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Die Umpunktleitung
Warum stellt hier niemand ein Umleitungsschild auf? Mein Fahrzeug hatte die Straßenabsperrung wahrscheinlich durchtunnelt. Dieses Ereignis erscheint zwar äußerst unwahrscheinlich, vor allem im makroskopischen Bereich, aber irgendwo im Universum musste „Es“ im Laufe der Zeit einmal geschehen. Ich befand mich gewissermaßen im richtigen Moment am fal... nun - halt dort, wo es möglich war, den unerlaubten Ereignispfad zu beschreiten. Jedenfalls gab es kein Hindernis auf dem Weg in die verbotene Richtung.
Eine Deakzelleration war nicht zu spüren. Doch der Geschwindigkeitsmesser zeigte im blassen Grün des Leuchtschirms lediglich Null-Komma-Null an. Seltsamerweise erkannte ich gleich die Lösung des Problems: Geschwindigkeit ergibt sich aus Distanz pro Zeit. Es konnte nicht angehen, dass mein Raumschiff ohne zu bremsen einfach stehen geblieben war, seine träge Masse ist einfach zu groß. Demnach mussten Zeitdifferenzen unbestimmbar geworden sein - ich hatte mich in die Ewigkeit verfahren!
Ewigkeit - wie soll ich da wieder rauskommen? Schließlich will ich nach Hause, meine Freundin, gut gebaut, mit ewig langen Beinen wird nicht ewig auf mich warten. Wenn hier alles ewig andauert, im Sinne von „unveränderbar“, also Abwesenheit von Zerfall - dann „Gute Nacht“! Falls es in dieser Ödnis eine gibt.
Hmm … habe ich eine Sache, die der Unendlichkeit entspricht am Hals, halt nur als Unbegrenztheit der Zeit? Wäre die Geschwindigkeit meines Raumgleiters in diesem Fall Null? Kann ich über etwas nachdenken, das ich räumlich und zeitlich endliches Wesen normalerweise nicht erfahren kann, es sei denn, man hat sich v e r fahren? Sind alle Neuronen in meinem Gehirn hinreichend organisiert, um über meine jetzige Lage nachdenken zu können? Wo sind die Grenzen dieser Ewigkeit, in die ich geraten bin? Soll ich mal raten? Ist sie endlich, jedoch grenzenlos, oder mit unendlicher Grenze?
Vielleicht existiert etwas Endliches, aber kognitiv erscheint dieses Gebilde unbegrenzt? Existiert denn das Unendliche inklusive endlicher Begrenzung? Gibt es unterschiedlich große Ewigkeiten, ähnlich unterschiedlich großen Unendlichkeiten? Wo befinde ich mich jetzt?!
Ich werde mein Gehirn an den Info-Mat-Würfel anschließen, um einige Hinweise zur Beurteilung meiner Situation eingespeichert zu bekommen. Hoffentlich funktioniert das Ding! Neulich hat mir der Apparat das komplette Telefonbuch von Tokio ins Gedächtnis eingespeist, folglich musste ich den ganzen Download löschen. Danach waren noch einige Sitzungen beim Defragmentierungs-Neurologen fällig, bis ich wieder in Ordnung war.
Also los: Ewigkeitsfakten übertragen und mit meinen Gedanken kombinieren ...
1. Ewig-absolute Konstanz, wahrscheinlich außerhalb des Raumschiffs (zum Beispiel ist im All keine Strahlung mehr nachweisbar).
2. Ewig-anthropozentrisch, Fortdauer ohne Ende, herrscht wahrscheinlich im Inneren meines Fahrzeugs. Mein Regenerations-Kontroll-O-Meter zeigt plötzlich positive Werte an, daraus folgt, ich werde zwar älter, aber nicht alt.
W a r n u n g ! Diese Definition beruht auf menschlicher Erfahrung! Das Universum, siehe „Top 1“, macht keine Erfahrung über sich selbst. Der Versuch, das Weltall deshalb in eine Selbsterfahrungsgruppe zu schicken scheiterte, isolierte Sternhaufen sind Reste dieses vergeblichen Vorhabens.
3. Ewig-anthropozentrisch, ewiger Kreislauf. Geburt - Tod - Wiedergeburt, beziehungsweise Urknallsexpansion - Kontraktion - Urknall. Es besteht
das Problem einer Energiezufuhr bei periodischen Vorgängen. Der „Zweite Hauptsatz der Thermodynamik“ verbietet ewig verfügbare Energie... außerdem: Zeit besteht weiterhin, da sie durch vorhandene periodische Vorgänge oder Zerfallsprozesse bestimmt wird.
Diese Ewigkeit langweilt mich langsam zu Tode, abgesehen davon, dass dank der Ewigkeit kein Tod möglich ist. Wird das den Kältetod gestorbene Universum in aller Zukunft bestehen? Doch was heißt hier Zukunft - gibt es denn noch Zeit, welche vergehen könnte? Wie wird ein Raum-Zeit-Kontinuum durch die „Kältestarre“ beeinflusst? Ohne Zeit kann keine Bewegung existieren, ohne Bewegung kein messbarer Raum. Ist der Raum folglich eine Singularität? Wenn ich schließlich für die Zeit Null annehme, dann dividiere, ergibt sich als Resultat ...
Im selben Moment des Gedankens verschwanden das Raumschiff und der Erzähler. Es blieb nur ein .
Der Punkt: Mathematisch eine Fläche ohne Ausdehnung - erinnerst du dich nicht Jones? Okay - jetzt schau mal schön weiter durchs Teleskop.