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Die Taube
In der Station, die jeden Morgen verstopft ist, fällt mir eine Taube auf. Sie gleitet über die Köpfe der Menschen hinweg, von denen die meisten sehr in Eile zu sein scheinen. Ich jedoch habe noch Zeit, bis mein Zug abfährt.
Ich beobachte den Vogel, wie er gemächlich, ganz nahe an der Zimmerdecke, dahingleitet. In diesem Teil der Station sind die Räume nicht so hoch. Oft kommt es mir so vor, als streifte der Vogel mal oben am Plafond und berührte dann wieder den einen oder anderen Haarschopf oder tippte mit der Flügelspitze auf eine Mütze oder einen Hut.
Ich wünsche mir fast, dass das Tier die Menschen mit einem leichten Federstreifen berühre und stelle mir vor, wie sie dadurch aus ihrem hastigen Treiben herausgerissen werden. Doch nichts dergleichen geschieht. Außer mir scheint niemand von dem Vogel Notiz zu nehmen. Man ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Vor dem Ausgang, dort wo eine Rolltreppe zur Oberfläche hinaufführt, beschleunigt die Taube mit zwei kräftigen Flügelschlägen und gleitet dann über die Köpfe hinweg in die Freiheit. Gegen die morgendliche Hektik der Menschen kann der Vogel nichts tun.