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Die Zigarette

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14.03.2002
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Die Zigarette

Als Elisabeth im Herbst vor zwei Jahren auszog, war es gut so.

Eine Weile hatten wir zueinander gepaßt, in vielerlei Hinsicht. Zwei Frauen, die gemeinsam fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig geworden waren, die sich dafür entschieden hatten, keine dauerhafte Beziehung zu führen, ihr Leben genießen wollten. Beide kamen wir mit unserem Studium nicht voran und verpraßten unser Leben, als stünden uns noch zehn weitere bevor.

Ich glaube, für eine gewisse Zeit war das eine gute Basis.

Saßen wir abends zusammen, so achteten wir darauf, jeden Bezug auf Studium, Zeit oder einen wirklichen Partner zu vermeiden. Wie wir es bewerkstelligten, jegliches ernsthafte Gespräch zu unterbinden, kann ich mir heute nicht mehr erklären. Vielleicht schafften wir es durch die vielen Tändeleien, mit denen wir uns eine Woche oder zwei aufhielten. Die uns vollkommen in Besitz nahmen, bis sie uns endlich zu langweilig wurden, ganz egal, ob es sich dabei um ein Spiel, einen Kerl oder eine kreative Betätigung gehandelt hatte.

Manchmal packt mich die Erinnerung an die Zeit mit Elisabeth, reißt mich davon und treibt mich in ein Meer von längst vergessen geglaubten, nichtigen Einzelheiten. Das Lächeln, das sich dann einstellt, tut weh.

Eine Konstante in unserem verworrenen gemeinsamen Leben war Jochen gewesen. Oft hatten wir uns seinetwegen gestritten. Er kam vielleicht zweimal im Monat vorbei, studierte Physik und Informatik, etwas Brauchbares also, womit wir ihn permanent aufzogen. Saß einfach bei uns, rauchte nie etwas, sagte meist nur wenig und wollte doch bei uns sein. Lauschte unseren zerrissenen Dialogen und nach jenem Dienstagabend mitten in den Semesterferien kam er nie wieder zu uns. Wenn wir ihm danach irgendwo begegneten, sah er weg. Vermutlich lag das an der Zigarette, genau weiß ich es nicht, ich habe seither nie wieder mit ihm gesprochen.

Es war ein sinnloser Tag in einer Reihe vergeudeter Tage und Wochen gewesen. Wir hatten in Urlaub fahren wollen, natürlich getrennt, aber wieder einmal kein Geld dafür aufbringen können. Den Nachmittag hatten wir auf der Neckarwiese verbracht, Zeitungen gelesen, Zigaretten geraucht, zeitvergessen und faul herumgelegen.

Als wir am Abend in unsere Wohnung kamen, müde vom vielen Nichtstun, unmotiviert und gereizt, entzündete sich mit einer Vorhersagbarkeit und Unabwendbarkeit eine der Streitereien, wie es ihrer schon so viele gegeben hatte.

Den Anfang dazu lieferte ich. Während wir im Wohnzimmer auf den alten Sesseln fläzten, und Elisabeth lustlos den Bong vorbereitete, behauptete ich, daß es für Jochen Zeit sei, einmal mit einer Frau zu schlafen. Ich wußte, daß Elisabeth sich von dieser Aussage provozieren lassen würde. Seit dem Vortag hatte ich nichts mehr geraucht, war merkwürdig aggressiv und wollte einen Streit. Ihre Replik kam prompt:
„Wie soll er das denn anstellen?“
„Weshalb?“ fragte ich zurück.
„Bei seiner Angespanntheit.“
„Die wird besser, wenn er es erst getan hat. Irgendwann muß es eben jemand einfach tun.“
„Meinst du damit etwa mich?“ fragte sie und schenkte mir einen ihrer abschätzig erstaunten Blicken.
„Nein, obwohl ich glaube, daß er nichts dagegen hätte.“
„Nie im Leben.“
„Nur, weil du ihn immer so zurückstößt“, beharrte ich.
„Und warum nicht du, Helen?“
„Mich will er doch gar nicht.“
„Oh doch, das will er“, gab Elisabeth mit Nachdruck zurück und machte sich daran, die Mischung vorzubereiten.
„Aber nur, weil du so unerreichbar für ihn bist.“
„Sag das nicht“, erwiderte sie. Ich wußte sofort, worauf sie anspielte und wußte auch, daß es kompletter Unsinn war.
„Ach, komm schon, Elisabeth. Du warst schon an dem Abend unerreichbar für ihn, als du ihn von der Party abgeschleppt hast.“
„Ich war betrunken, alles mögliche hätte passieren können“, verteidigte sie sich.
„Ist aber nicht, du hast ihn stattdessen auf dem Boden übernachten lassen.“
„Na und?“
„Nichts, und. Aber er hat es verstanden. Du bist einfach unerreichbar für ihn, Punkt.“

Elisabeth ließ ihre Vorbereitungen ruhen, lehnte sich zurück und sah mir direkt in die Augen.

„Was sollte es überhaupt bringen?“ fragte sie in herablassendem Ton.
„Das ist doch wohl offensichtlich.“
„Und du glaubst, daß es ihm danach wirklich besser ginge?“
„Ich bin überzeugt, daß er danach ein neuer Mensch wäre, ja.“

Elisabeth lachte und ich konnte nur mit Mühe meine Wut verbergen. Dann sagte sie spöttisch:
„Und warum tust du es dann nicht, wenn dir sein Wohlergehen doch so wichtig ist?“
„Ach, hör auf!“
„Komm schon, Helen, wir machen es ganz einfach. Bei seinem nächsten Besuch gehe ich zur Tankstelle, um Zigaretten zu kaufen. Das gibt euch mindestens eine Dreiviertelstunde, weil mein Fahrrad ‘gerade kaputt’ ist.“
„Vergiß es.“
„Ist dir seine Entwicklung nicht wichtig?“
„Das ist doch abstoßend.“
„Wieso denn? Wenn ich darüber nachdenke, mit welchen Typen du schon im Bett warst, und wenn ich Dich daran erinnern darf, wann das letzte Mal war, dann muß das doch sehr verlockend klingen, oder?“

Mir war danach, sie ins Gesicht zu schlagen. Ich hatte sie provozieren wollen und sie hatte alles versaut. Feindselig blickte ich sie an und zischte:
„Gut, ich mach’s.“
„Machst du nicht.“
„Doch, mach’ ich“, erwiderte ich kalt und fügte hinzu: „Volles Programm.“
„Du meinst, die Deluxe-Version?“
„Aber sicher.“

Elisabeth winkte verächtlich ab und wandte sich wieder ihren Vorbereitungen zu. Herausfordernd sah ich sie an, doch sie ignorierte mich, begann, den Bong zu rauchen, bot mir auch etwas an, doch ich wollte nicht, und griff stattdessen nach einer Zigarette. Lange sagten wir nichts. Dann klingelte es, und Elisabeths Augen wurden groß:
„Na, wenn das nicht...“
„Hat er etwa gesagt, er würde heute vorbeikommen?“ fragte ich.
„Es könnte sein, daß er das heute mittag am Telefon erwähnt hat.“
Elisabeth lächelte süffisant, und ich haßte sie dafür. Ich stand auf, drückte unnötig lange auf den Türöffner und wartete vor der Tür, bis Jochen aus dem Fahrstuhl ausgestiegen war.

Er setzte sich zu uns, wir tauschten Nichtigkeiten aus, immer wieder traf mich Elisabeths funkelnder Blick. Als ich sie irgendwann um eine Zigarette bat, entnahm sie der Schachtel zwei Kippen und wies mich darauf hin, daß es unsere letzten seien. Wir hatten die Schachtel erst am Nachmittag gekauft, vorhin waren da noch einige gewesen, mißtrauisch vergewisserte ich mich. Sie war leer. Dieses widerliche Miststück mußte sie in berechnender Voraussicht herausgenommen haben, während ich an der Tür gestanden hatte. Jede Millisekunde der Pause, die Elisabeth dann ließ, genoß sie, ich wußte es. Endlich fuhr sie fort:
„Hast du noch welche oder muß ich zur Tanke?“
Ich hätte sagen können, daß sich in meinem Zimmer eine kaum angebrochene Schachtel Gauloises befand. Elisabeth wußte das auch. Aber kneifen wollte ich nicht und antwortete mürrisch:
„Nein.“
Dann senkte ich den Blick und hoffte, daß Jochen meine Verstimmung nicht bemerken würde. Elisabeth grinste, ich spielte Langeweile, Jochen erzählte von einem Treffen mit Kommilitonen, irgendwann hatten wir aufgeraucht, und Elisabeth erhob sich:
„Ich brauch’ eine ganze Weile, mein Fahrrad hat einen Platten. Seid hübsch artig so lange.“
Sie wirkte heiter, Jochen blickte unsicher, mein Versuch, souverän zu lächeln, endete in einem säuerlichen Grinsen.

Und schon war sie verschwunden. Als die Wohnungstür ging, begann Jochen, seine Erzählung fortzuführen, mit einer Geste schnitt ich ihm das Wort ab. Ich lauschte. Wie ich hörte, daß sich der Fahrstuhl im Flur in Bewegung setzte, stand ich auf, sah Jochen mit unbewegter Miene an und sagte:
„Komm mit.“

Er folgte mir in mein Zimmer. Ich schloß die Tür, schloß die Fenster, zog die Vorhänge zu. Er wollte etwas sagen, ich sah ihn an, er schwieg. Ich schob ihn vor mein Bett, bedeutete ihm, sich zu setzen, er setzte sich. Mit sanftem, aber bestimmtem Druck meiner flachen Hand brachte ich ihn dazu, sich nach hinten fallen zu lassen. Dann öffnete ich seinen Gürtel, den Reißverschluß seiner Jeans, er wehrte sich nicht, obwohl er sich offensichtlich unwohl fühlte.

Ich glaube, daß ihn meine Bestimmtheit eingeschüchtert hat. Mein Blick muß eine Entschlossenheit vermittelt haben, die ihm jedes Aufbegehren unmöglich machte. Hätte er sich nur ein wenig entschlossener widersetzt, hätte ich es vermutlich nicht fertiggebracht. Was auch hätte ich ihm sagen sollen? Wie ihn überzeugen?

So zärtlich als möglich fuhr ich mechanisch und mit kalten Händen unter sein T-Shirt. Ich ahnte vage, welcher Widerstreit in ihm vorgehen mußte. Als ich seine Unterhose ein wenig herunterzog, schnappte mir seine Erektion entgegen wie eine von Elisabeths scharfen Antworten, und ich empfing sie mit feuchtem Kuß. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis der Kampf in seinem Inneren entschieden war; die Laute, die er von sich gab, erschienen mir vollkommen unwirklich und fremd, schufen eine Distanz, hinter der ich mich sicher verbergen konnte.

Sein Erguß kam unerwartet und heftig, ich konnte mich nicht mehr rechtzeitig zurückziehen, und für einen kurzen Moment wollte ich ihn dafür beißen, doch dann war es mir gleich. Kurz dachte ich darüber nach, mich jetzt einfach an ihn zu schmiegen, aber als stünde Elisabeth lachend in der andereren Ecke des Raumes, entschied ich mich dagegen und zog mich vor ihm aus. Mit kleinen Augen sah er mir dabei zu. Wie ich dann nackt vor ihm stand, maß er mich andächtig und noch immer ein wenig scheu von oben bis unten, wohl eine Minute lang.

Dann zog ich ihn aus, zeigte ihm, wie er sich hinlegen mußte und setzte mich auf ihn, führte seine Hände an meine Brüste. Sein ungeschicktes, hilfloses Tasten schuf eine mir unbekannte Erregung. Ich griff ihm zwischen die Beine, bemächtigte mich seines Geschlechts, führte ihn in mich ein. Und dann vergaß ich mich. Ich weiß noch, daß meine Beine schmerzten und mein Herz raste, als ich endlich von ihm abließ, weiß noch, wie er mich angesehen hat: glücklich und erschöpft, aber auch ängstlich und dankbar. Alles hätte ich ertragen. Sinnloses Gebrabbel, übersteigerte Liebesschwüre, peinliche Berührtheit, aber nicht Dankbarkeit. Dieser Dankbarkeit galt es zu entkommen, nervös griff ich nach der Schachtel auf meinem Schreibtisch und steckte mir eine Zigarette an. Jochen lag starr neben mir.

Nachdem ich einige Züge genommen hatte, stand er plötzlich auf, suchte seine Kleidung zusammen, vermied meinen Blick. Aus Schamgefühl dachte ich. Was hätte ich sagen sollen? Daß es schon in Ordnung war? Sollte ich behaupten, daß es mir leid tat? Hätte ich ihn fragen sollen, wie es ihm gefallen hatte? Die Überlegung, es könnte an der Zigarette liegen, traf mich wie ein Schlag. Hilflos starrte ich an die Decke, während er sich anzog und ohne ein weiteres Wort verschwand.

Verwirrt fand ich in meine Sachen, den Weg ins Wohnzimmer. Elisabeth kehrte eine halbe Stunde später zurück. Ich saß stumm und nachdenklich da und rauchte ein Zigarette nach der anderen. Sie stellte keine Frage, sie wußte, daß ich es getan hatte, und ich glaube, daß sie etwas wie Schuld verspürte.

Gesprochen haben wir nie darüber. Wir sprachen überhaupt nur noch wenig nach diesem Abend, stritten nicht einmal mehr. Wir versuchten einige Zeit lang weiterzumachen, doch es ging nicht mehr. Und als sie mir dann im Herbst mitteilte, sie würde bereits in einer Woche ausziehen, geschah es ganz beiläufig und ohne daß ich es kommentieren mußte.

 
Zuletzt bearbeitet:

So. Ich hab genügend Zeit, Lust und Gründe, deinen Text ordentlich zu zerpflücken :D

a) Was ist denn das für eine unglaublich lange Einleitung?! *schimpf* :) Ist es wirklich nötig, die gesamte Beziehung zu Elisabeth zuerst durchzuanalysieren, obwohl man das locker auf zwei - drei Absätze runterkürzen könnte? Außerdem taucht Jochen etwas spät auf, im Vergleich zu der wichtigen Rolle, die er später spielt. Ja, das Hauptaugenmerk liegt auf Elisabeth und ihrer Beziehung zu Helen, aber Jochen gehört trotzdem schon früher mal erwähnt.

b) Es ist eine Schande, einen kompletten Dialog in indirekter Rede wiederzugeben, wenn ein Autor die wörtliche wirklich beherrscht. Außerdem liest sich das mühsam. Du weißt, welchen ich meine?

c) Für meinen Geschmack wird die Kifferei ein bisschen zu sehr betont, wenn du sie nebensächlicher hättest ablaufen lassen, hätte sie sicher eher gewirkt. So habe ich einen etwas klischeehaften Eindruck zweier herumsiffender, nichts-auf-die-Reihe-bekommender, gelangweilter Pseudointelellektueller, deren Verhalten letzendlich nur auf die Drogen zurückzuführen ist, die sie konsumieren. Für meinen Geschmack etwas zu einfach erklärt.


Textarbeit:


Wenn ich, wie heute, nachvollziehen will, weshalb es auseinanderging, dann verliere ich mich in Erinnerungen, und mir kommen längst vergessene Ereignisse in den Sinn, Nichtigkeiten allesamt.
War das mit Jochen eine Nichtigkeit? Wohl eher nicht. Und ist auch eigentlich ein herausragenden Ereignis, das Helen sofort in den Sinn kommen sollte.


zu zweit ertrugen wir uns merkwürdigerweise kaum...
Und doch verstanden wir uns wunderbar. Meistens, zumindest...
Was jetzt?


Elisabeth lächelte ihr süffisant,
:confused: Da ist woohl ein Wort zuviel.


Alles hätte ich ertragen. Wortloses Gebrabbel, übersteigerte Liebesschwüre, peinliche Berührtheit, aber nicht Dankbarkeit. Dieser Dankbarkeit galt es zu entkommen, nervös griff ich nach der Schachtel auf meinem Schreibtisch und steckte mir eine Zigarette an.
Diese Stelle hat mich letzendlich von deiner Geschichte überzeugt. Sehr gut vorbereitet (wenn auch teilweise zu lang vorbereitet), erzielt sie einen unglaublichen Aha-Effekt und ist eine der besten Pointen, die ich seit langem gelesen hab. Auch von der Formulierung her gut.


Gesprochen haben wir nie darüber. Wir sprachen überhaupt nur noch wenig nach diesem Abend, stritten auch nur noch selten. Wir versuchten einige Zeit lang, weiterzumachen, doch es ging nicht mehr. Und als sie dann im Herbst verkündete, sie würde bereits in einer Woche ausziehen, geschah es beiläufig und ohne, daß ich es kommentieren mußte.
Den Schluss finde ich auch toll. Die Selbstverständlichkeit der zerstörten "Freundschaft" kommt gut rüber; der Text ist gut abgerundet.


Deine Geschichte fand ich also erst ab dem letzten Viertel richtig gelungen - davor weist sie leider einige Längen auf und kann auch nicht wirklich fesseln. Durch den tollen Schluss gewinnt der jedoch manchmal zähe Anfang Rechtfertigung. Ich rate dir trotzdem, etwas zu kürzen und die Handlung früher zu beginnen. Es passiert zu lange einfach nichts.

lg Anea

 

Hallo Claus,

hm... diese Geschichte hat mir aus irgendeinem Grund nicht so gut gefallen, als die anderen Sachen, die ich von dir gelesen habe.
Ich musste länger darüber nachdenken, um herauszufinden, weshalb:

Der erste Teil der Geschichte ist mir zu distanziert. Man bekommt das Gefühl, dass eine total Fremde von den Beiden Mädchen erzählt.
Außerdem sind dir wieder einige Sätze sehr lange geraten und das gefällt mir nicht so gut.
Zum Beispiel:

Zwei Frauen, die gemeinsam fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig geworden waren, die sich dafür entschieden hatten, keine dauerhafte Beziehung zu führen, ihr Leben zu genießen.

Obwohl mich hier nicht mal die Länge stört, sondern die vielen Informationen, die du darin verpackst. Ich musste den Satz zwei Mal lesen, bevor ich ihn ganz kapiert habe.

Wir zergliederten sie mit einer manischen Eifrigkeit, bis die Gebilde wieder zu dem bleichen, faden Brei wurden, aus dem sie gemacht waren.

Obiges noch ein Beispiel, was ich mit abstrakt meine.

Besser gefallen hat´s mir dann, als du beginnst den ausschlaggebenden Abend zu beschreiben. Hier hatte ich auch nicht mehr das Gefühl alles aus der Distanz zu lesen.

Das Ende fand ich dann richtig traurig. Ich hatte total Mitleid mit Jochen und konnte auch das Gefühl deiner Prot. sehr gut nachvollziehen.

LG
Bella

 

Vielen Dank für die ehrlichen Kritiken, das bringt einen weiter (und Stillstand ist der Tod).

@Anea:

  • Die Einleitung zu straffen fällt mir unglaublich schwer, aber ich werde mich daran machen. Aber es ist so viel, was mir wichtig ist, was ich gerne erzählt haben will. Auch will ich ihr zugute halten, daß das die Situation, die Distanz der Protagonistin ist. Demaskierend an manchen Stellen. Aber Du hast recht, und ich schreibe schon jetzt wieder zu viel: ich werde streichen, was nicht wirklich wichtig für die Geschichte ist.
  • Die indirekte Rede war mir wichtig. Sie ist m.E. knapp und präzise, baut auch Parallelen zu dem Streit in direkter Rede auf. Werde das noch einmal überdenken, die Passage vielleicht doch komplett streichen. Denn in direkter Rede kann ich sie nicht schreiben, dann würde alles sehr unübersichtlich (daß Du keine Zeitunklarheiten bemängelt hast, gibt mir recht! Mangelnde negative Evidenz!)
  • Die Kifferei hältst Du für zu betont? Uuups, das überrascht mich, denn das Gefühl, es sei letztlich alles nur auf den Konsum der Droge zurückzuführen, wollte ich nicht erschaffen. Dialektisch betrachtet würde ich die Kifferei nicht als Ursache, sondern eher als Wirkung der Langeweile betrachten, aber vielleicht spricht mein Text da eine andere Sprache.

Vielen Dank auch für die Textarbeit. Abgesehen von den Widersprüchen, die ich durchaus liefern wollte, hast Du bei den genannten Stellen doch sehr genau einige Dinge herausgesucht, die so nicht stehen dürfen. Werde ich ändern.

PS: Übrigens habe ich mir in der Stadtbücherei einen Bildband zu Max Ernst ausgeliehen. Bisher konnte ich damit aber noch nicht allzu viel damit anfangen. Mußt Du mir vielleicht einmal näherbringen. Vielleicht beim nächsten Treffen.

@Bella:

Bin froh, auch einmal eine negative Rückmeldung von Dir erhalten zu dürfen. Die Abstraktion, die Du ansprichst ist zwar durchaus beabsichtigt, vielleicht aber doch nicht überall glücklich gewählt. Muß ich überdenken.

Und, ja, das Ende ist traurig. Eine solche Reaktion erzielt zu haben, freut mich richtig.

 

Hi cbrucher,

mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen, allerdings weiß ich nicht, ob die Einleitung schon gekürzt ist oder nicht. So wie sie jetzt ist finde ich sie überhaupt nicht zu lang. Man hat so Gelegenheit, sich richtig in die Beziehung der beiden Frauen hineinzuversetzen. Ich weiß nicht ob das in dem Maß gelingen würde, wenn die Einleitung nicht so ausladend wäre.
Allerdings finde ich, dass man über Jochen zu wenig, zu spät erfährt.


cbrucher schrieb:
„Ach, komm. Du warst schon an dem Abend unerreichbar für ihn, als du ihn von der Party abgeschleppt hast.“
„Ich war betrunken“, verteidigte sie sich.
„Und trotzdem hast du ihn dann auf dem Boden übernachten lassen.“

Hier erfährt man zwar, woher die beiden Jochen kennen, aber ich komm einfach nicht drauf, was Jochen dazu bewegt, sie immmernoch zu besuchen. Ist er eine schüchterne Jungfrau und hofft auf gerade dass, was ihm letzten Endes passiert, nämlich, dass er verführt wird, ohne etwas dafür tun zu müssen?

Und warum schleppt Helen ihn ab, wenn er dann doch auf dem Boden schläft? Ist sie doch zu schüchtern? Oder ist er einfach nur hässlich? Würde mich an dieser Stelle interessieren.
Wie dem auch sei, alles in Allem finde ich die Geschichte insgesamt sehr gelungen.
Denn gerade die lange Einleitung, in der man nur nach und nach Zusammenhänge erkennt, sorgt mE dafür, dass man die Geschichte mit einer gewissen Spannung bis zum Ende liest.

LG Fnypsi

 

Hi Claus,

es freut mich natürlich, dass du negative Kritik nicht übelnimmst. Aber wie gesagt, wenn ich deine Geschichte gut finde, dann kann ich halt nichts schlechtes dazu schreiben... :)

LG
Bella

 

Gerade diese Stelle hat in mir den Eindruck des "zu einfach erklärt" hervorgerufen:

Vielleicht lag es daran, daß wir so viel kifften

wenn du den Effekt anders möchtest, würde ich dir zu "Vielleicht kifften wir deswegen soviel" o.ä. raten.

Indirekte Rede mag ich nicht besonders. Ist mir zu abstrakt... zu weit´weg vom Geschehen, und da kommt einfach zuviel davon. Wenn schon nicht umschreiben, dann bitte immerhin kürzen - so war es anstrengend.

lg Anea

P.S.: Max Ernst ist sehr psychologisch interpretierbar - und ich mag insbesondere seine Dekakomanien und die Bilder, die aus Zufallsprinzip entstehen - das macht auch selbst Spaß und ist immer sehr vielschichtig. Warst du schon auf Vogelsuche?

 

Lieber Claus!

Eigentlich eine recht gute Geschichte, bei der ich nur ein paar Kleinigkeiten zu meckern habe.

Was ich daran besonders interessant finde, ist nicht unbedingt so sehr die Beziehung der Frauen zueinander, obwohl die natürlich auch mitspielt: Sie lassen keine Gefühle zu, flüchten genaugenommen vor sich selbst, indem sie sich ständig ablenken, Leute einladen etc. Vielleicht ist es auch dieses Oberflächliche, was Jochen zu den beiden zieht, wo er sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen muß. Unauffällig nebeneinander her schwimmen.
Die beiden Frauen machen sich halbherzige Gedanken über ihn und seine vermeintlichen Probleme, und glauben, die Sache in die Hand nehmen zu müssen, über ihn zu bestimmen.
Als die Protagonistin es dann tut, kommt es schon fast einer Wette gleich, wodurch die Protagonistin auch ihren Bedenken keinen Raum läßt – sie könnte sich ja vor Elisabeth blamieren.

Die Sache mit der Zigarette finde ich sehr schwach, oder ich kapier den Sinn nicht ganz. Ich verstehe schon, daß Jochen, dadurch, daß sie die Zigarette raucht, weiß, daß die Sache eingefädelt war. – Aber daß das der Grund wäre, warum er geht, will mir nicht einleuchten. Eher das, worüber er vielleicht nachgedacht hat, während sie die Zigarette geraucht hat.

Ich habe mir die Geschichte mit vertauschten Rollen vorgestellt, und ich bin ziemlich sicher: Wären es zwei Männer, die solche Gespräche über eine Frau führen würden, wie »die gehört einmal anständig durchgefickt, damit sie nicht immer so verkrampft ist«, und würden sie dann das Zigarettenspiel spielen und einer von ihnen sich dann über die Frau in der gleichen Weise hermachen, dann hätten sicher schon viele festgestellt, daß es eigentlich eine Vergewaltigung ist, um die es da geht.
Aber mit veränderten Rollen liest es sich anders. Da denkt man sich nichts dabei. – Und das finde ich eigentlich den wichtigsten Punkt Deiner Geschichte. Eigentlich gehörte sie damit nach »Gesellschaft«…

Bei uns war erst kürzlich so ein Fall in den Medien, wo eine Lehrerin einem Schüler Nachhilfe gab, und das nicht nur auf den Schulgegenstand bezog. Die Unterstellung »Es wird ihm schon gefallen haben« konnte man aus der Berichterstattung richtig heraushören, und tatsächlich wurde die Lehrerin dann auch freigesprochen.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

Den Einstieg finde ich nicht so richtig toll – ich würde nicht am Anfang schon den Auszug verraten, ein direkter Einstieg würde mir besser gefallen. Zu lang fand ich ihn jedoch nicht.

»„Meinst du etwa mich?“ fragte sie und sah mich mit erstaunt und abschätzig an.«
– das »mit« ist zuviel

»Elisabeth ließ ihre Vorbereitungen ruhen, lehnte sich zurück und sah mir direkt in die Augen.«
– lehnst Du Dich zurück, wenn Du jemandem in die Augen schauen willst? Würde sie nach vor gebeugt auf den Knien abstützen lassen oder sowas ;)

»Elisabeth lächelte ihr süffisant, und ich haßte sie dafür.«
– »ihr« ist zuviel

»„Hast Du noch welche, oder muß ich zur Tanke?“«
– »du« gehört auch in alter RS klein, sofern es sich um keinen Brief (oder direkte Anrede in einem Posting) handelt

»Als die Haustür ging, begann er, seine Erzählung fortzuführen«
– die Haustür ging? Wohin? ;) Außerdem handelt es sich glaub ich um die Wohnungstür, da der Aufzug erst danach kommt.


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Vielen Dank an alle fürs Lesen und Kommentieren. Ich habe den Text nun komplett überarbeitet, viele Anregungen aufgenommen.

@groper:

@Fnypsi:

Die Version, die Du gelesen hast, war noch nicht überarbeitet. Die neue Version ist ein gutes Stück gekürzt, ich hoffe, ich habe nicht zu viel herausgenommen dabei.

Sicher, über Jochen erfährt man wenig. Eben nur das, was über ihn gedacht wird. Dieser Sicht ist allerdings nichts hinzuzufügen.

@Bella:

Ok, Sache geklärt.

@Anea:

Was das "Kiffen" angeht: gerade die von Dir zitierte Stelle erhält in diesem Zusammenhang eine explizite Bedeutung. Und ich halte sie nicht für "zu einfach".

Die indirekte Rede (die ich nicht generell mag) habe ich unberührt gelassen. Sie ist mir an dieser Stelle wichtig. Vielleicht denke ich da eines Tages anders.

@Häferl:

Du hast da zwei Aspekte angesprochen, die ich auch nicht für unwichtig halte. Ja, ich denke schon, daß es sich um eine Art "Wette" handelt. Und um eine Art "Vergewaltigung".

Daß Dir die "Sache mit der Zigarette" mißfallen hat, ist schade. Mir gefiel sie sehr gut. Und zwar gerade aus dem Grund, den Du nennst. Jochens Gedanken? Nein, das will ich in der Geschichte nicht haben.

Die Fehler habe ich korrigiert, die übrigen Stellen so belassen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Claus.
Auch ich fand die Geschichte in der zweiten Hälfte erst fesselnder, davor ist immer noch zu ausführliche Einleitung.
Etwas gestört hat mich der Satz: "Ich fand in meine Klamotten, (und) den Weg ins Wohnzimmer..." Die Verbindung von beidem ist eigentlich gut, vielleicht wäre aber eine zusätzliche Zustandsbeschreibung ( mit schlafwandlerischer Sicherheit o.ä.) ebenfalls hilfreich.
Den Schluß empfinde ich in seiner lakonischen Art als gelungen.

Sonst aber ganz interessant.
l.G. Lord
PS:
Habs nochmal gelesen, da fand ichs plötzlich nicht mehr zu lang, was die Einleitung anbetrifft...
Seltsam...

 
Zuletzt bearbeitet:

@groper, ist das Zaubertinte, die man erst auf die Heizung legen muß, damit man sie sieht? :D

Claus schrieb:
Daß Dir die "Sache mit der Zigarette" mißfallen hat, ist schade. Mir gefiel sie sehr gut. Und zwar gerade aus dem Grund, den Du nennst.

Ich hab nicht gesagt "mißfallen", das wäre übertrieben. ;) Ich find sie nur in dieser Geschichte nicht ganz logisch. Angenommen, er hätte sich eingebildet, daß sie aus Liebe so wild auf ihn war, warum sollte es ihn dann stören, daß sie scheinbar mit der Freundin ausgemacht hat, daß die dann zur Tankstelle geht, damit die beiden allein sein können? Ich versteh wirklich nicht, was ihn daran stören sollte. Oder: Er fühlt sich vergewaltigt, dann war es wohl auch nicht die Zigarette, die ihn störte, sondern die Sache an sich. Und wenn er sich einfach nur dachte (worauf der dankbare Blick schließen läßt), "endlich hab ich mein erstes Mal hinter mir", dann würd ihn die Zigarette doch erst recht nicht stören, die wäre ihm dann ganz egal.

Klar, wenn sie paßt, ist die Pointe originell, das will ich gar nicht wegreden, aber hier paßt sie meiner Meinung nach nicht wirklich. Du redest zwar dem Leser ein, daß es so ist, aber wenn ich mich frage, warum er denn wegen der Zigarette so reagieren sollte, erkenne ich keinen Grund. Siehst Du einen? :susp:

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Claus,

Frauen vergewaltigen anders. Jedenfalls die in deiner Geschichte behalten dabei ihren weltverbesserlichen Pathos, ihrne Missionarischen Eifer und die Überzeugung, dass die Erfahrung mit Drogen und Sex einen verklemmten Typen schon auf die Höhe bringt. Und selbst in der Erzählung über den Akt hält deine Prot an dieser Meinung fest. Der Sex muss dem Opfer gefallen haben. Erst als er durch die angsteckte Zigarette das Spiel erkennt verschwindet er.
Aber unterscheiden sich die Täterinnen darin wirklich von den Männern? Halten nicht auch sie ihr Geschlecht für dem weiblichen Himmel? Und verbergen sie nciht auch hre eigene (sexuelle) Frustration hinter vorgetäuschtem sexuellen Altruismus vor sich?
Die Anmaßung, mit der sie zu Werke gehen finde ich beeindruckend und ich frage mich, was wohl geschehen wäre, wenn Jochen sie angezeigt hätte?
Gelungen auch Jochens Starre, die zeigt, warum so viele Opfer sich nicht wehren. Die Überraschung braucht keine körperliche Gewalt.
Deine Geschichte hat mir gut gefallen, auch wenn sie mich sehr schmerzte.

Er saß einfach bei uns, rauchte nie etwas, sagte meist nur wenig und wollte doch bei uns sein. Lauschte unseren zerrissenen Dialogen, und nach diesem Abend kam er nie wieder zu uns.
Vorschlag: ... bei uns sein und lauschte ... Dialogen. Bis zu diesem Abend.
Dass es sein letzter Abend dort sein würde hast du weiter vorne schon erwähnt. Das "und" als Einleitung des letzten Satzteils erscheint mir unpassend. Ein "aber" hielte ich für einleuchtender.
„Und du glaubst, daß es ihm danach besser ginge?“
"ginge" scheint mir hier der falsche Tempus zu sein.

Lieben Gruß, sim

 

Ich hab mich nochmal damit beschäftigt. Das kiffen stört mich, weil es den Eindruck erwecken könnte, dieses Herumgesiffe erkläre sich daraus. Das destruktive und passive Verhalten von helen und Elisabeth würde meiner Meinung nach ohne deren Konsum stärker wirken. Für mich bringt dieser Aspekt die Geschichte nicht voran und lenkt eher von den Hauptthemen - Beziehung zu Elisabeth und die Vergewaltigung - ab. Das stört mich daran, denn gelungen finde ich die Geschichte allemal.

 

Nach unvorstellbar langer Zeit habe ich die Geschichte endlich noch einmal überarbeitet, dabei den Anfang ganz drastisch heruntergekürzt und auf viele liebgewonnene Textstellen verzichtet.

@all:
Danke fürs Lesen und kommentieren!

@sim:
Interessante Sichtweise, die Parallele, die Du zum phallischen Erlösungsglauben ziehst... Wobei ich nicht sicher bin, ob der Text die Lesart einer eindeutigen Vergewaltigung zuläßt. Aber was ist schon eindeutig, wo die jeweilige Grenze...

@Anea:
Das Gekiffe erscheint mir notwichtig für die Geschichte, in meinem Kopf funktioniert sie nur so... Übrigens habe ich die indirekte Rede herausgenommen. Die mag ich zwar noch immer, aber im Zuge der Fokussierung war einfach kein Platz mehr dafür.

@Kristin:
Auf vielfachen Wunsch also die straffere Variante, in der weniger erzählt wird, hoffe ich.

 

Vermutlich willst du mich jetzt gleich killen, aber jetzt ist mir der Anfang etwas zu schnell. Das liegt vor allem daran, dass er nicht mehr anschaulich geschrieben wird.
Ansonsten gefällt mir die jetzige Variante - insbesondere die Streichung der eines bestimmten indirekt erzählten Dialoges. ;)

 

Mir persönlich gefällt dein Text sehr gut, allerdings kann ich nicht verstehen, warum du ihn dermaßen in die Länge ziehst. Wie oben schon bereits angesprochen liegen die Kernpunkte zwar offen, werden aber durch unnötig viel Nebeninformationen verworren und stellenweise undurchsichtig.

Trotzdem, klasse Story!

 

@Anea:

Gib mir einfach bescheid, wann und wo es Dir paßt. Ich komm' dann mit dem Werkzeug vorbei.

@roadkill_jesus:

In die Länge ziehen? Jesus, das war ja nun nicht meine primäre Intention. Wenn ich auch anderen Menschen zustimmen muß, die behaupten, man müsse eine Geschichte schon "gründlich" erzählen.

 

Kurz die Geschichte aus meiner Sicht:
2 Freundinnen beschließen, einen gemeinsamen Freund zu verführen, eine Aktion, die selbigen verjagt und damit das Gleichgewicht, das zwischen beiden bestand, zerstört.

Was nehme ich mit?
Es herrscht ein unterschwelliger Konkurrenzkampf zwischen den beiden. Vielleicht ist er ihnen auch selber nicht bewusst, aus meiner Sicht resultiert es aus dem Nichtstun, der Motivationslosigkeit der beiden, denn der Mensch braucht irgendwas, wonach er sich ausrichten kann. Insofern scheint sich die eine an der anderen zu orientieren und wenn die eine eine Beziehung hat, dann muß die andere auch eine haben etc. Aber Jochen gibt es eben nur einmal. Und er wird der Keil, der die beiden auseinandertreibt.

Positiv gelungen finde ich den zielgerichteten Erzählstil. Du schreitest voran und es wird nicht langweilig, auch wenn ich den Anfang noch etwas zu lang finde. Hier wirfst Du fragen und Themen auf, die nicht bearbeitet werden:
- Warum waren die beiden so unmotiviert?
- Warum wollten sie ohne Beziehung bleiben?
- In welchen Situationen packt Helen die Erinnerung?
- Warum tut dieses erinnernde Lächeln weh?
- Warum haben sie sich über Jochen gestritten?
- Warum war das alles eine gute Basis und warum glaubt Helen das heute immer noch?
Versteh mich nicht falsch, ich will nicht auf alles eine Antwort, aber wenn Du keine geben willst, dann solltest Du nicht so viele Baustellen aufmachen. Aber eigentlich ist es ganz gut so, denn letztendlich bietet die Beantwortung immer die Möglichkeit, die Figuren schärfer zu zeichnen.

Was mir inhaltlich fehlt, ist die Andeutung eines Motives. Wenn die Protagonistin zurückschaut (das ist der Rahmen der Geschichte), dann erwarte ich eigentlich nicht nur eine Erinnerung, sondern auch eine Art Analyse des Vorgefallenen.
Diese Analyse stellst Du dem Text auch voran, allerdings ist es die Analyse der Umstände bzw. das Heranziehen von Oberflächlichkeiten. Aber eine Person, die zurückblickt, die aus einem bestimmten Grund die Geschichte und Erinnerung wieder hervorholt, von der erwarte ich auch den Grund für das Hervorholen zu erfahren – das Motiv. Und wenn die Protagonistin möglicherweise den Grund nicht erfassen kann, dann erwarte ich doch wenigstens vom Autor bestimmte Hinweise, die mir etwas mitgeben.
Ansonsten frage ich mich am Ende: Und? Warum ist diese Geschichte erzählt worden.

Möglicherweise sagste: Nee, da ist nichts.
Aber ich glaube, so einfach ist es nicht. Die beiden müssen irgendeinen Antrieb haben, auch wenn sie noch so unmotiviert, faul oder bekifft sind. Was schweißt sie zusammen, was reibt sie auf, was trennt sie am Ende? Das sind die Fragen, die Du aus meiner Sicht mit der Jochen-Geschichte beantworten solltest. Und möglicherweise schimmert dann auch raus, was Jochen bei den beiden gesucht hat.
Für mich ist die Sache nicht damit abgetan, die Geschichte, die Zigarette zu nennen und Jochen die rauchende Helen sehend alles begreifen zu lassen. Was soll er denn begreifen? Das er benutzt wurde. Wofür wurde er benutzt? Wie hat er es begriffen.

Wenn Du schon sein Verstehen in dieses Zigarettenpäckchen legst, dann solltest Du es stärker betonen. Meinetwegen starrt Jochen eine ganze Weile auf die Packung, will dann was sagen, verkneift es sich und geht. Aber ansonsten würde ich als Jochen nicht sofort eine Verschwörung vermuten. Es könnte aus seiner Sicht sein, dass Helen mit ihm schlafen wollte und damit die Freundin loswerden wollte. Es könnte sein, dass Helen es einfach nicht mehr im Kopf hatte, wo sie ihre Zigaretten überall hat.
Und natürlich könnte Jochen eine ganz andere Theorie haben, aber das bekomme ich nicht mit. Er ist am Anfang verschlossen und am Ende verschlossen, was hinter seinen zugekniffenen Augen abläuft, bleibt Helen, aber auch dem Leser verborgen.
Auch was in Helen vorgeht, offenbart sich mir nicht. Du beschreibst es routiniert, aber distanziert, als ob nicht Helen selber zurückblickt, sondern irgendeine Person, die es beschreibt, wie ein Fußballspiel. Aus meiner Sicht sollte die Retrospektive irgendwie eingefärbt werden. Derzeit ist es eine bloße Beschreibung. Sie verwendest zwar die Worte „verwirrt“ oder „nachdenklich“, aber woher dies kommt, ist unklar. Sie stellt sich fragen, aber sie hängen in der Luft.

Fazit:
Routiniert geschrieben, aber der Grund, das Motiv bleibt verborgen. Im Rahmen (Erinnerung durch Helen) gibt es keine Entwicklung. Sie erinnert sich, sie analysiert das Geschehene sehr detailliert, aber kopflastig und am Ende ist sie so schlau, wie vorher. Dieses Gefühl überträgt sich auf den Leser. Man sitzt da und findet irgendwie keinen Zugang. Ich kann die Figuren nicht fassen. Ich als Leser suche immer Ansatzpunkte, wo ich mich mit der Denkweise den Gefühlen der Prot. identifizieren kann.
Vielleicht liegts´s am Winter, aber irgendwie fehlt mir ein tieferes Profil bzw. die primäre Intention ist wohl an mir vorbeigerutscht.

Gruß
mac

 

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