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Diebes-gut!
Diebes-gut!
Danke, dass ihr meine Geschichte lesen wollt, allerdings befindet sie sich derzeit in der Ueberbeitung. Ich bitte um etwas geduld. ;-)
Robert Stein ließ den Wagen seit Stunden auf dem endlosen Asphaltband dahingleiten. Die Straße flirrte in der heißen Sommersonne und gaukelte in der Ferne immer wieder schwarze, glitzernde Pfützen vor. Anfangs hatten sie noch die Landschaft genossen, doch nach Stunden bestand sie nur noch aus grünen Linien, die vorüberzogen.
Im Radio schien die immer gleiche Musik zu plärren, untermalt vom monotonen Rauschen durch das halbgeöffnete Fenster und dem Klappern der Gepäckstücke, das sich bei jeder Bodenwelle meldete.
Die Klimaanlage hatte vor gut einer Stunde ihren Geist aufgegeben.
Roberts kurze, schwarze Haare glänzten vor Schweiß. Ein Tropfen rann ihm über die Stirn und verschwand hinter der dunklen Sonnenbrille.
„Hast du mal ein Tuch für mich?“
Sonja neigte sich vor und kramte in der Tasche vor sich im Fußraum. Die langen, blonden Haare fielen ihr über die Schulter. Schließlich fand sie ein Cleenex.
„Meinst du wir schaffen es noch rechtzeitig zur Fähre?“
Robert tupfte sich über die Stirn.
„Natürlich schaffen wir das ... Kein Stau, die Straße ist frei, wir werden wohl sogar noch etwas warten müssen. Wie heißt übrigens der Dampfer?“
Sonja nahm ihre Handtasche auf den Schoß und blätterte in den Unterlagen.
„Neptuna II.“ Der Prospekt zeigte ein strahlend weißes Schiff auf hellblauem Meer.
Sie legte die Papiere neben sich und begann wieder in ihrer Verpflegungstasche zu stöbern.
„Möchtest du noch etwas Limonade oder vielleicht Obst?“
Robert sah zu ihr hinüber und überlegte kurz.
„Eigentlich würde ich jetzt gerne einen Kaffee trinken.“
Wenige Augenblicke später kam die Abfahrt zu einem Rastplatz, wo sie zunächst an die Tankstelle und in das Spalier der Zapfanlagen fuhren.
Es herrschte wenig Betrieb. Einige Leute gingen vom nahen Parkplatz in den Shop um sich Proviant zu holen oder Zeitungen zu kaufen.
Robert und Sonja waren nicht die einzigen an den Tanksäulen. In der Nebenspur stand ein großer Kombi, beladen mit Urlaubsgepäck, auf dessen Rücksitzen sich Kinder balgten. Etwas weiter abseits wurde ein großer LKW betankt. Der Fahrer lehnte gelangweilt an seinem Truck und wartete.
Der Geruch nach Diesel und Benzin war wegen der Sommerhitze stärker als sonst und hing drückend über der Anlage.
Während Robert sich um den Wagen kümmerte, ging Sonja zum Heck, öffnete den Kofferraum und begann das Gepäck neu zu sichern.
Der Kombi wurde angelassen und fuhr weiter zu den Parkplätzen. Die Kinder winkten.
Nach dem dritten Klicken hängte Robert die Zapfpistole wieder in die Säule und ging zum Shop um zu zahlen.
Sonjas Gesicht tauchte kurz hinter der geöffneten Heckklappe auf. „Schau doch mal, ob die auch Kaffee haben, und bring mir dann einen mit!“
Robert hob die Hand zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
Es kostete Sonja viel Kraft, einen Koffer in eine neue Position zu rücken. Sie schob und zwängte und versuchte ihn mit einer Reisetasche zu verkeilen. Plötzlich entglitt ihr die Tasche, fiel zu Boden und ein Teil des Inhaltes verteilte sich hinter dem Wagen.
Im selben Moment, als Sonja sich bückte um die Teile wieder aufzuheben, bemerkte sie eine Bewegung, seitlich am Auto.
Ein dunkelhaariger Mann stand da, ihr den Rücken zugewandt, am offenen Seitenfenster! Er trug Jeans und seine rote Bomberjacke stach auffällig hervor.
Und dann ... in dem Augenblick, als sie erkannte, dass er ihre Handtasche in Händen hielt, traf sie der Schrecken wie ein elektrischer Stromschlag. Sonja schrie auf und der Mann wirbelte herum.
Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Es waren junge Augen, .. fast kindlich.
Der Junge spurtete los, strauchelte und hetzte davon.
„Halt, bleib stehen!“
Sonja sprang auf.
„Robert ... Halt!“
Der LKW-Fahrer reagierte kaum. Robert erschien, kam dem Flüchtenden in die Quere und wurde zur Seite gerammt. Verwirrt wandte er sich Sonja zu.
„Nicht hierher! Er hat meine Tasche mit allen Papieren!“ Sonja fuchtelte in Richtung des jungen Mannes, der gerade hinter dem Gebäude der Tankstelle verschwand.
Robert nahm die Verfolgung auf!
Der Junge war in einen Wirtschaftsweg gelaufen, der hinter der Tankstelle in einen schmalen Waldstreifen hinein führte. Robert hatte ihn zunächst aus den Augen verloren, sah ihn aber wieder, als der Weg die Baumgruppe durchbrach und im weiteren Verlauf parallel an Felder und Äcker entlang führte. Der Dieb hatte gut hundert Meter Vorsprung aber Robert war mit seinen zweiundvierzig Jahren gut trainiert und holte auf. Immer wieder sah sich der Junge nach seinem Verfolger um und als Robert fast die Hälfte des Vorsprungs gut gemacht hatte, sprang der Junge vom Weg ab, zwischen die Bäume und war verschwunden.
Als Robert heran war, kam er an einen schmalen Trampelpfad, der durch engstehende Baumreihen direkt in den Wald führte. Die hohe Sonne durchdrang nur an wenigen Stellen das dichte Blätterdach und zeichnete auf dem Boden ein fast märchenhaftes Spiel aus grellem Licht und Schatten. Der Junge war nicht zu sehen, jedoch hallten dessen Schritte durch das Unterholz. Äste brachen, Zweige knickten. Robert fasste sich an die stechende Seite und stürmte weiter. Er sprang über hoch stehende Wurzeln, zwängte sich durch Gestrüpp. Den Dieb bekam er nicht zu Gesicht. Immer wieder blieb er stehen und orientierte sich nur an den Geräuschen. Schließlich hielt er inne und lauschte. Das Knacken und Brechen von Zweigen hatte aufgehört und die Stille des Waldes umgab ihn, nur gestört von seinem eigenen erschöpften Atmen.
Langsam und immer wieder lauschend ging er weiter. Seine Vermutung war, dass der Junge sich hinter einem Baum oder einem Busch versteckt haben und sich dann vielleicht durch ein Geräusch verraten könnte.
Dann kam wieder ein lautes Knacken, das wie ein Gewehrschuss durch das Unterholz hallte. In der Ferne meinte Robert etwas Rotes gesehen zu haben und stürmte los.
Bald hielt er wieder inne. Alles blieb still. Er ging den Pfad langsam weiter, bis dieser schließlich auf einem asphaltierten Weg mündete.
Unschlüssig orientierte er sich. Letztlich war es egal, in welche Richtung er jetzt lief, jede konnte richtig oder falsch sein. Wenn der Junge noch im Wald war, könnte er sich auch verstecken und ihn auflauern ... oder er konnte einfach aufgeben.
Noch bevor er sich entschieden hatte kamen Motorengeräusche näher. Ein Streifenwagen bog um eine Kurve, beschleunigte, hielt auf Robert zu und kam schließlich neben ihm zum stehen.
Sie waren zu zweit. Der Beifahrer hatte das Fenster heruntergelassen und lehnte sich lässig vor.
„Sind Sie Herr Stein?“
Robert trat an den Wagen heran.
„Ich nehme an, dass sie bereits mit meiner Frau gesprochen haben?“
Der Beamte nickte.
„Sie hatte uns erzählt, dass Sie hinter dem Dieb her sind. Hat aber wohl nicht geklappt, oder?“
Robert deutete in den Wald hinein.
„Da drin hab´ ich in verloren. Er muss sich gut auskennen, sonst hätte ich ihn erwischt.“
Der Polizist griff hinter sich und entriegelte die Tür zum Fond.
„Steigen Sie ein, wir bringen Sie zum Rasthof zurück. Unsere Kollegen sind informiert und haben die Beschreibung. Allerdings sollten Sie sich keine großen Hoffnungen machen. Vielleicht bekommen Sie die Tasche und die Papiere wieder. Das Geld werden Sie aber wohl abschreiben müssen.“
Auf der Fahrt über die umliegenden Wege verglichen die Beamten Sonjas Aussagen mit denen von Robert: Zirka sechzehn Jahre, mittelgroß, schwarze Haare, kurze, rote Jacke und Jeans. Die Aussagen stimmten überein.
Der Streifenwagen rollte auf den Rastplatz und hielt direkt neben Sonja, die im Schatten der Tankstelle auf einer Mauer hockte und an einem Becher mit Kaffee nippte.
Robert stieg aus und setzte sich zu ihr.
„Wir müssen jetzt noch mit zur Wache, um dort die Anzeige aufzugeben. Für die kommende Nacht sollten wir uns hier in der Nähe ein Quartier suchen. Wenn sich dann bis morgen nichts ergeben hat, können wir ja trotzdem auf die Insel fahren und Urlaub machen, was meinst du?“
Sonjas zuckte mit den Schultern und ihr Blick war voller Enttäuschung.
„Es kann ja nur besser werden.“
Sie stiegen in ihren Wagen und hielten direkt hinter dem Polizeifahrzeug, um dann zur Wache folgen zu können. Die Polizisten machten zunächst allerdings keine Anstalten loszufahren. Einer von ihnen hielt ein Telefon in der Hand und sprach abwechselnd mit seinem Partner und dem Anrufer. Schließlich stiegen die Beamten aus und traten zu Sonja und Robert an den Wagen.
„Wir haben gerade von der Dienststelle die Information erhalten, dass ein Jugendlicher, der auf ihre Beschreibung passt, gefasst wurde.“
Sonjas Mine hellte sich augenblicklich auf. „Hat er die Tasche auch dabei?“
Der Beamte grinste. „Er hat auch eine Tasche dabei. Die Papiere darin zeigen auch, dass es ihre ist.“
Sonja lies sich mit einem erleichterten Seufzer in den Sitz zurück fallen.
„Dann lasst uns losfahren. Mit etwas Glück bekommen wir ja heute noch eine andere Fähre.“
Der andere Beamte hob besänftigend die Hand.
„So schnell wird es nicht gehen. Der Junge Mann behauptet ihre Tasche nur gefunden zu haben. Um ihn aber als Täter zu identifizieren, muss eine Gegenüberstellung erfolgen. Wir bemühen uns so schnell wie möglich einige Vergleichspersonen aufzutreiben. Trinken Sie noch einen Kaffee oder machen Sie einen Stadtbummel. Wenn alles so weit ist, erreichen wir Sie auf dem Handy.“
Sonja und Robert schlenderten durch die Fußgängerzone der kleinen Stadt und schauten sich die Auslagen der Geschäfte an. Gerade, als sie einen Zeitschriftenladen verließen, klingelte Roberts Handy.
„Wir sollen aufs Revier kommen. Sie haben alles erledigt und meinten, dass wir vielleicht in gut einer Stunde weiterfahren können.“
Die Polizeistation war nahe der Innenstadt im Erdgeschoss eines Geschäftshauses untergebracht. Auf markierten Stellplätzen standen Streifenwagen und Zivilfahrzeuge. Eine Besatzung sprang in ihren Einsatzwagen und fuhr unter Blaulicht los. In der Ferne heulten Sirenen ... viel Betrieb für eine kleine Stadt.
In der Dienststelle herrschte hektisch Betriebsamkeit. Es wurde telefoniert, Funkgeräte bedient, Einsätze auf Zuruf erteilt, Protokolle geschrieben und Besprechungen abgehalten.
Sonja und Robert traten an den kleinen Tresen heran, der den öffentlichen Bereich vom internen trennte. Zunächst nahm niemand von ihnen Notiz, bis sie im Hintergrund einen der Beamten entdeckten, mit dem sie an der Raststätte zu tun hatten.
Der Mann grüßte kurz, öffnete eine Schwingtür und ließ sie ein.
Sie folgten dem Polizisten, der ihnen half sich den Weg durch das betriebsame Durcheinander zu bahnen. Über einen Korridor, auf dem ihnen wiederum Polizisten begegneten und vorüberhasteten, wurden sie schließlich in einen kleinen, sparsam eingerichteten Raum gelassen. Auf einem Tisch stand ein Computer mit Monitor, darum drei einfache Stühle. Die Wände waren vor langer Zeit einmal hellblau gestrichen und trugen außer einem einfachen Abreißkalender keinen weiteren Schmuck.
„So“, sagte der Polizist und deutete auf eine zweite Tür. „im Nebenraum werden Sie einige junge Männer in einer Reihe stehen sehen. Gehen Sie bitte langsam an ihnen vorbei, betrachten Sie die genau, aber sagen Sie nichts. Wenn wir hier wieder zurück sind und die Tür geschlossen ist, dann sagen Sie mir bitte, ob der Dieb darunter war, und wer es ihrer Meinung nach gewesen ist.“
Gerade wollte der Polizist in den Nebenraum gehen, als die Tür zum Flur aufflog, ein Kollege herein gestürmt kam und ihn auf ein kurzes Gespräch heraus bat. Lärm von den anderen Büros dran herein, Rufe, Befehle ...
Als der Beamte zurück war und die Tür schloss kam auch wieder die Ruhe zurück.
„Entschuldigen Sie, aber hier ist im Moment der Teufel los.“
Sie standen in einer Reihe, mit starr geradeaus gerichteten Blicken. Sechs junge Männer, einige fast noch Kinder. Die meisten trugen rote Jacken oder rote Pullover und Jeans. Sonja und Robert hielten sich bei den Händen und schritten gemeinsam die Reihe ab. Kaum einer sah sie direkt an. Ihre Blicke schienen die gegenüberliegende Wand zu durchbohren.
Robert wirkte ganz ruhig und auch Sonja versuchte sich nichts anmerken zu lassen, trotzdem stockte sie bei der Nummer Drei. Robert schien ähnliches zu fühlen und drückte ihre Hand fester. Die Augen des jungen Mannes begannen zu flackern und sein unsicherer Blick wechselte dann von Sonja zu Robert.
Um möglichst unauffällig zu wirken schritten sie die Reihe weiter ab, betrachteten jeden genau und zogen sich danach wieder in den Vorraum zurück. Der Polizist bedeutet ihnen sich zu setzen. Auf dem Tisch lagen bereits die Protokollunterlagen vorbereitet.
„Nun, haben sie den Dieb wieder erkannt?“ Der Polizist hatte noch die Türklinke in der Hand und schaute beide erwartungsvoll an. Robert nickte und wollte gerade ansetzen zu sprechen, als die Tür zum Flur erneut aufgerissen wurde. Wieder fluteten Stimmen, Rufe und Hektik in den Raum. Der Beamte, der in der Tür stand, war voll aufgerüstet und wirkte gehetzt. Er hatte eine schwere Lederjacke an, einen großen Gerätekoffer in der Hand und ein Sprechfunkgerät am Gürtel, das zwischen Rauschen und Knistern unverständliche Wortfetzen vorn sich gab.
„Wir haben den nächsten Einsatz!“ rief er. „ Sie hoffen immer noch Überlebende zu finden, also beeil' dich, ich mach schon mal die Ausrüstung klar!“
Der Mann zog die Tür wieder zu und Sonja und Robert waren mit ihrem Polizisten wieder allein.
„Entschuldigen Sie die Hektik, aber wir haben einen Notfall. Hier in der Nähe ist eine Fähre gesunken und diese Dienststelle ist für alle notwendigen Maßnahmen an Land zuständig.“
„Eine Fähre? Welche Fähre?“ In Sonjas Stimme lag ein leichter Anflug von Panik.
„Etwa die, die zur Insel hinüber fährt?“
„Ja, die Neptuna.“
Sonja und Robert wechselten Blicke, lehnten sich in ihren Stühlen zurück und atmeten schwer.
„Welche Neptuna?“
Dem Polizisten war die Stimmungsänderung nicht entgangen.
„Die Neptuna II. Es gibt hier nur diese eine Fähre.“
Er wollte die Aufmerksamkeit jetzt wieder auf den eigentlichen Auftrag lenken, wandte sich dem Computer zu, und tippte Daten in ein Formular, das auf dem Monitor angezeigt war.
„Nun, wen von den Kandidaten haben Sie als den Täter erkannt?“
Sonja und Robert zögerten, sahen einander an. Es dauerte eine ganze Weile, bis Robert endlich antwortete:
„Wir haben ihn an der Tankstelle deutlich gesehen aber ... es tut uns leid, er war hier nicht dabei.“
Der Polizist zog die Stirn in Falten, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schwieg einen Moment.
„Aber, ich habe doch gesehen, wie Sie bei dem einem stockten. Sie können mir doch jetzt nicht erzählen, dass sie niemanden erkannt haben.“
Für einen Moment herrschte schweigen. Dann zuckte Sonja nur mit den Schultern und lächelte Robert an.
„Wenn er dabei war, dann hat er die Tasche wohl wirklich nur gefunden.“