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Die Seifenblase

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14.02.2004
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Die Seifenblase

Ein grausiger Winter stand vor der Tür. Noch war er nicht vom Himmel gefallen, noch wütete er nicht.

Er saß im Bus. Gerade hatte er sich von seiner Freundin verabschiedet, jetzt ging er nach Hause. Gerne kostete er vom Leben, wenn er ihren Kopf auf seiner Brust spürte, gerne lag er bei ihr. Diese Beziehung blühte noch, sie war jung, so wie dieser Tag; er hat sich früh losgemacht, etwas tat ihm weh in jener Brust.

Das Liebesspiel verlangte seinen üblichen Preis. Ungebeten schöpfte es mit riesigem Löffel von ihrer Energie, von der Kraft ihrer nackten Leiber. Aber sie gaben es gerne her, sie ließen gerne von sich schöpfen. Der Akt begann zu holpern, er fühlte, etwas sog ihr die Leidenschaft aus den Gliedern. Ihre Hände schlafften weg, er genoss diesen Augenblick, er sah zufrieden ihr schwaches Lächeln. Wie sanft gab sie sich ihm, wie sanft blickte sie zu ihm hoch! Es machte auch ihn müde, diese Augen forderten jetzt eine zärtlichere Hingabe. Doch etwas blockierte ihn: War auch für sie die süße Knospe jenes Spiels geöffnet worden? Hatte auch sie die höchste Ekstase erlebt? Vorsichtig und leise fragte er sie: Nie hat sie von dieser süßesten Frucht gekostet, nie gab man ihr genug dafür. Dass nichts an ihm fehlte, wusste er, ihre Augen sprachen es. Und trotzdem ging etwas in seinem Innersten kaputt, Mitleid floss in seinen Adern. Schwer lastete es in ihm, giftig wie Blei verdarb es sein Gemüt. Nun blickte auch er sanft, aber seine Augen umhüllte eine Trauer. Welche Schurken vergingen sich einst an ihr, an diesem so liebevollen Menschen? Tragen sie denn keine Schuld mit sich, begreifen sie nicht, dass sie Unrecht ihrem Fleische taten? Immer gab sie, nie öffnete man auch ihr eine Hand, um ihr Freude zu schenken. So konnte er nicht, so war er nicht. Und nun fürchtete er, nicht dazu befähigt zu sein, genug geben zu können. Würde ihr diese Frucht mit ihm auf ewig verborgen bleiben, würde nicht auch sie einmal vom Baume der Lust fallen, in ihren Schoss?
Man schwieg, man lag nebeneinander, ihr Kopf auf seiner Brust. Dieses Mal kostete er nur ungern vom Leben. Bitter schmeckte es, bitter von all diesem Mitleid, bitter von all diesen Gedanken.

Zuzeiten dieser Erinnerungen saß er noch immer im Bus. Sie füllten seinen Kopf und machten es ihm schwer, zu sein. Vielleicht trugen die Anderen keine Schuld mit sich, vielleicht traf es sie nicht. Ihn jedoch traf es, und obwohl keine Belastung zu dieser Tragik nötig gewesen wäre, zerrte etwas an seiner Seele. Kann sie ihm verzeihen, dass ihm diese Geschichte weh tut, kann sie ihm verzeihen, dass er ein böses Mitleid für sie empfindet? Oh, wieso machte er sich selbst immer alles so schwierig? Wieso konnte er nicht einfach so lieben, wie es die Glücklichen taten? Eine Angst erfüllte ihn. Keine Beziehung ist für eine allzu große Trauer geschaffen, keine Beziehung ist gegen die Trübsal gerüstet. Die Liebe ist stark, stärker als all die anderen Gefühle, die er kennt, aber sie ist auch sehr empfindlich. Eine hübsche Seifenblase, so stellt er sie sich vor. Man entdeckt viel Schönes auf ihrer schimmernden Oberfläche, viel Entzückendes, warm und privat ist ihr Innen. Doch dünn und sensibel schützt ihre Haut diese traumstille Welt. Strapazen zerreisen sie, dann ist alles hin.
Er wusste ja, jede Strapaze, jede unangenehme Stunde wäre sein Verschulden; als sie sich kennenlernten, erahnte er seine Liebe zu ihr bereits. Lange studierte er, lange horchte er auf sein Innerstes: darf er ihr sein Wesen zumuten? Darf er sie in sein wirres Leben miteinbeziehen, ist sie stark genug dafür? - Ist überhaupt jemand stark genug für ihn? Denn er litt an einer Krankheit, sie hatte sich in das unschuldige Fleisch seiner Seele verbissen, schmatzend knabberte sie an ihm wie ein unschönes Getier. Es ging viel wund in seinem Herzen, es schlummerten viele graue Erinnerungen in seinem Gehirn. Ist ein kranker und verletzter Mensch denn überhaupt dazu fähig, eine Liebe zu teilen?

Blass strahlten seine Augen, sie blickten nach draußen, währenddem der Bus fuhr. Sie sahen die Welt in der er lebte. Heute jedoch fielen ihm besonders die Birken auf, wie leblos ihre Farne zum Boden hin hingen, wie unberührt sie sich vom eisigen Winde wiegen ließen. Wie missbraucht diese Bäume nur ausschauten! Wie zerzaust ihre Kronen durch den dichten Nebel brachen! War denn heut’ alle Freude ausgestorben? Gab es den kein Glück mehr? Nur noch dieses Schweigen, nur noch diesen Nebel…!
Zuweilen wenn sie gute Stunden genossen, dann werweißelten sie über ihre gemeinsam Zukunft, die Zukunft ihrer heutig jungen Liebe. Ah, wohlig und kindlich sind diese Träumereien, heiter lachten sie miteinander. Erst gestern erlebte er solche Stunden, eine, zwei, drei und mehr. Er liebte sie dafür umso mehr.
Weh, und jetzt fühlte sich alles an, als liege es bereits im Sterben, die ganze Liebe, die ganze Träumerei! Selbst sein Leben bekam runzeln wie ein grauer, alter Mann. Würde sie ihn deshalb verlassen? Er würde sie ja verstehen, man darf niemandem fremde Laster zu tragen geben! Mit Tränen würde er es ihr verzeihen, mit Tränen würde er akzeptieren. Sein dummes Wesen bereuend ginge er dann alleine wieder weiter, durch das Leben, durch das Dasein, durch diese triste Welt.

Gerne wäre er ausgestiegen, den Weg zu ihr zurückgelaufen, um ihr zu sagen, dass es ihm leid tut, dass ihm alles schrecklich leid tut, dass er sie liebt und jede mögliche Sekunde ihrer gegebenen Zeit saugen möchte. Doch er stieg nicht aus, sein plötzliches Wiedererscheinen wäre unbeholfen und überrumpelnd gewesen, er hätte sie bedrängt und auch keine Bedrängnis verträgt eine Seifenblase. Es ist, als hätte man ihm einen stumpfen Pflock durch Brust und Herz gestoßen, es rinnt kein Blut, er lebt damit, sein Herz ist verkrampft.

Unwillig steigt er aus, als der Bus ankommt. Draußen wartet das Leben, fordert Kraft, fordert Munterkeit. Diese Dinge aber hat er in jenem Moment nicht. Konnte diese Fahrt nicht ewig dauern, konnte er sein Dasein nicht für immer seinem Nachdenken und Bereuen zuwenden? Denn einfacher ist es, zu leiden, als vom Leiden zurück ins Licht zu finden… für sie würde er es tun.

 
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lieber groper...

Ich danke dir für deine Kritik, obwohl ich sie ein wenig für lose empfinde. Denkst du nicht, dass der Geschmack von Mensch zu Mensch verschieden ist? Der Schreibstil kann getrost ein bisschen altmodisch sein, das schadet meines Erachtens überhaupt nicht; ich kenne eine menge Leute, die mit dem modernen Kitsch kaum noch was anzufangen wissen.

Wenn der Höhepunkt nur einmal ausbleibt, wärs ja ganz okay, aber ich bitte dich: wie würdest du dich fühlen, wenn das Mädchen unter deiner Obhut plötzlich damit herausrückt, dass sie nie einen Orgasmus hatte? NIE! (also möglicherweise auch bei dir nicht!)

Was das aneinanderreihen von Gedanken angeht: da hast du wohl recht - ich ahnte nicht, dass das so schlimm ist. Ich wollte ja gar nicht, das der Prot weiterkommt, ich wollte bloss seine Gedankengänge niederschreiben... und mir natürlich meinen neuen Schreibstil angewöhnen. :-P

Da fällt mir ein: "werweisseln"... zugegeben: das Wort ist ein wenig gewagt, aber ich habe es auch schon lesen dürfen... und hören. Überhaupt: schon mal Hermann Hesse gelesen? Da gibt's einen Haufen solcher Wörter die gar nicht wirklich exisitieren. z.B.: "zweiund drei"... Autoren sind ja schliesslich auch nur Künstler :-D

Gruss,
Clyan

 

Hallo Clyan,

Du brauchst jetzt nicht sauer auf groper oder seine Kritik sein. Ich sehe das so ähnlich, obwohl Romantik mein Spezialgebiet ist und ich die blumige Sprache seiner Vertreter vergöttere (vgl. meine eigenen Texte). In deiner insgesamt guten Geschichte finden sich viele wohlklingende Beschreibungen und Bilder, die aber in ihrer Dichte sich gegenseitig auslöschen und zerplatzen, um im gleichen Wortlaut zu bleiben. Was die seltsamen Gedanken deines Protagonisten anbelangt, lässt sich nur eines formulieren : die Liebe verzeiht alles, selbst die schwülstigsten Ergüsse. :)

Liebe Grüße,
moonaY

 

... manchmal frage ich mir wirklich, ob die ganze kritisierei überhaupt sinn macht, wenn man sowas zu lesen bekommt. ich meine, genau das ist das problem hier: man kritisiert nicht neutral genug. ständig versucht irgendeiner dem anderen seine eigene vorstellung von stil und was weiss ich aufzuschwatzen. aber das gehört hier eigentlich gar nicht hin. verzeiht, ich musste es dennoch erwähnen.

@moonay
was meinst du damit, dass sich die Formulierungen gegenseitig auslöschen? ... kann ich irgendwie nicht nachvollziehen. beziehst du dich damit auf den inhalt der sätze oder auf ihre Atmosphäre?
Übrigens: blumig zu schreiben war überhaupt nicht meine Absicht. Ich bin einfach ein Begeisterter des Altmodischen Schreibstils. - Würde die ganze Literatur denn nicht total öde, wenn alles nur noch nach der Moderne gerichtet wird? Ich kann wirklich nichts mehr mit diesen modernen, einfachen, meist sogar dummen Romänen der heutigen Zeit anfangen. ... wieso sollte ich da der einzige sein?

@groper
du bist ziemlich simpel, weisst du das? es ist kein argument, einfach erfundene wörter zu verneinen, und dann auch noch der meinung zu sein, der "olle hermann" könne da ebenfalls nicht weiterhelfen. gib mir bitte eine plausible erklärung dafür, warum du das so siehst, und ich öffne mich, mich eventuell überzeugen zu lassen.
Letztlich gibt es viele Wörter die man erfindet. Ich habe haufenweise schon gelesen. z.B.: "verquollene Augen", "verschwarzen"... usw. Auch werweisseln war dabei (übrigens: mit W nicht mit V). Für mich zählt schlussendlich nur, dass man versteht was gemeint ist. Wieso sollte es schade, Wörter zu erfinden, wenn man sie versteht und wenn sie eine gute Atmosphäre geben? Schliesslich sind auch die Worte, die du nicht als erfunden betrachtest, erfunden worden, oder etwa nicht? ;-)

Liebe Grüsse euch beiden,
Euer Clyan

 
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Hallo Clyan,

Ich kann nicht verstehen, warum du dich so aufführen musst. Das Schreiben von Kritiken findet auf vollkommen freiwilliger Basis statt. Wir sind nicht verpflichtet, deinen Erwartungen einer Kritik in allen Belangen nachzukommen. Schreibe ansprechende Texte, oder Kritiken zu anderen Geschichten, dann darfst du auch vernünftige Kommentare zu deinen eigenen erwarten.
Nichtsdestotrotz will ich versuchen mich klarer auszudrücken :
Mir fiel es schwer, den Sinn eines Bildes zu entschlüsseln. Kaum verstanden, treffe ich schon auf das nächste. Den Inhalt habe ich somit aus den Augen verloren. Weniger ist häufig mehr. Das musste ich auch schon einsehen. Die Frage ist, womit du deinen Leser erreichen möchtest : entweder eine klare, erbauliche Botschaft oder eine unterhaltsame, poetische Wirkung. Für mich ist es dir weder noch gelungen. Sehr gute Autoren schaffen es, beides miteinander zu verknüpfen. Irgendwo habe ich es schon einmal gesagt : die Wirkung trägt den Inhalt. Ist die Wirkung auf den Leser ansprechend, ist er viel eher bereit sich dem Inhalt zu zuwenden. Ist die Wirkung zu überwältigend (Sätze mit Adjektiven überladen, zu viele Bilder), fällt es ihm schwerer, sich völlig auf den Inhalt zu konzentrieren. Er wird förmlich von der "geschriebenen Sinnespracht" erschlagen.
Die "verquollenen Augen" nehme ich übrigens auf meine Kappe.
Zu den modernen Romanen : Die meisten heutigen Romane sind auch für mich zu simpel. Das liegt zum Teil an der Verkaufsstrategie vieler Verlage, aber auch an Autoren, die mit ihren Büchern einfach nicht meinen Geschmack treffen. Ich mache mir daraus nichts, und lese bevorzugt Klassiker von Schiller bis Goethe. Die enttäuschen mich nicht so sehr. :)

Clyan schrieb:
meist sogar dummen Romänen der heutigen Zeit anfangen

:sealed:

Liebe Grüße,
moonaY

 

@moonay
woow, woow, jetzt mal ganz langsam. du brauchst nicht gleich böse zu werden. ich habe meine meinung geäussert, so wie ihr, darf ich doch, oder? Dass meine Geschichten nicht die besten sind, seh ich gerne ein, aber es ist nunmal eine Tatsache (und niemand kann das bestreiten), dass man nicht nur guter Schreiber, sondern auch guter Kritiker sein muss, und hier gibt es nicht unbedingt viele gute Kritiker.
Ich führe mich nicht auf. Aufführen würde bei mir anders klingen. Wir beruhigen uns jetzt; ich halte auch nicht an meiner Story fest, sie ist mir nicht mal besonders viel wert. Wenn sie nicht gut ist, bitte, dann ist sie nicht gut. Kein Problem. Clyan kann das wegstecken. Clyan nimmts hin und lächelt dazu.

Liebe Grüsse,
Clyan

 

Ich meine es ja auch nicht so, wie es da steht. Ich entschuldige mich für meine Entgleisungen. Im Prinzip war es nur ein frustrierendes Lesevergnügen. Mehr nicht. Deine Geschichte ist überhaupt nicht schlecht. Das werden dir die nächsten Kritiken beweisen.

LG moonaY

 

gut. ich glaube wir haben uns jetzt geeinigt. :-)
mich hat eben die art deiner formulierung wütend gemacht, groper. Sie waren viel zu emotional für eine kritik... finde ich. Aber ich entschuldige mich für mein meckern. Tut mir leid.
Ihr habt natürlich recht, ich sollte froh über eure Kritiken sein, seis drum, wenn sie negativ sind. Danke, euch beiden.

Grüsse,
Euer Clyan

 

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