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Thema des Monats Die schwarze Königin (Feb 08)

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06.08.2005
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Die schwarze Königin (Feb 08)

überarbeitete Version, Urversion dort

Dort kommt sie. Erhaben, mit gemäßigtem Schritt gleitet die schwarze Königin durch den dämmerigen Gang, ihre tintenschwarzen Haare umfließen ihr bleiches Gesicht. Die Wände, eben noch angenehm kühl gegen die Hitze draußen, wirken wie dunkles Eis, und sie stößt kleine Dampfwölkchen in die Luft bei jedem Atemzug. Mich fröstelt in meinem dünnen Sommerkleid, mein schmaler Körper zittert. Doch dies ist die Gelegenheit, ich muss sie nutzen. Sie ist allein, ohne ihre Schar von wehrhaften Kreaturen, wenn nicht jetzt, wann dann ...? Jetzt ist der Augenblick, für den ich geboren bin, ich bin die Auserwählte. Ich muss den rechten Zauber sprechen, damit alles ein Ende hat: der Krieg, das Leid, nur ich kann sie verwandeln, sie vor dem Zauber retten.
Ich muss mich eilen, denn wie die Legende sagt, erstarrt mein Denken in ihrer Gegenwart. Meinen Leib erfasst ein Schütteln, meine Lippen gefrieren in ihrer Anwesenheit. Im Geiste sehe ich meine kleinen Schwestern, die wartend in der Küche hocken, kein Spiel zu spielen wagen, bange den Weg zu unserer Hütte im Blick. Die mir Mut wünschen, jeder Gedanke eine wärmende Wolke, eine Hilfe, das rechte Wort zu finden. Schon hüllt mich Frost ein, meine Gedanken erlahmen. Was muss ich sagen? Ich setze meine ganze Kraft ein zu einem einzigen Gedanken.
Endlich verlasse ich den Schutz der dunklen Mauer, trete ihr in den Weg und spreche: „NALC NIEDD NUUD BRITS.“ Der Zauber ergießt sich, die Welt erstarrt wie eine Blase, und ich sehe Begebenheiten meines Lebens. Sie umkreisen mich, laden mich ein, zuzuschauen, sie noch einmal zu erleben.

***​

Ich streife durch das Land, verstecke mich in dem verlassenen, vom Krieg verbrannten Hof. Ein trockener Knapp ist alles, was mir von dem Laib an Wegzehrung geblieben ist, dazu eine Handvoll Beeren, ein Becher Wasser aus dem nahen Bach. Doch ich darf nicht länger rasten, muss weiter durch den düsteren Wald hinauf zur Burg. Die Häscher der schwarzen Königin sind wieder mit ihrer Kutsche unterwegs; sie suchen Dienerinnen, und ich will dabei sein. Meine kleinen Schwestern haben mir das braune Haar geschwärzt, und ich habe mich die Haut mit Asche eingerieben, sie schimmert fahl.

In dem düsteren Burghof stehen die Mädchen und flüstern, und zwischen ihnen wandeln die Gnome und beäugen das frische Fleisch, schnüffeln misstrauisch. Einer sieht aus wie der andere, Brüder in Antlitz und Gesinnung, ungeboren, durch Zauberwerk gezeugt.
Auch ich werde, wie alle, ausgewählt, um die grausame Königin zu unterhalten oder für ihr Wohl zu sorgen. Für eine ungewisse Zeit natürlich, denn lange kann niemand sie zufrieden stellen, und keine wird das schwere Tor wieder von der anderen Seite erblicken dürfen.

***​

Die Musikanten sind auf dem Kirchplatz. Sie haben keine fröhlichen Weisen mitgebracht, spielen nicht zum Tanz auf. Sie sind auf der Flucht, und nur ein Lied geben sie zum Besten. Ängstlich betrachtet einer die Zuhörer, zögert, bevor sie sich sicher genug fühlen. Sie haben nur dieses eine Lied.

Ein Sänger singt die traurige Mär, während Drehleier, Fiedel und Flöte ihr Leid klagen. Immer wieder erklingt der gleiche Reim, doch niemand kann ihn glauben. Einst war sie gut? Die Herrscherin, die alle fürchten, die unberührt bleibt von dem Hunger ihres Volkes? Die das Land hat ausbluten lassen im Krieg um Schätze, die ungenutzt in Truhen ruhen? Die Königin, die aus reiner Bosheit die Weisen des Landes versammelt hat, damit diese sich neue Strafen ausdenken, für jede Unachtsamkeit eines Untertanen, nur zu ihrer Belustigung? Die Umstehenden schütteln ihre Köpfe, nur ich nicke schweigsam und seufze.

***​

„Es ist an der Zeit, deine Reise anzutreten.“ Die Alte zieht das Backbrett aus dem riesigen Ofen und begutachtet die knusprige Oberfläche des Brotlaibes. „Wenn es ausgekühlt ist, wirst du genug wissen.“
Sie setzt sich auf eine Bank im Hof, und ich hocke mich vor sie auf einen Holzstapel. „Du hast mir soviel beigebracht, Großmutter, weise Wörter in der geheimen Sprache, und jetzt will ich meine Pflicht tun.“
„Du warst gelehrig, doch eines musst du noch lernen.“ Sie schnalzt mit der Zunge auf. „Du kannst sie verschonen. Du brauchst ihr nichts zuleide zu tun, auch wenn sie nicht mehr die ist, die sie war. Erlöse sie, beende den Zauber!“
„Ja, das will ich.“ Ich schlucke. „Ich bin die Älteste, die Auserwählte, und ich werde es für uns alle wagen: für meine kleinen Schwestern, für dich und für das ganze Land. Ich werde sie befreien.“
„Dann will ich dir das Wort der Verwandlung sagen, und sie wird wieder sein, was sie einst war.“ Wehmütig blickt sie in die Ferne. Dann winkt sie mich ganz nah heran und flüstert mir etwas ins Ohr. „Tled naw revies. Das ist das Wort, dass die Veränderung bringt. Vergiss es nicht.“

***​

Ich freue mich. Die Frauen aus dem Dorf haben mir ein Fest bereitet; nun blute ich auch, nun gehöre ich zu ihnen. Wir sitzen in der Abendsonne am Weiher, das Wasser glitzert, und Frösche schnappen nach Mücken.

Meine Mutter ist die schönste von allen, und voller Stolz auf mich, ihre Älteste. Sie lässt ihre Hand ins Wasser gleiten, und wir beide folgen mit den Blicken einer wunderschönen, bunt schillernden Libelle.
„Au!“, stöhnt meine Mutter plötzlich auf, irgendetwas hat mich gebissen.“ Sie zuckt zurück, und dicke, schwarze Tropfen rinnen aus ihrem Finger. Ihre Haut erbleicht, ihr Haar verdunkelt sich.
„Mutter, was ist mit dir?“ Bestürzt will ich helfen, doch meine Mutter wehrt ab. Als würden sie Blut verlieren, werden ihre Lippen schmal und bläulich.
„Ich bin zu Höherem berufen. Blaues Blut zu blauem Blut. Ich muss fort.“ Die Frau steht auf, ihr Blick ist kalt und verächtlich. In der Nähe hört man Pferdegetrappel, als ob eine Kutsche gewartet hätte.

***​

„Was bedrückt dich, Großmutter?“ Ich schaue hoch, während ich mit der Alten Kräuter sammele. „Hast du wieder Vorahnungen?“
Wir stehen oben auf dem Hügel und lassen unsere Blicke über das Land schweifen. Bauern bei der Ernte auf ihren fruchtbaren Feldern, Handwerker arbeiten vor den Häusern, kleine Kinder spielen dazwischen.
„Das Böse nimmt seinen Lauf.“ Die Stimme der Alten zittert ein wenig. „Ich habe in die kommende Zeit geschaut. Gnomenhafte Gestalten. Vielfache Zwillingsbrüder. Sie könnten dir gefährlich werden.“
„Mir? Was soll ich tun?“
„Ich weiß noch nicht. Aber behalte dieses Wort für immer im Gedächtnis. Es ist machtvoll, zu wem du es auch sprichst. Es löscht eine ganze Sippe aus.“ Und sie flüstert mir ins Ohr: „Nalc niedd nuud brits.“

 

Dank Ginny bin ich auf das Monatsthema nethcihcsegsträwkcüR aufmerksam geworden und melde mich hiermit aus meiner monatelangen, weiterbildungsbedingten KG-Abstinenz zurück.

 

Hallo Elisha!

Hm, naja, für mich ist das eher klassischer Fantasy, und mit Fantasy bin ich wirklich schwer zu begeistern. Um es klar zu sagen: Die Geschichte gefällt mir nicht wirklich. Geschmackssache. Es ist das, was ich schon gefühlte tausendmal gelesen habe, nichts Neues, nichts Überraschendes. Ich weiß nicht, wieso viele Fantasygeschichten immer wieder dasselbe beinhalten: Zwerge, böse Königinnen, kleine rettende Mädchen, Dorfplätze, Musikanten, fehlt nur noch das Einhorn. Sorry, das soll nicht bösartig klingen, aber mein Fall ist das nicht. Vielleicht gefällt es jemand anderem.

Die Rückwärtsgeschichte hast du aber meiner Meinung nach gut umgesetzt. Vom Verständnis her konnte man ganz gut folgen, ich zumindest.

Paar Details:

NALC NIEDD NUUD BRITS.
Wenn es nicht so gut zum Thema des Monats passen würde, würde ich hier die Augen verdrehen. Weil das wirklich abgedroschen ist. Aber gut, bietet sich schon an. ;)
„Deld naw revies.
Aber hier müsste man dann konsequent sein und Teld schreiben. Oder soll das so sein?
Du brauchst ihr nichts zuleide zu tun, erlöse sie.“
Das könnte man streichen, hat mich irgendwie gestört.
Das ist das Wort, dass die Veränderung bringt.
das
„Au“, stöhnt ihre Mutter plötzlich auf, irgend etwas hat mich gebissen.“
auf. "Irgendetwas ... " oder: auf, "irgendetwas ..."
Als wenn sie Blut verlieren, werden ihre Lippen schmal und bläulich.
Klingt nicht so gut. Als würden sie Blut verlieren ...

Die Geschichte ist schon gut lesbar, der Stil ist passend, aber der Inhalt ist eben nicht meins, sorry.

Das wärs von meiner Seite.

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Apfelstrudel,

wow, das war ja fix!

Hm, naja, für mich ist das eher klassischer Fantasy, und mit Fantasy bin ich wirklich schwer zu begeistern.
Ja, ich habe mich auch über die Bilder gewundert, die mir zum Thema einfielen. Das liegt sicher an der Musik, die ich z.Zt. höre ...

Mir war wichtig, zu erfahren, ob der Plot in dieser Art verständlich ist. Ich dachte auch eigentlich, ich hätte die eine oder andere Überraschung versteckt.;)

Die meisten Vorschläge habe ich übernommen. Danke schön. :)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

nun ja, wirklich ein klassisches Fantasy-Setting, ich dachte zuerst, die Schwarze Königin ist bestimmt irgendwie metaphorisch gemeint oder so.

Von Zeit zu Zeit mag ich auch diese extrem klassischen Szenarios sehr gerne, von daher hatte ich kein Problem damit.

Was mich irritiert hat, war der Perspektivwechsel am Ende. Auch die Gestalt der "jungen Maid" bleibt mir ein wenig zu blass, redet mir oft zu pathetisch. Sicher, du musst deinen Stil konsequent durchhalten, trotzdem fällt es mir schwer, ihr dieses "Ich bin die Auserwählte, ich will es wagen" abzunehmen. Denn an dieser Stelle bin ich aus dem Lesefluss gekommen. Auch warum sie nun die Auserwählte ist, hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Also eigentlich gar nicht.

Ansonsten ließ sich das für mein Empfinden angenehm lesen, die Idee mit den "Zaubersprüchen" ist auch nicht schlecht.

Also sicher kein großes Epos, hat mir für zwischendurch aber schon ganz gut gefallen - wobei ich dennoch finde, dass du das mit der wörtlichen Rede glätten und "realistischer", für den Leser nachvollziehbarer machen kannst, ohne deinen Stil aufzugeben.

liebe Grüße,
ciao

Malinche

 

Hallo Malinche,

danke auch für deinen Kommentar.

Extrem klassisch? :hmm:, man merkt, dass ich da gar nicht so firm drin bin. Für mich ist Fantasy schreiben ja neu und aufregend, genauso wie das Hantieren mit Zaubersprüchen.

Was mich irritiert hat, war der Perspektivwechsel am Ende. Auch die Gestalt der "jungen Maid" bleibt mir ein wenig zu blass, redet mir oft zu pathetisch.
Ich habe in der Ich-Perspektive angefangen, weil ich nah an der Prot sein wollte. Schließlich bringt sie mit dem falschen Zauberspruch nicht nur ihre Mutter, die Königin, sondern damit auch sich, ihre Großmutter und ihre kleinen Schwestern um - also fast alle explizit genannten Personen.

Der Wechsel zur dritten Person passte mMn gut zu den Szenen, die sie wie von außen erlebt. Fändest du es besser, wenn ich sie auch in der ersten Person beschreiben würde?

Die wörtliche Rede zu verbessern, werde ich noch versuchen. Über Vorschläge freue ich mich. Auserwählt ist sie übrigens, weil sie die Älteste ist. Mach ich noch mal deutlicher.

Gruß, Elisha

 

Hallo nochmal,

vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn du die restlichen Szenen auch in der ersten Person schreibst. Du kannst ja mal probieren, wie sich das so liest. Ich stelle mir vor, dass ich als Leser dann näher an deine Protagonistin ran käme - etwas, das mir jetzt noch ein wenig gefehlt hat.

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche nochmal;),
ich habe deinen Rat beherzigt und die Geschichte umgeschrieben.

Gruß, Elisha

@all
Hier ist die alte Version zum Vergleich:


Dort kommt sie. Erhaben, mit gemäßigtem Schritt gleitet die schwarze Königin durch den dämmerigen Gang, ihre tintenschwarzen Haare umfließen ihr bleiches Gesicht. Die Wände, eben noch angenehm kühl gegen die Hitze draußen, wirken wie dunkles Eis, und sie stößt kleine Dampfwölkchen in die Luft bei jedem Atemzug. Mich fröstelt in meinem dünnen Sommerkleid, mein schmaler Körper zittert. Doch dies ist die Gelegenheit, ich muss sie nutzen. Sie ist allein, ohne ihre Schar von wehrhaften Kreaturen, wenn nicht jetzt, wann dann ...? Jetzt ist der Augenblick, für den ich geboren bin, ich bin die Auserwählte. Ich muss den rechten Zauber sprechen, damit alles ein Ende hat: der Krieg, das Leid, nur ich kann sie verwandeln, sie vor dem Zauber retten.
Ich muss mich eilen, denn meinen Leib erfasst ein Schütteln, meine Lippen gefrieren in ihrer Gegenwart. Im Geiste sehe ich meine kleinen Schwestern, die wartend in der Küche hocken, kein Spiel zu spielen wagen, bange den Weg zu unserer Hütte im Blick. Die mir Mut wünschen, jeder Gedanke eine wärmende Wolke, die mir helfen soll, das rechte Wort zu finden. Doch wie ist es noch? Ich kann nicht mehr klar denken.

Endlich verlasse ich den Schutz der dunklen Mauer, trete ihr in den Weg und spreche: „NALC NIEDD NUUD BRITS.“ Der Zauber ergießt sich, die Welt erstarrt wie eine Blase, und ich sehe Begebenheiten meines Lebens. Sie umkreisen mich, laden mich ein, zuzuschauen, sie noch einmal zu erleben.

***​

Die junge Maid streift durch das Land, versteckt sich in dem verlassenen, vom Krieg verbrannten Hof. Ein trockener Knapp ist alles, was ihr von dem Laib an Wegzehrung geblieben ist, dazu eine Handvoll Beeren, ein Becher Wasser aus dem nahen Bach. Doch sie darf nicht länger rasten, muss weiter durch den düsteren Wald hinauf zur Burg. Die Häscher der schwarzen Königin sind wieder mit ihrer Kutsche unterwegs; sie suchen Dienerinnen, und sie will dabei sein. Ihre kleinen Schwestern haben ihr das braune Haar geschwärzt, und sie hat sich die Haut mit Asche eingerieben, sie schimmert fahl.

In dem düsteren Burghof stehen die Mädchen und flüstern, und zwischen ihnen wandeln die Gnome und beäugen das frische Fleisch, schnüffeln misstrauisch. Einer sieht aus wie der andere, Brüder in Aussehen und Gesinnung, ungeboren, durch Zauberwerk gezeugt.
Alle werden ausgewählt, um die grausame Königin zu unterhalten oder für ihr Wohl zu sorgen. Für eine ungewisse Zeit natürlich, denn lange kann niemand sie zufrieden stellen, und keine wird das schwere Tor wieder von der anderen Seite erblicken dürfen.

***​

Die Musikanten sind auf dem Kirchplatz. Sie haben keine fröhlichen Weisen mitgebracht, spielen nicht zum Tanz auf. Sie sind auf der Flucht, und nur ein Lied geben sie zum Besten. Ängstlich betrachtet einer die Zuhörer, zögert, bevor sie sich sicher genug fühlen. Sie haben nur dieses eine Lied.

Einer singt die traurige Mär, während Drehleier, Fiedel und Flöte ihr Leid klagen. Immer wieder erklingt der gleiche Reim, doch niemand kann ihn glauben. Einst war sie gut? Die Herrscherin, die alle fürchten, die unberührt bleibt von dem Hunger ihres Volkes? Die das Land hat ausbluten lassen im Krieg um Schätze, die ungenutzt in Truhen ruhen? Die Königin, die aus reiner Bosheit die Weisen des Landes versammelt hat, damit diese sich neue Strafen ausdenken, für jede Unachtsamkeit eines Untertanen, nur zu ihrer Belustigung? Die Umstehenden schütteln ihre Köpfe, nur eine junge Maid nickt schweigsam und seufzt.

***​

„Es ist an der Zeit, deine Reise anzutreten.“ Die Alte zieht das Backbrett aus dem riesigen Ofen und begutachtet die knusprige Oberfläche des Brotlaibes. „Wenn es ausgekühlt ist, wirst du genug wissen.“
Sie setzt sich auf eine Bank im Hof, und die junge Maid hockt sich vor sie auf einen Holzstapel. „Du hast mir soviel beigebracht, Großmutter, weise Wörter in der geheimen Sprache, und jetzt will ich meine Pflicht tun.“
„Du warst gelehrig, doch eines musst du noch lernen. Du kannst sie verschonen. Du brauchst ihr nichts zuleide zu tun, erlöse sie.“
„Ja, das will ich. Ich bin die Auserwählte, und ich werde es für uns alle wagen: für meine kleinen Schwestern, für dich und für das ganze Land. Ich werde sie befreien.“
„Dann will ich dir das Wort der Verwandlung sagen, und sie wird wieder sein, was sie einst war.“ Wehmütig blickt sie in die Ferne. Dann winkt sie ihre Enkelin ganz nah heran und flüstert ihr etwas ins Ohr. „Tled naw revies. Das ist das Wort, dass die Veränderung bringt. Vergiss es nicht.“

***​

Die junge Maid freut sich. Die Frauen aus dem Dorf haben ihr ein Fest bereitet; nun blutet sie auch, nun gehört sie zu ihnen. Sie sitzen in der Abendsonne am Weiher, das Wasser glitzert, und Frösche schnappen nach Mücken.

Ihre Mutter ist die schönste von ihnen, und voller Stolz auf ihre Älteste. Sie lässt ihre Hand ins Wasser gleiten, und beide folgen mit den Blicken einer wunderschönen, bunt schillernden Libelle.
„Au“, stöhnt ihre Mutter plötzlich auf, irgendetwas hat mich gebissen.“ Sie zuckt zurück, und dicke, schwarze Tropfen rinnen aus ihrem Finger. Ihre Haut erbleicht, ihr Haar verdunkelt sich.
„Mutter, was ist mit dir?“ Bestürzt will die Maid helfen, doch ihre Mutter wehrt ab. Als würden sie Blut verlieren, werden ihre Lippen schmal und bläulich.
„Ich bin zu Höherem berufen. Ich muss fort.“ Die Frau steht auf, ihr Blick ist kalt und verächtlich. In der Nähe hört man Pferdegetrappel, als ob eine Kutsche gewartet hätte.

***​

„Was bedrückt dich, Großmutter?“, fragt die junge Maid, während sie mit der Alten Kräuter sammelt. „Hast du wieder Vorahnungen?“
Sie stehen oben auf dem Hügel und lassen ihre Blicke über das Land schweifen. Bauern bei der Ernte auf ihren fruchtbaren Feldern, Handwerker arbeiten vor den Häusern, kleine Kinder spielen dazwischen.
„Das Böse nimmt seinen Lauf.“ Die Stimme der Alten zittert ein wenig. „Ich habe in die kommende Zeit geschaut. Gnomenhafte Gestalten. Vielfache Zwillingsbrüder. Sie könnten dir gefährlich werden.“
„Mir? Was soll ich tun?“
„Ich weiß noch nicht. Aber behalte dieses Wort für immer im Gedächtnis. Es ist machtvoll, zu wem du es auch sprichst. Es löscht eine ganze Sippe aus.“ Und sie flüstert der jungen Maid ins Ohr: „Nalc niedd nuud brits.“

 

Hallo Elisha,

ich habe die Geshcichte zweimal lesen müssen, um sie zu begreifen. Der Clou liegt also wirklich darin, dass sie "lediglich" die Zaubersprüche verwechselt?
Und die Mutter wird zur schwarzen Königin, weil sie von irgendetwas unheilvollem gebissen wird?
Bis auf das komplette Auslöschen wirklich klassisch. Aber ich für meinen Teil mag soetwas immer wieder, sofern es gut geschrieben ist. In diesem Fall war es das. Ich finde, du hast deinen Stil konsequent durchgehalten ohne dabei zu aufdringlich zu werden. Insgesamt eine runde Sache.
Lediglich die Verwechslung der Zaubersprüche will mir nicht passen. Das ist mir zu willkürlich. Da sollte noch an irgendeiner Stelle fallen, dass man in Gegenwart der Königin nicht klar denken kann, ihre Präsens schwindlig/ konfus macht oder etwas in der Art. Zum verwechseln ähnlich klingen die Sprüche zumindest nicht.

Nun ja, ich habe mich auf jeden Fall gern für den Augenblick in das Reich der schwarzen Königin entführen lassen :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Elisha!

Ich für meinen Teil fand die Grundidee der Story nett. Im Verbund mit der Themenvorgabe des Monats bilden die zwei eine gute Einheit und führen zu einer schönen Geschichte, die man liest und über die man sich nach dem letzten Satz freuen kann.

Vielleicht funktioniert sie aber auch nur bei mir?

Du wählst eine knappe prägnante Sprache, im Präsens geschrieben. Passt zur Kürze der Geschichte.

und zwischen ihnen wandeln die Gnome und beäugen das frische Fleisch, schnüffeln misstrauisch

Das finde ich bringt mehr Bilder in meinen Kopf als tausend Sätze. Ich finde diese kurze Beschreibung der Szenerie außerordentlich gelungen!

Einer sieht aus wie der andere, Brüder in Aussehen und Gesinnung, ungeboren, durch Zauberwerk gezeugt.

Hier hätte ich das "Aussehen" eventuell durch das "Antlitz" ersetzt, weil sich hier eine Art Wortwiederholung zeigt.

Aber, wie gesagt, gern gelesen und interessant gewesen.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Elisha,

ich finde die Vorgabe, eine funktionierende Rückwärts-Geschichte zu erzählen, extrem anspruchsvoll und bewundere deine Umsetzung. Du erzeugst mit wenigen Sätzen eine düstere, unheilvolle Atmosphäre, und die Geschichte ist sowohl vorwärts als auch rückwärts gut lesbar. Vom Inhalt her würde sie mAn eher in Fantasy passen, aber das Thema des Monats war nun mal in dieser Rubrik angesiedelt ;)
Die Version, in der alles aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist auf jeden Fall besser als die Urversion. So ist man viel näher an der Protagonistin.
Die Zaubersprüche fand ich genial, weil sie einfach perfekt zum Thema passen!
Nur mit dem Schluss ... bzw. dem Anfang habe ich das gleiche Problem wie weltenläufer, und ich finde, das ist ein Riesenproblem: Warum verwendet sie scheinbar ohne Not den Zauberspruch, mit dem sie nicht nur die Königin, sondern auch sich selbst und ihre ganze restliche Familie auslöscht (für die sie die Mission doch auf sich genommen hat)? Wo ihre Großmutter ihr doch extra gesagt hat, dass sie die Königin erlösen kann, ohne ihr Schaden zuzufügen? Ich meine, immerhin ist es ihre Mutter, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das Mädchen sie nicht immer noch liebt - so, wie ich die Geschichte verstanden habe, kann die Mutter ja auch nicht unbedingt etwas dafür, dass sie zur Schwarzen Königin wurde ...
Diese Entscheidung für den vernichtenden statt des verwandelnden Zauberspruchs ist für den Leser einfach nicht nachvollziehbar, und ich denke, die Geschichte braucht irgendeine Begründung dafür. Ich könnte mir vorstellen, dass die Atmosphäre von Hass und Zorn in dem Schloss der Königin auch Menschen mit guten Absichten beeinflusst ... und dass das Mädchen seine Entscheidung nicht ganz freiwillig trifft, weil sie spürt, dass sie selbst die nächste Königin werden könnte ... nur so ein Vorschlag.

Alles in allem trotzdem: neseleg nreg! :)


Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Mist, habe mal wieder einen fast fertigen Kommentar in der Weite des Netzes verschwinden lassen. :xxlmad:

@weltenläufer

lange nicht gelesen ;)

Lediglich die Verwechslung der Zaubersprüche will mir nicht passen. Das ist mir zu willkürlich. Da sollte noch an irgendeiner Stelle fallen, dass man in Gegenwart der Königin nicht klar denken kann, ihre Präsens schwindlig/ konfus macht oder etwas in der Art.
Ich dachte, das hätte ich dadurch erklärt:
Ich muss mich eilen, denn meinen Leib erfasst ein Schütteln, meine Lippen gefrieren in ihrer Gegenwart... Doch wie ist es noch? Ich kann nicht mehr klar denken.
Da Perdita aber auch die gleiche Schwierigkeit hat, muss ich wohl nochmal ran.


@Hanniball

und zwischen ihnen wandeln die Gnome und beäugen das frische Fleisch, schnüffeln misstrauisch
Das finde ich bringt mehr Bilder in meinen Kopf als tausend Sätze. Ich finde diese kurze Beschreibung der Szenerie außerordentlich gelungen!
*shy*

"Antlitz" ist übernommen!


@Perdita

Die Version, in der alles aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist auf jeden Fall besser als die Urversion. So ist man viel näher an der Protagonistin.
Toll, wie ausführlich du dich mit der Geschichte beschäftigt hast. Ich wollte mit dem Perspektivwechsel die emotionale Losgelöstheit vom eigenen Schicksal
zeigen, aber das funktioniert wohl nicht bei der Rückwärtserzählung, weil man die Erzählerin noch nicht gut kennt.

Der falsche Zauberspruch soll einfach eine Verwechslung sein, weil einem in der Gegenwart der Königin das Denken gefriert. Wie uch weltenläufer schon geschieiben habe, mache ich das noch deutlicher.

Alles in allem trotzdem: neseleg nreg!
:lol:

Vielen Dank für euer Feedback, und euer Lob geht mir runter wie Sahne! :)

EDIT:

Da Perdita aber auch die gleiche Schwierigkeit hat, muss ich wohl nochmal ran.
Ist geändert! ;)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Die Geschichte ist sehr stimmig, doch leider habe ich sie beim ersten Durchlesen nicht kappiert.
2 Dinge sind problematisch(wie schon vorher gesagt)
-warum verwechselt sie den Zauberspruch?
- warum wird ihre Mutter so plötzlich die schwarze Königinn? und warum kann sie sich dann einfach in die Burg schleichen und warum erinnert sich ihre Mutter nicht mehr an sie?

Sprachlich und atmosphärisch finde ich die Geschichte sehr schön und im prinzip ist die schwierige Aufgabe gut gemeistert

Au“, stöhnt meine Mutter plötzlich auf, irgendetwas hat mich gebissen.“
nach auf gehört ein Anführungszeichen
lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

irgendwie habe ich dich übersehen, sorry!


Zu deinen Fragen:

warum verwechselt sie den Zauberspruch?
Das hatte ich schon versucht, deutlicher zu machen: die Königin ist so verwirrend:
Ich muss mich eilen, denn wie die Legende sagt, erstarrt mein Denken in ihrer Gegenwart. Meinen Leib erfasst ein Schütteln, meine Lippen gefrieren in ihrer Anwesenheit.

warum wird ihre Mutter so plötzlich die schwarze Königinn? und warum kann sie sich dann einfach in die Burg schleichen und warum erinnert sich ihre Mutter nicht mehr an sie?
Durch Zauber natürlich. :hmm: Es sollte durch das Pfeddegetrappel deutlich werden, dass die Kutsche auf die vom Bösen Gebissene wartet und sie als Königin mitnimmt. Zum Nicht-Erkennen habe ich jetzt nochmal was zugefügt:
„Du kannst sie verschonen. Du brauchst ihr nichts zuleide zu tun, auch wenn sie nicht mehr die ist, die sie war. Erlöse sie, beende den Zauber!

Danke für dein Feedback. :)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha!

Das Durchhalten der Ich-Perspektive hat der Geschichte gut getan. Sie gefällt mir jetzt besser als vorher.

Und ich muss zugeben, dass ich sie erst jetzt richtig verstehe. Ich hatte es zuerst so gelesen, dass die Mutter als eine Dienerin der Schwarzen Königin fortgeholt wird, da ich davon ausgegangen bin, dass alle Dienerinnen auf diese Weise "ausgewählt" werden und deine Erzählerin sich am Ende einschleust. Wenn die Königin aber wirklich die Mutter ist ... ja, jetzt hab ich's verstanden. Vielleicht könntest du vorher noch ein paar Hinweise einstreuen, etwa im Gespräch mit der Großmutter, ehe deine Prota aufbricht; indem sie etwa darüber reden, dass die Mutter den kleinen Schwestern doch sehr fehlt. Oder im ersten Absatz: da könnte die Protagonistin versuchen, Erkennen oder sonst etwas im Gesicht der Königin zu suchen, ohne dass dem Leser schon klar ist, worauf sie hinaus will.
Aber das sind nur so Gedanken, vor allem, weil ich es selber beim ersten Lesen nicht verstanden habe. ;)

Liebe Grüße, gern gelesen,
ciao
Malinche

 

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