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Die Suche

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04.08.2001
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Die Suche

Jonas Hofmeister war ein träumerischer junger Mann. Mit dem blassen Teint, seinem streng gescheitelten, aschblonden Haar, seinen Augen, die in ihrer verwaschenen Farbe immer ein wenig traurig in die Welt zu blicken schienen, und der Nachlässigkeit, mit der er sich kleidete, war er ein gutes Beispiel für den verarmten Studenten, der sich in der fremden Stadt nur deshalb durchs Dasein schlug, weil vage, kaum zu erahnen, ein besseres Leben in der Zukunft lag.
Und so hatte es auch immer den Anschein, wenn er durch die Straßen ging, dass sich die Leute und Gegenstände, ja sogar die Laternenpfähle und Häuser an ihm vorbei schoben, anstatt dass er die Vorwärtsbewegung vollzog.
Seine Familie war zu Hause. Freunde hier hatte er nicht, und er tat sich schwer, neue zu finden. Das entsprach nicht seinem Wesen.
So pflegte er distanzierten Umgang mit seiner Vermieterin, den Mitstudenten und Lehrern. Auf Abstand bedacht, aber durchaus freundlich, so wie es seinem Charakter entsprach.
So kam es, dass er in der Stadt zwar allgemein beliebt war, bei seinen Kommilitonen anerkannt und geachtet. Auf der anderen Seite wusste man nicht mehr als belanglose Daten über den Menschen Hofmeister und nicht mehr.
Er war kein Lebemann, war zufrieden mit dem Bett, das er sich leisten konnte, und wenn er an einem Tag nicht satt wurde, klagte er nicht. Die neueste Mode war ihm egal.
Es war nicht so, dass er traurig wäre darüber, nicht denselben Lebensstandard zu haben wie die Menschen um ihn herum. Er nahm es einfach nicht wahr, es kam ihm gar nicht der Gedanke, dass es ihm schlecht gehen könnte.
So stand er morgens auf, ging in die Uni und grüßte freundlich, wen er auf seinem Weg traf. Am Nachmittag dann, wenn das Leben langsam aus den Büros in die Straßen schwappte, bediente er in einem kleinen Café zwei Straßen entfernt von seinem Zimmer. Hier war er ebenso freundlich zu den Besuchern, ebenso höflich, aber ebenso unbestimmt wie immer.
Und abends dann saß er in seiner stillen Stube über den Unterlagen gebeugt und tat das, weshalb er in dieser Stadt war. Er versuchte, sich all die Zeichen einzuprägen, die in den Büchern standen, all die Terme und Gleichungen, Skalare, Vektoren.
Und es konnte vorkommen, wenn er hochschreckte unter der kleinen Schreibtischleuchte, dass das erste Tageslicht zu schimmern begann.
Also ging er durch das Leben, und, auch wenn ihm einiges zum satten Dasein fehlte, das Wichtigste hatte er: das Ziel.
Trotzdem war es ihm in trüben Stunden, als mangele ihn an etwas Entscheidendem. Manchmal spürte er ganz deutlich, dass er selbst in seinem innersten Grund unvollständig war, dass ihm etwas ganz Notwendiges fehlte. Und er wusste nicht, was es war, und er machte sich auf die unermüdliche Suche, es zu finden.
Er strich durch die Stadt, ließ sie an sich vorbei gleiten, beobachtete mit wachen Augen und einem offenen Herzen.
Er wich den Menschen aus, die auf dem Weg nach Hause waren – mit einem hektischen Ausdruck im Gesicht.
Er ließ die Leute vorbeiziehen, die zur Arbeit mussten – hastig, mit angespanntem Blick.
Er kam sich vor wie im Meer, wie in einer bunten Welt voller merkwürdiger Geschöpfe.
Es kam vor, dass Blicke sich trafen, als er Gesichter studierte. Dann und wann ein flüchtiges Lächeln, doch jedes Mal von ihm – ohne es zu wollen – das Wegschauen, der gesenkte Blick.
Keine Berührungen; jeder ist darauf bedacht, ein Mindestmaß an Raum zum Nächsten zu haben. Vakuum quasi So schwebt er dahin, eingeschlossen in eine Unzahl von Luftblasen, die ihn abschirmen gegen den Anderen.
Oder den Anderen gegen ihn.
Und da er am Vormittag studierte, im Café bediente am Nachmittag und des Nachts wieder studierte, war er nur am Abend, im Dämmerlicht auf der Suche. Die Laternen der Stadt taten das Ihre, aber es war in diesen Stunden nie ganz hell in den Straßen.
Doch unermüdlich zog er los, konnte es kaum erwarten, dass seine Ablösung kam, er sich mit einem flüchtigen Lächeln verabschieden und das Lokal verlassen konnte.
Und wieder die Straßen. Die Gesichter, die Menschen. Und der Raum zwischen ihnen.
Er staunte – bestaunte – und langsam, unmerklich, für ihn selbst gar undenkbar, verschob sich sein eigenes Ziel, der Grund, das Motiv, weshalb er sich hier aufhielt. Das eine Ziel wurde von einem anderen abgelöst.
Er stand vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäftes, als ihm aufging, dass er am Ziel war. Er stand vor dem Glas, sein Atem schlug sich an der Oberfläche nieder und bevor es auffiel, kam ihm zu Bewusstsein, dass er die Frau dort drinnen angestarrt hatte. Er wandte sich ab und nahm einen tiefen Atemzug, um sich sofort wieder der Verkäuferin zuzuwenden.
Sie hatte schmale Augen. Aber weniger die Form als mehr deren Ausdruck fesselte Jonas. Sie sah den Mann, der ein paar Schuhe kaufen wollte, wie eine Verkäuferin an und gleichzeitig wie eine Königin. Ihr Blick schien von oben und von unten zu kommen, ihre Gesten waren unterwürfig, zugleich voller Stolz. Dann und wann strich sie sich eine Strähne ihres Haares hinter das rechte Ohr, sie verschränkte ihre Beine leicht, als sie ungeduldig wurde, und einmal steckte sie die linke Hand in die Tasche ihrer Hose. Aber immer lächelte sie dabei. Und das Lächeln war nicht falsch, und wenn es falsch war, dann wollte man, dass es ehrlich gemeint war.
Sie konnte nicht älter sein als Jonas. Durch die hohen Wangenknochen und die Form der Augen, hatte sie ein verschwommen asiatisches Aussehen. Das wiederum im Kontrast zu ihrem blonden Haar stand.
Als der Mann den Laden verließ – mit einem Paar Schuhe im Beutel – begleitete sie ihn zur Tür und verabschiedete ihn. Er ging an Jonas vorbei, die Frau schloss die Tür und wandte sich um. Kein bisschen veränderte sich ihre Mimik, es gab kein aufgesetztes Lächeln, das verschwand, ihre Haltung veränderte sich nicht. Ihr Wesen machte keine Wandlung durch. Sie ging durch den Laden, als sie sich einmal umdrehte, begegneten sich ihre Blicke.
Sie lächelte, er wandte sich ab.
Er studierte in dieser Nacht nicht, vielmehr ging er sofort zu Bett. Doch er konnte lange Zeit nicht einschlafen.
Am nächsten Tag erwartete er ungeduldig den Zeitpunkt, zu dem er loslaufen konnte. Diesmal ließ er sich nicht treiben, von den Menschen nicht und nicht von den Umständen. Zielstrebig in seinem Schritt sah er nicht in die Gesichter, er schaute auf den Weg.
Und wieder das Schuhgeschäft und abermals das Mädchen.
Er beobachtete sie, bis er auffiel. Dann wechselte er seinen Standort und beobachtete sie weiter.
Schaute ihr ins Gesicht mit dem wunderbar warmen Teint, versuchte die Worte von ihren dunklen Lippen abzulesen und sah in ihre Augen, die immer ein wenig zu lächeln schienen.
Er ärgerte sich mit ihr über den ungehobelten Kerl, der anscheinend das Passende nicht gefunden hatte und aus dem Geschäft polterte.
Er freute sich ebenso wie sie über die beiden Zwillinge, vielleicht drei oder vier Jahre alt, die durch den Laden trudelten und mit ihrer Mutter für kurze Zeit Lebendigkeit hereinbrachten.
Darüber merkte er nicht, wie sehr er fror.
Als er sich abwandte, um nach Hause zu gehen, freute er sich auf den nächsten Tag.
Doch am anderen Abend war sie nicht im Geschäft. Der Schreck als Reaktion auf diese Entdeckung währte bis in die Nacht hinein, als er in einen unruhigen Schlaf fiel.
Am Tag darauf fehlte sie wieder und ein Stück glitt er weiter zurück in seinen alten Zustand.
Trotzdem ging er am darauffolgenden Abend wieder zu dem Schuhgeschäft und mit klopfendem Herzen bezog er Stellung.
Dieses Mal waren zwei Verkäuferinnen in der Boutique; eine davon war sein Mädchen. Sie hatte sich die Haare hochgesteckt und Jonas wusste mit ziemlicher Sicherheit, dass sie Geburtstag hatte oder einen anderen Ehrentag, für den man sich herausputzte.
Er stand in seinem Versteck, war richtig stolz auf sie, wie schön sie war und strahlend.
Sie tuschelte und lachte mit ihrer Kollegin, wenn ein Kunde den Laden betrat, musste er lächeln, angesteckt von der guten Laune.
Als Jonas sich zurückzog und nach Hause schlenderte, hatte auch er ein Lächeln auf dem Gesicht. Er kümmerte sich nicht um die Passanten, ging geradeaus und träumte.
Als er am anderen Abend wieder auf seinem Platz stand, dachte er, dass er sie ansprechen sollte. Er musste sie kennenlernen, obwohl er den Eindruck hatte, dass sie beide schon längst bekannt waren.
Sie hatte keinen Freund, das war klar. Er hatte niemanden gesehen, der sie abgeholt, sie zur Arbeit gebracht oder sie auch nur besucht hätte. Kein Ring an besagtem Finger oder verräterische Träumereien.
Sie kam jeden Tag mit dem Fahrrad ins Geschäft, sie war sicher Vegetarierin, bei ihrer Figur! Und wenn sie Fahrrad fuhr, war sie Naturliebhaberin.
Vielleicht wartete zu Hause eine Katze auf sie? Ein Hund?
Sie waren wie für einander geformt, dachte er. Er würde sie ansprechen, aber nicht heute. Morgen vielleicht.
Die Stadt kam ihm heller vor, freundlicher, offener. Als er nach Hause ging, hielt er in einem kleinen Supermarkt und kaufte sich eine Flasche Wein.
Die er sofort öffnete, als er die Sachen abgelegt und sich frisch gemacht hatte. Er trank in Ruhe ein Glas, hörte Musik (Brahms) und dachte an den nächsten Tag.
Er musste sich überlegen, was er sagen würde. Zwar hatte er das Gefühl, dass sie sich ohne Worte verstehen würden – er war überzeugt davon – doch war er nicht so dumm, darauf zu vertrauen. Er durfte nichts falsch machen.
Mit einem guten Gefühl ging er ins Bett, doch er konnte nicht einschlafen. Stunde um Stunde warf er sich hin und her, von einer Seite auf die andere, unfähig, das nötige Quäntchen Ruhe zu finden.
Irgendwann gegen Morgen sank er in unruhigen Schlaf, aber als er aufstand, fühlte er sich trotzdem erholt und frisch.
Er vermochte den ganzen Tag über an nichts anderes als an sie zu denken. Er sah ihr Lächeln vor sich, das kleine Grübchen unterhalb der linken Wange. Er blickte eine Kommilitonin an, die mit ihm sprach und plötzlich stockte, weil er keine Antwort gab und sie nur weiter anstarrte.
Als er endlich die lästigen Pflichten erledigt hatte, als es Abend geworden war und dunkel in der Stadt, zog er sich um und ging mit klopfendem Herzen hinaus. Er freute sich.
Und er hatte Furcht.
Ein nagendes Unwohlsein im Inneren, ein dumpfes Gefühl im Magen, das sich verschob, als er die Hand drauf legte.
Er schüttelte seinen Kopf, als er ins Freie trat und lächelte.
Dann eilte er vorbei an Menschen, die ihn nicht beachteten, die sich nur selbst im Blick hatten und niemanden sonst.
Außer Atem langte er an. Er fühlte sich, als wäre er nach Hause gekommen. Er schaute sich um, studierte die anderen Geschäfte. Doch in jedem der Schaufenster schien sich die Schuhboutique zu spiegeln.
Er sah hin und war verwirrt. Seine Freundin war nicht zu sehen, zwei andere junge Verkäuferinnen standen im Laden und bedienten. Sie lächelten und waren zuvorkommend.
Er hätte hineinstürmen sollen, die beiden anschreien und fortschubsen. Was habt Ihr mit meiner Freundin gemacht, wo ist sie?
Aber er war nicht fähig dazu, er war erstarrt.
Dann hätte er jammern sollen, weinen. Mit tränentrübem Blick nach der jungen Frau suchen, die nicht mehr gekommen war. Die ihn versetzt hatte.
Doch auch das tat er nicht.
Stattdessen drehte er sich um und ging, ohne einmal zurückzublicken, durch die Straßen nach Hause.
Je weiter er kam, desto leichter wurde ihm. Desto befreiter fühlte er sich, und als er endlich in seinem Zimmer saß, konnte er wieder lächeln.
Am anderen Tag, nachdem er alle Pflichten erfüllt hatte, zog er wieder los, durch die Straßen der Stadt, an den Menschen vorbei, die ihn nicht sahen.
Er fühlte sich wohl.

 

Vor einiger Zeit kam mein Sohn (18) mit einem (!) rasierten Bein nach Hause. Nachdem sich die gesamte Familie ausgeschüttet hatte vor lauter Lachen, machte er uns deutlich, dass es sich dabei um eine verlorene Wette handelte.

Dies hier nun ist quasi mein rasiertes Bein. Wobei es sich nicht im eigentlichen Sinne um eine verlorene Wette handelt.
Nichtsdestotrotz bin ich zu der Romantik-Story gekommen, wie die Jungfrau... na ja.

Habe mir trotzdem größte Mühe gegeben.

 

Hallo Hanniball!

Auffällig an der Geschichte ist der spröde, teils etwas zu exaltierte Stil, der wohl der Spröde deines Protagonisten unterstreichen soll. Die Einsamkeit und das Monadische des Jonas kommt gut rüber, ein Autist ist er nicht, denn er fühlt mit der Verkäuferin mit. Eigenartig aber, dass er seine Sehnsucht, die ihn raustreibt, nicht recht zu deuten weiß. Als junger Mann muss er doch wissen, dass er Sehnsucht nach einer Frau hat, das bleibt aber unbestimmt.

Am Ende steht dann die Erleichterung darüber, dass er seinen Gefühlen, die er für die Verkäuferin entwickelt hat, und die schon ins leicht Krankhafte gehen, er ist ja eigentlich ein Stalker, der sie genau beobachtet, er bleibt ja so lange, bis sie nach Hause geht, also die Erleichterung, dass er seinen Gefühlen nicht weiter nachgeben muss, dass er wieder frei ist vielleicht. Letztlich hat er es aber nicht geschafft, die Brücke zu einem Du zu schlagen, sein Inseldasein aufzugeben, er ist wieder frei, aber auch weiter einsam.

Auch wahrscheinlich, dass die das bemerkt haben, und die Verkäuferin in eine andere Filiale geschickt haben oder sie von sich aus gekündigt hat, um ihm zu entgehen. Trotzdem erscheint es nicht ganz logisch, da sie ja vorher schon manchmal nicht da war. Aber da ist er schon so davon besessen, dass er sie anspricht, dass er vielleicht nicht mehr daran denkt, dass sie auch mal einen freien Tag hat.

Überhaupt erscheint mir, dass da viel über die Grenze zwischen Normalität und Wahn drinnen ist. Auch der Zusammenhang zwischen Armut und Isoliertheit wird gut dargestellt. Es gibt sicher viele, vor allem auch Studenten, die derart isoliert leben.

Aber vieles wird von dir halt auch einfach so behauptet: Zum Beispiel, dass er beliebt und anerkannt war, wenn dem so wäre, müsste er doch mehr soziale Kontakte haben.

Auf jeden Fall hab ich die Geschichte gerne und mit Interesse gelesen.


Seine Eltern waren weit fort, seine Schwester war nicht hier, die Freunde waren zu Hause geblieben. Und er war vom Wesen her nicht dazu geeignet, sich allzu schnell neue Bekanntschaften zu machen oder sich in Freundschaften ziehen zu lassen.
findest du, dass sich das gut anhört? ;) ich würde diesen ganzen Absatz neu schreiben, auf jeden Fall ist ein "sich" zuviel
So pflegte er den distanzierten Umgang mit seiner Vermieterin, den Mitstudenten und Lehrern.
"den" streichen
Auf der anderen Seite wusste man recht wenig über den Menschen Hofmeister und nicht mehr, als belanglose Daten.
warum nicht einfacher: Auf der anderen Seite wusste man nicht mehr als belanglose Daten über den Menschen Hofmeister
und wenn er an dem einen Tag nicht satt wurde, klagte er nicht.
"dem" streichen - an einem Tag
Sich nach der neuesten Mode kleiden zu können, davon hatte er sich längst verabschiedet.
schon wieder so eine umständliche Beschreibung
Es war nicht so, dass er traurig wäre darüber, nicht denselben Lebensstandard zu haben wie die Menschen um ihn herum. Er nahm es einfach nicht wahr, es kam ihm gar nicht der Gedanke, dass es ihm schlecht gehen könnte.
offensichtlich doch, sonst würde die Bemerkung vorher über die Mode nicht passen, denn er muss das ja mal durchgedacht haben, dass er sich eben nicht nach der neuesten Mode kleiden kann
bediente er die Gäste in einem kleinen Café zwei Straßen entfernt von seinem Zimmer
bediente er zwei Straßen entfernt von seinem Zimmer die Gäste eines kleinen Cafes
dass, wenn er hochschreckte unter der kleinen Schreibtischleuchte
wenn er unter der ... hochschreckte, ..
Manches Mal, sei es, wenn ihm eine Freude widerfuhr, auch wenn ihm traurig war
warum so hochgestochen?
ließ sie an sich vorbei gleiten
zusammen: vorbeigleiten
Keine Berührungen; jeder ist darauf bedacht, ein Mindestmaß an Raum – Luftleere quasi – zum Anderen zu haben. So gleitet er dahin, eingeschlossen in eine Unzahl von Luftblasen, die ihn abschirmen gegen den Anderen.
warum hier Präsens? Die Bindestriche stören den Lesefluss im Text.
war er nur am Abend, in der Dunkelheit auf der Suche.
ich würde "Dämmerung" nehmen statt "Dunkelheit", denn dunkel ist es in der Nacht auch, wenn er studiert
Die Laternen der Stadt taten das ihre,
groß: das Ihre
Sie hatte schmale Augen. Aber weniger die Form als mehr deren Ausdruck fesselte Jonas. Sie sah den Mann, der ein paar Schuhe kaufen wollte, wie eine Verkäuferin an und gleichzeitig wie eine Königin. Ihr Blick schien von oben und von unten zu kommen, ihre Gesten waren unterwürfig, zugleich voller Stolz. Dann und wann strich sie sich eine Strähne ihres Haares hinter das rechte Ohr, sie verschränkte ihre Beine leicht, als sie ungeduldig wurde, und einmal steckte sie die linke Hand in die Tasche ihrer Hose. Aber immer lächelte sie dabei. Und das Lächeln war nicht falsch, und wenn es falsch war, dann wollte man, dass es ehrlich gemeint war.
sehr schön!
Durch die erhobenen Wangenknochen
"erhobenen" passt nicht, wieso nicht einfach: hohen?
Als der Mann den Laden verließ – mit Paar Schuhen in der Tasche
mit einem Paar Schuhe ... und der muss eine große Tasche haben, dass er da Schuhe reingeben kann, besonders bei einem Mann eher unwahrscheinlich ;)
Am nächsten Tag erwartete er ungeduldig den Zeitpunkt, zu dem er loslaufen konnte. Diesmal ließ er sich nicht treiben, von den Menschen nicht und nicht von den Umständen. Zielstrebig in seinem Schritt sah er nicht in die Gesichter, er schaute auf den Weg.
auch gut!
Als er sich abwandte um nach Hause zu gehen
Komma: abwandte, um ...
Das Zusammenzucken als Reaktion auf diese Entdeckung währte bis in die Nacht hinein, als er in einen unruhigen Schlaf fiel.
"Zusammenzucken" ist etwas Momentanes - es kann nicht Stunden andauern
Trotzdem ging er am darauffolgenden Abend wieder zu dem Schuhgeschäft, und mit klopfendem Herzen bezog er Stellung.
ohne Komma
dachte er, dass er sie ansprechen würde müssen. Er musste sie kennenlernen
besser: dass er sie ansprechen sollte. - auch, um das doppelte "muss" zu vermeiden
der sie abgeholt hatte, sie zur Arbeit gebracht oder sie auch nur besucht hätte
erstes "hatte" streichen
Sie waren wie für einander geformt, dachte er
:D
Er würde nichts anbrennen lassen.
das klingt nach Womanizer, der er ja überhaupt nicht ist
Er vermochte den ganzen Tag über an nichts anderes zu denken, als an sie
besser: an nichts anderes als an sie zu denken, auf jeden Fall aber ohne Komma
Er blickte eine Kommilitonin an, während die mit ihm sprach und plötzlich stockte
"während" streichen
Er schüttelte seinen Kopf als er ins Freie trat und lächelte.
Komma: Kopf, als er ...
Und eilte durch die Straßen, vorbei an Menschen, die ihn zwar noch immer nicht beachteten und jeder für sich selbst lebte. Aber es machte ihm nichts aus, er bemerkte es nicht.
erstens geht das aus seiner Perspektive hinaus, denn ER bemerkt es ja nicht, dass ihn die Menschen nicht beachten. besser: Menschen, die für sich blieben und ihn noch immer nicht beachteten - und zweitens, so wie du es geschrieben hast, ist es einfach grammatikalisch falsch
die Beiden anschreien und fortschubsen
klein: beiden


Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea!

Schön, dass du den Weg zu der Geschichte gefunden hast, noch schöner, dass du sie gern gelesen und Interesse daran gehabt hast.

Gerade das Letztere finde ich besonders wichtig und erfreulich. Interesse heißt ja immer dranbleiben, zu Ende lesen, ohne Zwang. Freut mich.

Die Einsamkeit und das Monadische des Jonas kommt gut rüber

Sehr schön, ich bin langsam zu der Überzeugung gekommen, dass nicht ich den Protagonisten forme, sondern zumindest der Prot seinen Weg zum Teil allein an die Oberfläche sucht. Ist das nicht faszinierend, ein Charakter, der sich zeigen will, von allem Schnickschnack befreit, zur Bühne strebt. Ohne Frage, dass - ohne dass ich es bewusst anstrebe - die Figur sich herauskristallisiert hat.

Eigenartig aber, dass er seine Sehnsucht, die ihn raustreibt, nicht recht zu deuten weiß. Als junger Mann muss er doch wissen, dass er Sehnsucht nach einer Frau hat, das bleibt aber unbestimmt.

Die Frage ist doch, ob Jonas Hofmeisters Sehnsucht tatsächlich einer Frau gilt. Einem Menschen, einer Person.

und die schon ins leicht Krankhafte gehen, er ist ja eigentlich ein Stalker,

Ganz recht, und natürlich kann diese Beziehung nicht gut enden.

Trotzdem erscheint es nicht ganz logisch, da sie ja vorher schon manchmal nicht da war. Aber da ist er schon so davon besessen, dass er sie anspricht, dass er vielleicht nicht mehr daran denkt, dass sie auch mal einen freien Tag hat.

Du hast Recht, ich habe schon zwei neue Verkäuferinnen angeführt, um zu zeigen, dass das Wegbleiben endgültig ist. Aber natürlich harrt diese Stelle mit tippendem Fuß auf eine Verbesserung.

Aber vieles wird von dir halt auch einfach so behauptet

Zweifellos ein weiterer Makel einer ganz und gar nicht makellosen Story.

Für die vielen guten Anregungen und Vorschläge danke ich dir mit vor Staunen offenem Mund und dem Versprechen, sie möglichst bald einzuarbeiten.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo,

Und er war vom Wesen her nicht dazu geeignet, sich allzu schnell neue Bekanntschaften zu machen oder sich in Freundschaften ziehen zu lassen.
Ja, bisschen aufpassen, dass dem Text nicht schon am Anfang die Füße einschlafen, also der Satz ist schon bisschen muffig. „vom Wesen her“ ist so eine Floskel. „allzu schnell“ „Bekanntschaften machen“ „sich in Freundschaften“. Der ganze Satz wäre viel kraftvoller. Denn er war ein Eigenbrötler. Das will der Satz doch sagen. Er war ein bisschen stoffelig.

und knapp bevor es peinlich wurde
Fällt aus dem Stil.

mit Paar Schuhen
Einem

Dabei veränderte sich ihre Mimik kein bisschen, kein aufgesetztes Lächeln verschwand, ihre Haltung veränderte sich nicht, ihr Wesen machte keine Wandlung durch.
Sind mir zu viele Negationen. Gerade zu Beginn des Satzes liest man: Dabei veränderte sich ihre Mimik (wie denn?, fragt man) kein bisschen (ach so).

Er stand in seinem Versteck, war richtig stolz auf sie, wie schön sie war und strahlend.
Das ist doch ein spannender Gedanke. Hier wird die Figur für mich zum ersten Mal lebendig. Das ist ein schön dargestelltes, menschliches Verhalten.

Die ganze Geschichte wirkt ein wenig anachronistisch, sie findet, aus meiner Sicht, aber nicht die richtige Tonlage für das Geschehen. Die Distanz zu der Figur wird literarisch nicht geschickt genug dargestellt. Es wird zu kühl erzählt in dieser Distanz, mir fehlt da ein Stück die literarische Gestaltung, der Griff auf das Geschehen. Der Text begleitet die Figur zu sehr, da fehlt mir in der Sprache das Besondere, der besondere Zungenschlag, die besonderen Bilder. Die eine Stelle hat mir sehr gut gefallen: Er war stolz auf sie.
Guck, so eine schöne Frau und die gehört mir, weil ich sie beobachte. Das ist in dieser Absurdität wahr. So ein Entourage-Phänomen. Nur weil man einen außergewöhnlichen Menschen in seinem Umfeld hat, macht es einen auch außergewöhnlich.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn!

Ja, bisschen aufpassen, dass dem Text nicht schon am Anfang die Füße einschlafen, also der Satz ist schon bisschen muffig.

Ja, der Satz ist tatsächlich nicht rund. Der ganze Text allerdings ist nicht darauf angelegt, in der Kürze die notwendige Effektivität zu finden. Wenn ich dich richtig verstanden habe, soll ich besagten Satz durch "Er war ein Eigenbrötler" ersetzen. Ich weiß nicht, ob er dasselbe ausdrückt.

Mit dem Satz mit den furchbar vielen Negationen hast du natürlich uneingeschränkt Recht. Wird geändert.

Hmm, schade, dass sie nicht gewirkt hat auf dich, nur eben an dieser einen Stelle. Ich hoffe, dass ich doch mal wieder ein Stück zustande bringe, bei dem wir uns einig sind.;)


Trotzdem natürlich danke dir, für die Mühe und die Offenheit.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

HAllo Hanniball

ich habe die Geschichte gern gelesen. KOnnte mich gut in den steigenden ... ja, ich nennen es mal Wahn hineinfühlen. Finde, das hast du gut hinbekommen, dieses sich anschleichende Gefühl, was nagender und nagender wird und Jonas letztlich nicht mehr los wird. Da stimmt für mich der Aufbau und Tempo.
Das Ende finde ich geschickt. Entweder läuft es ja auf Entttäuschung oder Sieg hinaus. Ersteres wäre sehr klassisch, vorhersehbar und ein bisschen billig. Zweiteres könnte schnell in den Kitsch abdriften. So lässt du alle Möglichkeiten offen und behältst den Leser in der Gedankenwelt Jonas'.
Ja, jat mir gefallen, es läuft noch ein schöner Nachfilm ab :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Lieber Hanniball,

ich versuche mal, Dir zu beschreiben, wie die Geschichte bei mir ankam.
Zunächst einmal habe ich sie gerne gelesen. Und ich habe sie vor allem auf der symbolischen Ebene gelesen, was es dir leichter oder auch schwerer machen kann, mir zu folgen.
Sie hat mich an den Film "Die fabelhafte Welt der Amelie" erinnert und ist für mich eher ein modernes Märchen. Der Prot. ist somit auch kein Stalker, sondern ein Mensch auf der Suche nach Lebenssinn, nach Ganz-werdung und auf der Suche nach Nähe und Intensität. Er spürt, dass ihm etwas Entscheidendes fehlt und sucht danach. Als er in den Laden hineinblickt hat er das Gefühl, endlich angekommen zu sein, denn die Frau (oder auch das wofür sie steht) hat diese Komplettheit. Sie vereint alle Gegensätze und lebt ihre Emotionen aus. Sie ist nicht tot, nicht erstarrt, sondern lebendlig. Und genau diese Lebendigkeit hat er gesucht. Er will aus seiner Distanz heraus, will über seinen Schatten springen, was er in der Begegnung mit anderen Menschen immer wieder verscucht hat, aber es war ihm nie gelungen. Sie jedoch hat etwas, dass ihn fasziniert: er ist von ihr fasziniert. Sie ist ihm nicht gleichgültig, er will nicht länger auf Distanz bleiben, will Nähe erleben, eine wirkliche und echte begegnung haben. Seine Sehnsucht nach Nähe ist gleichzeitig auch seine Angst davor, denn ein Sich Öffnen bringt immer auch die Gefahr der Verletzung mit sich (und diese Angst vor Nähe ist wahrlich eine Krankheit unserer Gesellschaft!) Er nimmt Anteil an ihren intensiven Gefühlen. Da ist schon die Wandlung geschehen. Er empfindet Mitgefühl! Er ist bewegt und lässt sich bewegen (als Gegensatz zur vorgehenden Distanz). Ihre Freude ist seine Freude. Ihr Kummer, ist sein Kummer.
Man könnte es heir als krankhafte Verschmelzung sehen, ich sehe darin jedoch eher seine wandlung zum Mitgefühl. Er hat durch sie eine Erkenntnis. Er ist durch das Du dem Ich begegnet und wächst am Du, wie Martin Buber hierzu sagt (Ich werde am Du. Ich werdend sage ich Du.). Etwas von ihrer Ganzheit färbt auf ihn ab. Er ist kein stalker, der sie verfolgt oder belästigt, nein er will etwas von ihr lernen, etwas Entscheidendes erfahren, das ihm bisher gefehlt hat. Er genießt die Intensität des Lebens durch sie und hat in sich alle Anteile dazu entdeckt, denn auch in ihm ist alles angelegt.

So verlässt er das schaufenster nicht mit Tränen in den augen, auch nicht mit einer Wut im Bauch, sondern mit dem Gefühl der Dankbarkeit über eine innere Transformation, denn nach dieser erfahrung hat er in das Leben zurückgefunden.

Ich habe jetzt wieder einmal nur aus meinem Bauch und Herzen geschrieben, ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

Liebe Grüße,

Anna

 

Hallo weltenläufer!

ja, ich nennen es mal Wahn hineinfühlen

Ich bin mir gar nicht mal sicher, ob das in unserer heutigen Zeit als "Wahn" bezeichnet würde.

Freut mich natürlich, dass du mir folgst und dass du es gerne tust. Auch, dass du mit dem Ende zufrieden bist, stimmt mich froh.

Und das mit dem Nachfilm ist natürlich das schönste Kompliment, das ein Schreiber hören möchte.

Danke dir!

Hi Anna!

Die symbolische Ebene, ja. Ich glaube, letztendlich habe ich sie auf dieser Ebene auch geschrieben.

Sie hat mich an den Film "Die fabelhafte Welt der Amelie" erinnert und ist für mich eher ein modernes Märchen.

Dass du das Wort "modernes Märchen" erwähnst, finde ich interessant. Habe ich doch eigentlich beim Schreiben so etwas auch immer vor Augen gehabt.


Der Prot. ist somit auch kein Stalker, sondern ein Mensch auf der Suche nach Lebenssinn

Na ja, ich denke schon, er ist beides.

Deine Interpretation der Geschichte mag ich bis zu einem bestimmten Punkt folgen. Allerdings ziehst du damit wirklich alles auf die Symbolebene. Und ich weiß eigentlich, dass das der Tod einer jeden Geschichte ist.

Aber ich weiß schon, was du meinst. Und ich freue mich, dass du so viel und soviel Gehaltvolles in der Geschichte entdecken konntest.

Ich danke auch dir für deine Mühen und dein sich Einlassen auf meinen Text.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

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