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Don und Sancho

MiK

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12.03.2006
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Don und Sancho

Meine beiden Mitbewohner Bimmel und Bommel (die Namen wurden vom Autor geändert) hatten unser gemeinsames Heim bereits am Vorabend für die kommenden zehn Tage verlassen.
Es war am Weihnachtsmorgen. Ich stand auf und mein schleppender Schritt führte mich direkt zum stillen Örtchen. Ich öffnete die Tür und stand plötzlich vor einem Rätsel. Links neben der sanitären Anlage begrüßte mich das gewohnte Bild, das Fenster mit dem 3-lagigen Toilettenpapier und dem Kaktus auf der Fensterbank sowie die WG-Klobürste darunter. Sie hatte, wie ich zugeben muss, bereits ihre besten Tage hinter sich. Rechts, also auf der gegenüberliegenden Seite, stand zu meiner Verwirrung eine nagelneue, noch original verpackte, bereits fertig montierte Klobürste. Ein kleines Etikett auf der Folie verriet den schwedischen Hersteller. So stand ich in der Tür, das Gesicht zu einem Satzzeichen geformt, dass nach Antworten verlangt. Die Fragen schlugen zu tausenden auf mein morgendliches Gemüt nieder. Wo kam die zweite Bürste her? Hatte ich die Bescherung verpasst? Und, was wollte Knecht Ruprecht mir damit sagen? Würden sich die beiden Bürsten vertragen? Oder kommt es vielleicht zu Kompetenzgerangel? Bevor noch mehr Fragen dieser Art mich vergessen ließen, weshalb ich eigentlich hier war, beschloss ich den beiden Toilettenreinigungshilfen Namen zu geben, da dies wohl bei dem Hersteller in Schweden so üblich ist. Als ich sie da so stehen sah, dachte ich sofort an Don für das alte und Sancho für das neue Exemplar, wie Don Quichotte und Sancho Pansa. Nachdem ich erledigt hatte, weshalb ich eigentlich hier war, wünschte ich Don und Sancho noch einen schönen Tag.
So begrüßte ich in den kommenden Tagen Don und Sancho mit einem guten Morgen und verabschiedete sie mit einem Abendgruß. Ich gewöhnte mich sehr schnell an Don und Sancho. Die beiden waren zwar anfangs nicht wirklich redselige Gesellen, dafür standen sie stets im Achtung, wie kleine Wachsoldaten und salutierten neben dem Abort. Der alte Don war stets zum Dienst bereit, reinigte die Klosettschüssel und unterrichtete den jungen und noch unerfahrenen Sancho in dieser Kunst. Die beiden vertrugen sich wunderbar und von Kompetenzgerangel gab es keine Spur. Es waren schöne Zeiten, als wir zu dritt dem stillen Örtchen etwas Leben einhauchten. Gemeinsam philosophierten wir über dünnen Stuhl, das Zugverhalten von WC-Enten oder über das Paarungsverhalten von Grundschulmöbeln.
Aber eines Tages, es war bereits Januar, sprang ich morgens gegen eins langsam aus dem Bett, schleppte mich frohen Schrittes über den Flur, begrüßte die eben angereisten Bimmel und Bommel mit einem freundlichen Murren im neuen Jahr und startete zielstrebig schleichend zu Don und Sancho. Ich riss in meiner morgendlichen Trägheit die Tür auf und erblickte zu meinem Erschrecken nur noch einen kleinen Wachmann. In Tränen aufgelöst stand er vor mir. Er schluchzte vor sich hin. Ich benötigte drei Entspannungsspülungen und vier sanfte Entkrampfungsschläge gegen die Innenwand der Keramik, um den alten Don zu beruhigen. Er schnäuzte ein letztes Mal in das 3-lagige Toilettenpapier bevor er endlich erzählte, was mit dem jungen Sancho geschehen war. In der Silvesternacht war Sancho wegen des Feuerwerks völlig aus dem Häuschen. Nie zuvor habe er dergleichen gesehen. Ja eigentlich habe er noch gar nichts von der Welt gesehen, sie nur aus den Geschichten des alten Don gekannt. So beschloss der junge Sancho sich die Hörner abzustoßen, Abenteuer zu erleben und dem Leben auf der Straße zu frönen. Sancho hatte seine sieben Sachen gepackt, das heißt, die Folienverpackung, das Herstelleretikett, ein paar Blatt 3-lagiges und machte sich aus dem Staub.
Außer einer Postkarte aus Schweden hatte ich nie wieder etwas von ihm gehört. Er schrieb, er habe in seiner Geburtsfabrik einen Lebensabschnittsgefährten namens Erik gefunden. Erik sei ein Toiletten-Papier-Halter und sie hätten den kleinen Lars, einen verwaisten Salzstreuer adoptiert und zusammen wollen sie alt werden. Dies war gleichzeitig sein Coming out. Er wollte Don nicht ins Gesicht sagen, dass er homosexuell war.
Don brauchte noch lange, um darüber hinweg zu kommen. Er hatte Sancho wie den Sohn behandelt, den er nie hatte. Ich glaube, der alte Don wird nie wieder ganz der alte sein. Um Dons Gefühle nicht noch weiter zu verletzen, habe ich gegenüber Bimmel und Bommel nichts von dieser Geschichte erwähnt.

Diese Geschichte ist frei erfunden. Parallelen zu real existierenden Klobürsten streitet der Autor kategorisch ab und weist gegenteilige Anschuldigungen heftigst zurück.

 

Hi MiK!

Hm, ich merke, dass du eine sehr starke Neigung zu einem ganz bösen Tell-Stil hast: Du erzählst die Dinge einfach nach, anstatt sie für den Leser wirklich passieren zu lassen. Lies es dir mal ( in gebührendem zeitlichen Abstand ) noch mal durch: Du wirst merken, dass der Ich-Erzähler nur notiert, dass dies und das passiert ist, aufzählt, was so alles abgelaufen ist. Bei so etwas fängt der Leser gleich nach zwei Zeilen an, diagonal zu lesen. Ich hab es nur aus Gewissenhaftigkeit nicht gemacht ( und wünschte, ich hätte es ).
Ob dieser Stoff mit den zwei Klobürsten wirklich zu einer witzigen Geschichte taugt, weiß ich nicht; auf jeden Fall hast du es nicht bewiesen. Keine Slapstick mit zwei Klobürsten, die sich streiten, keine Blamagen vor den Mitbewohnern, als sie ihn beim Reden mit den Bürsten erwischen. Das Gag-Potential wurde nicht mal angeschöpft.
Ein Spannungsbogen, der auf die Pointe bzw. das Finale neugierig machen könnte, existiert nicht, vielmehr ist der Fortgang beliebig und könnte ebenso beliebig ausgetauscht werden ( als Ende wäre alles Mögliche denkbar; probier es mal aus ).

Ein guter Autor macht die Ereignisse für den Leser unmittelbar erfahrbar. Er lässt seine Figuren selbst den Mund aufmachen. Er zieht den Leser in die Handlung hinein. Und um den Storybogen rund zu machen, deutet er die kommende Entwicklung immer schon vorher an, ohne sie vorhersehbar zu machen ( so hätten die Homosexualität von Pansa und sein Drang, die große weite Welt kennenzulernen, schon vorher durchscheinen müssen, z. B. durch beiläufige Bemerkungen oder Streitereien ).

Allgemeine Tipps, die es dir ermöglichen, die handwerklichen Aspekte des Schreibens relativ schnell zu erlernen, findest du in der Autorenrubrik. Schau dir dabei vor allem Tipps für Schreibanfänger von vita und Unverbindliche Punkte ... an. Diese Tipps gelten vor allem dann, wenn du den Leser nur gut unterhalten willst. Später hast du dann die Selbstsicherheit, um zu wissen, wann und wie du die Regeln brechen kannst.

Die Rechtschreibung ist übrigens einwandfrei. Das möchte ich nur lobend erwähnen, da es für Neulinge nicht selbstverständlich ist.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo MiK,

ich kann meinem Vorredner nur zustimmen und weiß eigentlich nicht was ich mehr darüber sagen soll. Bis auf, deswegen schreibe ich dir überhaupt, das was mir sprachlich an der Geschichte aufgefallen ist:

sprang ich morgens gegen eins langsam aus dem Bett,
Das beißt sich irgendwie: entweder ich springe aus dem Bett, denn geht das schnell oder ich erhebe mich langsam. Beides zusammen passt irgendwie nicht.

Gruß
Lemmi

 

Hallo Jungs,

Lemmi, du hast natürlich Recht, dass das nicht ganz zusammenpasst. Das liegt in der Natur der Sache. Die Verbindung zweier Vorstellungen, die sich ausschließen nennt man Oxymoron. In diesem Fall soll damit stilistisch verdeutlicht werden, dass bei der Figur Körper und Geist noch keine Einheit bilden, wenn mir diese Formulierung erlaubt ist. Er ist ja soeben erst aufgestanden.
Megabjörnie, danke auch dir für deine analytische Kritik. Ich sehe, was du meinst. Dies sind beides ältere Texte von mir gewesen, aber dennoch dürfte dieses Erzählmuster in allen meinen Geschichten hervortreten. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass ich viel mehr Journalist als Autor bin. Es liegt in meiner Natur zu berichten. Durch dich ist mir das erst bewusst geworden. Ich werde mir deine Tipps zu Herzen nehmen und weiter an meinen Geschichten arbeiten.
Danke für das Komliment mit der Rechtschreibung, aber wenn ich ehrlich bin, spiegelt das nicht ganz meine orthographischen Fähigkeiten wider. Zwei Deutschlehrer sind so nett und spielen für mich den Lektor.

Danke Jungs,

MiK

 

Ich finde die Geschichte ist durchaus gelungen. Mir gefällt dieses absolut Absurde. Die Tatsache, dass du mehr nacherzählst stört zumindest mich überhaupt nicht, es ist trotzdem lustig. Es ist ja auch keine Geschichte, die man unbedingt miterleben will ;-)

 

auch mir hat die geschichte ganz gut gefallen. diese absurdität ist irgendwie mein ding. recht gelungene kg! :thumbsup:

 

Hallo Steeerie und mcwise,

danke für die Blumen. Das ist echter Balsam auf der Seele. Allerdings denke ich auch, dass Megabjörnie nicht ganz unrecht hat. Ich werde noch ein paar wenige Geschichten mit dem alten Stil posten, weil nicht weiß, ob es Sinn macht diese noch einmal komplett umzuschreiben. Für alle neuen Projekte werde ich versuchen eine Kompromissform zu finden. Ich denke, solch eine Entwicklung kann meinen Geschichten nicht schaden.

Ciao MiK

 

Hallo Mik,

nach so viel Lob kann ich ja wieder mal ein bisschen kritisieren. Also tut mir leid. Mir hat deine Geschichte nicht so gefallen. Was aber keineswegs an deinem Schreibstil liegt, sondern mMn vielmehr an der Thematik.
Einen Dialog zwischen den zwei Klobürsten, wie sie sich über Ihren scheiß Job (Vorsicht Wortspiel) beschweren, hätte ich witzig gefunden.

So find ich die Geschichte nicht besonders originell. Tut mir leid.

Außer:

Diese Geschichte ist frei erfunden. Parallelen zu real existierenden Klobürsten streitet der Autor kategorisch ab und weist gegenteilige Anschuldigungen heftigst zurück.

Der ist klasse! Insofern hat sich es Lesen doch noch gelohnt. :-)

viele Grüße
neukerchemer

 

Hallo neukerchemer,

ja, ich denke, du hast Recht. Vielleicht sollte ich doch noch mal über eine Überarbeitung nachdenken.
Schön, dass ich dir wenigstens mit dem Schlusssatz noch eine Freunde machen konnte.
Danke für deinen Willkommensgruß.

Ciao MiK

 

Hallo Mik,

der Text erinnert an einen Bericht (wurde ja schon angesprochen). Einiges ist ansprechend: Der Einstieg und


„unterrichtete den jungen und noch unerfahrenen Sancho in dieser Kunst“


„philosophierten wir über dünnen Stuhl, das Zugverhalten von WC-Enten oder über das Paarungsverhalten von Grundschulmöbeln“

hat schon Potential. Ich denke jedenfalls, dass die Absurditäten, die du dir ausdenkst ein guter Ausgangspunkt für humorige Geschichten sein können.
Fazit: Kein großer Knaller, aber als Lektüre für zwischendurch geeignet.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

ich hatte diese Geschichte oder den Bericht, der er wohl wirklich ist, schon fast vergessen.

Der Einstieg und


„unterrichtete den jungen und noch unerfahrenen Sancho in dieser Kunst“


„philosophierten wir über dünnen Stuhl, das Zugverhalten von WC-Enten oder über das Paarungsverhalten von Grundschulmöbeln“

hat schon Potential. Ich denke jedenfalls, dass die Absurditäten, die du dir ausdenkst ein guter Ausgangspunkt für humorige Geschichten sein können.

Danke, danke. Vielleicht sollte ich unter der Berücksichtigung der oben genannten Kritikpunkte doch noch mal über eine Überarbeitung nachdenken. Ich glaube, das schulde ich Don und Sancho einfach. ;)
Woltochinon, ich danke dir erstmal fürs Lesen und Kritteln.

Bis später

MiK

 

Hi MiK,

den Grundgedanken der Geschichte mag ich, da absurd und seltsam. Da hab ich eine Schwäche für, oder auch mehre.
Auch Deinen Stil fand ich in Ordnung, doch halt auch, daß Du das Potential nicht ausgeschöpft hast, und dabei ist es im Grundsatz schon drin.
Die Ideen, die dem Absurden das Absurde einhauchen sind vorhanden, nur nicht richtig ausgeleuchtet, vielleicht kriegst Du das mit einem wohlwollenden Blick auf Deine Prots und die Geschichte noch mehr auf den Punkt gebracht ?! Einen zweiten Blick ihres Autoren hat die Geschichte in jedem Fall verdient.

Grüße,
C. Seltsem

 

Hallo C.,

danke fürs Lesen und die aufmunternden Worte. Im Grunde genommen, sehe ich die Sache wie du.

Einen zweiten Blick ihres Autoren hat die Geschichte in jedem Fall verdient.
Ich habe mir wirklich vorgenommen einen zweiten Blick auf diese KG zu werfen. Jetzt habe ich auch einen gewissen emotionalen Abstand zu "Don und Sancho" bekommen und ich bin bereit, mich den Thema erneut zu zuwenden. Immer wenn ich an "Don und Sancho" denken muss, zieht es meine Hände zur Tastatur, aber mir fehlt im Moment einfach nur ein wenig Zeit und es soll ja auch kein Schnellschuss werden. Schließlich sind es ja auch wirklich sehr sympatische Klobürsten, ehrlich.:D

Bis später

MiK

 

Die Fragen schlugen zu tausenden auf mein morgendliches Gemüt nieder.
Tausenden
dafür standen sie stets im Achtung
hä?
Ich glaube, der alte Don wird nie wieder ganz der alte sein.
dreckige Wwdh

Hi Mik,

(die Namen wurden vom Autor geändert)
Diese Geschichte ist frei erfunden. Parallelen zu real existierenden Klobürsten streitet der Autor kategorisch ab und weist gegenteilige Anschuldigungen heftigst zurück.
bis auf diese beiden Sachen fand ichs nicht wirklich witzig, hier konnte ich etwas schmunzeln.

Die Idee finde ich ganz nett, hat schon was, die Umsetzung ist für meinen Geschmack zu unwitzig. Vllt nach Seltsam oder Sonstige? Nur Vorschläge ;) Behalts hier, hast es ja auch hier gepostet, also muss dir ja was an dieser Kategorie gelegen haben ;)

Den Schreibstil find ich gut.

Hau rein

Tserk

 

huhu mik

mir gefiel die geschichte. ich habe gelacht. zwar nicht so heftig, wie ich gerne getan hätte, aber ich habe gelacht und ich kann mir diese klobürsten gut vorstellen. da ist der alte don und der neue (schwule) sancho. hehe
coole idee. dein schreibstil finde ich auch nicht schlecht, wie die anderen es sagen. oder besser gesagt, dieses nacherzählen. genau deshalb fand ich die geschichte lustig, weil ich sie halt nicht so ernst genommen habe. wenn es einen dialog gegeben hätte zwischen den bürsten, da hätte ich aufgehört zu lesen. weil das dann wirklich zu verrückt gewesen wäre!

cu joblack87:zensiert:

 

Hallo joblack87,

habe deine Kritik erst heute gelesen. Bin in letzter Zeit nicht mehr so aktiv, weil es im Moment zu viel anderes Zeugs zu tun gibt.

cu MiK

 

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