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Die zwei Leiber Christi

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02.01.2015
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Die zwei Leiber Christi

Ich bin kein kirchlicher Mensch. Allerdings, ich muss es zugeben, habe ich eine gewisse Affinität für Religiöses. Man könnte sagen: Ich glaube nicht an die Kirche, aber ich glaube an Gott. Oder irgendeine Wesenheit, die es gut mit den Menschen meint.

Mein Tag begann mit einer mittelschweren Katastrophe. Das Meeting zum Fakten-Clustering war gestern spätabends von meinem Chef »spontan« um eine halbe Stunde vorverlegt worden. Die chinesische Abordnung wollte im Anschluss »spontan« eine Sightseeing-Tour zu den gepunkteten Steinen Mehmelheims um Punkt 10:30 Uhr wahrnehmen.
Ich bin gestern auf der Couch eingepennt, der Topf mit Spagetti neben mir, die Gabel in der Hand. Die SMS (mit selben Inhalt), las ich morgens um 7:30 Uhr als mein Handywecker klingelte. Ich stellte fest, dass mir knapp 20 Minuten blieben.
Ich kam zu spät.
Natürlich.

Mein Chef quittierte mein Erscheinen – ich drückte mich vorsichtig hinter den Stühlen der chinesischen Kollegen vorbei– mit einer einzelnen, hochgezogenen Augenbraue.
Das war es mit der Beförderung, schien die Augenbraue zu sagen und der dazugehörige Kopf lehnte sich in den Sessel zurück.
»Gut, Herr B., nachdem Sie da sind, können Sie mit Ihrer Präsentation beginnen.«

Der Vortrag verlief. Halbwegs. Ich war froh, als ich aus der schadenfrohen Atmosphäre in mein Büro flüchtete. Kein Refugium, wie sich herausstellte. Gefühlt jede Minute kam ein anderer Kollege rein, knallte einen Stapel Unterlagen auf den Schreibtisch und sagte: »Schnell.« Oder »Erledigen bitte.«
Manche sagten auch nur: »Erledigen.«
Was damit endete, dass ich erledigt war.
Und ich beschloss, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Für acht Stunden wurde ich bezahlt. Acht Stunden plus eine halbe Stunde Mittagspause.
Am heutigen Tag verließ ich das Büro fristgerecht. Wozu sollte ich mir ein Bein ausreißen, wenn meine Felle davongeschwommen waren?
Goodbye Beförderung!
Goodbye!

Ich war niedergeschlagen. Es regnete. Feierabendverkehr. Unerbittlich. Ich klappte den Kragen von meinem Mantel hoch und versteckte mich unter meinem Regenschirm. Auf dem Weg zur U-Bahn Station kam ich an dieser Kirche vorbei, deren Glocken wie bescheuert läuteten. Meine Schuhe – schwarzer Lack – begannen durchzuweichen. Immerhin drückten sie jetzt nicht mehr.
Ich klappte den Schirm zusammen und schlüpfte hinein in das dicke Gemäuer, um Wasser und Lärm hinter mir zu lassen.

Ich erwartete einen leeren Raum. Doch innen herrschte reges Getriebe. Ich war verblüfft. Es saßen eine Menge Menschen hier, die miteinander murmelten. Es war richtig was los!
Ich bog in eine der hinteren Reihen. Bevor ich mich setzte, hielt ich kurz inne und faltete die Hände. Das, soweit mich meine Erinnerung nicht täuschte, war so üblich.

Der Altarraum war schlicht. Ein riesiges, schwarzes Kreuz hing in der Mitte über einem rechteckigen Altar aus – Beton?
Hässlicher Klotz.
Es war eine moderne Kirche.
Links und rechts im Kirchenschiff entdeckte ich Bilder zum Leidensweg Jesu. Holzschnitzereien, deutlich älter als die Gegenstände im Altarraum, zeigten seine letzten Stunden. Jesus fällt zum ersten Mal. Jesus begegnet seiner Mutter. Jesus fällt zum zweiten Mal.
Der Künstler hatte das Kreuz überdimensional dargestellt. In der letzten Abbildung, »Jesus am Kreuz«, war es geschrumpft, damit Jesus daran befestigt werden konnte.

Neben mir raschelte eine Dame einen Zettel in meine Richtung und riss mich aus der Betrachtung.
»Brauchen Sie einen?«
Ich nickte und nahm den Zettel.
»Abschiedsgottesdienst zur Entlassung von Herrn Braun« stand darauf. Und darunter: »Ehrwürdiger Leiter des Senioreninstituts zum Heiligen Kreuz.«

Ich verspürte den Impuls, die Kirche schleunigst wieder zu verlassen. Doch die Plätze neben mir hatten sich still und heimlich mit Menschen gefüllt. Weißhaarige, gebrechliche Exemplare, die man nicht einfach so bittet, mal eben wieder aufzustehen.
Die Orgel kündigte den Beginn des Gottesdienstes an. Ich war gefangen. Seufzend wischte ich mir ein paar letzte Tropfen von der Stirn.

Die Gemeinde erhob sich, nur ein paar Weißhaarige blieben sitzen. Ich stand ebenfalls auf. Wie bei einer Hochzeit schritten drei Geistliche durch den Mittelgang zum Altarraum. Einer trug eine Mütze und erinnerte ein wenig an einen Nikolaus, wie man ihn auf Weihnachtsmärkten sieht.
Die Gemeinde begann zu singen. Den Text las ich stumm vom Liederzettel ab und fühlte mich in die Zeit als Konfirmand zurückversetzt.
Damals hockte ich mit meinen Kumpels zwischen älteren Herrschaften und ärgerten die Mädels vor uns. Beim Singen machten wir den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, damit keiner merkte, dass wir die Lieder nicht kannten.

Der Gottesdienst verlief wie folgt: Heilige Worte, kurze Gebete und eine mir unverständliche Litanei. Die drei Geistlichen legten sich ins Zeug. Wechselten sich beim Sprechen ab, wechselten die Plätze. Ein paar Mal konnte ich beobachten, wie sie mit ihren Lippen den grauen Betonklotz berührten. Das hatte, soweit ich mir erinnerte, mein damaliger Pastor nie getan.

Der Hochmützige betrat die Kanzel. Das Mikrofon knackte. Er räusperte sich.
»Der Weg«, sprach er, »ist ein langer Weg. Wir alle gehen ihn. Wir gehen ihn, weil wir Suchende sind. Wir suchen und wir finden. Wir suchen nach Christus, unserem Herrn. Wir suchen nach dem Gefühl, das von Dauer ist, nicht nur nach den kurzen Freuden. Wir suchen den Weg, der Ewigkeit verheißt. Und Jesus sucht uns auch, er kommt uns dabei entgegen!«
Was für ein wirres, abgeschmacktes Zeug, schoss es mir durch den Kopf.
»Ja, Jesus sucht uns, er kommt uns entgegen!«, wiederholte der Bemützte.
Dann ging es in der Predigt um den mir unbekannten Herrn Braun, der im Leben »sein Ziel erreicht« hatte und nun in den wohlverdienten Ruhestand – mit Gottes Segen – verabschiedet werden sollte.

Ich fühlte mich fehl am Platz. Ich kannte diesen Herrn doch gar nicht. Verlegen blickte ich nach links und rechts. Die Menschen neben mir verfolgten das Geschehen mit ernsten Gesichtern.
Der Bemützte schlug die Bibel auf. Und die folgenden Zeilen vermochten es, mich zu berühren. Ich kannte sie.

»Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.«
(Prediger Salomon (Kohelet) 3, 1-13)

Wir beteten das Vater Unser, das ich sogar einigermaßen zustande brachte.

Ich hatte die Hoffnung, dass der Gottesdienst zu seinem Ende kommen würde. Doch nun begann das größte Spektakel. Die heilige Dreifaltigkeit hob einen Kelch empor und bewegte ihn nach einem einstudierten Muster hin und her. Der Altar wurde geküsst und ebenso der Kelch. Fasziniert beobachtete ich, dass in genau diesem Moment die Sonne durch die Wolken brach und das heilige Getue mit ihrem Licht unterstützte.
Die Geistlichen schritten zu unterschiedlichen Stellen in der Kirche und aus den Bänken strömten die Menschen auf sie zu. Ich wurde einfach mitgezogen.
Abendmahl, schoss es mir durch den Kopf. Na klar. Gut. Ich erinnerte mich dunkel, dass das ziemlich lange dauerte. Von den Geistlichen würde ich eine Oblate kriegen und dann gab es noch einen Schluck Wein.
Leib und Blut, das Jesus für uns gegeben hat.
Eine Kirche voller Kannibalen.
Warum eigentlich nicht.

Den Leib Jesu bekam ich von dem Geistlichen mit der hohen Mütze. »Corpus Christi custodiat te«, sagte er.
»Danke«, murmelte ich, und stellte mich in die andere Reihe, an deren Ende ich einen Schluck Wein erwartete.
Dabei stellte ich fest, dass meine Banknachbarin nicht hinter mir war. Dann sah ich, dass die Menschen vor mir eine Oblate erhielte.
»Wieso gibt es hier keinen Wein?«, wunderte ich mich, dann war ich dran und ein zweiter Leib Christi wanderte in meine Hand.
»Corpus Christi te beneficat«
Ich nickte. Verblüfft ging ich einmal durch den Kirchraum um die Bänke herum, bis ich meinen Bank wiederfand. Nirgendwo wurde Wein ausgeschenkt, was mich doch sehr verwirrte.

Zurück an meinem Platz fragte ich die Dame.
»Gibt es hier gar keinen Wein?«
»Nein, heute nicht.«
»Was mache ich denn jetzt mit der Oblate?«
Die Alte führte ihre Hand zum Mund.
Schnell steckte ich mir beide Leiber in den Mund.
Dort zerschmolzen sie, wie es nur Esspapier kann.
Die Alte sah mich skeptisch an.
»Sie sind nicht katholisch?«
»Nein«, sagte ich.
»Dann dürften die Priester ihnen eigentlich gar keine Hostie geben und der Bischof schon gar nicht.«
»Wieso denn das?«
»Ach«, die Alte winkte ab. »Ein Priester sagte mal, dass Hostien alle Nichtkatholiken von innen verbrennen. Aber Ihnen geht es ja gut, wie mir scheint.«
Dass Katholiken ein wenig eigen waren mit ihrer Religion, war mir vom Hörensagen bekannt. Nun ergab diese Messe mit all dem Aufwand, den die Geistlichen betrieben, einen Sinn. Sie war katholisch, nicht evangelisch. So war ich sozialisiert worden.
Ich legte eine Hand auf meinen Bauch. Ich spürte keinerlei Brennen. Dabei hatte ich sogar zwei Leiber intus. Tatsächlich. Mir ging es gut.
»Alles in Ordnung«, flüsterte ich.
Die Dame zwinkerte mir zu und wir empfingen den Segen.
Mit einem beschwingten Gefühl ging ich nach Hause.

 

Hallo Runa Phaino,

erst mal meine Stolperstellen:

Man könnte sagen: Ich glaube nicht an die Kirche, aber ich glaube an Gott.
Es mag Menschen geben, die an die Kirche glauben, aber üblicherweise glauben auch die, die nicht kirchlich sind an einen Gott - sie meinen eben nur, dass er in einer Kirche nicht zu finden ist.
Der Vortrag verlief. Halbwegs.
verlief passt mE nicht - lief ab oder spulte ich ab oder ähnliches. Oder verlaufen die Worte im Sande?
fühlte mich in die Zeit als Konfirmand zurückversetzt
Du beschreibst recht kenntnisreich einen katholischen Gottesdienst. Ich glaube kaum, dass ein evangelischer Konfrmand so gute Kenntnisse hat. Das passt irgendwie nicht.
Damals hockte ich mit meinen Kumpels zwischen älteren Herrschaften und wir ärgerten die Mädels vor uns.
oder ärgerte im Singular.
Der Gottesdienst verlief wie folgt
Das kann im Bericht eines Ermittlers stehen, aber in diesem Text scheint es mir fehl am Platz.
Heilige Worte, kurze Gebete und eine mir unverständliche Litanei.
Was sind heilige Worte? Und dass der Prot weiss, was eine Litanei ist ... Ich wäre versucht zu sagen, eine wie üblich unverständliche Litanei.
Ein paar Mal konnte ich beobachten, wie sie mit ihren Lippen den grauen Betonklotz berührten. Das hatte, soweit ich mir erinnerte, mein damaliger Pastor nie getan.
Es gibt nur einen Altarkuss zu Beginn der Messe. Bei der Eucharistie gibt es tiefe Verneigungen, die vielleicht wie ein Kuss wirken können. Und einen evangelischen Pastor, der den Altar küsst, habe ich auch noch nicht gesehen.
wiederholte der Bemützte.
Ein Bischof trägt die Mitra (so heißt die Nikolausmütze), wenn er sich dem Kirchenvolk zuwendet. Wenn er sich Gott - dem Altar - zuwendet, wird ihm die Mitra abgenommen. Also auf der Kanzel trägt er die Mitra und stößt hoffentlich nicht an die Kanzeldecke.
»sein Ziel erreicht«
Das ist logisch verquer . Das Ziel ist nach den vorigen Worten die Ewigkeit und nicht der Ruhestand. Ich würde das präzisieren - Ende des Arbeitslebens ...
Der Bemützte schlug die Bibel auf
aber ohne Mütze!
»Nein, heute nicht.«
Es gibt wenige katholische Messen, in denen aich Wein ausgeteilt wird.
dass Hostien alle Nichtkatholiken von innen verbrennen
Der unwürdige Genuss einer geweihten Hostie führt zu Tod und Verdammnis. Diese Lehre des Konzils von Trient (1551) gilt heute noch. Anders gesagt: Auch ein Katholik kann unwürdig sein, aber darüber macht sich heute kaum jemand Gedanken.

Isgesamt fand ich den Wechsel zwischen weitreichenden Kenntnissen und Unkenntnis schwer nachvollziehbar. Der Prot wird so zu einer schillernden Person.
Und was die "Vorgeschichte" mit der Messe zu tun hat, ist nicht leicht zu erkennen, da die Verbindung - Beforderung futsch - Alles hat seine Zeit - eher beiläufig vorbeizieht und auch beim Prot keine Reaktion hervorruft.

Nur noch eine Anmerkung: Da der Leib Christi in der Hostie unsterblich ist, hätte ein frommer Mensch einige hundert Leiber in seinem Leib - wenn sie nicht alle mit seinem Leib zu einem Leib verschmelzen würden.

Liebe Grüße

Jo

 

Lieber Jobär,

Danke für Deine Anmerkungen. Da kennt sich jemand aus, aber richtig. ;)

Gut, ich warte jetzt mal noch ein wenig, aber auf Deine Hinweise werde ich nicht verzichten bei der Überarbeitung.
Du hast mir aber gar nicht gesagt, wie die Geschichte insgesamt auf Dich wirkte. Hm. Sollte mir das zu denken geben?

Beste Grüße

Runa

 

Liebe Runa

Sollte mir das zu denken geben?
vielleicht. Ich bin unsicher. Vor allem den Beginn fand ich temporeich mit vielen unülichen Wortzusammenstellungen gespickt, von dhaer witzig und anregend zu lesen. Dann kam der Kirchenteil und ich bimm iim er noch unsicher, ob und wie die beiden Teile zusammengehören. Eine Idee hatte ich ja schon gesagt. Vielleicht könntest Du - wenn es einen Zusammenhang gibt - diesen deutlicher herausarbeiten. Ich denke, das würde der Geschichte guttun.

Liebe Grüße

Jo

 

Hm.

Das ganze ist ein Erlebnis, das ich selbst vor ein paar Tagen hatte. Ich fand es lustig und wollte eine kleine Geschichte drüber schreiben.
Die erste Passage ist aber total ausgedacht. :)

Wahrscheinlich liegt darin das Problem.

Danke für Dein zweites Feedback, ich werde versuchen, das bei der Überarbeitung zu berücksichtigen.


Beste Grüße

Runa

 

Hallo Runa Phaino.

Erstmal vorneweg: Ich habe deinen Text nur gelesen, weil er von dir in die Kategorie "Humor" gepackt worden ist. Also kann es sein, dass ich etwas unfair zu deinem Text bin, weil ich mich darauf konzentriert habe, aber ich versuche, es zu vermeiden.

Ich muss dir sagen, dass ich irgendwo im 5. Absatz damit beginnen musste, mich zum Lesen zu zwingen. Du hast es zwar geschafft, die Situation ausführlich zu beschreiben, aber mir war es etwas zu ausführlich. Irgendwann habe ich gedacht: "Ja, Text, ich weiß jetzt, dass dem Protagonisten nicht nach einem fröhlichen Kinderhüpfen durch die Pfützen ist, komm bitte zum Punkt."
Und dieser selbstauferlegte Zwang zog sich dann durch den Rest des Textes. So zum Beispiel auch bei diesem Bibelzitat, wobei das vielleicht daran liegt, dass ich Religionen nichts abgewinnen kann.

Der letzte Absatz wiederum war schon viel besser. Da hatte ich das Bild vor Augen, wie dein Protagonist von innen heraus brennen würde und eventuell auch ein Teufel herauskommen würde, und das gefiel mir sehr.

Nun noch etwas Inhaltliches. Ich erhebe Einspruch gegen die inneren Wandlungen des Protagonisten. Denn bevor der Protagonist die Kirche betritt, ist er niedergeschlagen und das auch noch mit einer Tendenz zum Sarkasmus/Zynismus.

Ich erwartete einen leeren Raum. Doch innen herrschte reges Getriebe. Ich war verblüfft. Es saßen eine Menge Menschen hier, die miteinander murmelten. Es war richtig was los!
Würde eine Person mit beschriebener Laune so reagieren? Nein, das würde sie nicht. Zumindest nicht ohne Antidepressiva oder ähnlich wirkende Drogen. Ich würde es dir eher abkaufen, wenn eine sarkastische oder zynische Bemerkung folgen würde wie "... Es war richtig was los! Ist Jesus etwa nochmal auferstanden?"
Ebenfalls würde eine Person mit dieser Laune niemals so genau ihre Umgebung beobachten. Denn niedergeschlagene Personen neigen in der Regel dazu, sich von ihrer Umgebung abzuschirmen.

Was Rechtschreibung und so weiter angeht, so habe ich da kaum etwas zu bemängeln. Es gibt zwar wenige Stellen, die etwas besser hätten formuliert werden können, doch sind sie in dem Kontext vollkommen ausreichend.

Nun denn, das war es von mir, dem dunklen Wesen.

 

Dunkles Wesen!

Dankeschön für Dein Feedback!

Ich fand es gar nicht unfair, sondern sehr konstruktiv. Jetzt weiß ich, was Dich genervt hat (Danke fürs Durchlesen und Durchhalten) und was Du am Text bemängelst.

Anscheinen gab es sogar ein, zwei "nette" Stellen. Mit der Wandlung des Protagonisten hast Du so Deine Probleme. Okay.
Die zynistische Anmerkung in der Kirche finde ich richtig gut, ich denke, ich werde sie bei der Bearbeitung einpflegen.

Schon Jobär hat den Anfang bemängelt, da er nicht zum zweiten Teil passen würde; Dir ist er ebenfalls zu "ausführlich". Da muss ich also noch mal ran.

Stichwort Wandlung.
Meinst Du nicht, dass der Protagonist aufgrund seiner kirchlichen, religiösen Sozialisation einen Schuss "Religiösität" abbekommen hat und daher es möglicherweise doch plausibel sein könnte, dass er in der Kirche - ohne das ganze zu ernst zu nehmen - eine kleine, innere Wandlung erfährt?

Oder stört Dich vielleicht am Text der latent missionarische Impetus (Geh in die Kirche und alles wird wieder gut?)

Ich hab versucht, das nicht zu "extrem" darzustellen, aber es ist mir bewusst, dass sich in Religionsfragen natürlich die Geister scheiden.

Beste Grüße

Runa

 

Guten Morgen Runa Phaino,

religiös konnotierte Texte scheinen hier ja momentan Konjunktur zu haben und deiner macht keine Ausnahme. Wie du selbst schon erwähnt hast, sind solche Themen immer etwas brenzlig. Religion ist ein Reizthema, sowohl bei Gläubigen als auch Ungläubigen. Von daher sind Geschichten, die sich diesem Thema annehmen, besonders dazu geeignet zu provozieren, zu verärgern, aufzurütteln, zu verstören, Meinungen zu bestätigen oder zu propagieren - abhängig von der Intention des Autors und der Message, die er pushen will. Wie wir in jüngster Vergangenheit gelesen haben, geht das sowohl mit leisen Tönen als auch mit der Methode Holzhammer.

Ich finde du hast das ganz gut hinbekommen. Deine Geschichte kommt unaufgeregt und ehrlich daher, es ist eine Beobachtung eines kirchenfernen, aber nicht areligiösen Protagonisten, der aus seinem Horizont heraus einer katholischen Messe beiwohnt und diese beschreibt. Du schilderst die innere Auseinandersetzung, den Widerwillen, die Belustigung, die Vorurteile, aber nicht unter der Vernachlässigung der positiven Wirkung, die der Gottesdienst letzten Endes auf den Protagonisten hat. Dir gelingt der Spagat zwischen Distanz und Nähe. Schön ist es dir gelungen, dem profanen Alltag zu Beginn die etwas skurrile Sakralität der Messe gegenüberzustellen. Die Messe mit ihrer ritualisierten und archaischen Liturgie als Fremdkörper im Alltag, der störend oder bereichernd empfunden werden kann, je nachdem, mit welcher Prägung man sich ihr nähert.

Meinst Du nicht, dass der Protagonist aufgrund seiner kirchlichen, religiösen Sozialisation einen Schuss "Religiösität" abbekommen hat und daher es möglicherweise doch plausibel sein könnte, dass er in der Kirche - ohne das ganze zu ernst zu nehmen - eine kleine, innere Wandlung erfährt.

Das z.B. halte ich durchaus für möglich, und der Protagonist ist auch sicher nicht der Erste, dem sowas widerfährt. Eine solche Wandlung kann Menschen in verschiedener Intensität in fast jedem Gotteshaus treffen, in dem er sich mit dem Transzendenten konfrontiert sieht. Hier ist es halt sehr schön mit der Eucharistie verknüpft, der Wandlung der Hostie.

Kleinigkeiten zur Authentizität (die zwei Semester Theologie müssen sich ja mal bezahlt machen):

Der Altarraum war schlicht. Ein riesiges, schwarzes Kreuz hing in der Mitte über einem rechteckigen Altar aus – Beton?
Hässlicher Klotz.
Es war eine moderne Kirche.

Find ich eine gute Beobachtung. Oft wird die katholische Kirche mit dem Schwulst und dem Kitsch des Barocks in Verbindung gebracht, aber genau so oft sind diese 60er Jahre-Gebetshallen anzutreffen, die ebenso aus einem ganz bestimmten Zeitgeist heraus entstanden sind.

Einer trug eine Mütze und erinnerte ein wenig an einen Nikolaus, wie man ihn auf Weihnachtsmärkten sieht.

Das ist toll! Hier zeigst du schön, wie säkularisiert der Nikolaus in der Vorstellungswelt des Protagonisten bereits ist. Der Gedankentransfer Nikolaus = Bischof fällt daher weg, die Ähnlichkeit ist nicht mehr als eine skurrile Zufälligkeit.

Der Hochmützige betrat die Kanzel. Das Mikrofon knackte. Er räusperte sich.

Hast du das echt so beobachtet? Kanzeln sind in katholischen Kirchen eher nicht mehr im Gebrauch, und bestimmt nicht in so einem Bau, wie du ihn beschreibst. Es gibt Altar und Ambo, wobei letzterer eine Art kleiner Lesepult (Tisch des Wortes) ist, von dem aus das Evangelium verkündigt und anschließend auch gepredigt wird.

Wir beteten das Vater Unser, das ich sogar einigermaßen zustande brachte.

Hier setzt bereits die Wandlung ein. Der Protagonist ist jetzt nicht mehr passiv.

Die heilige Dreifaltigkeit hob einen Kelch empor und bewegte ihn nach einem einstudierten Muster hin und her.

Meinst du mit "Heiliger Dreifaltigkeit" die drei Priester? Den Kelch wird vermutlich nur einer hochheben, nämlich der Hauptzelebrant.

Der Altar wurde geküsst und ebenso der Kelch.

Das habe ich noch nie gesehen.

Corpus Christi custodiat te

Corpus Christi te beneficat


Der Gottesdienst war auf Latein? Eher untypisch, die Spendeworte auf Latein zu sagen, wenn es sich im eine Ordentliche Messe nach der Liturgiereform handelt.

»Ach«, die Alte winkte ab. »Ein Priester sagte mal, dass Hostien alle Nichtkatholiken von innen verbrennen.

Das ist ja gruselig. Besagter Priester muss wohl von der ganz alten Schule sein.:D

Fazit:

Ich finde, dir ist da eine gute Achterbahnfahrt durch so eine Erfahrung gelungen. Die Balance ist gewahrt und du hast dich in meinen Augen respektvoll mit dem Thema befasst, ohne anbiedernd zu sein oder eine Agenda zu pushen. Ich empfand die Geschichte als wohltuend unaufgeregt.

Schönes Wochenende!

Exilfranke :)

 

Hallo Exilfranke!

Was für ein schöner, fröhlichen Kommentar!

Es tut gut zu lesen, dass die Geschichte auch Anklang finden kann. Das, was Du beschreibst und würdigst, ist exakt, was ich mir beim Schreiben überlegt hatte. *stolzbin*

An die Kritiker, - euch vergesse ich darüber nicht, keine Bange! Ich finde, dass viele Punkte zu überarbeiten sind.

Hast du das echt so beobachtet? Kanzeln sind in katholischen Kirchen eher nicht mehr im Gebrauch, und bestimmt nicht in so einem Bau, wie du ihn beschreibst.
Stimmt. Es war eher ein Rednerpult als eine Kanzel!

Meinst du mit "Heiliger Dreifaltigkeit" die drei Priester? Den Kelch wird vermutlich nur einer hochheben, nämlich der Hauptzelebrant.
Auch hier liegst Du richtig. Ich habe das nicht exakt beschrieben.

Der Altar wurde geküsst und ebenso der Kelch.
---> Das habe ich noch nie gesehen.
Daran erinnerte ich mich beim Schreiben nicht mehr genau, weil da sehr viele Bewegungen im Spiel waren. Ich habe das Geschehen daher etwas reduziert und anscheinend falsch memoriert. Danke für den Hinweis, ich glaube, Jobär hatte das auch schon moniert. - Wird überarbeitet.

Der Gottesdienst war auf Latein? Eher untypisch, die Spendeworte auf Latein zu sagen, wenn es sich im eine Ordentliche Messe nach der Liturgiereform handelt.
Auch hier war meine Phantasie am Werk. ;) Muss wohl noch mal recherchieren, was die Priester in diesem Moment sagen. Irgendwas haben sie gesagt! Und das lateinische fand ich so ... hübsch!


Exilfranke, herzlichen Dank für Deinen Kommentar!


Beste Grüße

Runa

 

Manche sagten auch nur: »Erledigen.«
Was damit endete, dass ich erledigt war.

Hallo Runa,

glaub ma' nich', ich hätt Dich verjessen oder übersehn! Ja, das mit dem Abendmahl ist so’ne Sache und solang sich eine der Kirchen für die „allein selig machende“ und „unfehlbare“ hält, ist das schon korrekt mit dem Abendmahl (in dem Fall der Oblate), das (die) einem Menschen anderer Konfession verweigert werden müsste.

Aber ich hab es mir gerade hierorts mutmaßlich mit Gott verscherzt, dass ich nun ganz vorsichtig sein sollte und der Vorhof zur Hölle ist schon kein angenehmer Ort. Selbst für einen sturen Bock wie mich.

Mir geht es ähnlich wie Dir, nur umgekehrt: Ich war Presbyter und doch wusste jeder, dass ich das ganze Ritual mit seinen festen Fügungen für die Couch des kleinen Mannes ansah, der sich einen Psychiater nicht leisten kann. Ob es einen Gott gebe oder nicht, ist vollkommen egal. Es ist eben das Wesen, das gelegentlich angerufen wird – ohne Telefonnummer! Womit wir beim Handy wären, denn da schnappt die Fälle-Falle zu, da „mit“ nach dem Dativ verlangt, also statt

Die SMS (mit selben Inhalt), …
besser „mit selbem/dem selben Inhalt“

…, las ich morgens um 7:30 Uhr[,] als mein Handywecker klingelte.
„als“ leitet einen vollständigen Satz ein!
Das war es mit der Beförderung, schien die Augenbraue zu sagen[,] und der …
Ende des Infinitivsatzes

Ja, hier scheint mir auch was zu fehlen …

Der Vortrag verlief. Halbwegs. Ich war froh, …
Aber Du hast Dir sicherlich was dabei gedacht mit der Ellipse, die vllt. verstärkt werden kann durch ein Ausrufezeichen?

Wie mir hier die „Aussagen“ nach mehr als bloße Aussagen erscheinen wollen!

… und sagte: »Schnell.« Oder »Erledigen[,] bitte.«
Ich klappte den Kragen von meinem Mantel hoch und versteckte mich unter meinem Regenschirm.
Seit wann hastu Angst um Besitzstände wie Mantel und Schirm? Ich glaub nämlich nicht, dass der Icherzähler einen fremden Mantel trage oder gar einen Schirm geklaut hätte …

Der Hochmützige …
Schönes Wortspiel durch ein schlichtes z

…, dass die Menschen vor mir eine Oblate erhielte[n].
… die Bänke herum, bis ich meine[…] Bank wiederfand.

Wie immer gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Friedel!

Ja, wie schön! Da biste wieder! :)

Danke für den Kommentar und insbesondere das Herauslesen der Fehlerlein. Ich werde mich demnächst mal an die Überarbeitung machen, dann pflege ich das alles ein. Momentan bin ich sehr faul ... aber ich arbeite auch viel. Ich hätt da dann auch bald noch mal so ein längeres Geschichtlein ... magste das noch mal lesen? Muss nur noch fertig überarbeiten (wann ist man eigentlich fertig????) und dann noch ein Cover basteln - wieso kennt sich eigentlich niemand mit Scherenschnitten aus? - und dann kann ich das hochladen! Voll gut! :shy:

Ich bin schon sehr gespannt, was passieren wird!

Besten Dank für alles und bis bald mal wieder!


Runa


PS. Ich werde voraussichtlich in den nächsten Wochen auch mal gen Süden aufbrechen. Kleine Deutschlandtour.

 

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