohne dass sich etwas tat. Elessa sprach nun etwas mehr, Molt sah ihr an, dass es gut für sie gewesen war, sich ihm zu öffnen. Nun war er es jedoch, der häufig schwieg. Er hatte oft versucht, mehr über Elessas Befürchtungen und Vorahnungen herauszufinden, doch sie erklärte ihm stets, dass sie auch nicht mehr wüsste als er selbst. Molt beobachtete Elessa häufig während sie schlief, denn ihr schlaf wurde immer unruhiger, sie sprach oder stieß irgendwelche Laute aus. Irgendwann wacht sie dann schweißgebadet auf, doch wenn er fragte, was los sei erhielt er keine Antwort. Sie schien ihn manchmal gar nicht wahrzunehmen und starrte durch ihn hindurch.
Eines Nachts wachte Molt erneut auf, er drehte sich um und Elessa war verschwunden. Es beunruhigte ihn sehr, war vielleicht etwas geschehen? Hatte sie etwas gehört? Schnell stand er auf und nahm seine Axt. Er beschloss an dem Bächlein in der Nähe nachzusehen, vielleicht hatte sie Durst bekommen. Er hörte tatsächlich schon von weitem etwas leise rascheln und im hellen Mondlicht konnte er Schatten am Bach erkennen. Langsam ging er zwischen den Bäumen und Büschen vorbei, kurz bevor er den Bach erreichte knackte ein trockener Zweig unter seinen Füßen. Der Schatten am Bach schoss in die Höhe und raste auf ihn zu, Molt konnte sich gerade noch mit einem Sprung retten. Blitzschnell zog er seine Axt nach oben, doch der Schatten schoss einfach an ihm vorbei. Als er ihm nachblickte schüttelte er den Kopf. Er konnte die Schemen eines Rehs durch die Bäume huschen sehen, seine Nerven waren wohl überspannt.
Als er zurück zum Lager ging, lag Elessa dort, als hätte sie sich nie entfernt. Achselzuckend ließ sich auch Molt niedersinken und wenig später schlief er bereits weiter.
Ein Schrei riss ihn aus seinen Träumen. Es war Elessa. Sofort schrak er hoch und ergriff seine Axt. Er suchte die Umgebung mit seinen Blicken ab, sah jedoch nichts und ließ seinen Blick zweifelnd zu Elessa wandern. Die Axt fiel ihm aus den Händen. Was er erblickte, ließ ihn erstarren. Elessa saß im Gras neben ihm und blickte zweifelnd auf ihre Hände. Sie waren bis zu den Ellebogen mit Blut beschmiert, ebenso wie ihr Gesicht.
„Elessa....was... ist passiert?“ fragte Molt ungläubig, als er sich aus seiner Starre gelöst hatte.
Elessa fing an zu schluchzen, noch nie hatte Molt sie weinen gesehen, sie war zu stolz dazu. Doch nun konnte sie nicht mehr anders, sie war der Verzweiflung nahe.
„Ich weiß nicht was passiert ist Molt, sag es mir, was habe ich getan?“
„Du warst auf einmal weg, ich war am Bach nachsehen, doch da warst du nicht, als ich wiederkam, lagst du da, als wärst du nicht weggewesen,“ seine Worte überschlugen sich. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, konnte seinen Blick nicht von Elessas Händen abwenden.
„ Geh dich erst mal waschen, danach sehen wir weiter.“ versuchte er sie nach einer Weile endlich zu beruhigen.
Er führte sie zum Bach und sie begann sich zu waschen. Auf einmal wirkte sie so hilflos, die starke Persönlichkeit und ihr Stolz, den Molt immer so bewundert hatte schien verschwunden. Während sie sich wusch ging Molt in den Wald, er konnte Elessas Spuren im Gras lesen und so erkennen, dass sie ihn in der Nacht betreten hatte. Schon nach wenigen Metern sah er es. Was es war, konnte er nicht mehr genau sagen, vielleicht ein Wildschwein. Seine Kehle schnürte sich ihm zu, das Bild erinnerte ihn an das tote Pferd. Dieses Tier war quer über den Bauch aufgeschlitzt, seine Gedärme waren meterweit verteilt. Es hatte zwar noch alle Beine, jedoch verriet die Haltung dieser, dass sie mehrfach gebrochen sein mussten und sein Kopf fehlte. Er suchte die nähere Umgebung ab, aber er konnte ihn nirgendwo entdecken. Schnell überdeckte er den Kadaver mit Steinen, Ästen und Zweigen, damit Elessa ihn nicht sofort zu Gesicht bekäme, falls sie in den Wald gehen wollte.
Sie wollte jedoch nicht nachsehen. Molt erklärte ihr, er habe einen blutigen Kadaver in der Nähe des Waldrandes gesehen. Er erklärte ihr auch, dass er gehört hatte, das manche Menschen dazu neigten, nacht aufzustehen und sinnlos umherzuwandern. Dies käme besonders häufig bei Vollmond vor. Es könne sein, sagte er ihr, dass sie über den Kadaver gestolpert sei und sich mit seinem Blut besudelt hätte. Elessa sagte zu der Geschichte nichts, aber sie schien ihm zumindest das mit dem Kadaver zu glauben.
Nach einigen Tagen änderten sie ihren Kurs und ritten in südlicher Richtung weiter, denn so würden sie in einigen Tagesritten nach Cornhaven kommen. Diese Stadt war eine der wenigen, in denen sie Freunde hatten. Elessa schlief seit den seltsamen Ereignissen von neulich Nacht wieder ruhiger. Molt erklärte es damit, dass es vielleicht wirklich etwas mit dem Vollmond zu tun gehabt hatte. Und dass sie nun, wo der Mond wieder zunahm, erneut begann im Schlaf Laute auszustoßen, bestätigte seine Einschätzung.
„Vielleicht war es ja wirklich so, wie ich Elessa erzählt habe, vielleicht ist sie über diesen zerfetzten Kadaver gestolpert. Wer immer dieses arme Tier so zugerichtet hatte, ein gewöhnliches Tier war es nicht gewesen, und schon gar kein Mensch. Wohlmöglich eine Art von Tollwut?“ überlegte er. Ja so musste es gewesen sein, das erklärte auch den Angriff auf das Pferd. Es musste in dieser Gegend eine gefährliche tollwutähnliche Krankheit geben. Molt beschloss, in Cornhaven einige Jäger zu befragen, ob ihnen etwas aufgefallen sei und ihnen zu berichten, was er gesehen hatte.
In den nächsten Nächten schlief Elessa immer unruhiger, je mehr der Mond zunahm, desto stärker begann sie sich im Schlaf zu bewegen und desto häufiger wurde ihr Aufschrecken.
Es würde wieder Vollmond werden und sie waren nur noch zwei, vielleicht drei Tagesritte von Cornhaven entfernt. Elessa und Molt hatten beschlossen, dass es besser wäre, wenn sie wach blieben, um Ereignisse, wie die von der letzten Vollmondnacht zu verhindern. Es wurde Abend und sie saßen um ein kleines Feuer herum. Über ihm grillte ein fetter Hase. Molt aß soviel er wollte, doch Elessa schien irgendwie kein Appetit zu haben, sie zwang sich immer dann, wenn Molt in ihre Richtung sah, einen Bissen zu essen. Er fragte sich scherzhaft, ob Elessa wohl irgendwas an seinen Kochkünsten auszusetzen hatte.
Nach dem Essen entschied Elessa sich dazu, an einem nahegelegenen, kleinen Bergsee Wasser zu holen. Als sie kam war Molt vor dem Feuer eingenickt. Sie grinste, „ nun ja, dann werde ich mich wohl alleine wach halten müssen,“ dachte sie sich und ließ sich ebenfalls am Feuer nieder.
Aus dem Abend wurde langsam Nacht, der leicht bewölkte Himmel wurde nur noch vom Vollmond und von dem Licht der Sterne erleuchtet.
Plötzlich verkrampfte sich Elessas Körper, ihre Muskeln spannten sich so sehr, dass es wehtat. Sie wollte schreien, aber sie konnte nicht, ihre Stimmbänder gehorchten ihr nicht, es war als ob sie nicht zum sprechen taugen würden. Sie spürte, wie sich ihr Körper zu verformen begann, ihr Brustkorb schwoll an und ihre Hände wurden immer haariger. Ihr Kopf schmerzte unerträglich, sie hörte, wie ihre Schädelknochen knackten und brachen.
Dann war sie da, eine unglaublich starke Mordlust, ein Hass auf alles Lebendige, eine unstillbare Gier. Die Kreatur roch ein Opfer, hörte seinen Atem, roch sein Blut, dass durch seine Adern pulsierte. Mit einem Satz war es auf ihm.
Molt erwachte schlagartig. Er hörte ein Knurren und seltsamerweise kam es von direkt über ihm. Er öffnete die Augen, über seinem Gesicht erkannte er eine verzerrte Maske des Schreckens. Die Fratze erinnerte ihn entfernt an einen Hund oder an einen Wolf. Er versuchte die Kreatur von sich zu stoßen, doch sie war zu stark. Verzweifelt blickte er neben sich, doch Elessa war nicht da. Speichel tropfte auf sein Gesicht und unwillig starrte er in das geöffnete Maul des Monsters.
Ungläubig starrte er es an. Schlagartig wurde ihm alles klar. Das Gesicht, dass er im Feuer sah, war eindeutig das von Elessa. Er erkannte es, mochte es noch so von Haaren bewachsen und noch so verformt sein. Entmutigt sackte er zurück, er gab es auf sich gegen dieses Monster zu wehren. Das letzte Gefühl, was er empfand, war Trauer.