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Ein letzter Versuch
Ich mag nicht mehr.
Ich fühle mich allein, enttäuscht. Wieder und wieder.
Fühle mich wie ein Stehaufmännchen, versuchte es doch immer wieder.
Scheiterte und scheiterte. Nicht in Bezug auf etwas. In Bezug auf alles.
War höflich, war nett, war gut gelaunt. Zurück kam Unverständnis, Gleichgültigkeit, Wut.
Angst.
Ein letzter Versuch.
Ich saß auf dem Gang herum und hatte die Augen geschlossen. In meinen Ohren dröhnte Musik in voller Lautstärke. Ich hielt meinen MP3-Player in meinen verschwitzten Händen. Es war so warm heute. Ich schlug die Augen auf. Ein Junge lief an mir vorbei und sah kurz in meine Richtung. Sicher hat er mir unter den Rock geguckt, dachte ich und versuchte reflexartig, denselben mit zwei Fingern etwas nach unten zu ziehen. Hoffnungslos. Warum hatte ich ihn eigentlich angezogen? Weil er grün ist. Ich mochte grün. Sehr sogar. Schon als kleines Mädchen liebte ich diese Farbe. Ich hatte damals einen grünen Frosch, der mit Sand gefüllt war. Er war mein liebstes Kuscheltier gewesen und ich hatte ihn behalten, bis er schließlich völlig in Fetzen und fast leer (der Sand hatte sich in meinem Bett verteilt) den Weg in den Müll gefunden hat.
Ich sah an mir herunter. Auf meinem Knie klebte ein dickes Pflaster; ich war gestern joggen gewesen - das mache ich zweimal die Woche - und hatte mich dabei unglücklicherweise mitten auf dem Fußweg langgelegt. Dauernd passierte mir irgendsowas, ich war einfach zu tolpatschig. Dennoch hatte ich heute ziemlich gute Laune.
Der Rest des Schultages verlief relativ ruhig, ohne große Anstrengungen. Man könnte auch sagen, einfach nur langweilig. Aber besser als ständig Stress zu haben, und schließlich hatte ich diesen ganzen Mist hier bald hinter mir. Auf dem Heimweg hörte ich wieder Musik, diesmal jedoch leise und sanft, den Soundtrack aus einem meiner Lieblingsfilme. Ich blinzelte in die Sonne und atmete tief ein. Ich genoss es. Die Liebe zum Detail ist das, was Glück ausmacht. Das hatte meine Mutter einst zu mir gesagt. Langsam verstand ich, was sie damit meinte. Ich senkte den Blick auf die Straße vor mir und wich geschickt dem Häufchen aus, das ich direkt vor mir erblickte. Das hätte mir auch gerade noch gefehlt, wo ich doch heute Sandalen anhatte! Ich schloss die Haustür auf und lief die Treppen hoch, sechsundsechzig Stufen, mit jedem Schritt drei derer nehmend. Vor der Wohnungstür hörte ich das Telefon klingeln. Ich beeilte mich, den Schlüssel ins Loch zu manövrieren, warf meine Tasche auf den Hocker, der im Flur stand und hastete zum Telefon. Der Anrufer hatte noch nicht aufgegeben.
"Ja, hallo?", meldete ich mich.
"Guten Tag, hier Kittmann von Méredin. Lina, bist du es?", hörte ich eine mir sehr vertraute Stimme antworten. Mein Herz begann wie verrückt in meiner Brust zu pumpen, scheinbar schneller als je zuvor. Bei dieser Frau hatte ich bereits zwei Praktika absolviert und mich nun endlich um eine Ausbildung beworben.
"Ja, ja, Entschuldigung, ich hab vergessen ...", wollte ich mich atemlos erklären. Doch ich wurde unterbrochen.
"Du hast den Ausbildungsplatz. Glückwünsch!" Mein Herz schien stehen zu bleiben. Ich konnte es kaum realisieren. Heute musste mein Glückstag sein - gut, dass ich meinen grünen Rock angezogen hatte.