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Egoland
Mein innerer Hippie sass am Beckenrand und ließ die Beine im Wasser baumeln. Dann steckte er sich einen Jointstummel an. Als er anfing, den Filter zu rauchen, hustete er wie ein Junkie. Ich entsicherte. Dr. Lambrecht und Jodie sahen mir von der Terrasse aus zu. Ich wollte sie nicht ewig warten lassen. Mein innerer Hippie kratzte sich das Kinn und schaute in die Wolken. Ich wollte ihm genau zwischen die Augen schießen. Das Visier war voller Lachfalten. Wenn er mir nicht so scheiße ähnlich wäre, dachte ich. Womöglich hätte ich das nicht denken sollen. Denn plötzlich schaute er auf.
“Ach du Scheiße, was machst du da?” rief er.
“Drücken Sie ab! Wenn Sie ihn am Leben lassen, wird er noch stärker!”, rief Dr. Lambrecht.
“Bring es zu Ende Paul!”, rief Jodie.
Diese Persönlichkeitsabspaltung war ihre Idee gewesen. Ich hatte einen Paartherapeuten vorgeschlagen. “Keine Sorge, ich spendiere dir das”, hatte sie gesagt. Wie großzügig, Jodie! Dabei kostet das hier vor allem Nerven, und zwar meine! Mein innerer Hippie war aufgesprungen.
“Hey, Mann. Was hab´ ich dir denn getan?”
“Du hast meine Karriere zerstört”, sagte ich.
“Tses! Kommst du uns jetzt ernsthaft mit so ´ner Spießerkacke?!”
“Das sind Teenagersprüche. Du stehst mir nur noch im Weg.”
Der erste Schuss traf seine Schulter. Die nächsten beiden durchbohrten seine Eingeweide. Kurz bevor er rückwärts in den Pool fiel, landete ich endlich meinen Kopftreffer. Das Wasser färbte sich rot. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so viel Spaß machen würde, jemanden, den ich nur allzu gut kannte, ein für alle mal auszuschalten. Ich setzte die Brille ab. Jodie lief mir mit ausgebreiteten Armen entgegen.
“Bravo Paul! Du hast es geschafft! Du bist ein neuer Mensch!”
Dieses saudoofe Grinsen. Es war ein Reflex. Doch es machte Klick statt Boom. Ich hatte das Magazin bereits leergeschossen. Sie stand da wie angewurzelt und zitterte am ganzen Körper.
“Jodie?”
“P-Paul?"
“Ich nehme das Haus. Und den Wagen.”
"Aber...warum?"
Sie war so blass und so gewöhnlich. Keine Ahnung, wie ich es so lange mit ihr ausgehalten hatte. Ich stieg in den Wagen und trat aufs. Gas. Raste mit 150 Sachen über die schnurgerade Landstraße Richtung Ruberts. Was war das für ein weißer Fleck? Ein Feldhase stand mitten auf der Fahrbahn und rührte sich nicht vom Fleck. Der Idiot, der ich noch bis vor Kurzem gewesen war, hätte eine Vollbremsung hingelegt.
"Rest in peace", murmelte ich.