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Egmont

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08.11.2008
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Egmont

Egmont – Drama von Johann Wolfgang von Goethe über einen niederländischen Freiheitskämpfer im spanisch besetzten Brüssel, der tragisch scheitert.
Zum Geflügelten Wort wurde das „Himmelhoch jauchzend, zu(m) Tode betrübt“ aus Klärchens Lied im Dritten Aufzug:
Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein;
Hangen und bangen in schwebender Pein;
Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;
Glücklich allein ist die Seele, die liebt.
Quelle: Wikipedia

„Mathilde, Ihre Bouillon mit Eierstich ist mal wieder vorzüglich“, lobte Elsbeth von Hohenfels ihre Hauswirtschafterin und tunkte den silbernen Löffel mit dem Familienwappen in die Suppe. Mathilde deutete einen Knicks an und errötete. „Egmont, Dir schmeckt es doch sicher auch wie immer, wenn Mathilde gekocht hat?“ wandte sie sich an ihren Sohn. Egmont schaute kaum auf, während er sich einen Löffel Suppe in den Mund schob und heftig nickte. „Bist du der deutschen Sprache nicht mehr mächtig?“ rügte seine Mutter und zog die Damastserviette an ihrem Kragen über der altroséfarbenen Rüschenbluse zurecht.
„Doch, doch, natürlich, excéllent“, betonte Egmont gedankenverloren mit französischer Intonation.
„Was ist dir? Gibt es etwas, was ich über deine Studien wissen müsste? Die Doktorarbeit kommt doch gut voran?“ Egmont legte den Löffel auf dem Teller ab. Er gab sich geschlagen. Seiner Mutter konnte er einfach nichts verbergen. Sie würde keine Ruhe geben, bevor er ihr nicht alles offenbart hätte. Eigentlich wollte er mit seiner Neuigkeit bis nach dem Mahl warten. „Doch, doch, natürlich, Mutter, alles läuft hervorragend an der Universität. Das ist es nicht...“. Er holte tief Luft, und schon hakte seine Mutter ein. „Aber was ist es denn? Hast du denn Geld verloren an der Börse? Ich habe dir immer gesagt, dass es zu riskant ist, sein Geld dort anzulegen. Dein Vater – Gott hab’ ihn selig - hätte das auch nicht gut geheißen, du weißt, er setzte ganz auf sichere Anlagen, wie Reichsschatzbriefe. Aber du hast noch nie auf den Rat deiner armen Eltern gehört- du musstest ja das erfolgversprechende Jurastudium aufgeben, um nun schon seit zwanzig Jahren katholische Theologie, Philosophie und Romanistik zu studieren. Eine brotlose Kunst, solange du nicht vorhast, Priester zu werden.
Aber das predige ich dir ja schon seit zig Jahren, du hörst nicht auf mich. Immer hast du deinen eigenen Kopf!“ Sie seufzte und wandte sich an Mathilde: „Sie können jetzt abräumen und den nächsten Gang auftragen“. „Sehr wohl, Madame“, erwiderte diese, knickste, räumte den Tisch ab und verschwand mit den Tellern und der Suppenterrine durch die großen Flügeltüren in Richtung Küche.

Prüfend betrachtete Elsbeth ihren Sohn – in seinen vollen, dunklen Locken waren an den Schläfen bereits einige graue Strähnen sichtbar, und er hatte dunkle Ränder unter den Augen, in seinem sonst blassen, edlen Gesicht mit griechischem Profil und schmalen Lippen. „Ganz der Vater“, dachte sie seufzend, „der vor zehn Jahren viel zu früh von uns gegangen ist. Ein verdienter Staatssekretär in Kaiser Wilhelms Diensten.“

„Mutter, ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen“, fasste Egmont all seinen Mut zusammen.
„Ich habe dir doch schon einmal erzählt von meiner begabten Kollegin Clara beim Verlag, wo ich nebenbei schreibe“. Seine Mutter hob spitz eine Augenbraue an. „Ich weiß sowieso nicht, was du bei einem solchen Kommunistenblatt zu schreiben hast, auch wenn du dort ein wenig Geld mit Übersetzungen verdienst. Ich glaube nicht, dass sich das positiv auf deine Karriere auswirken wird.“ „MUTTER!“ rief Egmont ungeduldig und mit einer Vehemenz aus, die seine Wangen rot färbte. „Kannst nicht EINmal akzeptieren, dass ich etwas bewegen möchte in der Welt, dass ich andere Ansichten habe als du und Vater? Meiner Ansicht nach ist dieser Nationalismus und die Reaktion der Untergang unseres Vaterlandes!“ „Du brauchst nicht laut zu werden, mein Sohn, das ist in unserem Hause nicht gewünscht“, wies ihn Elsbeth mit eisiger Stimme zurecht. „Willst du dich jetzt etwa auch noch für die Kommunisten, diese Vaterlandsverräter, stark machen?“ Egmont warf wütend seine Serviette auf den Tisch und stieß beim heftigen Aufspringen das Weinglas um. Blutrot färbte sich die weiße Leinentischdecke. „Egmont! Die gute Tischdecke von deiner Großmutter! Kannst du nicht aufpassen?“ Tränen füllten nun ihre Augen und sie zerknüllte aufgeregt ihre Serviette.

In diesem Augenblick betrat Mathilde den Speisesaal. Erschreckt klammerte sie sich an die Bratenplatte, als sie die weinende Frau von Hohenfels, den hektisch umherlaufenden Egmont und den Weinfleck auf dem Tischtuch sah. „So – so- soll ich das Tischtuch wechseln?“ stotterte sie unbeholfen. „Später, Mathilde, später“, murmelte Frau von Hohenfels. „Tragen Sie ruhig erst das Essen auf, er wird ja sonst ganz kalt, der gute Rehrücken“. Egmont lachte verächtlich auf. „Wie kannst du bei dieser Situation an kaltes Reh denken?“ stieß er hervor. „Contenance, mein Sohn, Contenance,!“ wies ihn seine Mutter zurecht. Mathilde kehrte zurück und trug zögernd die Beilagen und die Soße auf. Schweigend legten sich Mutter und Sohn das Essen auf und schweigend verspeisten sie die ersten Bissen. „Mathilde, Sie können in die Küche gehen, wir rufen Sie dann, wenn wir etwas brauchen. Und schließen Sie die Tür, bitte“, Elsbeths Stimme zitterte weinerlich.

Egmont legte das Besteck neben dem Teller ab. „Mutter, ich will nicht mehr hier auf Schloss Hohenfels mit dir leben. Ich ziehe mit Clara zusammen. Wir lieben uns.“ So, jetzt war es heraus. Seine Mutter fing an zu husten – sie hatte sich an einem Stück Braten verschluckt, lief dunkelviolett an und rang nach Luft. Egmont, bestürzt über die Wirkung seiner Mitteilung, rannte zu ihr hinüber und klopfte ihr auf die Schultern. Schließlich bekam sie wieder Luft und stieß ihren Sohn weg. „Lass das, Egmont, du drischt ja auf mich ein, als sei ich ein Pferd!“ Mit Schweißperlen auf der Stirn setzte er sich wieder auf seinen Platz. Seine Mutter nahm einen großen Schluck aus dem Wasserglas. „Was soll das heißen – zusammen leben? Habt ihr euch heimlich verlobt? Aus was für einer Familie stammt sie? Wie alt ist sie? War sie nicht schon einmal verheiratet? Ich habe so etwas gehört, dass sie mit einem russischen Bolschewiken eine Liaison hatte? Ist das wahr?“ Egmont schluckte. Er hatte Angst, vor der erneuten Reaktion seiner Mutter. „Clara ist 41 Jahre alt, und hat aus ihrer legalen Ehe mit einem verdienten russischen Revolutionär zwei Söhne. Ich werde sie mit großziehen. Und nein, wir haben nicht vor zu heiraten. Wir legen nicht viel Wert auf diese bürgerlichen Traditionen.“ Elsbeth wurde kreidebleich, griff sich an die Brust, seufzte leise auf – und fiel vom Stuhl. Wie ein gefällter Baum kippte sie zur Seite. Egmont stürzte zu ihr – „Mutter! Mutter! HILFE! Mathilde! Rufen Sie den Arzt! Schnell!“ Ihm verschwamm alles– im Nebel sah er seine Zukunft mit Clara verschwinden, dann wurde ihm schwarz vor Augen, er sank neben seiner Mutter nieder.

 

Ich wollte hier eine Persiflage auf Kitschromane über die großbürgerliche Welt aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schreiben. (z.B. Courts-Mahler). Ich habe auch eine historische Person in der Geschichte versteckt. Mal sehen, ob sie jemand erkennt... venusBonn

 

hallo venusBonn, die eingewobenen französischen begriffe und der in die bürgerliche welt einbrechende kommunismus wirken auf mich authentisch. das sind erscheinungen, die ich dieser zeit zuordne, in der die alten den kaiser hochhielten, während die nachfolgende generation sich neu orientierte. eine spannende zeit! wobei ich mir die romane der courts-mahler furchtbar öde vorstelle, die schrieb sie doch für das etablierte bürgertum wie am fließband, wenn ich mich richtig erinnere. tja, ohne einen ihrer romane gelesen zu haben, finde ich den text als persiflage allgemein zu brav. der verträgt bestimmt noch etwas zuspitzung. gerne gelesen hab ich ihn, aber amüsant fand ich ihn nicht.
grüße
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

>„Mathilde, Ihre Bouillon mit Eierstich ist mal wieder vorzüglich“, ...<

Hallo VenusBonn,

ich wollt' mir eben den Wäschetrockner abholen: verborgen und verschwiegen im Text ist Frau M. Schickedanz, die verarmte Ärmste unter den Armen dieser schnöden Welt. Oder doch nicht? Naja, dann Beatrix der Niederlande (womit's beim befreundeten Hause der Egmonds bliebe), die keine Mrd. Vermögen mehr hat (ich weine so heftig, dass das Internetcafé unter Wasser steht ... erinnert mich an die Geusen ...)

Auch nicht? Schade!, dafür bietet wiki unter Egmont eine Zeichnung von Egmont und Klärchen ...

Spaß bei Seite, Ernst komm vor: durchaus amusant zu lesen und jedem Fernseh-Soap-Gucker zu empfehlen, wobei einig Adjektive und ausführlichere Beschreibungen in der Folge die Notwendigkeit, das Stofftaschentuch zum Abtupfen der Tränen durch ein schickes & adrettes Badetuch zum Abtrocknen des gesamten Körpers steigern würde.

Was mir aber insbesondere aufgefallen ist: die Zeichensetzung nach wörtlicher Rede, solltestu noch mal durchschau'n.

Hat mit sehr gefreut, Kurts Mahler zu ahnen!

Gruß

Friedel

PS1: Bleistift: >„Egmont, Dir MUNDET es doch sicher auch wie immer GAR KÖSTLICH, wenn Mathilde gekocht hat?“KOMMA wandte sie sich an ihren ÜBER ALLEM GELIEBTEN Sohn. Egmont schaute ... und heftig nickte. „Bist du* der deutschen Sprache nicht mehr mächtig?“KOMMA rügte seine Mutter (NAHEZU SEHR) HEFTIG und RÜCKTE die Damastserviette an ihrem Kragen über der altroséfarbenen RüschenbluseKOMMA WELCHE SIE VON IHREM EINST GELIEBTEN GATTEN ZUM GEBURTSTAGE GESCHENKT BEKOMMEN HATTE; WESHALB SIE SEHR DARAN HINGKOMMA IN DIE ANGEMESSEN WÜRDIGE STELLUNG.

*Anredeform hört man in diesem Haus wahrscheinlich "Du"

PS2: Ach der Wäschetrockner ist nur 'ne Wäscheleine. Ich will mich aber noch nicht aufhängen!

 

egmont

hallo Friedrichard,

ich muss sagen, dein ironischer Kommentar hätte mir fast die Lachtränen handtuchweise ins Gesicht getrieben, wenn es mir nicht doch teilweise zu kompliziert gewesen wäre, dir zu folgen... Bist du immer so rauschmäßig genial? Oder war das der späten Stunde -vielleicht?- deines Eintrags zu verdanken?

Auf jeden Fall vielen Dank für die bereicherung um einige ironische Pointierungen des textes.

Sorry, meine Feststelltaste und meine Hände wollen jetzt auch nicht mehr so recht..

Guts Nächtle, oder - Bonna nox.

LG venusBonn

 

>Bist du immer so rauschmäßig genial? Oder war das der späten Stunde -vielleicht?- deines Eintrags zu verdanken?<
14:29 Uhr - späte Stunde? Bin doch gerad erst aufgestanden, noch früh am Tag, die Sonne kommt eh nicht mehr durch - aber vielleicht zu viel Absinth mit Rambo Rimbaud?

Warum aber,

liebe venus,

hatt's Dir denn nur "fast" Lachtränen getrieben? Und zu kompliziert? Eiderdautz!

Darum jetzt einfach: dat jefällt - bis auf die bereits genannte angelegentlich eigenwillige Zeichensetzung ...

Hasta la vistas

Fredericcardo

 

Saludos an Freddericco

ich hatte nicht auf die Uhr geschaut, wann dein Eintrag rein geraten war, doch der Absinth überzeugt mich.

Aber die historische Person, auf die ich angespielt habe, ist NICHT die Courts-Mahler. Ein Hinweis: Clara war ihr wirklicher Vorname.

Und sie war wirklich mit einem russischen Revolutionär verheiratet, bis der starb und sie mit zwei Söhnen in Stuttgart-Sillenbuch zurück ließ.

LG venusBonn

 

Hallo VenusBonn,

dein Egmont wird also zum Maler Georg Friedrich Zundel, dem zweiten Ehemann der Clara Zetkin?
Allerdings zog sie erst nach dem Tod des russischen Revolutionärs mit ihren beiden Söhnen nach Stuttgart, zuvor lebten sie in Paris.
Egal, es steht ja nicht in der Geschichte, sondern im Kommentar.

Bei der Geschichte fragt man sich, was die Köchin wohl in der Suppe hatte, wenn die Feudalherrin und deren Sohn umfallen wie die Fliegen, so "umhauend" wie des Sohnes Pläne für die Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende auch gewesen sein mögen. Vor allem der Zusammenbruch des Sohnes kommt mir zu unvermittelt und unvorbereitet.
Sprachlich fängst du die Zeit gut ein, auch, wenn ich "Goethe" als Vorlage für eine Persiflage auf "Kitschromane" zweifelhaft finde. Der Geheimrat und Kitschroman?
Zweimal brichst du sprachlich allerdings aus.

„Ich habe dir doch schon einmal erzählt von meiner begabten Kollegin Clara beim Verlag, wo ich nebenbei schreibe“
Die "wo"-Konstruktion ist ja schon in modernerer Sprache falsch, hier ist sie erst recht ärgerlich, weil sie aus Stil und Atmosphäre reißt. Selbst, wenn Egmont etwas mundfaul ist, im Kontext der Zeit würde ich "bei dem Verlag, für den ich nebenbei schreibe" verwenden.
Meiner Ansicht nach ist dieser Nationalismus und die Reaktion der Untergang unseres Vaterlandes!“
"sind" statt "ist", denn bei "Nationalismus" und "Reaktion" sind zwei Dinge.

Lieben Gruß
sim

 

Egmont zu schlampig

Hallo Sim,

1.ja du hast recht mit deinen Kritikpunkten - da habe ich mit dem "wo" und dem "ist" geschlampert!

2. ich habe allerdings gelesen, dass Clara vor dem Tod ihres Mannes bereits mit ihm und den Kindern in der Schweiz gelebt hat - aber tant pis, bei so einer großzügigen Veränderung von historischen Fakten ist das wohl auch nicht weiter "tragikomisch", da ihr Maler ja wesentlich jünger war, Egmont in meiner Geschichte aber stark auf die 50 zugehend ist mit seinen smarten, angegrauten Schläfen.

3. Warum Egmont als literarische Vorlage? ist rein biografisch - ich kannte mal so einen Knaben, der die Vorlage für die Geschichte geliefert hat, den hat seine Mutter nach Goethes Vorbild getauft. Ist aber aus sich selbst dem Leser nicht nachvollziehbar, sehe ich ein.

Obwohl - das "himmelhochjauchzend zu Tode betrübt" passt ja schon irgendwie.

4. Jaja, Mathilde und die Suppe... hihi, das gibt demnächst eine andere geschichte...

LG venusBonn

 

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