- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 14
Die sechs Sieben Zwerge der Apokalypse und die blaue Rose der Weisheit
"Finde den Schnickschnackberg, hat er gesagt. Erklimme den unendlichen Pfad der Weisheit, hat er gesagt. Bring mir die blaue Rose der Weisheit vom obersten Gipfel, hat er gesagt. Kalt ist es und ekliges Gewürm wohnt da, das hat er nicht gesagt. Gepflegt am Arsch kann der mich lecken."
Seit etwa vier Tagen erklomm Kraal nun schon die eisigen Höhen des Schnickschnackberges, wobei erklomm nur dann der richtige Begriff für seine Tätigkeit gewesen wäre, wenn man damit das vertikale Pendant zu einer netten Kriechpartie durch einen vereisten Matschtümpel gemeint hätte, dessen Matschigkeit nicht von seiner Vereisung beeinträchtig wurde.
Der größte Held aller Zeiten, Bezwinger des siebzehnäugigen Achtzehnäuglings, Finder, Verlierer und Wiederfinder der einzigen jemals funktionstüchtigen Doppelläufigen Hatschina, Bezwinger der Zwölfenarmee von Krummbach und einziger Überlebender des großen Knallfischwettessens auf Sardonien, krallte sich mit der rechten Hand an einem kleinen Felsvorsprung fest, ignorierte den Nasenbohrer, der langsam über seinen Zeigefinger kroch und zog sich empor.
"Wenn dieser dämliche Mönch auch nur ein Wort darüber gesagt hätte, dass dieser verschissene Bergpass so senkrecht ist, wie die Kletterwände von Lotringen, dann hätte der seine blöde Rose schön alleine suchen können", fluchte Kraal leise. Er wusste, dass jedes zu laute Wort Lawinen auslösen könnte, welche wiederum das Kloster des allumfassenden Allumfassenden am Fuße des Berges unweigerlich unter sich begraben würden. Obwohl er in den letzten Tagen eine recht blühende Fantasie in Sachen Untergang der dort ansässigen Mönche entwickelt hatte, wollte er an diesem doch nicht so unmittelbar beteiligt sein. Wenn schon Lawine, so dachte er, dann am liebsten aus weiter Entfernung mit einer Schüssel Mupfelsaft in der einen und einer schön heißen Brutwurst in der anderen Hand beobachtet.
Der Nasenbohrer biss ihm in die Hand.
...
"Wird ja auch alles total überwertet."
"Ja."
"Also, das mit der Welt und so."
"Ja."
"Jetzt mal angenommen, also nur mal angenommen, ich wäre jetzt nicht da..."
"Warum? Wo solltest du denn sonst sein?"
"Nee, hör doch mal zu hier! Also, wenn ich nicht da wäre, also gar nicht. Ich meine, nullexistent quasi, was würde das ändern? Jetzt im Gesamtkontext?"
"Nullexis..."
"Nee, jetz sach doch mal."
"Woher soll ich das wissen? Bin ich Rhesus?"
"Nein, sicher nicht. Aber jetzt mal von Anfang. Also, wenn... oh, mein Trötenschleim ist alle. Mach mal voll."
"Du weißt aber, dass du schon drei hattest, oder?"
"Keine Angst, ich kann zahlen."
"Wäre besser. Sonst sag ich Olgar, er soll mal deine Nullexistenz einläuten." Der Rundschwabbling freute sich offensichtlich sehr über seinen gelungenen Scherz, seiner Erinnerung nach der erste seit sieben Jahren, und schenkte dem Zwerg einen weiteren Krug ein. Es war nur ein kleiner Krug, aber selbst für einen normalen Mann ist Trötenschleim nichts, mit dem man in einer durchzechten Nacht scherzen sollte.
Tröten leben in den wilden Faulsümpfen ein paar Kilometer nördlich von Gammelburg, einer kleinen Provinz irgendwo draußen bei Schmuddelingen. Obwohl sich der von ihnen ausgesonderte Schleim in Form, Konsistenz und Geschmack nicht besonders vom Auswurf eines gewöhnlichen Kleckertrolls unterscheidet, ist seine berauschende Wirkung weit über die Grenzen von Schmuddelingen gefürchtet. Die Tröten erwehren sich ihrer Angreifer, indem sie sie mit intelligentem Schleim bespucken, der dem Opfer ununterbrochen ins Ohr brüllt und ihn so zum Wahnsinn treibt. Die Frequenzen dieses Geräuschs sorgen bei Verzehr dafür, dass die Mageninnenwand in Schwingung versetzt wird, was dem Gehirn das Gefühl genau jener absoluten Übelkeit vorgaukelt, die sich sonst nur nach dem Genuss von vier Litern Mupfelsaft einstellt. Und da das Gehirn an sich ein sehr bequemer Zeitgenosse ist, nimmt es dann auch folgerichtig an, man hätte vier Liter Mupfelsaft zu sich genommen.
Die Geschichte, wie Joe es geschafft hatte, einer der drei weltweiten Exklusivanbieter für dieses Getränk zu werden, ist ebenso lang, wie interessant. Ein wenig lustig ist sie auch, aber sie hat die Eigenschaft, nach dem dritten Kapitel äußerst langweilig zu werden. Ziemlich genau nach der Sexszene zwischen dem Helden Akrabix und der feurigen Eunuchin des Sultans von Gammelburg.
"Ich kann sogar ne Menge Zahlen", fuhr der Zwerg fort und lachte. "Sieben zum Beispiel. Sieben kann ich gut. Haha." Mit diesem letzten Lacher fiel er vom Hocker. So bekam er nicht mit, wie Will Rust and his True Metals die Bühne der Kneipe betraten. Jeden Mittwoch war in Joes kleiner Drachenpinte nämlich Live-Musik angesagt.
Der schmächtige Zwiklop - dabei handelt es sich um eine äußerst seltene Unterart der Zyklopen mit zwei Augen - nahm am Mikrofon Platz und seine Begleiter, drei ehemals mächtige Ritter aus den Tiefen der Zwölfenwälder, postierten sich in einer Art Halbkreis hinter ihrem Frontmann.
"Guten Abend...", brüllte Will ins Mikro. Dann, etwas leiser: "Wie heißt dieses Kaff nochmal?" Olgar, der gefürchtetste Barbar von allen, brüllte es ihm vom Tresen her vergnügt zu. "Danke. Also, seid ihr bereit, zu rocken?"
"Ach, ich weiß nicht...", sagte einer der anwesenden Gäste und gähnte.
"Mal sehen... vielleicht", sagte ein anderer.
"Also, ich wär schon bereit", meinte jemand aus der dunkelsten Ecke. "Oder, nee, was hat er gesagt? Nee, dann doch nicht. Sorry."
Lediglich die vierköpfige studentische Reisegruppe eines nördlichen Wackingerstammes geriet kurzfristig aus dem Häuschen.
"Ich fragte", wiederholte Will, "seid ihr bereit zu rocken? Okay, dann werden wir rocken! Eins, zwei, Bouhja!"
Und dann wurde die allgemeine Akustik im Raum durch das audielle Äquivalent einer brunftigen Eletantenherde ersetzt. Die drei Ritter droschen wie hyperaktive Rundspechte auf ihre Rüstungen ein und Will brüllte, einem manisch depressiven Schreihörnchen nicht unähnlich, ins Mikro, wobei die Band einen Schalldruck erzeugte, der Joe zweifeln ließ, ob die Wände seiner schönen Kneipe dem auf Dauer standhalten könnten. Aber den Gästen schien es zu gefallen. Einigen.
"Ich komme der Umhinkommung des Gedankens nicht umhin, festzustellen, dass der Pegel der allgemeinen Geräuschlichkeit in seiner Angenommenheit einen Wert jenseits dessen hat, welcher sich mit gigantuesker Gigantiertheit der Enormität annähert", sagte Meister Zungschlag, der sich unbemerkt von allen an den Tresen geschlichen hatte und sich jetzt dort festhielt. Aber niemand verstand ihn. Dem Mönch machte das nicht viel aus, denn er war es gewohnt.
"Halts Maul!", brüllte einer der Wackinger und wedelte bedrohlich mit seiner Mähne.
"Ja! Bei Thorodin, dem Symphonischen, wir wollen die Musik hörn."
"Da die Dimension meiner entschuldigenden Gestik sich deiner akustischen Wahrnehmung gegenüber in einer umgekehrten Proportionalität eures Aggressionspotentials verhält, werde ich mir selbst fürderhin ein Diktat der Ruhe auferlegen."
"Wat is?"
"Die Versiegeltheit meiner Lippen ist von nun an eine Sache, deren Beschlossenheit ich mit absoluter Garantiertheit garan..." Und in diesem Moment flog der erste Mupfelsaftkrug.
...
"Ja, aber warum hast du mich gebissen?"
"Nenn es einen Akt der Zuneigung."
"Leck mich doch! Wegen dir wär ich fast runtergefallen."
"Hey, irgendwie musste ich dich auf mich aufmerksam machen, oder? Sonst hätte der Yedi dich voll erwischt."
"Du hättest was sagen können. Vorsicht, ein Yedi! wäre zum Beispiel ein guter Anfang gewesen."
Yedis sind die drittgefährlichste Bedrohung, denen ein Held sich in diesen Breiten gegenübersehen kann, womit sie unter den gefährlichsten Bedrohungen überhaupt immer noch einen der vorderen Plätze belegen dürften.
Die weißen Zottelwesen werden etwa zwei Meter groß und genauso breit. Sie haben drei Mägen und einen mit scharfen Reißzähnen bewaffneten Mund, der sicherstellt, dass diese drei Mägen immer etwas zu tun haben. Der männliche Yedi wird meistens von einer unerklärlich grün schimmernden Aura umgeben, die es ihm schier unmöglich macht, sich seinem Opfer unbemerkt zu nähern. Deswegen haben die Yedis über die Jahre hinweg die Kunst des Röchelns erlernt. Dieses Geräusch hat eine hypnotische Wirkung auf alle Lebewesen und sorgt dafür, dass diese sich nicht mehr rühren können.
Nach dem Biss des Nasenbohrers hatte Kraal vor Schreck den Halt an seiner Felskante verloren und war etwa einen Meter tief auf einen Vorsprung gestürzt. Sein Gehirn nutzte die Verwirrung aufgrund des Falles und der kurzzeitigen Desorientierung und analysierte die Umgebung neu. Dabei fiel ihm nicht nur das charakteristisch grünliche Schimmern etwas weiter oben im Berg auf, sondern auch eine Hand voll Glitschmoos, eine Pflanzenart, die in ebenso praktischer wie bananenförmiger Wurfgeschossgröße auf Bergen dieser Art wächst. Der Rest war dann eine Mischung aus Kraals außergewöhnlichen Heldenreflexen, seinem fantastischen Zielvermögen und der Schwerkraft.
Die beiden gefährlichsten Wesen in diesen Breiten sind übrigens der Dungwerfer und die doppelzüngige Rummsraupe.
"Du hättest mir nicht zugehört. Und jetzt sei ruhig und steck mich in deine Nase."
"Natürlich hätte ich dir... Was?"
"In die Nase, ja. Wie willst du sonst die Rummsraupe besiegen?"
"Darüber hab ich mir noch gar keine Gedanken gemacht."
"Eben. Also steck mich in die Nase."
"Kann ich dich was fragen?"
"Klar."
"Was ist eine Rummsraupe?"
...
"Ey, du Vollhirni! Ich hab gar nichts gemacht hier."
"Du bist ein Zwerg, oder?"
"Wie bist du denn da jetzt drauf gekommen? Ist es der Bart? Ja, es ist der Bart, oder? Nein, warte, es war sicher meine Axt. Nein, halt... ich weiß... die Größe. Die Größe?"
"Verarschst du mich?" Olgar, der Barbar, hielt dem Zwerg angriffslustig seine Faust vor die Nase.
"Nee. Okay, du hast Recht. Ich bin ein Zwerg. Aber trotzdem hab ich nichts gemacht."
"Du hast dem einen Typen den Arm auf den Rücken gedreht."
"Weil der dem Mönch eins über den Schädel geben wollte. Ich mag keine Gewalt."
"Und dann hast du Joe ins Gesicht gespuckt."
"Hab ich nicht... oh, warte... Wer ist Joe?"
"Er." Olgar nickte in Richtung des Barkeepers.
"Okay. Aber nur, weil der mich als Hobbit beschimpft hat."
"Joe lässt sich nicht gern bespucken. Joe ist der Boss, klar? Und wenn der Boss sagt, dass er sich nicht gern bespucken lässt, dann heißt das, dass er sich nicht gern bespucken lässt. Klar? Es sei denn vielleicht von Misses Joe, aber das sind Sachen, die uns beide nichts angehen. Klar?"
"Klar."
Der Barbar packte den Zwerg am Kragen und trug ihn zur Hintertür. Dort warf er ihn in einen extra zu diesem Zweck dort aufgebauten Haufen aus Abfall, Müll, Dreck und diversen Hinterlassenschaften noch diverserer Tierarten. Zwei Hunde balgten sich um eine Wurst, wie sie es jeden Abend taten.
Und noch etwas lag dort. Oder besser, jemand.
"Mich deucht, die Ausgehung einer gewissen Drückung geht von deiner Kniescheibe in Richtung meines Magens aus. Ihre Unbeträchtlichkeit lässt die Aufkommung der Fragestellung in Betracht ziehen, ob eine Zurückziehung derselben für dich eine Lägung im Bereich des Möglichen hätte."
"Wer ist tot?"
"Meine Dankung würde sich in einer Exponiertheit dir gegenüber äußern, deren Quantifizierung weitaus..."
"Ach so, das Knie. Ja, sorry. Was bist du eigentlich für ein Vogel?"
"Die Lautung meines Namens ließe sich in der Aussprechung des Wortes Zungschlag manifestieren. Ich habe die Stammung aus dem Altehrwürdigen Klosters des allumfassenden Allumfassenden, dessen Legung am Fuße des Schnickschnackberges zu sein ihre Geruhung sucht. Die Derzeitigung meines Aufenthaltsortes findet ihre Begründung in der Ursächlichkeit eines Auftrages, dessen Geheimseiung mir vom obersten Konzil selbst zuteil kommen gelassen wurde."
"Äh, ja... Alles klar. Ich bin Klaus. Siebter Zwerg der Apokalypse."
...
"Ach du gute Güte!", sagte Zwei. "Das ist ja kaum auszudenken."
"So ist es", antwortete Fünf. "Die Maschine, die das Ende der Welt einläutet ist stehengeblieben. Einfach stehengeblieben. Das bedeutet... es bedeutet... Was bedeutet das?"
"Woher soll ich das wissen? Sowas ist noch nie passiert."
"Könnte das das Ende der Welt sein?"
"Vielleicht ist es auch ihr Anfang... also, metaphorisch gesehen jetzt...", murmelte Eins. "Findet ihr nicht?"
"Vielleicht hast du ja auch nicht mehr alle Haare am Bart. Metaphorisch gesehen," frotzelte Vier und erntete höhnisches Gelächter der anderen Zwerge. Es kam, wie es kommen musste, ein Wort ergab das nächste und binnen kurzer Zeit hatten die sechs Sieben Zwerge der Apokalypse sich in ein gewaltiges Wortgefecht vertieft.
"Freunde, haltet ein!", sagte schließlich Zwei. "Wie wäre es, wenn wir einfach einen Blick in das Handbuch werfen?"
Die Maschine, die das Ende der Welt einläutet war im Grunde nicht viel mehr, als eine Art Eieruhr. Und solange jemand alle siebzehn Stunden, vierunddreißig Minuten und achtundsechzig Sekunden einmal den kleinen roten Knopf drückte, beschränkte sich ihre Funktion auch exakt darauf. Nach dieser Zeitspanne allerdings sollte die Maschine ein apokalyptisches Eigenleben entwickeln und, infolge immenser Zerstörungskraft, alles um sich herum zerstören. Wirklich alles.
Der Große Revisor, letzte Instanz von allen, hatte sie einst gekauft und hier in Krummloch unter der Aufsicht von sieben Zwergen deponiert. Krummloch war die tiefste Höhle überhaupt. Wenn die Zeit reif ist, würde er wiederkommen und tun, was getan werden müsste.
"Vielleicht ist sie auch gar nicht stehen geblieben."
"Mhh... Okay, seid mal alle einen Augenblick ruhig." Sie waren alle einen Augenblick ruhig. "Und? Hörst du was? Dieses Ticken?"
"Nein. Nein, ich höre nichts."
"Dann ist sie vermutlich stehen geblieben."
"Hier, ich habs!", sagte Drei triumphierend. "Kapitel sieben: Was tun, wenn die Maschine nicht mehr tickt."
"Augenblick mal... die Anleitung besteht aus einem Zettel. Sind da wirklich sieben Kapitel drauf?"
"Es ist sehr klein geschrieben. Kapitel eins bis sechs beschreiben außerdem nur, wie man den Knopf drücken soll. Es hat auch ein paar Bilder, sehr hübsch und... Also, hier steht, wir sollen den Support anrufen."
"Wer ist das denn?"
"Ich glaube, das ist ein Ort unter einem Ort."
"Oder eine Küche."
"Vielleicht hat es auch mehr eine metaphorische Be... nicht?"
Dann machte die Welt Krattazong.
Die Decke in Krummloch öffnete sich donnernd, ein schwarzer Lichtstrahl fiel auf die Zwergensiedlung und entfaltete sich grummelnd, bis die ganze Höhle in schwarze Helligkeit gehüllt war.
"Ist das... Er?"
"Denke schon. Ja, kein Zweifel."
Der Große Revisor schwebte etwa zwei Meter über dem Boden in der Höhle. Mit seinen schwarzen Schwingen wirkte er ein wenig wie eine Federmaus, wobei er diese in Sachen Masse und allgemeiner Körpergeometrie deutlich überragte. Die leuchtend gelben Augen, und das schlicht als wirr zu bezeichnende, weiße Linienmuster auf seinem Körper, taten ihr übriges, von der Vorstellung an fliegende Nageltiere abzuweichen.
"Was geht hier vor?", fragte er mit ruhiger Stimme, die irgendwie so gar nicht zu seinem dramatischen Auftritt passen wollte. "Ich höre es nicht Ticken."
"Die Maschine, Meister... sie... sie ist stehengeblieben."
"Ist der Dreizehige Fünfzeher schon wieder gestorben?" Da der Knopf auf der Maschine, die das Ende der Welt einläutet sehr hoch angebracht war, mussten die Zwerge sich der Hilfe einer solchen Kreatur bemächtigen. Dreizehige Fünfzeher zeichnen sich durch enorme Widerstandskraft gegenüber Naturkatastrophen und vollkommen stupide Dummheit aus. Ein solches Wesen ist schwer zu töten, aber manchmal vergessen sie einfach zu atmen.
"Das auch. Aber das geschah erst hinterher", sagte Drei. "Was... was sollen wir jetzt tun?"
"Ohne die Maschine gibt es keinen Weltuntergang. Also solltet ihr sie reparieren. Ihr wisst doch, was passiert, wenn es keinen Weltuntergang gibt, oder?"
"Ach weh", sagte Eins.
"Huiuiui", schlotterte Zwei.
"Oh weiha", stöhnte Drei.
"Gute Güte", zitterte Vier.
"Herrjemine", japste Fünf.
"Heilige Scheiße", fluchte Sechs. Und: "Was denn?"
"Sagt mal", begann der Revisor und sah sich suchend in der Höhle um. "Wo ist eigentlich Klaus?"
...
"So, das war simpel." Kraal steckte sein Heldenschwert Rosi wieder zurück in die Scheide und wischte sich Blut von der Stirn.
"Ja. Aber er war schon verletzt."
"Ich hab dem trotzdem ordentlich Zunder gegeben."
"Naja, er hatte nur noch ein Auge."
"Aber er hat mich beworfen."
"Er hat nicht getroffen, weil..."
"Ich bin mit meinen Heldenreflexen ausgewichen."
"Er hat nicht getroffen, weil man mit einem Auge nicht dreidimensional zielen kann."
"Hey, auf wessen Seite stehst du eigentlich?"
"Im Moment auf der Innenseite deiner Nase. Können wir weitergehen?"
Kraal ließ die Leiche am Wegrand liegen und wandte sich wieder dem Aufstieg zu. Während der letzten paar hundert Meter war der anfangs so steile und enge Kletterparcours einem beinah angenehmen Bergpass gewichen, der sich in gemäßigter Steigung kreisrund um den Gipfel des Schnickschnackberges wand. Trotzdem schwanden dem Helden doch so langsam die Kräfte. Der Disput gegen den Kotwerfer hatte doch einiges an Substanz gekostet. Außerdem war es immer noch verdammt kalt hier oben.
"Gibt es eigentlich einen Grund, aus dem die diese Rose ganz da oben hingepflanzt haben? Ich meine, irgendeiner dieser Mönche muss sich doch damals total lustig dabei vorgekommen sein, oder?"
"Woher soll ich das wissen? Ich bin nur ein Nasenbohrer."
"Ja, aber ich dachte... Bist du nicht ein mystisches Wesen oder so?"
"Hey, ich sitze in deiner Nase und ernähre mich von Dingen, die nur deshalb dort sind, weil Körperhygiene für dich ein Fremdwort ist. Wie mystisch ist das?"
"Aber du kannst sprechen."
"Na und? Du auch."
"Egal... Auf jeden Fall werde ich diesen beknackten Mönchen da unten gehörig die Meinung geigen, wenn ich wieder zurück bin."
"Wenn..."
"Sitzen da unten in ihrem warmen Kloster auf ihren fetten Ärschen und feixen sich eins, dass sie mich hier rauf...W soll das heißen, wenn?"
"Naja, hast du schon mal gegen eine Rummsraupe gekämpft?"
"Ich weiß noch nicht Mal, was das ist. Aber wie gefährlich kann eine Raupe schon sein?"
"Naja, sie..."
"Hast du das gehört? Dieses Gebrüll? Scheint von oben zu kommen."
"Ja, Rummsraupen greifen immer aus der Luft an."
Die Kreatur, die da wie aus dem Nichts mit einem lauten Rumms ein paar Meter vor dem Helden auf dem Bergpass landete, besaß tatsächlich Ähnlichkeit mit dem, was sich Kraal unter einer Raupe vorgestellt hatte. Sie besaß eine gewisse Glitschigkeit, eine vollkommen widerliche Ekligkeit und ihr Körper wand sich in vielerlei Richtungen zugleich. Doch zusätzlich hatte das Tier ein paar unangenehm aussehende Fangarme und ein mit Reißzähnen besetztes Maul, dem eines Yedi nicht unähnlich. Und sie war im aufgerichteten Zustand etwa zehn Meter hoch.
"Das hättest du mir sagen können."
"Du hättest nur fragen müssen."
"Ich hab dich gefragt."
"Echt? Oh... und was hab ich geantwortet?"
Kraal blieb keine Zeit für eine Erwiderung, denn die Raupe stellte sich auf ihre Hinterglieder und ließ erneut ihr markerschütterndes Gebrüll erklingen. Es war beinahe absurd, dass der Held gegen den Drang ankämpfte, den Zeigefinger auf seine Lippen zu legen, um die Kreatur mit Hinweis auf die Lawinengefahr zur Ruhe zu bewegen. Aber der Schnee rührte sich keinen Millimeter. Stattdessen sauste einer der Fangarme auf den Boden herab und verfehlte Kraal nur äußerst knapp. Der Held machte eine Hechtrolle in die entgegengesetzte Richtung, zückte Rosi und hieb damit auf den Arm ein, womit er besorgniserregend wenig ausrichtete.
"Wenn du mir helfen willst, dann wäre jetzt ein guter Moment."
"Ja, denk ich auch", sagte der Nasenbohrer. "Hast du ein Gummiband dabei?"
...
"Ist die Wissung um die Gestalt meines Auftrages nicht im Bereich dessen, was eine Könnung der Weckung deines Interesses zur Folge hätte?"
"Welcher Auftrag?" Klaus hatte in dem Redeschwall des Mönches nur ein einziges Wort verstanden und darum blieb ihm aus rein rhetorischer Sicht gar nichts anderes übrig, als dann auch genau danach zu fragen.
"Die Liegung meines Auftrags geruht ihre Begründung in der Auffindung und Rückbringung eines Zwerges zur fristgemäßigten Verhinderung des Weltenendes zu suchen."
"Verstehe. Glaub ich. Die anderen haben gemerkt, dass ich ausgebüchst bin und du sollst mich zurückholen?"
"Die Bedürfung einer Korrektur der soeben einer Tätigung deinerseits zugrundeliegenden Aussage würde ihre Begrenzung auf ein Detail beschränken, dessen Nämlichkeit sich über die Erstreckung der Bereichlichkeit der Auftraggeber meines Unterfangens liegt."
"Ja. Wie wärs, wenn ich dir Fragen stelle und du einfach nickst oder den Kopf schüttelst?"
"So mir die Obwohligkeit der Sinnhabung deiner Idee..."
"Ist das ein Ja? Also... erste Frage. Du bist ein Mönch, richtig?" Nicken. "Und du kommst aus dem Klosters des allumfassenden Allumfassenden?" Nicken.
Auf die Art ging es noch etwa eine halbe Stunde weiter und irgendwann hatte Klaus sich folgendes erarbeitet: Die Mönche des altehrwürdigen Klosters hatten eine Schwingungsinterferenz im kausalen Spektrum des Universums festgestellt, dessen unweigerliche Folge das Ausbleiben des absoluten und unwiderruflichen Endes desselben bedeuten muss. So stand es jedenfalls im Handbuch des Kausalspektrographen. Und ein Universum, das niemals enden kann, wäre ein Paradoxon in sich selbst, das wiederum unweigerlich in der sofortigen und sehr unangenehmen Auslöschung von allem enden würde.
Die einzige Chance, dies zu verhindern bestand in der Reparatur der Maschine, die das Ende der Welt einläutet in Krummloch. Also hatten sie ihren fähigsten Mann, so hatte es zumindest Meister Zungschlag ausgedrückt, in die Stadt geschickt, den siebten apokalyptischen Zwerg zu suchen. Klaus vermutete allerdings, die Auswahl der Mönche war eher Folge des Dranges, diesen Mann möglichst weit weg von sich zu wissen.
"Okay, ich soll also nach Krummloch um die Maschine zu reparieren?" Nicken. "Okay, lass uns gehen."
"Hallo, Freunde", sagte eine Gestalt, die sich wie aus dem Nichts heraus zu materialisieren schien. "Mein Name ist Nakii und ich bin ein Geistling. Ihr habt nicht zufällig Zucker da?"
...
"Selbstverständlich." Kraal wich einem zweiten Schlag der Raupe aus und förderte aus den Untiefen seines Umhanges tatsächlich ein Gummiband hervor. "Ein echter Held geht nie ohne so was aus dem Haus."
"Sehr gut. Öffne deine Hand und halte sie dir unter die Nase."
Die Rummsraupe schien ein wenig verwundert ob der Wendigkeit ihres Opfers und verlegte sich auf das hektische Trommeln auf den Boden. Fangarm um Fangarm schlug neben Kraal auf, aber der ließ sich nicht erwischen. Nach ein paar Minuten Hechtsprungakkrobatik entdeckte er einen kleinen Felsvorsprung und krabbelte Schutz suchend darunter.
"Und jetzt?"
"Hab ich doch gesagt. Öffne deine Hand und halte sie dir unter die Nase." Kraal tat wie befohlen und der Nasenbohrer sprang ihm in die Hand. Er sah etwas anders aus, als zu Beginn ihres Kennenlernens, aber es war unzweifelhaft sein Begleiter. "So, und jetzt flitsch mich mit dem Gummi in die Nase der Raupe."
"Aber..."
"Kein Aber. Es ist unsere einzige Chance. Kennst du die Theorie vom Gleichgewicht der Natur? Jede Kreatur hat irgendeinen Feind, der sie töten kann. Der Krabbelgnom hat die Schlumpfschnecke, die Schlumpfschnecke hat die Gargarnele, die Gargarnele hat das dreimäulige Kratzbiest und so weiter. Und der tödliche Feind der Rummsraupe ist nun mal der Nasenbohrer. Ich bin das einzige Wesen, das sie töten kann."
Kraal würde es natürlich niemals zugeben und wenn ihn hinterher jemand danach fragen würde, würde er alles abstreiten, aber es war ihm gar nicht wohl bei dem Gedanken, seinen einzigen Gefährten in den sicheren Tod zu flitschen. Irgendwie hatte er den kleinen Kerl gerngewonnen. Aber es half nichts, der Held spannte das Gummiband zwischen Daumen und Zeigefinger, legte den Nasenbohrer darauf, hechtete aus seinem Versteck hervor und schleuderte der Rummsraupe das Geschoss im Fallen entgegen. Ein stilvolles Universum hätte an dieser Stelle vermutlich einen Zeitlupeneffekt eingebaut.
Der Nasenbohrer landete genau im Riechorgan der Rummsraupe, das bereits wenig später heftig zu zucken begann. Die Raupe vollführte ein paar sehr eklig anzusehende Grimassen und verlor schließlich in einem epochalen Niesanfall das Gleichgewicht. Auf dem Rücken liegend bot der wehrlose, weiche Körper Kraal jede Menge Ziel.
"Das war doch leicht", sagte der Held hinterher.
"Ja, für dich vielleicht. Du musstest ja auch nicht... Ach, ich möchte lieber nicht darüber sprechen."
...
"Schieb mich ein Stückchen höher", ächzte Eins. "Ein kleines Stückchen nur."
"Ich kann nicht höher", stöhnte Zwei.
"Ich auch nicht", keuchte Drei.
"Ich auch nicht", hechelte Vier.
"Ich schon gar nicht", japste Fünf.
"Ich kann noch ein Bisschen", sagte Sechs vergnügt. "Ach so, nach oben... Nee, dann doch nicht."
Die sechs Sieben Zwerge der Apokalypse hatten einen bedrohlich schwankenden Turm gebildet, wobei jeder auf den Schultern des Untermannes stand. Dennoch reichte es nicht.
"Wer ist eigentlich auf die tolle Idee gekommen, die Schraube ganz da oben anzubringen? Ich meine, da kommt doch kein Zwerg ran."
"Da kommen auch keine sechs Zwerge ran."
"Warum hilft Er eigentlich nicht?"
"Der Revisor hat gesagt, wenn er die Maschine berührt, explodiert sie."
"Klar... Das sage ich auch immer, wenn ich keine Lust habe, dreckige Schrauben anzufassen."
"Wie viel Zeit haben wir eigentlich noch, bis das Universum merkt, dass es nicht enden kann und endet?"
"Ein paar Minuten. Könntest du deinen Fuß bitte aus meinem Ohr nehmen?"
"Entschuldige. Sag mal, kommst du echt nicht dran?"
"Nein, leider nicht. Es fehlt ein Stücken. Wenn doch nur Klaus hier wäre..."
So, als hätte er auf sein Stichwort gewartet, was auch tatsächlich der Fall war, trat Klaus in diesem Moment wichtigen Schrittes in die Höhle.
"Hallo, da bin ich wieder. War nur kurz was Trinken in Joes Drachenpinte. Das hier ist übrigens Meister Zungschlag. Ein Mönch. Redet ganz komisch, ist aber ein netter Kerl. Habt ihr mich vermisst?"
Da ihm anstelle einer Antwort nur sechskehliges Gegrummel entgegenschwirrte, beschloss Klaus, lieber nicht weiterzureden, sondern stattdessen zur Tat zu schreiten. Er kletterte auf den Turm seiner Kameraden, wobei er das ein oder andere Mal unbeabsichtigt - und ein Mal auch beabsichtigt - die ein oder andere Rippe, Nase oder Niere traf und nahm zum Schluss von Eins den Schraubenschlüssel entgegen.
"Ich komm nicht dran. Könnt ihr ein Stück höher schieben?", sagte er schließlich. "Nee, war nur Spaß. Ich dreh die Schraube mal locker."
"Mach hin! Wir haben keine Zeit mehr!"
"Ja... läuft." Klaus öffnete die Deckenklappe der Maschine und warf einen kritischen Blick auf das Konglomerat aus Zahnrädern, Kupplungen, Keilriemen, Stangen und seltsamen Dingen. "Ach hier... keine Energie. Die magische Rose ist ausgebrannt. Das kann ja gar nicht mehr gehen. Haben wir ne Ersatzrose?"
"Soll ich mal im Lager nachsehen?", grummelte Sechs von unten.
"Die Nötigung dessen sucht ihre Liegung in einer gewissen Nichtigkeit, darob ich eine Habung des gesuchten Teiles aufweisen kann", sagte Meister Zungschlag und zog die blaue Rose der Weisheit unter seinem Mantel hervor. "Die Glücklichkeit der erfolgreichen Mission unseres geschickten Helden findet ihre Wortfindung in einer absoluten Nullseiung."
"Was sagt er?", fragte Vier.
"Er hat die Rose."
...
"Du warst lang nicht hier."
"Ja, ich hatte zu tun."
"Mupfelsaft?"
"Klar, wie immer." Als Kraal dann wenig später das Getränk seine Kehle hinunterrinnen ließ und die Flüssigkeit jede einzelne Körperzelle zu umschmiegen schien, war seine Welt wieder in Ordnung. Endlich war er wieder dort, wo er hingehörte.
"Und, wieder die Welt gerettet?", fragte Joe beiläufig und putzte ein Glas, das vielleicht tatsächlich irgendwann mal transparent gewesen sein mochte.
"Weiß nicht. Vielleicht. Ich hab ne Blume von nem Berg geholt."
"Mutig."
"Ja. Möchtest du vielleicht wissen, welches Geräusch Rummsraupen machen?"
"Ich kanns mir vorstellen. Übrigens war letztens einer hier, der hat nach dir gefragt. So ein Geistling. Sagte, er braucht den besten Helden von allen, um seinen Kumpel aus den Klauen der Zwölfen zu retten oder so."
"Ich weiß nicht... Ich glaub, ich brauch erst Mal Urlaub. Irgendwo, wo es warm ist."
"Okay. Ich hab ihm gesagt, er soll noch Mal wiederkommen, wenn du wieder in der Stadt bist." Mit diesen Worten ließ der Barkeeper Kraal alleine am Tresen sitzen.
"Zwölfen?", begann der Nasenbohrer. "Was ist das?"
"Widerliche Wesen, die in ihren Wäldern sitzen und schlimme Sachen machen."
"Klingt toll. Ich bin dabei."
"Sicher? Das wird gefährlich."
"Nicht für mich. Ich sitze ja sicher in deiner Nase."
"Ja... Ach, was solls. Hey, Joe! Joe, sag diesem Geistling, Kraal ist wieder in der Stadt."