Ein Kind töten
Ein kurzer Moment nur, kann vieles verändern. Das wusste er.
Er, wer war er? - Er half den Menschen, die sich keine andere Hilfe mehr versprachen.
Menschen wie diese, kamen zu ihm.
Er wusste, dass er das Richtige tat. Aber heute war es anders. Heute kam ein kleines Kind zu ihm.
An diesem Tag stand er um sieben Uhr auf, so wie jeden Tag. Er ging in das Badezimmer und wusch sich, so wie jeden Tag. Dann fuhr er zur Arbeit, so wie jeden Tag. Und obwohl er seinen Tag wie sonst auch begann war heute alles anders. Er war traurig und starr, ihm Antlitz dessen was heute passieren würde. Und ihm war kalt. Kalt nicht weil die Heizung kaputt war, sondern weil er wusste dass er Morgen ein anderer Mensch sein würde.
Er war angekommen bei seiner Arbeit. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne leuchtete auf ihn herab.
So schön, strahlend und leuchtend dieser Tag auch schien, so düster war er.
Er saß in seinem Büro auf einem Stuhl, bereitete alles vor. Wie ein Henker. Aber er war doch kein Henker, oder doch? - Er wusste es nicht mehr. Die Klarheit, die ihn bis jetzt an sein Werk glauben lies, zwischen schwarz und weiß, gut und böse verwusch zu einem Grau. Er war verunsichert. Niemand konnte ihm diese Last von den Schultern nehmen. Es war seine Entscheidung gewesen.
Er zog seinen schwarzen Koffer aus dem Schrank, nahm die Spritze heraus und füllte sorgfältig die klare Flüssigkeit ab. Anschließend legte er die Spritze auf ein weißes Tuch und diese auf den Tisch neben der Liege.
Es klingelte. Jetzt war es soweit, ihm begann schwindelig zu werden. Er sah verschwommen und ihm wurde übel.
Dann klopfte es, seine Helferin öffnete vorsichtig die Tür. Er zuckte zusammen. Dann sah er das kleine Kind. Er wurde blass.
Es lächelte, so wie ein Erwachsener lächelt und es wirkte sehr alt, das lag wohl an der Krankheit. Er wusste was es alles durchmachen musste, tausende von Therapien in düsteren Räumen und am Ende war alles um sonst.
Die Ärzte haben den Eltern des Kindes gesagt, sie sollen doch die letzten Wochen mit ihrem Kind verbringen und glücklich sein. Das war gottverdammt lächerlich! Wie soll das Kind glücklich sein mit seiner Familie wenn es drei mal am Tag etliche Tabletten zu sich nehmen muss nur gegen die Schmerzen, die dann doch nicht verschwinden.
Kindern werde ich nie durch meine Arbeit helfen, das war schon immer sein Vorsatz aber dieses Kind war am Ende, das wusste er. Seine Augen waren leer, ohne jeden Glanz. Innerlich tot.
Der Helfer stand auf, und stellte sich dem Kind vor. Ein kurzer Moment nur, kann vieles verändern, das wusste er...