Ein längerer Augenblick (nochmal überarbeitet)
Ein längerer Augenblick
Es war ein warmer Tag im August, als das kleine Mädchen mit ihren Eltern zu einem Besuch auf die Rennbahn fuhr.
Das Pferde die schönsten Tiere überhaupt waren, stand für die Kleine schon lange fest und diese Traber waren einfach faszinierend.
Als sie sich endlich von ihren Eltern losreißen konnte, lief sie staunend durch die Ställe.
Nach einer guten Stunde blieb sie an der Boxentür eines schwarzen Pferdes stehen.
Die Stute schaute sie aufmerksam und mit gespitzten Ohren an.
Sehr früh fielen ihr die fein geschnittenen Ohren des Pferdes auf. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass sie noch oft vom Rücken aus, darüber hinwegschauen würde.
Das Mädchen brachte vor Bewunderung kein Wort heraus und strecke vorsichtig die Hand nach dem Kopf der Schwarzen aus.
Die Stute hielt still und schaute sie weiter an.
Das Mädchen entschloss sich, zu ihren Eltern zurückkehren, als das Pferd plötzlich zu wiehern begann.
In diesem Augenblick fing das Mädchen an, sich in die Stute zu verlieben.
So kam es also , dass sie von nun an jeden Sonntag mit ihren Eltern zu diesem Pferd fuhr, um es zu besuchen und einfach nur anzuschauen und zu bewundern.
Ein möglicher Kauf war jedoch wegen den ungeklärten Besitzverhältnissen der Stute und den begrenzten finanziellen Mitteln der Eltern scheinbar ausgeschlossen.
Ein gutes Jahr später lernten sie durch Zufall den rechtmäßigen Besitzer kennen, der beabsichtigte, das Pferd zu verkaufen.
Nach vielen Gesprächen mit ihren Eltern und langen, von Tränen begleiteten Nächten, wurde die Stute schließlich das Pferd des kleinen Mädchens.
Fünf Jahre später schloss die inzwischen Achtzehnjährige den Stall auf und lächelte über das freudige Begrüßungsgewieher ihrer Stute.
„Na, Schwarze? Wie gehts dir heute? Hast du Lust auf einen Ausflug?“ sprach sie das Pferd an.
Sie sattelte die Stute trotz des beginnenden Regens und schwang sich auf ihren Rücken.
Sobald sie auf ihrem Pferd saß, fing sie an, sich ihren Träumereien hinzugeben:
Es regnet.
Warum hat man dann so eine melancholische Stimmung?
Es ist doch nur Wasser, das auf dem Boden prasselt, mal stärker, mal weniger.
Es ist komisch.
IHR macht der Regen nichts aus. Sie nimmt nur den Kopf ein wenig tiefer und geht gelassen weiter. Was denkt Sie?
Ich kann es natürlich nicht wissen, aber erahnen.
Ich liebe sie.
Oder nein, ich habe sie lieb. Was ist der Unterschied?
Viele Leute sagen, dass sie jemanden oder etwas besonders lieben. Stimmt das?
Wer weiß es schon.
Ich nehme an, das weniger als ein Drittel der Leute, die so etwas sagen, es nicht so meinen. Man sagt es einfach nur, um die Bindung zwischen zwei Dingen zu unterstreichen.
Aber lieben sie wirklich?
Oder mögen sie nur?
Wie weit kann Liebe sich steigern?
Der Regen wird ein wenig stärker, aber er prasselt nicht, es ist eher ein angenehmes Tröpfeln.
Ich beobachte sie.
Sie ist aufmerksam; und zufrieden.
Ich sehe es an dem Spiel ihrer Ohren und weiß, dass es nichts gibt, das ich mehr liebe.
Für einen Moment überlege ich.
Liebt sie mich genauso?
Kann sie das überhaupt. Ich denke schon, aber sie wird es anders empfinden.
Wenn sie mich sieht, weiß ich, dass sie sich freut. Vielleicht ist ihre Liebe eine Art gesteigerter Freude.
Sie freut sich auch jetzt, obwohl es regnet.
In diesem Moment bilden wir eine Einheit, zwei Körper, aber eine Seele.
Es ist schwer zu beschreiben.
Wenn man zuviel darüber redet, macht man es kaputt.
Aber wenn man nur denkt, geht nichts verloren. Deshalb denken wir beide lieber, als zu reden. Eigentlich bin ich diejenige von uns beiden, die redet. Sie kann es nicht. Darüber bin ich irgendwie froh, so machen wir nichts kaputt.
Sie freut sich immer noch über den Regen.
Ihr Schritt wird schneller.
Ich werde Ihr ihren Willen lassen. Ihre schönen Ohren spielen und scheinen zu fragen, ob sie schneller laufen darf. Einzig mit meiner Körperhaltung stimme ich zu.
Sie nimmt den Kopf ein Stück höher, trotz des Regens.
Dann galoppiert sie an, aus dem Wald heraus, auf das offene Feld. Ich sitze ruhig auf ihrem Rücken, bewegungslos.
Am Ende des Feldes sieht man einen Regenbogen.
Wir bewegen uns darauf zu, wie immer ohne Worte.
Der harte Kampf für unser Glück hat sich mehr gelohnt, als ich es mir vorstellen konnte. Denn auch, wenn sie nur ein Tier ist, sie gibt mir mehr als viele Menschen, weil sie mich so akzeptiert, wie ich wirklich bin.