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Ein Kiesel

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01.07.2001
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Ein Kiesel

Ein Kiesel fragte einmal seinen Meister, warum die Sonne gleichzeitig so gross und so weit weg sein kann. Der Meister nahm sich nicht die Mühe für eine Antwort und doch blieb die Frage sehr prägend im Raum stehen. Der Kiesel hatte offenbar eine Krümmung angenommen, die nicht existierte. Oder es war gerade umgekehrt: Er hatte die existierende Krümmung nicht wahrgenommen. Auf alle Fälle war sein Bild der Welt offenbar falsch. Aber der kleine Kiesel erkannte das nicht. Sein Meister hätte es ihm vielleicht sagen sollen. Möglicherweise wäre dann der Irrtum aufgedeckt worden. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass der Meister in der Lage gewesen wäre dieses gravierende Problem zu erfassen und zu lösen.
Viele Gelehrte sagten hinterher, dass diese Frage am besten nie gestellt worden wäre. Denn diese Frage schwebte seit diesem Zeitpunkt geballt und bedrückend im Raum. Die Gelehrten ihrerseits unternahmen allerdings ebenfalls nichts um den Irrtum dieser Frage endlich aufzuklären. Um die Gelehrten zu entlasten muss aber noch gesagt werden, dass auch sie wohl kaum in der Lage gewesen wären das Problem zu lösen. Sie hatten es versäumt den Irrtum gleich bei dessen Auftauchen aufzudecken, denn dann wäre eine spontane Reaktion noch möglich gewesen, die wohl noch am ehesten erfolgversprechend gewesen wäre. Mittlerweile war es jedoch um ein Vielfaches schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich geworden das Problem zu lösen.
Der Kiesel hatte seine Frage jedoch längst vergessen und er ahnte nicht welchen dunklen Schatten diese Frage über all die kommenden Generationen warf.

 

Geil.
Ich weiß nicht warum, und zu deinen Geschichten fällt mir auch nicht viel ein, außer dass diese mir echt gefällt. Die Frage nach dem Sinn lassen wir mal außen vor, dass ist gar nicht mal so wichtig dabei...
Wer ist denn der Meister eines Kiesels? Ein Felsbrocken? <IMG SRC="smilies/smilewinkgrin_ron.gif" border="0">

 

Wow! Ausgezeichnet.
Ich weiss jetzt irgendwie gar nicht was ich sagen soll, nur, dass ich hoffentlich nicht auch so ein Kiesel bin oder werde.
Irgendwie fällt mir jetzt gerade Schopenhauers Gehirnparadox ein: Dass wir die Welt der Vorstellung eben durch unser Gehirn wahrnehmen, wohingegen unser Gehirn auch nur teil dieser Vorstellung ist.
In der Krümmung seh ich irgendwie einen durchbruch der "echten" Welt in unsere Vorstellungswelt, also das Noumenale krümmt sozusagen das Phänomenale.
:D

 
Zuletzt bearbeitet:

Leider scheint sich Pirscher davongemacht zu haben. Aber ein paar seiner verrückt-philosophischen Texte liegen in den Tiefen dieser schönen Rubrik versteckt. :)

Einer meiner absoluten favourites dieses Forums: Ein furchtbarer Konflikt, der ein gesamtes Universum zu betreffen scheint, aus der Sicht eines Steines. Wir wissen nicht, warum diese absurde Frage eine so ungeheure Bedeutung erlangen konnte, wir wissen nicht, in welcher Welt, zu welcher Zeit dies angesetzt ist ... und dennoch eine anrührende wie auch witzige und tiefsinnige Geschichte.

In einigen Zeilen nur wird eine ganze, komplexe Welt entworfen: in dieser Kürze mit leichter Hand und Eleganz erzählt - sowas ist für mich Literatur!

(Die paar Kommata wären sicher schnell eingesetzt, wär der Autor noch aktiv.)

Wem das gefällt, dem seien von Pirscher auch diese Geschichten ans Herz gelegt: Grüner Rauch und Die Alge der Gerechtigkeit.
Ach, und überhaupt!

Tief seufzend, :)
Katla

 

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