Ein glücklicher Tag
Ein Tag. Ein einziger, kurzer Tag. Nur 24 Stunden. 1440 Minuten. 86400 Sekunden.
Ein einzelner Moment sollte mein Leben für immer verändern, wie ein Goldstück, erst durch des Goldschmieds Hände geprägt, für immer gezeichnet, seinem Schicksal ergeben.
Doch nicht des Goldschmieds Schuld war es, vielmehr die der Frau, die mich aufgezogen hatte.
Aufgezogen seit jenem regnerischen Tag als ich weinend vor der Treppe ihres Hauses lag, ein hungriger, namensloser Säugling verlassen, ohne Hinweise auf den Verbleib der Mutter.
Dennoch, sie hatte mich aufgezogen, wie ein leibliches Kind.
Ein Fehler, wie man früh erkennen konnte. So ging alles was ich mit meinen so unbegabten Händen anfing, zu Bruch oder verlor sich in den Weiten, des nah am Haus liegenden Gartens.
Das Glück ging an mir vorbei, in der Schule und zu Hause, nichts gelang mir, alles zerbrach. Ich war der einzige Mensch auf dieser Erde, der nie Glück zu haben schien.
Ging ich hinaus um einen Spaziergang zu machen, so begann es zu regnen, hielt mich das nicht auf, so musste ich feststellen, das in dem Moment, in dem ich die Türe öffnete um in die Stube zu gelangen, die Sonne fröhlich hinter den Wolken hervorkam, die dunklen Schwaden verschwanden.
Gott musste vergessen haben mir Glück in die Wiege zu legen, der Storch es geklaut oder meine leibliche Mutter es genommen haben.
Doch nun zurück an den Tag, zurück zu der schwärzesten und doch hellsten Stunde meines Lebens, zurück zu dem alles veränderten Moment.
Krieg war, alle Männer über 18 Jahren waren eingezogen worden,
Frankreich gegen Deutschland, Deutschland gegen Frankreich.
Doch umso öfter ich versuchte die Realität zu verdrehen, sie zu ändern, ein erdachtes Bild der Wirklichkeit zu erstellen, desto stärker wurde das Gefühl der Hilflosigkeit, ich war Machtlos und Hoffnungslosigkeit drohte mich zu übermannen.
Warum?
Ich war mir sicher, ich wäre der erste, der im Schlamm verreckte, erschossen wurde oder von einer Bombe zerrissen, sterben würde.
Alles wendete sich zum Schlechten war ich in der Nähe, ich hatte versucht meinen Offizier zu überreden, zu sagen ich würde Unglück über alle bringen, doch er hatte mich lachend, ein bisschen wütend, zurück zu meinen Kameraden geschickt.
Zu meinen Kameraden, sie hatten trostlose Gesichter, Angst und dieselbe Hoffnungslosigkeit wie meine, las ich in ihren Antlitzen.
Manche von ihnen beteten. Beten?
Konnte Gott ihnen helfen? Vielleicht. Mir nicht, ich vertraute nicht in ihn, warum gab er manchen viel und anderen wenig, warum war ich der Glücklose? Nein, Gott konnte mir nicht helfen.
Dann, plötzlich, ein Schrei, ein Schrei der die Stille zerschnitt, schrill und Laut. Darauf folgendes Gebrüll, Befehle.
„An die Waffen, Männer!“. Meine Kameraden bewegten sich, rannten los, raus aus den Schützengräben, der Kampf, der wirkliche, nahe Krieg begann.
Jemand stieß mir in den Rücken, „Auf Kamerad, zeigen wir es den Franzmännern!“.
Was zeigen? Ich sah mich um, viele Verletzte, sie schrieen, doch der größte Teil zielte auf die Gegenüberliegenden Schützengräben, die der Franzosen.
Dann übertönte ein ohrenbetörendes Geräusch jeden Schrei, ich sah hoch in den Himmel, es war die Luftwaffe der Feinde, Licht blitze auf, überall. Vor mir, hinter mir. Eine der Bomben explodierte direkt neben mir, laut, ich fiel, konnte nicht atmen, nichts sehen.
Ich weiß nicht wie lange ich so lag, als ich aufwachte erfuhr ich, dass mein linkes Bein amputiert wurde, es war weg, weg wie das Meer bei Ebbe, die Sonne bei Nacht.
Später, als ich längst zu Hause war, entlassen wegen Verletzung, unfähig zu kämpfen, erkannte ich, das dieser Moment, diese Minute, dieser eine Tag, der glücklichste meines Lebens gewesen war.
Meine Einheit überlebte nicht, meine Kameraden, alle starben, an jenem Tag.
Ich hatte Glück, sie nicht. Ein Tag.